Donnergrollen im Land der grünen Wasser

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„Ja, meine Tochter. Wir müssen die Geister anflehen, ihn genesen zu lassen. Setz dich zu mir!“, forderte die Mutter ihre Schwiegertochter auf.

Sie sangen und flehten die ganze Nacht, steigerten sich in eine Art Trance, als sie die Geister darum baten, Awässeh-neskas in seinem Kampf gegen das Böse in seinem Körper zu helfen. Ihre Stimmen mischten sich mit den Gesängen aus der Medizin-Hütte. Auch dort behandelte man den Verletzten hauptsächlich damit, seine spirituelle Medizin zu stärken. Dann wechselten sie die Verbände um die Schulter und überließen Awässeh-neskas dem Schlaf. Vielleicht lag es an den Gesängen, vielleicht an dem Kraut, das der Medizinmann auf seine Wunde gelegt hatte, oder an dem einschläfernden Trank, den man ihm eingeflößt hatte, aber Awässeh-neskas schlief ruhig und ohne sich hin und her zu wälzen.

Am Morgen war das Fieber gesunken und die Männer trugen den Mann zurück in seinen Wigwam. Dort knieten die beiden Frauen – erschöpft von der langen Nacht – und sahen mit bangen Augen auf den erschöpften Krieger. Der Medizinmann trat hinzu und gab den Frauen noch Anweisungen, wie sie den Verband in den nächsten Tagen wechseln sollten. Dann verabschiedete er sich mit einem freundlichen Nicken. Auch er war müde. Die Geister forderten ihren Tribut, wenn sie Hilfe gewährten.

Machwao begleitete unterdessen Wapus zu einem besonderen Mann. Er hatte die grünen Steine dabei, die sie gesammelt und erbeutet hatten. Nur auserwählte Männer durften sie bearbeiten. Es gab nur wenige Menschen, die das Geheimnis kannten und wussten, wie man die grünen Steine bearbeitete und schöne Dinge daraus herstellte. Mit diesen Waren wollten die Männer dann im Frühling aufbrechen, um weit im Süden Dinge einzutauschen, die es hier nicht gab. Auf ihrem Weg kam ihnen Wakoh entgegen. Auch er sah übernächtigt und müde aus. „Hast du etwas gesehen?“, fragte Machwao misstrauisch.

Wakoh schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe die ganze Nacht gewacht, aber mir ist nichts aufgefallen.“

Machwao senkte nachdenklich den Kopf. Es war nicht üblich, Wachen aufzustellen, aber vielleicht war doch Vorsicht geboten. Entschlossen schaute er Wakoh in die Augen. „Dann werde ich heute Nacht nochmals wachen!“, erklärte er sich bereit.

Wakoh schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Das ist gut! Dann werde ich sicherlich viel besser schlafen, wenn ich weiß, dass du über meinen Schlaf wachst.“

Machwao grinste schief. „Du solltest jetzt schlafen! Du siehst furchtbar aus.“

Wakoh nickte nur und trottete wie ein kleiner Hund davon. Er verschwand in dem kleinen Wigwam, in dem er allein mit seiner Mutter lebte. Er war der einzige Überlebende von insgesamt fünf Geschwistern. Das war vielleicht auch ein Grund, warum er oft so zurückhaltend war, denn er war mit Tod und Trauer aufgewachsen. Das Lachen war schon früh aus diesem Wigwam verschwunden.

Wapus zog Machwao mit sich fort, der dem Krieger immer noch nachdenklich hinterher sah. „Was ist los? Stimmt was nicht?“

„Hoh, ich dachte daran, mit Biberherz darüber zu reden, ob es vielleicht vorausschauend wäre, auch tagsüber Wachen aufzustellen“, meinte Machwao ausweichend.

