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Leben lebt

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Heimkehr

 
Ich bin geboren in einem Wäschekorb,
Aufgewachsen in einem kleinen grünen Garten.
Fünf Meter lang, fünf Meter breit –
Mein Sarg wird wohl noch enger sein.
 
 
Kohlrabi, Apfelreis, Radieschen,
Waren meine Lieblingsspeisen.
Das Mädchen, das mich wartete, hieß Berta Jaensch.
In den Johannisbeersträuchern am Gartenrand
Lebten gute Gnomen und böse Echsen.
 
 
Fünfzehn Jahre war ich, da ich von Hause wegging.
Hochtrabend trabte ich zu Roß aus dem Glog'schen Tor.
Dreiunddreißig Jahre bin ich, da ich nach Hause zurückkehre
Auf einem knatternden Motorrad.
 
 
Die alte hölzerne Zugbrücke ist niedergerissen.
Jetzt bezwingen die Oder Eisen und Beton.
Nur der Fluß darunter, er fließt wie vor tausend Jahren
So auch heute.
 
 
Ich gehe durch die Gassen und niemand kennt mich.
Ich trage Knickerbocker und man hält mich
Für einen reisenden Engländer.
An der Schmiede, wo ich als Kind ins lohende Feuer sah,
Bleibe ich stehn und starre in Asche und Ruß.
 
 
Oben auf dem Bergfriedhof bin ich nicht allein.
Hier liegen viele, die ich einst gekannt habe.
Der alte Professor,
Bei dem ich lateinischen Nachhilfeunterricht hatte,
Und mein kleiner Bruder.
 
 
Jetzt stehe ich am Grabmal eines Generals,
Der unter Friedrich dem Großen focht.
Seinen Namen verwitterte das Gestein.
Was wollte er, was konnte er?
Niemand weiß es.
 
 
Er führte in der Schlacht von Kunersdorf
Ein Grenadierregiment – und? –
Schritt mit dem Degen in der Faust voran. – Seine Pflicht. –
Er hatte außer dem preußischen Exerzierreglement
Nie ein Buch gelesen, und war stolz darauf. –
 
 
Wir haben alle Bücher gelesen und keine Schlacht geschlagen.
Es ist eines so wenig wert als das andere.
Einmal werden vor meinem Grab die Leute stehn.
Was wollte er, was konnte er?
Niemand weiß es.
 
 
Hoppla, Bruder, steh auf,
Du hast schon lange genug geschlafen.
Jetzt bin ich an der Reihe.
Da hast du meinen Stock, Esche, Natur, ungebeizt,
Hornspitze.
Geh an meiner Stelle hinunter in die Stadt.
 
 
Es dämmert. Ehe die erste Gaslaterne aufflammt,
Wirst du am Marktplatz sein.
Dort steht die Königl. Preußische Adlerapotheke.
Bringe Vater und Mutter einen Gruß von mir.
 
 
Sag ihnen, ich hätte mich zur ewigen Ruh begeben
Und mich lebendig begraben.
Drei Hände Erde auf mein Grab,
Drei Seufzer, drei Tränen und damit basta.
Bitte, Vater, laß dich in der sachgemäßen Herstellung
Von Dr. A. Henschkes Restitutionsfluid nicht stören.
 

Die Moral ist für den Spatz…

Man soll in keiner Stadt

 
Man soll in keiner Stadt länger bleiben als ein halbes Jahr.
Wenn man weiß, wie sie wurde und war,
Wenn man die Männer hat weinen sehen
Und die Frauen lachen,
Soll man von dannen gehen,
Neue Städte zu bewachen.
 
 
Läßt man Freunde und Geliebte zurück,
Wandert die Stadt mit einem als ein ewiges Glück.
Meine Lippen singen zuweilen
Lieder, die ich in ihr gelernt,
Meine Sohlen eilen
Unter einem Himmel, der auch sie besternt.
 

Früher Morgen in der Friedrichstraße

 
Die ersten Wagen mit den Zeitungsballen
Fahren am Bahnhof Friedrichstraße vor.
Alle Häuser hängen in violettem Flor.
O wilde Welt! Laß mich ins Dunkel fallen!
 
 
Die Mädchen flattern heimwärts: böse Eulen.
Aus Cafes äugen Lampen, gelb verstört.
Ein holder Walzer wird nicht mehr gehört,
Weil schon die Dampfer und Fabriken heulen.
 
