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Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde

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Gustav Meyrink (geboren 1868 in Wien) schüttet ein Wunderhorn ergötzlicher und boshafter Trivialitäten, ältestes und neuestes Gerümpel, über den deutschen Spießer aus, der mit einem leeren Hirn aufdrapiert wie ein Pfingstochse in seinen Geschichten umherwandelt und »Muh« und »Bäh« sagt. Von Meyrinks großen Romanen, die allerlei kabbalistische und mystische Weltanschauung propagieren, ist der »Golem« nennenswert. Peter Altenberg (1859–1918, aus Wien) gewinnt seine amüsante Weltanschauung vom Café Fensterguckerl aus. Hermann Bahr (geboren 1863 in Linz) hat vom Naturalismus bis zum Expressionismus und Katholizismus so ziemlich alle Klassen der Literaturgeschichte absolviert und ist überall mit der Note 2–3 versetzt worden. Artur Schnitzler (geboren 1862), Dramatiker und Romanzier, schrieb zwei vollendete Novellen »Leutnant Gustl« und »Casanovas Heimkehr«. Des Kurländer Grafen E. Keyserling (1858–1918) Erzählungen beglücken schmerzlich wie im Frühherbst die bunten fallenden Blätter. Über Hermann Hesses (geboren 1877 in Calw) Prosadichtungen der ersten Periode könnte als Motto der Vers eines Volksliedes stehen, mit dem er selbst eines seiner Bücher betitelt: »Schön ist die Jugend«. Seine rührendste Figur: der arme und doch so reiche Landstreicher Knulp. Mit vierzig Jahren überwand und übertraf er sich selbst in den farbigen und feurigen Zeugnissen einer zweiten Jugend: »Demian«, Weg und Wesen deutscher Seele entschleiernd, und der herrlichen Novelle »Klein und Wagner«. Wilhelm Schäfer (geboren 1868 in Ottrau) schuf sich in seinen »Anekdoten« eine eigene Novellenform in Anlehnung an mittelalterliche deutsche und italienische Meister. Sie gehören zu den besten Leistungen der deutschen Prosa der Gegenwart, die in Jakob Wassermanns (geboren 1873 in Fürth) Romanen »Das Gänsemännchen« und »Kaspar Hauser« einen ihrer Meister fand. Eine reiche Fülle lebendigster Gestalten, eine ganze große und kleine Welt wird aus der Tiefe ans Licht gehoben. Die Prosa der jüngsten Generation, mit Kasimir Edschmid (geboren 1890) und Alfred Döblin beginnend, vermag diesen Leistungen Gleichwertiges an die Seite zu setzen. Edschmids Novellen sind wie in einem Treibhaus gezüchtete Blumen: bizarr, geistreich, gekünstelt, voll wilder, aromatischer, zuweilen peinlicher Düfte. Sein Roman: ein tiefer Abstieg. Alfred Döblin beschwört den Schatten Wallensteins und in den »Drei Sprüngen des Wang-lun« einen edlen Rebellen der Schwäche in der Landschaft eines erträumten China. Der schlesische Russe Arnold Ulitz türmt den »Ararat«. Klabund (geboren 1891 in Crossen a. O.) versuchte im »Moreau« den Roman eines Soldaten, im »Mohammed« den Roman eines Propheten, im »Bracke« den gotischen Roman eines Eulenspiegel zu gestalten. Der »Dreiklang« enthält das Wesentlichste seiner Lyrik. Leonhard Franks (geboren 1882 in Würzburg) »Ursache« ist in Dichtung umgesetzte Freudsche Psychologie. Andreas Latzkos (geb. 1876 in Budapest) Bücher (»Menschen im Krieg«) und Leonhard Franks »Der Mensch ist gut« haben ihr Bestes geleistet in der Revolutionierung der Seelen, an welcher aber kritische Geister wie Karl Kraus (geboren 1874 in Gitschin) und Franz Pfemfert (geboren 1877 in Lötzen) seit Jahren schon viel tieferen Anteil hatten mit »Fackel« und »Aktion«. Jene sind zeitgeschichtlich von großer Bedeutung. Ihr dichterischer Wert ist weit geringer. Der Mensch ist nicht gut, sondern er will gut werden. Das Moment der Entwicklung ist das Entscheidende. Schon Herzeloide erzog ihren Sohn Parsival in der Waldeseinsamkeit, damit er vor dem Welt- und Kriegsgetümmel bewahrt sei. Aber alle Abgeschlossenheit half nichts. Ein jeder trägt ja den Feind in der eigenen Brust. Gegen ihn heißt's kämpfen. Man muß sich selbst aufs Haupt schlagen. Gott und du: das sollen nur Synonyme sein. Epitheta ornantia des einen. Du mußt den Heimweg finden: heim zu dir. Auf diesem Heimweg durch die Dunkelheit stehen die Dichter an den Meilensteinen wie Fackelträger. Von Fackel zu Fackel tastest du dich vorwärts: zum Morgenrot, bis Gottes Herz einst über den Bergen aufgeht. Menschen- und Gottesauge werden ineinander trinken und wird nur ein Licht und eine Liebe sein.

