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Borgia

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XXXIV

Mein Söhnchen, sagte Alexander, der nach Rom zurückgekehrt war, zu Cesare, wir haben jetzt, nachdem wir diesen Karl VIII. und diesen närrischen Dominikaner Fra Girolamo los sind, Zeit, uns ein wenig mit unsern inneren Feinden, den Baronen der Romagna, den Orsini und Colonna, zu beschäftigen. Juan, der Herzog von Gandia, mein geliebter Sohn und Generalkapitän des Kirchenstaates, wird den Oberbefehl gegen die unbotmäßigen Ritter übernehmen. Erteile ihm deinen Segen als Bruder und Kardinal!

Cesare verließ wortlos das Zimmer.

Juan zog ins Feld und erlebte eine klägliche Niederlage gegen die Orsini, die alle ihre Burgen behaupteten.

Die Vanozza gab in ihrem Weinberg in Vincoli bei Sankt Peter ein kleines Fest zur Feier der Weinlese und der Belehnung des Herzogs von Gandia mit den Besitzungen Benevent und Terracina.

Der Papst war erschienen, es kamen Lucrezia, Juan, Gioffredos schöne Gattin Sancia, Cesare Borgia und einige römische Adlige aus dem Bekanntenkreis der Borgia.

Auch waren zur Erheiterung der Tafel einige Affen, Spaßmacher und Freßkünstler zugezogen. Einer von ihnen begann sein Mahl mit dreißig hartgekochten Eiern, um ihnen sofort eine ganze Salamiwurst folgen zu lassen, um die er sich mit einem Affen balgen mußte.

Der Mönch und Narr Arlotto erzählte unzüchtige Witze. Zum Beispiel behauptete er, dessen Geilheit bekannt war, daß der Papst und er mit dem gleichen Mittel zu siegen verstünden. Der Papst fragte belustigt, womit? Mit dem Bullensiegel! Aber er nehme es auch mit Demosthenes auf. Worin? – Mit der Zunge. Juan fiel vor Lachen hintenüber.

Lucrezia vergnügte sich damit, Trauben von den Stöcken zu reißen und die Beeren den Gästen einzeln in den Mund zu werfen.

Der Papst lachte und hustete, er hatte sich an einer Beere verschluckt.

Cesare biß die Lippen zusammen, die Beeren fielen zur Erde.

Sancia sah ihn von der Seite an.

Juan schnappte äußerst geschickt.

Er brachte es auf dreizehn Beeren und wurde von Lucrezia zum Sieger im ‚Beerenwurf‘ erklärt.

Später sang sie spanische Lieder und tanzte die Tarantella. Zärtlich folgte der Papst jeder ihrer graziösen Bewegungen.

Um Mitternacht brach man auf.

Der Papst und Lucrezia ritten mit Fackelreitern und Bedienten in einer Kompagnie.

Cesare und Juan, der Herzog von Gandia, bildeten den zweiten Trupp.

Beim Palast des Ascanio Sforza trennte sich Juan mit einem fröhlichen Addio von seinen Kameraden, um einem kleinen Abenteuer nachzugehen.

Er wurde am nächsten Tag, dicht beim Ausfluß der Hauptkloake, aus dem Tiber gefischt.

Sein aufgeschwollener Leib zeigte einen Dolchstich mitten überm Herzen.

Der Papst schloß sich in sein Zimmer ein, und hier, wo ihn niemand sah, ließ er seinen Tränen freien Lauf.

Er weinte zum erstenmal in seinem Leben. Juan Borgia, der Generalkapitän der Kirche, der zukünftige König von Neapel, von ganz Italien – ausgelöscht wie eine Fackel im Sande.

Ich will Buße tun, schrie er, Herr, ich bereue tief mein vermaledeites Leben. Geuß einmal noch deine Gnade über mich. Ich will deine geliebte Kirche reformieren, ich selbst. Ich will…

Er aß, trank und schlief drei Tage nicht, fieberte und meditierte.

Am vierten Tage besuchte ihn Cesare.

Der Papst fuhr ihn bissig an wie eine Dogge:

Wer hat den Herzog von Gandia getötet?

Cesare antwortete nicht.

Wer hat Juan Borgia erdolcht und in den Tiber gestürzt?

