Za darmo

Borgia

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Alexander: Lucrezia?

Cesare: Es war ein schreckliches Versehen, das, Gott im Himmel sei Dank, noch glimpflich abgegangen. Lucrezia hat mit dem Messer sich ihren Gatten stechen wollen – und hat dich getroffen.

Lucrezia: Verzeihen mir Eure Heiligkeit?

Alexander: Ich segne dich, mein Kind, mit dem päpstlichen Segen.

Lucrezia (küßt die Hand, die segnete).

Alexander: Und wen geben wir dem Kind zum Mann? Denn es muß schleunigst einen Mann haben – nach dem es künftig das Messer werfen kann – wenn sie die Lust dazu anwandelt.

Cesare: Ja – müßte man nicht Lucrezia nach ihren etwaigen Wünschen befragen?

Lucrezia: Hier ist ein Tropfen Blut auf die Liste gespritzt – auf den Namen des Gasparro Proscida. Ihn werde ich heiraten. Denn wir sind Blutsverwandte geworden.

Alexander: Ist er verheiratet?

Cesare: Er ist Junggeselle, fünfundzwanzig Jahre – reich an Einfluß und Vermögen, schön an Gesicht, edel an Gestalt – Lucrezia, du konntest nicht besser wählen.

Alexander: Man soll einen Geheimkurier aus der vatikanischen Kanzlei mit unserm strengen Befehl sogleich an ihn senden, sich hier einzufinden und um die Hand unserer geliebten, einzigen Tochter Lucrezia anzuhalten. (Zu Lucrezia). Bist du‘s zufrieden, Kind?

Lucrezia: Ich bin‘s. (Zu dem auftretenden Kurier). Seine Heiligkeit ist durch Gottes unerforschlichen Ratschluß soeben aus schwerer Lebensgefahr gerettet worden. Laßt alle Glocken der Heiligen Stadt zum Dank ein Tedeum läuten!

Alexander: Amen!

(Glocken beginnen zu läuten).

XXI

Lucrezia und ihr präsumptiver Bräutigam begegnen sich zum ersten Male. Er ergreift ihre kleine, schmale Hand.

Darf ich diese schöne Hand für ewig halten? Ewig ist ein großes Wort —

Lebenslang —

Welches Leben lang? Es gibt Leben, die sehr kurz währen. Wollen Sie nicht Platz nehmen, Fürst?

Ich danke, Prinzessin. Wollen Sie mir gestatten, stehen zu bleiben?

Sie werden ermüden.

Nicht so leicht. Principessa, ich hörte vor einer halben Stunde von Ihrem Wunsche, mich zu heiraten.

Wird Ihnen die Erfüllung dieses Wunsches schwer?

Es wird mir schwer, die Wahrheit zu sagen.

Warum ?

Man hat sich heutzutage leicht an die Lüge gewöhnt.

Wer?

Wir alle —

Sie meinen, niemand sagt mehr die Wahrheit?

Nein, niemand —

Auch ich nicht?

Ich maße mir nicht an, der Schönheit den Spiegel der Wahrheit entgegenzuhalten.

Ich heiße nicht Bella und nicht Vera, sondern Lucrezia.

Und sagen Sie die Wahrheit?

Leider nein.

Weshalb nicht?

Weil man die Wahrheit nicht sagen darf —

Und wer verbietet Ihnen, die Wahrheit zu sagen?

Die Vernunft.

Beten Sie zur Göttin der Vernunft?

Ich treibe keinen Götzendienst.

Aber angenommen, ich ginge Ihnen mit gutem Beispiele voran?

Voran – wohin?

Den Weg der Wahrheit – würden Sie folgen?

Wenn er keine Fallen, keine Wolfsgruben enthält – vielleicht.

Vielleicht?

Lucrezia sieht ihn lange an.

Er lenkt ein:

Nein: sicher. Ich würde Ihnen sicher folgen, wenn ich Ihnen – vertrauen dürfte —

Nun, Sie dürfen —

Sie wollten vorangehen —

Gut. Also hören Sie.