Die Vorläufer des lyrischen Expressionismus sind Otto zur Linde (geb. 1873 in Essen) und die Charontiker, die sich um ihn sammelten. Er schon stellte die These von der ekstatischen Unmittelbarkeit auf, blieb aber praktisch im Assoziativen stecken. Walter Calé (aus Berlin, 1881–1904) starb allzufrüh. Max Dauthendey (aus Würzburg, 1867–1918) sang inbrünstige Lust- und Liebeslieder. Sein heißes Blut trieb ihn in die Tropen, aus denen er exotische Novellen heimbrachte. Des Wilhelm von Scholz (aus Berlin, geb. 1874) Verse spiegeln sich wie Nymphen gern in dunklen Teichen, vom Walde überwuchert. Alfred Kerr (geb. 1867 in Breslau), als Kritiker ein Dichter, als Dichter ein Kritiker, hat einer ganzen lyrischen Generation das Gehen, die ersten Schritte beigebracht. Der dämonische Naturbursche Georg Heym (aus Hirschberg, 1887–1912) machte dann mit der neuen Dichtung ernst. Er krempelte sich dazu die Hemdsärmel auf: wie ein Riese schritt er über die Dächer und zwischen den Straßen Berlins, und allesdies: Mensch, Trambahn, Mond, Spelunkenspuk war ihm wie Riesenspielzeug, die Stadt wurde ihm zur Landschaft, Berg wurde Haus. Er ertrank beim Eislauf, vierundzwanzigjährig, im Müggelsee. Das Grabgeleite gaben ihm Scharen »fortgeschrittener Lyriker«. Als Georg Heym in den Fluten versunken war, stieg aus den im Frühling getauten Wogen wie ein junger Meergott, prustend, dampfend in der Sonne, schreiend vor Lust am Licht: Franz Werfel (geboren in Prag 1890). Er verkündigte das Evangelium des schönen strahlenden Menschen, der jedem Wesen, auch dem ärmsten, brüderlich zugewandt. Gewaltig schwingt sein religiöses Pathos. Er will einer der Propheten des neuen Bundes sein: des Bundes aller wahrhaft Menschlichen. Er kniet nieder, unsagbar demütig und bußwillig, mit Unkraut noch und Schlamm fühlt er sein Herz erfüllt. Erst nachdem er sich selbst gerichtet, wächst er zum Richter der Menschheit. Er sank hin, er kniete hin, er weinte. Er lauschte, er horchte, er hörte, er diente. Nun schuf er, nun trägt er, nun hält er wie Christophorus die Erdkugel. Erst sah er die Welt – und siehe, sie war schön –, da wurde er der Weltfreund. Dann sah er sich, und siehe, er war häßlich. Aber er war. Da nahm er sein Sein und trug es zu den anderen. Drei Reiche durchwanderte er. Er wird in das vierte gelangen, das sie alle drei umfaßt: das Reich der glückseligen Gerechtigkeit, der Reinheit und Einheit. Er wird über sich selbst »Gerichtstag« halten. Dann wird sein kriegerisches Wesen sich beruhigend lösen. Er wird zerrinnen und eine Welle sein, gekräuselt, entführt und gespült ins Meer der Vollkommenheit und der Vollendung.

 
Erst wenn ein Mensch zerging
In jedem Tier und Ding,
Zu lieben er anfing.
 