 
Da braust der erste Stadtbahnzug ins Loch
Der Bahnhofshalle … Hinter Dächertraufen
Schirrt Phaeton den jungen Tag ins Joch
Und läßt die goldnen Rosse laufen.
 
 
Die Strahlenpeitsche klatscht um unser Ohr.
Des Gottes Blick erglüht uns im Genicke…
Empor zu dir! Empor!
Sonne rollt über die Weidendammer Brücke…
 

Ein Bürger spricht

 
Am Sonntag geh ich gerne ins Cafe.
Ich treffe viele meinesgleichen,
Die sich verträumt die neuste Anekdote reichen –
Und manche Frau im Neglige.
 
 
Sie sitzt zwar meist bei einem eleganten
Betrübten Herrn –
Ich sitz bei meinen Anverwandten
Und streichle sie von fern.
 
 
Ich streichle ihre hold entzäumten Glieder
Und fühle ihr ein wenig auf den Zahn.
Der Ober lächelt freundlich auf mich nieder.
Ein junger Künstler pumpt mich an.
 
 
Bei dem mir angetrauten Fleisch lieg ich dann nachts im Bette
Und denke an mein Portemonnaie.
Wenn ich ihm doch die fünf Mark nicht geliehen hätte!
O süße Frau im Neglige!
 

Proleten

 
Sieben Kinder in der Stube
Und dazu ein Aftermieter,
Hausen wir in feuchter Grube,
Und der blaue Tag – o sieht er
Uns, verbirgt er sein Gesicht.
Gebt uns Licht, gebt uns Licht!
 
 
Büße Weib die Ehe, büße.
Wie wir einst uns selig wähnten –
Sehn wir jetzt nur noch die Füße
Der an uns Vorübergehnden…
Keiner, der mal stehen bliebe…
Gebt uns Liebe, gebt uns Liebe!
 
 
Mancher schläft auf nacktem Brette.
Unsre Älteste, die Katze,
 
 
Schnurrt dafür in einem Bette
Mit dem Mieter, ihrem Schatze.
Die Moral ist für den Spatz…
Gebt uns Platz, gebt uns Platz!
 
 
In dem Sausen der Maschinen,
In dem Fauchen der Fabrik,
Wo sind Berg und Reh und Bienen
Und der Sterne Goldmusik?
Unser Ohr ist längst verstopft…
Hämmer klopft, Hämmer klopft!
 
 
Und so kriechen unsre Tage
Ekle Würmer durch den Keller,
Und wir hungern, und wir klagen
Nie: schon pfeift die Lunge greller;
Schmeißt die Schwindsucht uns in Scherben…
Laßt uns sterben, laßt uns sterben!
 

Altes Straßenmädchen

 
… aber im Frühlingslicht,
Wenn Sonne zu mir spricht,
Steig ich aus meinem Sarg.
Lächle die Straße an.
Ein alter Mann Schenkt mir drei Mark.
 
 
Weil ich ihn herzen darf,
Werde ich wieder scharf –
O! nicht auf ihn! Nein, auf die Welt,
Die mich in Krallen hält,
Und der ich dien.
 

Hamburger Hurenlied

 
Wir Hamburger Mädchen habens fein,
Wir brauchen nicht auf dem Striche sein.
Wir wohnen in schönen Häusern
Wohl bei der Nacht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
 
 
Es kommen Kavaliere, Neger und Matros,
Die werden bei uns ihre Pfundstücke los,
Sie liegen uns am Busen
Wohl bei der Nacht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
 
 
Madam kocht schlechtes Essen, Sami spielt Klavier,
Mit den Kavalieren tanzen wir,
Fließt ein Taler drüber,
Wird er Madam gebracht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
 
 
Eines Tages holt die Sitte uns hinaus,
Und sie sperrt uns in das graue Krankenhaus.
Dann sind wir tot und sterben
Wohl bei der Nacht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
 

Matrosenlied

 
In Algier sind die Mädchen schwarz,
Was macht denn das, mein Kind?
Wenn sie nur sonst an Kopf und Herz
Und, Schatz, das andre weißt du schon,
Auch zu gebrauchen sind.
 
 
Sie sind wie Schokolade schwarz,
Und beißt mal einer an,
So spürt er gleich an Kopf und Herz
Und, Schatz, das andre weißt du schon,
Was so ein Mädchen kann.
 
 
In Hamburg sind die Mädchen weiß
Und auch in Kiel, hurra!
Blau ist das Auge, blond das Haar,
Und, Schatz, das andre weißt du schon,
Grad wie in Afrika.
 