Cesare antwortete mit einer Gegenfrage:

Wer hat mich zum geistlichen Beruf gezwungen, obwohl ich der ältere war und zu weltlicher Würde wohl berufener als er, der sich im Feldzug gegen die Orsini mit Schande und Lächerlichkeit bedeckt hat? Und wer hat mich zum Kardinal gemacht, obwohl mir der Kardinalshut nicht besser paßt als eine Nachtmütze? Wer will etwas aus mir machen, was ich nicht bin?

Alexander trat auf ihn zu und legte ihm beide Hände schwer auf die Schultern.

Er wollte sie niederdrücken, aber es gelang ihm nicht.

Der schmale, schlanke Mensch stand unverrückbar.

Der Papst seufzte:

Was soll ich nun mit dir machen, he?

Cesare zuckte die Achseln:

Willst du mir in die Suppe spucken? Der Speichel der Borgia ist schon Gift genug. Du brauchst die Cantarella nicht bemühen.

Alexander ging schweigend hin und her. Nach zehn Minuten machte er wieder vor Cesare halt.

Man bereitet mir die größten Unannehmlichkeiten. Der Tod des poveretto Giovanni macht alle meine Pläne zuschanden.

Cesare sagte ruhig:

Mach neue Pläne.

Alexander schrie auf:

Ich habe ihn geliebt. Weißt du das?

Cesare:

Er ist tot. Gott hab ihn selig.

Er schlug das Kreuz.

Der Papst schlug ihm die Hand herunter.

Cesare fuhr fort:

Er ist tot. Ich lebe. Wirf die Liebe, die du für ihn hattest, zu der Liebe, die du für mich hast. Dann bin ich beglückt. Liebe mich! Vater!

Alexanders Antlitz hellte sich auf:

Zum erstenmal sagst du Vater zu mir. Komm an meine Brust. Sohn! Sohn!

Der Papst gestattete dem Kardinal Cesare Borgia, der die ordentlichen Weihen der Priesterschaft ja nie empfangen, den Kardinalspurpur abzulegen.

Cesare warf den Kardinalsmantel aus dem Fenster auf die Straße, wo der Pöbel sich um ihn zu raufen begann. Im Nu war der Mantel in tausend Stücke zerrissen. Sie zerrissen den Mantel und meinten den, der ihn getragen.

XXXV

Um die Vanozza bekümmerte sich der Papst in Zukunft nicht mehr.

Sie hatte ihm, wie es ihre Pflicht war, Borgias geschenkt und damit ihre Mission erfüllt.

Als er eines Tages erfuhr, sie sei schwer an Malaria erkrankt, schickte er ihr seinen Leibarzt Torella.

Der gab ihr eine Spritze, die zur Folge hatte, daß sie in einen tiefen Dauerschlaf versank. Sie schlief dreizehn Jahre, bis zu ihrem Tode. Und erwachte nur jeden Tag und jede Nacht für ein paar Minuten, in denen sie nur halb bei Besinnung war.

Sie verlernte ganz die Sprache und konnte sich schließlich nur noch auf ein Wort besinnen:

Borgia.

Der Papst schwenkte ein Pergament in der Hand.

Trionfo, Borgia! Der neue König von Frankreich bittet mich, seine erste Ehe zu scheiden und ihm die Eingehung einer zweiten zu gestatten! Ich habe zugesagt – unter einer Bedingung —

Cesare:

Spanne mich nicht auf die Folter.

Alexander:

Das haben wir bereits mit diesem Savonarola getan. Scherz beiseite, Cesare: unter der Bedingung, daß du eine französische Prinzessin zur Gattin erhältst.

Cesare knirschte vor Freude mit den Zähnen:

Und er hat zugesagt?

Der Papst jubelte:

Ja! Er schlägt Charlotte d‘Albret, die Schwester des Königs von Navarra, vor. – Kindchen, Söhnchen, fuhr Alexander Borgia fort, du mußt in Frankreich nobel auftreten. Wir brauchen für dich Gespanne, Reisewagen, Pagen, Läufer, Reiter, Samt, Seide, Gold, Brokat, Perlen in Hülle und Fülle!

Und woher nehmen wir das, was in summa zwei- bis drei-hunderttausend Golddukaten betragen dürfte? lächelte bescheiden Cesare.