Im Gefolge Werfels, des Propheten der Bruderliebe, wandeln unzählige junge Lyriker, weniger von der bronzenen Glocke seiner lyrischen Form angetönt (er ist reinste Musik, Oboe, Flöte: sie sind meist nur Schellenträger und Trommler), als von seinem Pathos bezwungen. In der Form wenden sich viele mehr der Imitation des großen Amerikaners Walt Whitman zu, seinen breiten rollenden Rhythmen, die brausen wie die Wogen des Atlantischen Ozeans. Walt Whitman sang von seinem Buch: Camerado, dies ist kein Buch – wer dies anrührt, rührt einen Menschen an! Dieses Motto sähen die jungen Dichter gern über alle ihre Bücher: ihre Dramen, Verse, romantischen Romane gesetzt. Sie wollen vor allem Menschen sein. Und Menschen sein. Wir sind! Wir sind! jubeln sie emphatisch mit Werfel. Die Ekstase ist ein Kennzeichen ihres Wollens. Von ihr sind die Formen so zerrissen, zerhackt, im Winde flatternd. Oft opfern sie das Dichterische auf Kosten des Moralischen. Ihre Empfindung ist vielfach keine individuelle mehr: ihr Erlebnis ist schon zum Kollektiverlebnis geworden. Sie dichten nicht mehr – sondern der Stil dichtet für sie. – Einen elegischen Nebensproß Werfels trieb Österreich in Georg Trakl aus Salzburg (1887–1914), dem Dichter der sanften Schwermut, des süßen Verzichtes, des violetten Unterganges, dem Hölderlin unserer Zeit. Alle Gedichte Trakls sind herbstliche Landschaften. Immer tönen leise im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes. In Gottfried Benns (aus Mohrin, geb. 1885) Gedichten ist dies Ereignis geworden: Hirn wurde Herz, Geist wurde Fleisch. Benn steht für sich selbst und auf sich selbst: kein Werfel-, kein Whitmanjünger: ein Benn. Auch in seinen Novellen. Johannes R. Becher (geb. 1890) ruft in seinen Gedichten »An Europa« zur »Verbrüderung«. Es finden sich wundervolle einzelne Verse in seinen Büchern, die der sozialistischen Revolution dienen wollen, aber kaum ein vollendetes Gedicht. Der Wille zur These überschreit den Willen zur Form. Eine krampfhaft geschaffene neue Syntax ist noch keine neue Kunstform. Albert Ehrenstein (geb. in Wien 1886) schleudert seine Flüche gegen die »rote Zeit«. Europa wird zum Barbarossa. Ein griechisch gerichteter Geist zersprengt sich selbst und seine Form in Haßgesängen. Sein Reifstes bleibt die österreichische Novelle Tubutsch: voll ironischer Melancholie. Die Arbeiterdichter Barthel (geb. 1884) und Bröger machen Ansätze zu einer neuen Volkslyrik, der Jakob Kneip in seinen Legenden am nächsten kommt. Es darf nicht verkannt werden: auch hier ist ein Weg. Das deutsche Lied, die deutsche Legende, das deutsche Märchen werden wieder einmal auferstehen. Der Expressionismus wird verwesen. Eine neue Romantik, eine neue Klassik dämmern empor. Ganz in der Tradition der klassischen deutschen Lyrik wandeln der Ostpreuße Albrecht Schaeffer (geb. 1885) – auf dessen Romanwerk Helianth auch hingewiesen sei – und der Schwabe Bruno Frank (geb. 1887 in Stuttgart), der das Erbe Mörikes in guter junger Hand hält. Friedrich Schnack steht mit flammendem Edelsteinsäbel als lyrischer Wächter am Eingang zum kommenden Reich.

 

Der junge Mensch zwischen 1911 und 1918 war Krieger und Revolutionär, Expressionist und Bolschewist. Er ging in den Krieg als Revolutionär und in die Revolution als Krieger. Er fiel von einem Extrem ins andere: aus der Ekstase in die Verzweiflung, und umgekehrt. Er liebte allzu vage die Menschheit, ohne noch recht vom Menschen zu wissen. Er ist weitsichtig: aber in der Nähe vermag er nichts zu sehen. Er will alles – und erreicht nichts. Er ist immer geneigt, zu typisieren, zu schematisieren – ganz wie die verachteten Wissenschaftler. Es ist eine dunkle, heilige Ahnung des Kommenden in ihm. Aber in der Gegenwart stolpert er unbeholfen daher. Er sagt zehnmal nein, ehe er einmal ja sagt. Er schlägt der herrschenden Klasse, wie der Zeichner George Groß, in die Fratze, aber wenn er zur Herrschaft gelangt, weiß er auch keine anderen Mittel als die der anderen: Terror und Maschinengewehre, die Diktatur. Bitterlich, der den Bräutigam von Marie ermordet und Ruths Bruder in den Tod treibt, (in Kornfelds Verführung) ist er nicht ein Terrorist? Versucht er nicht, mit Gewalt die Welt zu ändern? Ich glaube nicht an die dauernde Überzeugungskraft brutaler Gewalt, von welcher Seite immer sie sich äußern mag. Wer hat die Welt dauernd verändert? Ein Karl der Große? Ein Napoleon? Ein Bismarck? Der chinesische Denker Laotse sagt einmal: »Das Zarteste überwindet das Härteste.« Wir wollen, symbolisch gesprochen, keine Boxer werden wie die Angelsachsen und jedem gleich die Faust ins Gesicht pflanzen. Unsere Schwäche wird eines Tages unsere Stärke sein. Wir müssen Dschiu-Dschitsu lernen: nicht den starren Angriff, sondern die elastische Verteidigung.