Sie hat an ihrem Liebesmunde…

 
Sie hat an ihrem Liebesmunde
(Verflucht ja!) eine offne Wunde,
Zu Ende ist mit meiner Ruh' es.
Ist das nun Lues?
 
 
Sie sieht entsetzt mich zögernd zweifeln,
Wünscht das Geschwür zu allen Teufeln,
"Ich hab mich heute früh gerissen."
(Wer kann es wissen?)
 
 
"Ich schwör's!" Sie hebt die beiden Hände.
Daß Amor alles glücklich wende!
Sie ist so hübsch. Man ist gefangen.
Es hat noch einmal gut gegangen.
 

Betrachtung

 
Wie schön, nach einer Liebeserfüllung im Bett (wenn man
eins hat) allein zu liegen,
Und müde zu träumen und zu denken, sie wird vielleicht
Kinder kriegen.
Aber ich? Was kann denn mir passieren?
Ich werde höchstens morgen oder übermorgen eine andre
verführen.
Condoms? Sie mangeln mir. Alimente?
Wer aus mir einen roten Heller herausholen könnte!!
Es gibt ein Mädchen, das heißt Grete. Ich soll sie heiraten. Aber da werden sie verdammt vorbeiraten.
Und ob die ganze Welt sich nur aus (unehelichen) Kindern
– vier hab ich schon – von mir zusammenrotte:
Ich liebe sie alle, alle. Der Reihe nach. Augenblicklich
Constanza (Gouvernante), Emma (Büglerin) und eine
verheiratete Spenglermeistersgattin: Charlotte.
 

Balladen zur Zeit
Erster Mai in Zürich (1916)
(für Joseph Halperin)

 
Die Fahnen singen hoch im Überschwang,
Die Pauken knallen dumpfer wie Kanonen,
Da ziehen sie im murmelnden Gesang,
Die in den Kellern feucht wie Schwämme wohnen.
 
 
Die Mäuseohren sind in Furcht gespitzt,
Sie schleppen Nelken in gegornen Händen.
Ein Frauenschoß lockt filzig und verschwitzt,
Und Kinder springen leicht von ihren Lenden.
 
 
Plakate schweben bunt wie Schmetterlinge,
Und dreimal Friede funkelt süß und rot.
Sein Holzbein schwingt ein zahmer Zwerg als Klinge,
Die jedem Schädel mit Vernichtung droht.
 
 
Und viele Herren mit gestreckten Bäuchen
Lächeln verfressen, weil die Sonne scheint.
Blaublumen neigen sich aus den Gesträuchen;
Ein Apfelbaum die rosa Blüten weint.
 
 
Der See trompetet. Und die Berge blasen.
Ein erst Gewitter fällt aus Gottes Hand
Gleich einem goldnen Ball. Wie scheue Hasen
Hoppeln sie bräunlich durch der Städte Land.
 

Vater ist auch dabei

 
Und als sie zogen in den Krieg –
Vater war Maikäfer – Maikäfer flieg –
Da standen am Fenster die zwei,
Vergrämt, verhungert, Mutter und Kind,
Tränen wuschen die Augen blind:
Vater ist auch dabei –
 
 
Der Krieg war zu Ende. Er kam nach Haus.
Er zog die zerlumpte Montur sich aus.
Am Fenster standen die zwei:
"Geh nicht auf die Straße!" "Ich muß, ich muß –"
Und Schuß auf Schuß! Hie Spartakus!
Vater ist auch dabei!
 
 
Vorbei der Traum der Revolution;
Wenn früh die Kolonnen ziehn zur Fron,
Stehen am Fenster die zwei:
Es zieht ein Zug von Hunger und Leid
In Ewigkeit – in die Ewigkeit –
Vater ist auch dabei.
 

Der Friede

 
Der Friede stürzt ins Land
Gleich einem Schaf, von Wölfen angerissen.
Er trägt ein grau Gewand,
Zerflattert und zersplissen.
 
 
Sein Antlitz ist zerfressen,
Sein Auge ohne Glanz.
Er hat vergessen
Den eignen Namen ganz.
 
 
Gleich einem alten Kind
(Gealtert früh in Harmen)
Steht er im Abendwind
Und bettelt um Erbarmen.
 
 
Es glänzt sein blondes Haar,
Der Sonne doch ein Teilchen.
Er bietet lächelnd dar
Ein welkes Herz und welke Veilchen.
 