Söhnchen, Kindchen, der Papst tätschelte zärtlich seine Wange, du mußt etwas gegen deine Sommersprossen tun, sie entstellen nur dein hübsches Gesicht, ja – was ich sagen wollte —, es sind einige reiche, der Ketzerei verdächtige Personen, wie beispielsweise Pedro de Aranda, Bischof von Calahorro – wenn wir ihnen keinen Prozeß machen, werden sie gern und willig ein Sümmchen zahlen. Und wozu sind die Juden da? Wir verurteilen sie wegen gottlosen Wuchers zu schweren Gefängnisstrafen, die sie dann mit Geld ablösen können. Beruhige dich, Söhnchen, die zweihunderttausend Taler haben wir in einer Woche zusammen. Ich werde übrigens auch eine Borgiabank errichten. Eine Bank, wo man gegen feste Taxen Ablaß erhält. Mord kostet, sagen wir, fünfhundert Dukaten, Diebstahl, Unterschlagung und bis zu Kindsabtreibungen und Verleumdungen entsprechend weniger.

Cesare witzelte:

Du selbst hast ja genug Betriebskapital einzuzahlen.

Alexander Borgia überhörte die Bemerkung:

Von jeder Einzahlung gehen zwanzig Prozent direkt an die päpstliche Kammer, das heißt an uns. Wir können damit unsere Kasse beträchtlich auffüllen, denn die Sünder sterben, Gott sei‘s gelobt, nicht aus.

Cesare lächelte:

Und nicht die Dummen.

Alexander prustete:

Amen. – Übrigens, was ich bei der Gelegenheit sagen wollte: Ein Prinz von Aragon, von Neapel, kann uns nach unsern letzten Erfolgen nicht mehr viel nützen. Die Ehe Lucrezias mit ihm war eine Torheit. Wir müssen sie wiedergutmachen.

Alfonso wurde eines Abends, als er im Vatikan seine Gattin besuchen wollte, von Vermummten überfallen und mit Dolchstichen traktiert.

An Kopf, Armen und Schenkeln blutend, floh er in die Kammer Lucrezias, die ohnmächtig an ihm dahinsank.

Der Papst erteilte ihm die Absolution. Aber wider Vermuten erholte sich Alfonso.

Er wurde von Lucrezia sorgfältig und zärtlich gepflegt, die ihm alle Getränke selbst zubereitete und von allen Speisen zuerst kostete, ehe sie sie ihm reichte.

Eines Nachmittags, in der milden Abendsonne, er war schon Rekonvaleszent, stand Alfonso am offenen Fenster und sah Cesare Borgia durch den Garten gehen.

Es wurde ihm rot vor den Augen. Er riß den Dolch aus dem Wehrgehenk und warf nach ihm.

Der Dolch fiel vor Cesare zu Boden.

Cesare hob ihn auf, ohne nach dem Fenster zu blicken. Er betrachtete einen Augenblick das Wappen der Aragon am Knauf.

Dann warf er ihn nach einem Olivenbaum, wo er im Stamme steckenblieb.

Am selben Abend machte Cesare einen Besuch bei Alfonso und erkundigte sich freundlich nach seinem Befinden. In der Nacht stieg Michelotto, eine Kreatur Cesares, heimlich im Zimmer Alfonsos ein und erwürgte ihn im Schlaf. Cesare spielte diese Nacht eine Partie Schach mit dem Papst.

 

Während er ihm mit der Dame Schach bot, sagte er so nebenbei:

Der Weg für eine Heirat Lucrezias mit dem Prinzen Este von Ferrara ist frei.

Der Papst ließ den König fallen, den er gezogen hatte.

Ich bin müde, sagte er, wir wollen schlafen gehen.

Lucrezia war außer sich, als sie von der Ermordung Alfonsos hörte. Zum ersten Male wurde sie an ihrer eigenen Sippschaft irre. Ihre Lippen weigerten sich, den Namen Borgia auszusprechen, und sie erbrach ihn vor Ekel mit grüner Galle.

Sie weigerte sich, Cesare zu empfangen, und ließ auch Alexander nicht vor ihr Angesicht. Sie wollte allein sein und nie mehr einen Borgia sehen.

Sie verhängte in ihrem Zimmer alle Spiegel, um sich nicht selbst sehen zu müssen. Nachts lief sie, tief verschleiert, in das Nonnenkloster von San Sisto und flehte um Aufnahme.