Revolutionen, geistige und materielle, schießen über das Ziel hinaus –, um nur etwas zu erreichen. Der Expressionismus wird einer neuen Romantik und Klassik den Weg bereiten wie der Kommunismus einem neuen Gemeinschaftsgefühl.

Die Sehnsucht nach Erlösung blüht in den kommenden Generationen wild auf. Wir wollen erlöst werden – von der Lüge. Denn alle Erlösung ist nur ein plötzliches Erblicken der Wahrheit. Die Lüge hat ihr Gorgohaupt in den letzten Jahren vor dem Kriege und im Kriege selbst widerlich erhoben. Aber wenige vermochten sie zu erkennen. Denn sie war geschminkt wie eine Hure und mit schönen Kleidern angetan und mit Steinen behängt. Das Bild der Welt war, wie es die mittelalterlichen Darstellungen zeigen: eine Frau, von vorn reizend und wohlgestalt anzusehen – aber hinten im offenen Rücken voll Schlangengezücht und Dreck und Eiter. Mammonismus, Militarismus, Materialismus: unter diesen drei Flammenzeichen focht der deutsche Gott, der Alliierte von Roßbach – und unterlag.

Wir sind nicht auf der Welt, um unglücklich zu sein. Dieser gram- und grauenvolle Krieg, in dem wir lebten und starben, könnte vorübergehend einen Märtyrerstandpunkt schaffen: als sei es über alle Maßen edel und tapfer und weise und natürlich und dieses Lebens letztes Ziel, zu leiden. Gerechtigkeit! Tu von den Augen die Binde und sieh die Erde: blühen nicht Blumen, rote und blaue und goldene, zu deinen Füßen? Glüht nicht das ewige Licht, die Sonne, um deine Stirn wie ein Heiligenschein? Taumeln nicht Pfauenauge und Zitronenfalter schräg durch den schreitenden Abend? Pferde springen elegant durch die Straßen. Wilde Katzen liegen zahm auf den bestrahlten Mauern unserer Gefängnisse. Und an florentinischer Brücke tritt, die Augen schön gesenkt, Beatrice dem liebenden Dichter entgegen. Sein Herzschlag stockt. Er, der erfahren viel und viel erduldet, weiß: Glück ist das Ziel der Menschheit. Macht die Menschen glücklich, und ihr werdet sie besser machen. Öffnet ihnen die Augen über den Himmel, die Tiere, die Frauen. Und weist ihnen alles dies: gestaltet und erhoben, beseligt und erlöst: in der Kunst, in der Dichtung. Noch regiert, obschon Friede geschlossen ist, Mars die Stunde, die Minute, die Sekunde. Noch herrscht der Krieg als Prinzip. Besiegt ihn, ihr Dichter, kraft eures Wortes, das wirklicher ist als manche schnell getane Tat. Besiegt ihn durch eure Waffenlosigkeit, durch die Inbrunst eurer Herzen!

 
Ihr Weiser und Verweser unseres Schönen,
Laßt euch vom Waffenrausch nicht übertönen.
O sorgt, daß unser Blut nicht rot erstarrt
Und seid uns Dom und ewige Gegenwart!
Du Günther, brauner Packan, bissig bellend,
Du Hölderlin, die sanften Pfeile schnellend,
Du Mörike, verträumte Pfarrhauslinde,
Du Eichendorff, voll grüner Birkenwinde,
Du Heine, deutscher Jude, geistig handelnd,
Du Conrad Ferdinand, auf Rhythmen wandelnd,
Du Platen, im unsterblichsten Sonette,
Du Nietzsche, deutscher Pole, Glockenkette,
Und du, o ewige Früh- und Abendröte:
Du Turm, du Sturm, du erster Mensch, du: Goethe!
 
(Klabund.)

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