Lucrezias Augen begannen aufzuleuchten. Ich habe Sie zu meinem Gatten erwählt, nicht, weil ich Sie liebe. Ich kenne Sie gar nicht. Und liebe Sie sowenig wie einen andern Menschen. Ich liebe nicht einmal mich. Aber ich wollte ein Ende machen mit diesem Leben hier im Vatikan. Ich wollte hinaus aus dieser Atmosphäre der Borgia. Das ist nichts für schwache Naturen. Und ich bin schwach. Es ergab sich eine Gelegenheit. Ich griff zu – und halte Sie. – Sie hält seine Hände, die er ihr entzieht.

Sie drängt:

Jetzt sind Sie an der Reihe.

Er beginnt stockend:

Nun denn – so werde ich Ihnen die Wahrheit sagen – Als die Botschaft Ihres Vaters kam, da erschrak ich – mein Name und mein Vermögen stehen längst auf der Proskriptionsliste – mein Tod würde ihm nur gelegen kommen – ihm und seinem Sohn. Ich dachte, es ginge zu Ende. Ich nahm zu Hause Abschied von den Meinen, als ginge es zum Tod. Ich komme hierher und erfahre zu meiner Verwunderung, daß die Einladung keine Falle ist, daß keine Dolche und Cantarellas auf mich lauern – daß ich Sie wirklich heiraten soll. Welche Ehre! Aber ich weiß den Grund nicht, weshalb ich Ihrer gewürdigt werde, denn ich glaube Ihnen nicht. Sie sind eine Borgia. Das Volk fürchtet die Borgia. Das Volk haßt die Borgia —

Gehören Sie zum Volk?

Und ich, ich verachte die Borgia. Ja, ich verachte sie —

Er atmete tief auf und sah ihr klar in die Augen, die sich mit Tränen füllten.

Sie haben recht, uns zu verachten. Wir werden ja wie – wie Geißeln über der Menschheit geschwungen. Aber man schwingt uns. Sie haben recht – ich bin es nicht wert, Ihren Namen zu tragen —

Sie demütigen sich vor mir – aber ich kann Ihrer Demut nicht trauen. Wenn die Borgia demütig tun, steckt eine Perfidie dahinter. Besitzen Sie gar die Perfidie – die Wahrheit zu sagen? Lucrezia:

Nein – ich habe vorhin gelogen – jetzt will ich die Wahrheit sagen: Ich liebe Sie. Ich liebe Sie! Weil ich Sie liebte – längst liebte —, habe ich Sie zum Gatten gewählt – habe ich diese unwürdige Komödie gespielt.

Der Prinz war verblüfft.

Aber Sie kannten mich doch gar nicht?

Lucrezia stammelte:

Doch – doch – von meinem Fenster habe ich Sie beobachtet, wenn Sie jeden Morgen vorüberritten.

Aber ich bin nie an Ihrem Fenster vorübergeritten —

So nehmen Sie mich doch in Ihren Arm! Warum küssen Sie mich nicht?

Sie lügen jetzt – wie Sie vorher gelogen haben. Man befiehlt mir, Sie zu heiraten. Gut. Sie zu lieben kann keine Gewalt der Erde mich zwingen.

So hassen Sie mich?

Ich bedaure Sie. Ich habe Mitleid mit Ihnen —

Mitleid? So schwach bin ich nicht. Aber es ist wahr. Ich habe gelogen. Ich habe den ganzen Tag gelogen. Und jetzt will ich Farbe bekennen. Ich habe mir einen Scherz erlaubt. Einen Spaß, wie wir Borgia ihn uns erlauben. Ich wollte Sie auf die Probe stellen. Sie konspirieren gegen uns. Sie stecken mit den Orsini und den Colonna unter einer Decke. Sie sind ein Rebell.

Ich fürchte den Tod nicht.

Keine Angst. So einfach rächen wir Borgia uns nicht. Sie sollen am Leben bleiben.