XXXVI

Der Kardinal la Grolaye hatte Lucrezia von dem jungen, dreiundzwanzigjährigen Florentiner Bildhauer Michel Angelo erzählt.

Sie bat ihn eines Tages zu sich ins Kloster.

Sie betrachtete ihn neugierig, wie ein Kind Türken und Inder betrachtet.

Ihr seid Bildhauer?

Jawohl, Madonna.

Adliger?

Aus edelstem Geschlecht.

Versteht Ihr Euer Handwerk?

Ich hoffe, Madonna.

Macht Ihr ein Gewerbe aus Eurer Kunst?

Ich mache eine Kunst aus meinem Gewerbe.

Könnt Ihr Pferde machen – oder noch besser: Pferdemenschen, Kentauren?

Den Kampf der Kentauren und Lapithen? Ich will es versuchen, Madonna.

Einen sterbenden Adonis – Ich werde darüber nachsinnen —

Interessiert Ihr Euch für die Ausgrabungen aus der Antike? Alle Augenblicke findet man eine schöne Statue, eine Göttin oder einen Silen. Da könnt Ihr viel lernen – wenn Ihr wollt.

Es ist der Inhalt meines Lebens, Madonna.

Was habt Ihr denn schon Vortreffliches geleistet?

Eine Gruppe, Madonna.

Was stellt sie dar?

Die Pietà —

Ihr müßt sie mir zeigen!

Ich bitte, über mich zu verfügen!

Lucrezia kam in sein Atelier, von der Äbtissin von San Sisto begleitet. Sie war sehr guter Laune und knabberte unaufhörlich Datteln.

Sie sah einen Kentauren in Lehm angefangen.

Er trug die Züge Alexander Borgias.

Sie sah einen sterbenden Adonis.

Er trug die Züge Alfonsos von Aragon.

Sie wandte sich melancholisch lächelnd zu Michel Angelo:

Und was wollt Ihr aus mir machen?

Sie stand plötzlich vor der Pietà. Und all ihre Heiterkeit zerbrach in einem Augenblick, dem Augenblick, den sie mit der Pietà tauschte. Diese Pietà, das ist keine qualvoll gealterte Mater dolorosa – es ist ja eine ganz junge, leidende Frau, die mir ähnlich sieht, und Christus – trägt er nicht die Züge jenes in Florenz verbrannten Fra Girolamo – jenes unseligen Ketzers —

Laut sagte sie:

Ihr habt Savonarola gekannt?

Der Bildhauer nickte wortlos.

Er ist gar nicht tot, so scheint es. Er schläft ja nur —

Ja, sagte Michel Angelo, er schläft nur.

Mein Gott, dachte sie, ich muß weinen. Ich spüre, wie mir schon die Tränen aufsteigen. Ich muß schleunigst gehen.

Aber es war schon zu spät.

Die Tränen stürzten ihr aus den Augen.

Michel Angelo geriet, als sie von ihm gegangen war, in einen ekstatischen Rausch. Er warf den Meißel beiseite und begann eine Reihe leidenschaftlich sinnlicher Gemälde zu malen:

Leda vom Schwan geliebkost.

Venus von Amor geliebkost.

Leda und Venus trugen die Züge der Lucrezia Borgia. Er begann Verse zu schreiben an die Donna aspera e bella.

Und nannte sie: La donna mia nemica —

Meine schöne Feindin.

Er träumte von ihrer Nacktheit.

Und begann ein christliches Gemälde zu skizzieren, in dem die Muttergottes, der Heiland, Sankt Peter und Sankt Johann, alle in heidnischer Nacktheit, durch eine florentinische Landschaft wallten.

Lucrezia kehrte in den Vatikan zurück, vom Papst zärtlich herbeigerufen.

Sie erzählte ihm von dem Bildhauer Michel Angelo.

Der Papst dachte nach.

Er soll mir einen Entwurf machen für mein Grabmal. Für ein Grabmal, das berufen sein wird, alle Borgia dermaleinst zu vereinen. Er sandte Michel Angelo in die Steinbrüche von Carrara, den geeigneten Marmor brechen zu lassen.

Michel Angelo stieß an der Küste auf einen Berg, der von Meer und Land weithin sichtbar war.

Ich werde aus dem Berg eine Kolossalstatue meißeln – wozu Carrara nach Rom tragen? Die Leichen der Borgia müssen von Rom nach Carrara geschafft werden und unter diesem kolossalen Steinblock ruhen, dem ich die Gestalt eines gigantischen Kentauren geben werde.