Wapus blieb wieder stehen und nickte. „Du hast recht! Wir werden erst sicher sein, wenn der erste Schnee fällt.“

Biberherz war der derzeitige Führer des Stammes. Er gehörte dem Bärenclan an und war somit geeignet gewesen, diese Rolle zu übernehmen. Er hatte sie von seinem Vater, einem ebenso geachteten Anführer, geerbt. Ihm zur Seite standen die anderen Ratsmitglieder, die jedoch stets auch die Clanmütter befragten, wenn es um wichtige Entscheidungen ging. Biberherz zählte bereits mehr als fünfzig Winter, doch von ihm wurden weniger Tapferkeit und Kampfeskraft als weise Entscheidungen gefragt. Für Kriegszeiten wurde der Kriegshäuptling gewählt. Die beiden machten einen kleinen Umweg und duckten sich, als sie nach einem Räuspern in den Wigwam des Häuptlings traten. Innen war es geräumig und warm. An den Wänden standen erhöhte Bettgestelle, doch um das Feuer herum lagen einige Felle, die den Besucher zum Sitzen einluden. Noch wurde vor dem Wigwam gekocht, sodass die Männer allein mit Biberherz sprechen konnten.

Der Häuptling hörte aufmerksam zu und machte eine abschließende Handbewegung. „Es war weise von Wakoh, diese Nacht über uns zu wachen. Ich werde dem Rat berichten und empfehlen, die nächsten Tage Wachen aufzustellen. Euer Rat ist wohlüberlegt. Ich denke auch, dass wahrscheinlich mehr Anishinabe hierher unterwegs sind. Wenn nicht zu diesem Dorf, dann doch zu anderen. Wir sollten auch Läufer aussenden, die die anderen Dörfer warnen. Vielleicht war das der Grund, warum Awässehneskas verletzt wurde? Um uns zu warnen?“

Wapus hob die Schultern. „Es geschieht nichts ohne Grund. Wir waren auch nicht unvorsichtig. Wakoh hatte uns gewarnt, denn er hatte die Feinde erspäht. Trotzdem hat der Pfeil Awässeh-neskas erwischt.“

Biberherz nickte. „Seht ihr! Ihr denkt wie ich. Wir werden Wachen aufstellen. Und ich werde den Frauen und Kindern sagen, dass sie das Dorf nicht verlassen sollen!“ Er trat mit den beiden Männern vor den Wigwam und gab einigen Jugendlichen, die in der Nähe der Erwachsenen darauf warteten, vielleicht spannende Geschichten zu hören, die Anweisung, die Nähe des Dorfes auszukundschaften. Nur zu gerne machten die Jungen sich auf den Weg, denn es war eine ehrenvolle Aufgabe. Feinde auszuspähen hörte sich nach Gefahr an und die Jungen wollten sich bewähren und ihren Wert für das Volk zeigen. Biberherz schüttelte schmunzelnd den Kopf und machte sich auf den Weg zum größeren Wigwam, der für die Ratsversammlungen genutzt wurde.

* * *

Halbwegs beruhigt gingen Machwao und Wapus zum Steinemacher des Dorfes. In dessen Wigwam hingen viele Zaubergegenständen an der Decke, denn die Arbeit mit den grünen Steinen verlangte viele Gebete und Zeremonien. Der große weiße Bär mit dem Kupferschwanz überwachte genau, was mit seinem Geschenk geschah. Der Mann war aber auch ein Meister darin, Pfeilspitzen herzustellen und Bögen zu bauen. Er hieß „Bärenauge“, was ja gut passte, denn er hütete das Geschenk des Bären wie seinen Augapfel. Auch er war schon älter und wurde gerade deswegen mit besonderem Respekt behandelt. Bärenauge hatte einen Sohn, der bereits in die Geheimnisse eingeweiht wurde. Ein anderer Sohn war ein guter Jäger, der lieber einen anderen Weg für sich suchte. Außerdem hatte der Steinemacher noch einen Schüler seines Clans, den er für gut befunden hatte, um ihn auszubilden. Niemand stellte dies in Frage, denn es war seit Anbeginn der Zeit so.