Lucrezia klatschte in die Hände. Die alte dicke Amme Julia erschien. Julia – darf ich dir deinen Verlobten, den Herrn Gasparro Proscida vorstellen? Er hat bei mir um deine Hand angehalten. Er ist versessen nach dir. Er kann den Hochzeitsabend nicht erwarten. Ich selbst werde euch das Brautbett bereiten, und Seine Heiligkeit, der Papst in eigener allerhöchster Person, wird euch mit dem apostolischen Segen segnen.

Julia war tief errötet und sah verlegen zu Boden.

Der Fürst war erbleicht:

Wenn der Teufel sich bemühen wollte, Donna Lucrezia, in Euch zu fahren – er würde keinen Unterschlupf finden. So seid Ihr voller Teufeleien.

Der schon aufgesetzte Ehevertrag zwischen Lucrezia und Don Caspar wurde am 10. Juni für null und nichtig erklärt. Am 20. Juni wurde der Ehevertrag zwischen Lucrezia und dem Prinzen Alfonso von Aragon geschlossen.

XXII

Dschem, ein blutjunger türkischer Prinz, ein Bruder des Sultans, geriet in die Hände des Papstes, die sofort zupackten und ihn festhielten. Man weiß nie, wozu man ihn einmal verwenden kann. Um Lösegeld zu erpressen.

Um ihn als Geisel zu verwenden.

Chi sa.

Dem römischen Volk ein Schauspiel zu bieten, ließ er den Türken in Rom feierlich einziehen.

Der Prinz ritt auf einem edlen, kostbaren Kamel und verneigte sich zeremoniell nach allen Seiten, wo der Pöbel stand und Scherzworte und Gelächter zu ihm emporwarf. Dem Prinzen folgten, von türkischen Wächtern geführt, Giraffen, Löwen und Leoparden.

Ein kleiner Gepard lief aus der Reihe und haschte sich mit einem schmutzigen weißen Spitz.

Im Vatikan wurde der Prinz zeremoniös empfangen.

Das Statut hatte Johannes Burkhard ausgearbeitet, denn es gab kein Präjudiz dafür.

Der Prinz trat auf Lucrezia zu, verneigte sich und sprach: Selam – y aleiküm! – Güselzin!

Lucrezia lächelte hilflos:

Ich verstehe Euch nicht.

Dschem fragte:

Naszyl?

Und, auf Cesare deutend:

Bu adam kim dir?

Cesare rührte sich nicht, und Dschem knirschte etwas zwischen den Zähnen wie Aerbijeszis. Und rief:

Asikar düsman gisli düsman – dan ejidir!

Der Papst, der sah, wie der Prinz hilflos zwischen Cesare und Lucrezia hin und her schwankte, sagte:

Die türkische Sprache, hab ich mir melden lassen, kennt keinen grammatischen Geschlechtsunterschied. Deshalb kann Dschem wohl Mann und Frau nicht unterscheiden. Nun, man wird es ihm in Rom vielleicht bald beibringen. Er ist ja noch jung genug.

XXIII

Nach Florenz zurückgekehrt, begann Fra Girolamo von der großen Buhlerin Rom, vom Pfuhl alles Übels, zu predigen. Wir müssen, so verkündete er, bei uns selbst anfangen. Wir können von der Welt keine Besserung verlangen, wenn wir uns selbst nicht bessern. Wollen wir die Kirche reformieren an Haupt und Gliedern – so müssen wir mit der Reformation bei uns, bei dem Orden der Dominikaner, beginnen. Und so groß war seine geistige Gewalt, daß das Kloster San Marco und alle Dominikanerklöster Toscanas aus freien Stücken eine Reinigung der Sitten und Gebräuche unternahmen.

Fra Girolamo predigte zuerst in einer kleinen Gasse, danach auf einem Platz. Danach in der Kirche von San Marco und, als diese zu klein wurde für die Fülle der Hörer, im Dom von Florenz.