XXXVII

Der Himmel wölbte sich wolkenlos über den Borgia.

Die Sonne schien nur über die Ungerechten. Cesare Borgia vermählte sich mit einer französischen Prinzessin.

Als sie ihn in der Hochzeitsnacht zum ersten Mal ohne Helm und Stirnband sah, erschrak sie und war einer Ohnmacht nahe.

Der Borgia trug auf der Stirn unverkennbar das Zeichen der Franzosenkrankheit.

Madame, lächelte der Borgia, dieses Mal an der Stirn stammt von Gott und Frankreich. Sie werden es mich nicht entgelten lassen. Ich bin bereit, die Ehe mit Ihnen vorerst nur in effigie zu vollziehen.

Und er setzte sich auf den Bettrand, nahm eine Laute und begann Charlotte d‘Albret römische Volkslieder vorzusingen, bis sie in die Hände klatschte und lachend den Refrain mitsang.

Cesare, der nach Italien zurückkehrte, hat seine Gattin in der Folge nie wiedergesehen.

Die Franzosen verbanden sich den Borgia. Die Colonna unterwarfen sich freiwillig.

Die Türken waren nach dem Tode Dschems in Italien eingefallen und hatten venezianische Häfen überrumpelt.

Der Papst predigte einen Kreuzzug, um bald mit den Türken insgeheim Frieden zu schließen.

Inzwischen führte Cesare, mit der Rückendeckung des französischen Königs, seinen Krieg gegen die italienischen Städte und Fürsten Mittelitaliens.

Eine Stadt nach der andern fiel ihm anheim.

Ein Fürst nach dem andern fiel im Feld oder floh.

Er war auf dem Wege zur italienischen Königskrone. Auf dem Wege – zu sich.

Sein Wahlspruch, auf seinem Degen eingraviert, lautete: Aut Cesare aut nihil.

Cesare Borgia liebte es, elegant und korrekt nach der letzten Mode gekleidet in die Feldschlacht zu ziehen. Er war mit seinem Schneider unzufrieden.

Du Hund von einem toskanischen Kleiderpfuscher, brüllte er ihn an, du hast mir die ganze Schlacht bei Forli versaut. Fünf grelle Farben hast du mir übern Leib gezogen, daß ich wie ein Arlecchino ausgesehen habe. Meinst du vielleicht, so ein Krieg sei ein Karneval, he?

Der Schneider raffte sich zu einer Erwiderung auf:

Sehr viel anderes ist der Krieg auch nicht. Nur fließt hier Blut, und beim Fasching fließt Wein.

Verschone mich mit deiner bilderreichen Philosophie. Du bist nicht dazu da, um zu denken, sondern Röcke zuzuschneiden, und wenn du mir noch einmal ein solch jämmerlich verpatztes Kostüm lieferst, wie es das letzte war, schneide ich dir mit deiner eigenen stumpfen Schere die Nase und das ab, was dir zwischen den Beinen hängt und ihr ähnlich sieht. – Mund halten! Maß nehmen! Schluß!

Cesare belagerte die Burg Forli.

Er belagerte darin Caterina Sforza. Caterina Sforza hatte Vater, Bruder, Gatten und Geliebten durch Mord und Gift verloren. Sie trug einen Kettenpanzer und ein eisernes Herz. Sie schlug sich für ihren kleinen Sohn Ottaviano.

Sie stand auf der Burgmauer und forderte Cesare zum Zweikampf. Sie höhnte ihn und warf ihm eine Brennesselstaude ins Gesicht. Er begehrte sie, aber er ließ es sich nicht merken. Er ließ ihr sagen, er sei bereit, mit ihr zu kämpfen – im Olivenhain vor Forli —, aber ohne Zeugen.

Sie lachte: sie fürchte sich nicht.

Am nächsten Morgen trafen sie sich im Hain. Er schlug ihr im ersten Gang den Degen aus der Hand,

warf seinen Degen zu ihrem Degen ins Gras, umarmte sie und zwang sie, ihm zu Willen zu sein.

So wurde sie seine Gefangene, Leibes und der Seele.

Mit dem kleinen Ottaviano spielte Cesare Murmeln.