Berliner Weihnacht 1918

 
Am Kurfürstendamm da hocken zusamm
Die Leute von heute mit großem Tamtam.
Brillanten mit Tanten, ein Frack mit was drin,
Ein Nerzpelz, ein Steinherz, ein Doppelkinn.
Perlen perlen, es perlt der Champagner.
Kokotten spotten: Wer will, der kann ja
Fünf Braune für mich auf das Tischtuch zählen…
Na, Schieber, mein Lieber? – Nee, uns kanns nich fehlen,
Und wenn Millionen vor Hunger krepieren:
Wir wolln uns mal wieder amüsieren.
 
 
Am Wedding ists totenstill und dunkel.
Keines Baumes Gefunkel, keines Traumes Gefunkel.
Keine Kohle, kein Licht … im Zimmereck
Liegt der Mann besoffen im Dreck.
Kein Geld – keine Welt, kein Held zum lieben …
Von sieben Kindern sind zwei geblieben,
Ohne Hemd auf der Streu, rachitisch und böse.
Sie hungern – und fräßen ihr eignes Gekröse.
Zwei magre Nutten im Haustor frieren:
Wir wolln uns mal wieder amüsieren.
 
 
Es schneit, es stürmt. Eine Stimme schreit: Halt …
Über die Dächer türmt eine dunkle Gestalt …
Die Blicke brennen, mit letzter Kraft
Umspannt die Hand einen Fahnenschaft.
Die Fahne vom neunten November, bedreckt,
Er ist der letzte, der sie noch reckt …
Zivilisten … Soldaten … tach tach tach …
Salvenfeuer … ein Fall vom Dach …
Die deutsche Revolution ist tot …
Der weiße Schnee färbt sich blutrot …
Die Gaslaternen flackern und stieren …
Wir wolln uns mal wieder amüsieren …
 

Verse aus dem Gefängnis
Militärgefängnis Nürnberg, April 1919

 
Nun wird es wieder dunkel.
Kein Stern tritt mit Gefunkel
In meine Zelle ein.
Die Wände schier erblassen,
Und grüne Hände fassen
Nach mir wie zum Gespensterreihn.
 
 
Wie wird es morgen werden?
Kein Himmel hier auf Erden.
Die Nacht so sanfte Wellen schlägt.
Ich sinke wie verloren,
Umhüllt von schwarzen Floren,
In einen Fluß, der mich von dannen trägt.
 

Hört, Hört!

Genio loci

 
Die Erde brennt. Die Erde brennt.
In Weimar tagt das Parlament.
 
 
In Deutschland geht es drüber, drunter.
In Weimar ist man leidlich munter.
 
 
Es lächelt freundlich Scheidemann
Zu allgemeiner Freude. Dann
 
 
Erhebt sich eine Exzellenze:
Die Welt sei böse, sagt se, fänd se.
 
 
Derweilen stärkt im Vestibül
Sich das monarchische Gefühl.
 
 
Die höchste Weisheit hier auf Erden:
Nur immer sachte! wird schon werden!
 
 
Jedoch von wegen neuem Geiste,
Da hapert es, vastehste, weißte.
 
 
Den ältsten Wein in ältste Schläuche:
Sind Nationalversammlungsbräuche.
 
 
Der alte Reichstag ist erwacht.
Prost Mahlzeit! Michel, gute Nacht!
 
 
Es steigt die Flut, es brennt die Flamm.
In Weimar hocken sie zusamm.
 
 
Hier steht der Mensch auf Quasseln an.
Nicht drängeln! Es kommt jeder ran!
 
 
Weiß man, wohin der Haase läuft?
Der Strom der Rede trieft und träuft.
 
 
Noch immer fühlt sich Vater Naumann
Als mitteleuropä'scher Baumann.
 
 
Die teutschen Männerherzen kollern:
Zum Teufel jagten wir die Zollern
 
 
Und setzten dann an unsre Spitze
Den dicken Papa Ebert (Fritze).
 
 
Derselbe sitzt nun auf dem Thron.
Es folgt ihm bald der Ebert Sohn.
 
 
Der Ebert Sohn, der Davidsohn,
Es wird schon werden, hat ihm schon.
 
 
Nur, bitte, immer reinspaziert:
Das alte Stück wird vorgeführt!
 
 
Tja, auch verschiedne schwere Jungen
Der Industrie sind eingesprungen.
 
 
Es tät uns wirklich sehr verschnuppen,
Gäb's keinen Hintermann für Kruppen.
 