Zu seinen eifrigsten Zuhörern gehörte der junge Michel Angelo Buonarotti, ein Bildhauer seines Zeichens und Lehrling in der von Lorenzo di Medici errichteten Kunstschule. Die apokalyptischen Predigten des Frate kamen seiner melancholischen Natur entgegen. Er zeichnete am liebsten das Jüngste Gericht.

 

Lorenzo von Medici, il magnifico selbst, kam eines Tages, Fra Girolamo zu hören, kniff die kurzsichtigen Augen zusammen und lauschte.

Einige Wochen darauf lag er in Careggi im Sterben.

Er ließ Fra Girolamo rufen.

Ich kenne keinen wahren Mönch außer dir. Erteile mir die Absolution!

Fra Girolamo sprach: Drei Dinge mußt du haben – erstens den wahren und lebendigen Glauben, zum zweiten die Idee des ewigen Friedens und zum dritten den unbeugsamen Willen zur Verwirklichung der Freiheit.

Da sah ihn Lorenzo, der Tyrann, starr an und drehte sich zur Wand.

Ohne ihm die Beichte abgenommen und ihm Absolution erteilt zu haben, kehrte Fra Girolamo nach Florenz zurück.

XXIV

Der eitle und kränkliche Piero di Medici folgt Lorenzo in der Regentschaft von Florenz.

Sein Hauptvergnügen besteht darin, in den öffentlichen Straßen mit seinen Kavalieren und Kurtisanen Ball zu spielen.

Eines Tages fällt ein Ball, von Piero di Medici geschleudert, durch ein Fenster der Kirche Santa Maria del Fiore, wo Fra Girolamo gerade predigt.

Der Frater ergreift den Ball und zertritt ihn auf dem steinernen Fußboden der Kirche.

So wird Gott Florenz zertreten, wenn du dich nicht ermannst, Volk von Florenz! Wie lange willst du noch mit dir spielen lassen!

Piero kann die Zügel des Regimentes nicht halten. Sie schleifen ihm am Boden nach. Das Bankhaus der Medici gerät in Schwierigkeiten. Piero kündigt zahlreiche, von seinem Vater angesehenen Florentinern eingeräumte Kredite.

Es sind schlechte Handelszeiten.

Viele achtbare Kaufleute gehen fallit. Die Armen und Ärmsten beginnen zu hungern.

Es gab eine Mißernte. Bauern zogen scharenweise in die Stadt, Arbeit zu suchen, die sie nicht fanden.

Die Getreidepreise stiegen von Tag zu Tag. Der Stajo kletterte von 34 auf 60 Soldi. Die Abneigung gegen Piero wächst.

Als die Hungersnot kein Ende nahm, predigte Fra Girolamo und befahl, ‚den Tag des Almosens‘ abzuhalten: in Santa Maria del Fiore, in Santa Maria Novella und in Santo Spirito.

In allen Kirchen war ein besonderer Altar errichtet, der ‚Altar der Armut‘. Und es kamen die wohlhabenden Bürger und Bürgerinnen, vom Frater in ihrem Gewissen aufgerüttelt, und lieferten auf dem Altar der Armut ab: Perlen, Brillanten, Goldketten und Ringe, silberne Schüsseln, Seidenkleider, Samt- und Wollstoffe.

Aber Piero di Medici war nicht unter denen, die Almosen gaben.

Da zog das Volk vor seinen Palast und schrie:

 
Liefere ab, liefere ab —
Liefere deine Waffen ab —
Liefere deine Krone ab —
Liefere deine Regentschaft ab —
 

Die apokalyptischen Predigten und düsteren Prophezeiungen des Fra Girolamo hatten eine gewaltige Wirkung auf das florentinische Volk.

Die Mädchen und Frauen legten ihre bunten Gewänder ab, und statt Rot, Grün, Violett, Gelb sah man nur noch Grau und Schwarz auf der Piazza.

Viele Männer gingen in braunen, leinenen Kutten, manche mit einem Strick um den Hals, um zu zeigen, daß sie im Grunde ihrer Seele demütig waren und vor Gott nichts anderes verdienten, als aufgehängt zu werden.