Als er eine von den bunten Glaskugeln gewann, in denen das Universum sich feurig drehte, schrie der Kleine zornig auf und schlug ihn mit der geballten Faust ins Gesicht.

Cesare rieb sich die leicht gerötete Wange: Du bist der einzige Mann, der Cesare Borgia hat erröten machen. Ich werde dir die Glaskugel wiedergeben. Und später, wenn du erwachsen bist, sogar Forli.

Cesare beugte sich über eine Karte von Italien. Er fuhr mit nervösen Fingern die Ströme und Gebirgszüge entlang.

Er hieb auf die einzelnen Städte ein – und sein Finger krümmte sich wie ein Geierschnabel.

Siena! Navarra! Genua! Neapel! überall herrschen andere Leute.

Er dachte ‚andere Leute‘, denn im Grunde hatte es nur die einen Leute zu geben, die zum Herrschen berufen waren: die Borgia. Diese anderen – die Flachköpfe, Hohlhirne, Fettbäuche, zitternden Bohnenstangen – hatten stumm zu dienen, schweigend zu gehorchen.

Niedergeworfen waren die Riarier von Imola und Forli.

Und alsbald neigten sich, wie die Ähren vor dem Winde, alle Fürsten Italiens vor Cesare Borgia, Herzog von Valence, der Heiligen Römischen Kirche Bannerträger und Generalkapitän.

Es neigten sich Colonna und Orsini, und sogar die Este und Gonzaga brachen ins Knie.

Cesare kehrte nach Rom zurück, denn er brauchte Geld, Geld und wieder Geld für seine Kriegsfahrten.

Er zog als Triumphator in Rom ein, im Triumph Cäsars.

Auf einem Wagen führte er eine schöne nackte Frau mit sich, die wie ein Fisch in einem Netz zappelte.

Es war die Italia.

Von der Loggia Beneficione segnete der Papst den Einzug des siegreichen Sohnes, und seine segnend erhobene Rechte zitterte vor Stolz.

XXXVIII

Pesaro, Rimini, Imola, Forli waren gefallen.

Die Gonzaga und Este, obwohl nicht Vasallen des Kirchenstaates, bemühten sich um die Gewogenheit Cesares und Alexanders. Jetzt stand Cesare von Faenza. Faenza war der Schlüssel zu Ravenna und Venedig. Die Stadt wehrte sich heroisch.

Als der Widerstand der Männer nachzulassen begann, war es die siebzehnjährige Diamante Jovelli, die ihn wieder aufstachelte. Sie ging auf den Wällen umher, brachte dem einen Becher Wasser, jenem ein Wort der Stärkung, schleppte Munition und Faschinen. Ihr Beispiel ermunterte die übrigen Frauen, und nach einer Woche war Diamante Jovelli Kapitän eines Weiberbataillons. Sie ließ auf der Umwallung eine weiße Fahne aufpflanzen, die ein Mädchen im Kettenpanzer zeigte, welches auf einen Totenkopf tritt.

Was aber Diamante Jovelli, die schwarzlockige, von Gestalt zarte Gerberstochter tat, das tat sie aus Liebe zu dem achtzehnjährigen Astorre Manfredi, dem Fürsten von Faenza, dessen Mutter Francesca ihren Gatten Galetto Manfredi wegen Untreue hatte erdolchen lassen.

Sieben Stunden den Tag feuerte Cesare Borgias Artillerie auf Faenza. Die sechzig Pfund schweren Steinkugeln prasselten auf Mauern und Wälle.

Die am Tag zerschossenen Wälle wurden nachts unter Führung Diamante Jovellis wieder aufgefüllt.

Die Belagerung leitete als Cesares Oberingenieur ein gewisser Lionardo da Vinci, ein trefflicher Erfinder mannigfaltiger Kanonen und Wurfgeschütze, der vor Faenza eifrig den Flug der Vögel studierte, weil er eine Maschine, die dem Menschen das Fliegen ermöglichen sollte, zu erfinden gedachte. In seinen Mußestunden pflegte er Bilder zu malen, die von Kennern der hohen Malkunst wohlwollend beurteilt wurden. —

Cesare Borgia kam nicht vorwärts. Er bot der Stadt Faenza einen für sie und den Fürsten sehr günstigen Vertrag an.

Astorre Manfredi ging nachts waffenlos in Cesares Hauptquartier.