Machwao reichte dem älteren Mann ehrerbietig den Beutel mit den Steinen. Der Mann ließ sich genau erklären, wie sie zu den Steinen gekommen waren, und legte dann nachdenklich den Kopf zur Seite. „Nachdem ihr die Steine mit Blut bezahlt habt, müssen wir erst eine Reinigungszeremonie machen!“

Machwao sagte nichts und Wapus senkte verlegen den Kopf. „Sie haben uns überrascht. Ohne Wakoh wären wir vielleicht tot!“ Bärenauge lächelte weich, denn er sah darin keinen Widerspruch.

„Ihr habt euer Leben verteidigt!“, beeilte er sich zu sagen. „Dennoch wurden Leben geopfert, die wir nun versöhnen müssen! Erst dann ist es möglich, die grünen Steine zu bearbeiten.“

„Hätten wir sie besser liegen lassen sollen?“

Der Steinemacher legte wieder den Kopf schief und dachte darüber nach. „Nein, denn sie waren bereits gesammelt worden. Das Geschenk des Bären abzulehnen, hätte sicherlich Strafe nach sich gezogen.“

„Hmh!“ Machwao war nicht so ganz überzeugt, denn sein Freund hatte einen hohen Preis hierfür bezahlt.

Der Steinemacher überhörte die gebrummten Zweifel.

„Ich kenne jetzt eure Geschichte und kann die Geister um Verzeihung bitten. Anschließend werde ich wunderschöne Dinge erstellen können.“ Er nahm abschätzend einen Klumpen in die Hand und zeigte ihn den beiden Männern. „Seht ihr? Hieraus lässt sich eine Figur zaubern.“ Er nahm einen anderen Klumpen in die Hand und drehte ihn hin und her. „Und hier sehe ich eine scharfe Messerklinge …!“ Er machte eine auffordernde Handbewegung und scheuchte die Männer damit hinaus. „Und nun geht! Ich habe Arbeit vor mir!“

Gewalt

(Lager bei Mabila)

Maisblüte war wie in einem Alptraum gefangen. Sie war diesem Käfer-Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Immer wieder verlangte er den Beischlaf, bis sich bei Maisblüte eine gewisse Gleichgültigkeit einstellte. Sie öffnete ihre Beine, soweit es die Fesseln erlaubten, ließ ihn seine Lust befriedigen und drehte sich dann auf die Seite, um zu schlafen. Sie hatte gelernt, dass es besser war, sich die intime Stelle mit dem Fett der Suppe einzureiben, damit es nicht so wehtat.

Der Mann war sehr zufrieden und begnügte sich damit, ihren jungen Körper zu besitzen. Er verzichtete auf Quälereien und sorgte dafür, dass sie genug zu essen bekam. Er lachte vergnügt und lehrte vor allen Dingen Nana die Worte seiner Sprache. Das Kind lernte geschwind und das schien ihm zu gefallen. Nana durfte sich ungehindert im Lager bewegen und hatte lediglich die Aufgabe, die Ausrüstung zu putzen und Feuerholz zu sammeln. Maisblüte dagegen blieb meist in dem winzigen Zelt und kochte für den Mann. Die Ausrüstung der Fremden war in einem schlimmen Zustand, sodass sie inzwischen dazu übergingen, sich Kleidung aus den Fellen der einheimischen Tiere zu schneidern. Maisblüte konnte gerben und verarbeitete geschickt die Felle, die Juan ihr gab. Sie lernte mit den dünnen Nähnadeln zu arbeiten und die Stiche enger zu setzen, damit es Juan gefiel. Manchmal weinte sie, wenn die Fesseln an ihren Knöcheln juckten. An einer Stelle hatte sich nach kurzer Zeit eine Entzündung gebildet, aber Juan achtete nicht auf ihre zaghaften Hinweise.