Wenn Fra Girolamo in Santa Maria del Fiore predigte, wies er Männern und Frauen getrennte Plätze an. Sie durften sich nicht miteinander vermischen.

Es kamen auch viele Männer in ihrer Not zu den Wundärzten gelaufen mit der Bitte, sie zu kurieren. Sie hatten sich mit rohen Instrumenten, Küchenmessern und spitzen Feldsteinen selbst kastriert und sich schlechtheilende Wunden beigebracht.

XXV

Der Papst, der von den ‚Unglücksprophezeiungen‘ Fra Girolamos und seinen geharnischten Predigten ‚wider den Antichrist‘ (womit er Alexander Borgia meinte) durch seine Spitzel vernahm und erfuhr, wie er die Gemüter der Gläubigen erschüttere, trommelte nervös mit den Fingerknöcheln an das Fenster seines Arbeitszimmers im Vatikan.

Dieser Savonarola! Ein Lügner!

Ich hätte mich für die Kirche nicht eingesetzt? Habe ich nicht persönlich für Santa Maria del Popolo eine Orgel und einen Altar gestiftet und die rissige Decke in Santa Maria Maggiore erneuern lassen? Und habe ich nicht die Macht der Kirche befestigt, indem ich die Engelsburg mit Festungswerken, Gräben, Schießscharten, großen und kleinen Türmen versehen habe?

Die Engelsburg, das Zentrum des Vatikan, ist uneinnehmbar!

Unverrückbar steht Petri Felsen, auf dem sie errichtet ist. Ich könnte aber einigen reichen Bankiers und Handelsherren hier in Rom, die aus Florenz stammen, die Hölle heiß machen, indem ich ihnen mit Konfiskation ihres Vermögens drohe, falls sie nicht ihren ganzen Einfluß bei ihren Florentiner Mitbürgern aufbieten, diesen wahnsinnigen Dominikanerpater zu ducken und unschädlich zu machen.

Es kam ihm aber noch ein lustiger, ein listiger Gedanke, den Pater zu bekämpfen, und er mußte so lachen, daß er sich in einen Sessel fallen ließ.

Das Volk liebt gräßliche Prophezeiungen, ob sie nun eintreffen oder nicht. Ihm gruselt gern. Wir werden jemand nach Florenz schicken, der noch viel entsetzlichere Unglücksfälle voraussagt als dieser biedere Hund Gottes.

Und er schickte einen gutmütigen, dicken, etwas asthmatischen Franziskanerpater, Domenico da Ponzo, nach Florenz und erwirkte ihm die Erlaubnis, von der Domkanzel zu predigen.

Prophezeite nun Fra Girolamo in der Kirche eine Wassersnot, so weissagte Fra Domenico, schwer atmend, gleich darauf im Dom eine baldige Sintflut. Weissagte Fra Girolamo den Untergang Italiens und den Einzug eines fremden Königs in Italien, eines neuen Cyrus, so tat es Fra Domenico nicht unter einem Weltuntergang. Der Franziskaner vermochte aber noch ein übriges, die Florentiner über Fra Girolamo aufzuklären. Woher Fra Girolamo seine Prophezeiungen und Weisheiten hat, das will ich euch sagen : ganz einfach durch den Bruch des Beichtgeheimnisses. Die Brüder seines Ordens erzählen ihm von den Beichten ihrer Beichtkinder, und er hat dann diesen leichtgläubigen Schafen leicht erzählen, was Wunders er von ihnen wisse. Und so kommt er in den Geruch der Allwissenheit. E vero —? Das Volk lief von Fra Girolamo zu Fra Domenico und von Fra Domenico zu Fra Girolamo und wußte bald nicht mehr aus und ein vor lauter Trübsal, bis Piero di Medici das Auftreten beider Prediger für eine Zeitlang verbot.