Vergeblich hatte Diamante Jovelli unter Tränen ihn zurückzuhalten versucht:

Du gehst in dein Verderben, Astorre! Traust du dem Schwur eines Borgia?

Astorre lächelte sein schönes Knabenlächeln:

Er ist ein Herr wie ich. Er wird seinesgleichen das Wort nicht brechen.

Cesare erstaunte, als er Astorre im Schein der Fackeln erblickte.

Es flog ihn ein Gefühl der Rührung an, wie wenn ein Nachtfalter gegen seine Stirn schlug.

Er ist der schönste Jüngling, den ich je sah. Welche Festigkeit im Gang und welche Anmut der Bewegung. Welches Feuer in den schwarzblauen Saphiraugen! Wie herrisch und kindisch zugleich er das blonde Haar in den Nacken wirft. Und diese hohe kluge Stirn!

Cesare bewilligte Astorre alles, was dieser forderte: jedem Faentiner wurde Leben und Besitz verbürgt, die Stadt würde durch Cesares Truppen nicht besetzt werden. Der Familie Astorres wurde freies Geleit, wohin immer sie wolle, zugesagt.

 

Beglückt kehrte Astorre heim.

In dieser Nacht gab sich Diamante Jovelli ihm hin, denn ihr Herz zersprang fast vor Freuden, als sie ihn wiederkommen sah und endlich in den Armen hielt.

Astorre Manfredi küßte sie zart.

Siehst du, man muß Vertrauen haben! Der wahrhaft Edle zahlt mit gleicher Münze zurück.

Wer ist ‚ein wahrhaft Edlen?

Cesare.

Der Borgia?

Ja.

Ihr Gesicht verfinsterte sich. Sie wollte etwas sagen, aber sie schwieg, als sie in seine aufleuchtenden Augen blickte.

Cesare Borgia hatte den jungen Astorre Manfredi eingeladen ihn in Rom zu besuchen. Astorre folgte einige Wochen später der Einladung.

Er wohnte in Cesares Palast, und es ging das Gerücht, daß eine widernatürliche Liebe die zwei verbände. Man sah sie oft umschlungen auf dem Monte Pincio wandeln. Zu Ehren Astorres fand unter anderen Lustbarkeiten ein Armbrustschießen statt, bei dem es einen bedauerlichen Unfall gab.

Ein unachtsamer Schütze schoß daneben, und der Bolzen fuhr dem Fürsten von Faenza so unglücklich in den Hals, daß er, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten, wenige Stunden später seinen Geist aufgab. Seine letzten Worte waren:

Borgia! Borgia!

welche so gedeutet wurden, daß er dem Papst, der sich selbst zur Letzten Ölung herbeibemüht, mit ihnen für seine sorgende Güte habe Dank sagen wollen.

Karneval.

Auf dem Campo Fiore und bei den Banchi tollten und schwärmten wie Mückenschwärme Tausende von Masken.

Arlecchinos, Kolombinen, Türken, Neger, Soldaten, Stelzenläufer, Bauernmädchen. Viele aber hatten scheußliche, abschreckende Masken über den Kopf gestülpt, als wären für einen Tag die bösen Dämonen ihrer Seele ans Licht gelangt und hätten Gesicht und Gestalt gewonnen. Manche trugen riesige Phallen als Nasen. Pfeifer und Trompeter zogen tirilierend umher. Kunstvoll schlugen die Trommler das Kalbfell, bald zart, bald kräftig.

Bei einem einsamen Spaziergang geriet Alexander Borgia, der Papst, mitten unter sie. Sie erkannten ihn nicht und hielten ihn für einen, der sich als Papst verkleidet hatte.

Du, Dicker, schrien sie, komm, tanz mit uns! Und sie zogen ihren Kreis, tanzten und sangen rhythmisch: vinum bonum, vinum bonum, und der Papst tanzte lachend mit ihnen, bis der Reigen abbrach, die Kette sich löste und Alexander Borgia allein auf dem Platze zurückblieb.

Ihm war heiß.

Die Frühlingssonne stach.

Er trocknete mit einem kleinen Tuch sich den Schweiß von der Stirn.

Und fast hätte er sich die Perücke herunterreißen wollen, als ihm einfiel, daß es ja echte Haare waren.

Ja, schnaufte er, alles echt an den Borgia, alles echt!