 
Wo blieb die Glorie des Gewinnes,
Gäb's keinen Vordermann für Stinnes?
 
 
Auch mancher edle Junkerbowke
Erschien aufs neue: Posadowke.
 
 
(Der Oldenburger Janusschaute
Bewies in Rixdorf seine Traute;
 
 
Denn er empfahl beim Bund der Landwirt
Sich als der neue Hofer, Sandwirt.
 
 
Auch hat er dem von Amerongen
Ein zartes Tirili gesongen …)
 
 
So manche hold bebrillte Schöne
Riskiert, vastehste, starke Töne.
 
 
Sie streicht sich über ihre Flechte:
Die Frauen haben gleiche Rechte.
 
 
Der Beifall braust. Die Fenster zittern.
Und man genehmigt einen Bittern.
 
 
Doch haben sie, spricht sie mit schlichten
Gebärden, teils auch andre Pflichten.
 
 
Sind sie gewillt, das Licht zu suchen
Der neuen Morgenröte? Kuchen!
 
 
Sind sie befähigt, unsre Qualzeit
Zu mindern und zu lindern? Mahlzeit!
 
 
Sie üben sich im Zeitvertreibe.
Begriffen sie die Zeit? Ja, Scheibe!
 
 
Ob Strese, Scheide, Nau begann:
Nicht einer zeigte sich als Mann.
 
 
Ja, selbst der Unabhänge Henke
Beschwert sich über die Menkenke.
 
 
Man stimmt die Flöte, schlägt die Pauke
Zum allerältesten Klamauke.
 
 
Wo aber bäumt sich zum Exempel
Ein Revolutionär im Tempel?
 
 
Wo sind die Foerster, Eisner, Schlieben,
Landauer und Mühlon geblieben?
 
 
Ach, wenn es jene drei nicht gäbe:
Das Wissel, Noske und den Loebe!
 
 
Für die Eroberung von Mossen
Hat Noske Ruhm und Ehr genossen.
 
 
Und auch am Alexanderplatze
Erwies sich seine Feldherrntatze
 
 
Als Held von echtem Schrot und Korn
Ist ihm das eisern Kreuz geworn. –
 
 
Bedient sich Spartakus der Presse,
Kriegt er sofort eins in die Fresse.
 
 
Doch ist man freudig hochgestimmt,
Wenn Noske sich die "Freiheit" nimmt.
 
 
Er lenkt in eigener Person
Aktionen gegen die "Aktion".
 
 
Und trampelt mit den Stiebeln bieder
Die "Republik" zu Boden nieder.
 
 
Aus mancher Zeitung zwitschert jetzt
Ein stetes liebliches: besetzt!
 
 
Schon ziehn die roten Rotten durch
Schönweide und Charlottenburch.
 
 
Man munkelt, daß die Spartakisten
Sich von gesottnen Frauenbrüsten,
 
 
Von Kinderblut und –eisbein nähren.
(In Weimar lebt man von Chimären.)
 
 
Auch wird, wer einen Kragen trägt,
So sacht beiseite umgelegt.
 
 
Er hat noch einen Schuh? Auf Ehr,
Das ist ein Multimillionär.
 
 
Es sagt sich jeder Straßenwandrer:
Wenn ich's nicht klau, so klaut's ein andrer.
 
 
Man schaudert als Expropriater
Zurück nicht vor dem eignen Vater.
 
 
Was Onkel, Tante oder Bruder!
Wie spät? Zeig her die Uhr, du Luder!
 
 
Damit du weißt, wieviel's geschlagen,
Sei dir der Schädel eingeschlagen.
 
 
Denn es beschäftigt sich der Mob
Nicht mit Vielleicht und mit Als ob
 
 
Man ist bei ihm, wie einst bei Blücher,
Ganz sicher aufgehoben, ja: totsicher. –
 
 
(Für den Bericht kriegt die Journaille
Die hohenzollernsche Medaille.) –
 
 
Solln wieder von den alten Pferden
Wir in den Dreck gezogen werden?
 
 
Wir haben's satt, das graue Kleid,
Das man aus unsern Häuten schneid't.
 
 
Nicht eher wird es Frieden geben,
Als bis sie sich von dannen heben:
 
 
Die Zahlenkünstler und Banditen. –
Empor, du neue Welt der Mythen!!
 
 
(Ob Weimar oder ob Versailles:
Es ist die gleiche grande canaille. –)