Die Florentiner vertrieben Piero di Medici, der ihr Herr gewesen war, nach Lodovico. Fra Girolamo hatte seine Herrschaft als teuflisch und tyrannisch gegeißelt und gepredigt, daß Florenz eine freie Republik sein müsse, in der das Volk sich selbst gebiete und gehorche. Er arbeitete selbst eine Verfassung aus und legte sie der Signoria vor, die sie auch akzeptierte.

Das Motto war:

Popolo e libertá!

Und in allen Gassen von Florenz gab bald ein Echo das andere:

Popolo e libertá!

XXVI

Fra Girolamo predigte: Es kommt, ihr Brüder, nur auf den Glauben an, den Glauben, der Berge versetzt – und Gold und Edelsteine, um dafür des himmlischen Goldes teilhaftig zu werden. Wissen ist ein Ding des Tages und der Stunde. Was ich heute weiß, weiß ich morgen schon nicht mehr, die Wissenschaft findet heute Gesetze, die ewig gültig zu sein scheinen – und morgen findet sie andere Gesetze, die den ersten diametral entgegengesetzt sind. Welches Gesetz gilt nun? Das von gestern oder das von heute? Es gilt das von vorgestern und das von übermorgen, ihr meine Brüder! Das Gesetz Gottes: der christliche Glaube. Ein altes Weib, das im christlichen Glauben verharrt, weiß mehr von der Welt als Plato und Aristoteles zusammengenommen. Ein unwissendes kleines Kind weiß mehr als alle Weisheit der Philosophen. Warum das? Weil es rein ist. Denn die Reinheit ist der Erde Richtmaß. Wenn die Kinder das Regiment der Welt ergriffen haben werden, wird Christus zurückkehren. Er wird im Triumph zu euch zurückkehren, gewiesen von den Kindern: geführt von den drei christlichen und den vier Kardinaltugenden.

In einem Schiffwagen wird er dahergefahren kommen, gezogen von den vier mystischen Tieren. Patriarchen, Propheten und Apostel gehen zu beiden Seiten. Dem Wagen folgen die Märtyrer und Heiligen, dann die Priester und dann das unabsehbare Volk der Christen.

Aber als letztes wird im Zug schreiten ein schwarzes Pferd, schwarz schabrackiert. Das wird den entseelten, seelenlosen Leichnam des Antichrists schleifen: den Leichnam Alexander Borgias, dessen Seele der Teufel geholt.

Wir müssen einen Scheiterhaufen auf dem Signorenplatz aufrichten und alle Symbole einer verrotteten und verlorenen Zeit verbrennen.

Aber nur reine, unbefleckte Hände dürfen die unsittlichen und unzüchtigen Gebilde in Empfang nehmen und dem reinigenden Feuer überantworten:

Es sind die Hände der Kinder!

Auf die Predigt Fra Girolamos gingen Hunderte von Kindern von Haus zu Haus und forderten ‚allen Tand der irdischen Welt‘ für den Scheiterhaufen.

Sie fuhren in kleinen Handkarren zum Signorenplatz: Karnevalsmasken und Karnevalskleider, Spiegel, Harfen, Schachbretter, Spielkarten, Gemälde nackter und halbnackter Frauen, darunter auch eines von Lucrezia Borgia. Dann Bücher der zu verdammenden Dichter: Boccaccios Dekameron, Petrarcas Sonette, Ovids Ars amandi, Tibulls Elegien, Catulls Liebeslieder —.

Unter Gesang warfen die Kinder alles in den flammenden Scheiterhaufen und tanzten einen Ringelreihen darum.

Fra Girolamo selbst warf, als der Scheiterhaufen schon halb niedergebrannt war, noch ein Porträt des Papstes Alexander in die glühende Asche.

Fahre zur Hölle, Satanas!

Das Bild loderte hell auf.

XXVII

Bei Fra Girolamo, der, im Gebet verloren, in karger Zelle auf seinem Schemel kniete, ließ sich ein junger, anonymer Römer melden, der ihn dringend unter vier Augen zu sprechen wünsche.

Fra Girolamo öffnete die Tür seiner Zelle und bat den jungen Mann, einzutreten.

Der junge Mann wartete höflich, bis der Frater ihn zum Sitzen eingeladen.

Es war nur ein Schemel in der Zelle. Girolamo setzte sich auf den Bettrand.

Der junge Mann, der einen offenen, klaren Blick, eine hohe Stirn und ein feines, zurückhaltendes Benehmen zeigte, eröffnete das Gespräch:

Ich muß Ihnen zuerst meinen Namen nennen. Denn ich kenne Sie – aber Sie kennen mich nicht. Ich heiße Cesare Borgia. Fra Girolamo fuhr vom Bettrand auf. Cesare hob seine schöne, schlanke Hand: Erschrecken Sie nicht. Ich bin inkognito in Florenz. Ihretwegen. Ich fresse Sie nicht. Ich habe auch keine Waffe bei mir.

Der Pater wehrte ab.

Ich fürchte Sie nicht.

Cesare verneigte sich höflich.

Um so schlimmer für Sie. Ich unterschätze Sie nicht.

Fra Girolamo ging einmal in der Zelle auf und ab und blieb vor dem Kruzifix und der Ewigen Lampe stehen.

Das Licht der Ewigen Lampe zitterte unruhig.

Dann wandte er sich plötzlich Cesare zu: Was wünschen Sie von mir?

Cesare:

Friede. Friede zwischen Ihnen und den Borgia.

Girolamo begehrte heftig auf:

Wer hat den Frieden gebrochen? Wer hat Italien, die Welt in Unordnung gestürzt? Wer hat die ewigen Sittengesetze auf den Kopf gestellt? Wer herrscht infolge Krieg und Kriegsgreuel? Wer hetzt alle Menschen gegeneinander – um aus ihrer Zerrissenheit Nutzen zu gewinnen?

Cesare blieb sehr ruhig:

Sie sind ein Phantast, Frater. Wir Borgia sind Realisten. Die Moral ist ein ganz hübsches Gängelband für die Schwachen, die ihrer bedürfen. Aber sie ist so zeitgebunden wie die Mode. Man kann keine Weltanschauung darauf bauen. Sie selbst, Frater, stehen so gut außerhalb der heutigen – Mode wie die Borgia.

Girolamo drängte:

Was ist der Zweck Ihres Besuches?

Cesare schlug seinen Handschuh übers Knie: Mein Vater schickt mich. Sie haben Seine Heiligkeit schwer gekränkt und beleidigt. Wäre Sie nicht so großzügig – seine Stimme wurde hart —, so würde Sie Ihnen einen Galgen anbieten. Statt dessen bietet Sie Ihnen – Fra Girolamo sah erwartungsvoll auf die Lippen des Borgia. Dieser schloß:

den Kardinalshut.

Fra Girolamo lachte hellauf:

Der Kardinalshut pflegt bei Seiner Heiligkeit zehn- bis zwanzigtausend Dukaten zu kosten. Ich bedaure.

Cesare unterbrach:

Sie haben das Gelübde der Armut abgelegt. Sie erhalten den Purpur unter einer Bedingung – Die wäre?

Sie stellen den Kampf gegen Seine Heiligkeit sofort ein.

Der Mönch donnerte:

Nie! Nie! Nie! Das Gewissen der Menschheit und mein Gewissen verlangen diesen Kampf von mir. Es gibt nur eine Möglichkeit der Verständigung und des Friedens zwischen dem Papst und mir: Der Papst gelobt Reue, Buße, Besserung und geht an eine sofortige Reformation der Kirche.

 

Cesare Borgia erhob sich.

Er sagte leise:

Nie. Nie. Nie. Sie haben einen harten Kopf und ein steifes Rückgrat. Aber bedenken Sie folgendes: Der Kopf Seiner Heiligkeit ist nicht nur hart, sondern auch klug. Und sein Rückgrat ist die Kirche, während Sie sich nur an die brüchigen Wände eines Florentiner Klosters lehnen können. Aber, wie Sie wollen —

Der Borgia stand auf, zog sich die Handschuhe an, verneigte sich und ging.