 

Capitán Juan schickte das Kind hinaus, wenn er ihren Körper forderte, und ließ sich auch durch Flehen und Bitten nicht in seiner Absicht hindern. Er schien es zu genießen, wenn sie ihm nicht entfliehen konnte und die Ketten an ihren Füßen rasselten. Er verging sich fast täglich an ihr und genoss es, an ihren jungen Brüsten zu saugen. Für Juan war sie kein Mensch, sondern ein Lebewesen, das nur dafür da war, ihm zu gefallen. Manchmal bestieg er sie wie ein Hund und schnaufte vor Befriedigung, während sie stöhnend unter ihm zusammensank. Die Verletzung an seinem Arm war verheilt und so war er oft unterwegs, um die umliegenden Dörfer nach Nahrungsmitteln zu durchstreifen. Die Gegend war dicht besiedelt, aber die Menschen flohen, wenn die Spanier näher kamen.

Oft kamen die Spanier aber auch in Dörfer, die von Krankheiten heimgesucht worden waren. In diesen Dörfern stießen sie meist nur noch auf Leichen. Anscheinend war niemand mehr da, der sie hätte begraben können, oder die Überlebenden hatten das Dorf in Panik verlassen. Die Spanier suchten dann nach den Lebensmittelvorräten, den erhöhten Kammern mit Mais, Bohnen und Kürbis. Der Gouverneur hatte beschlossen, mit der Weiterreise zu warten, bis die Verwundeten genesen waren. Auch bei den Spaniern waren einige Menschen erkrankt, aber dies stand in keinem Vergleich zu den Toten in den Dörfern, die sie durchstreiften. Juan glaubte an eine Strafe Gottes, mit denen diese Heiden bestraft wurden. Er überlegte, ob er Maria und Nana nicht taufen lassen sollte.

Einmal verlegten die Spanier ihr Lager ein Stück weiter, um neue Nahrungsmittelvorräte zu erschließen. Maisblüte trug das Gepäck des Mannes und schlurfte mit den Ketten an den Füßen neben den anderen her. Auch Nana trug ein schweres Bündel und ging gebückt unter der Last. Vielleicht zum ersten Mal seit Tagen begegnete ihnen Vogel-im-Bach, deren Augen dumpf und blicklos waren. Auch sie war in Ketten gelegt worden und trug die Bündel ihres Herrn. Maisblüte konnte erkennen, dass sie aufgegeben hatte. Sie schien weitab mit ihren Gedanken zu sein und diese Welt längst verlassen zu haben. Maisblüte versuchte mit ihr zu sprechen und erntete nur einen ausdruckslosen Blick. Am nächsten Morgen fand man Vogel-im-Bach an einem Ast hängend. Sie hatte ihre Seele befreit und war in das Glückliche Land übergetreten. Ihr Herr schimpfte lauthals über seinen Verlust und trug grummelnd seine Bündel selbst.

Maisblüte hasste ihn, denn Vogel-im-Bach war noch ein Kind gewesen. Was musste dieser Mann ihr angetan haben, dass sie entschieden hatte, ins Land der Ahnen zu gehen? Wahrscheinlich war ihr das Gleiche angetan worden wie auch ihr, aber Maisblütes Lebenswillen war noch nicht ganz gebrochen. Doch auch sie dachte immer öfter daran, ihr Leben zu beenden. Immer, wenn sich das Geschlecht des Mannes in sie zwängte, dachte sie daran, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Aber noch fehlte ihr der Mut für diesen Schritt. Außerdem trug sie die Verantwortung für ihren kleinen Bruder. Was sollte er ohne sie tun? Wer würde ihn dann trösten? So trottete sie in dem Tross der Menschen dahin, mit schmerzenden Knöcheln und hoffte auf eine baldige Rast und auf ein Ende dieser Torturen.

Die Spanier wählten offenes Land für ihr neues Lager, um vor Überraschungsangriffen sicher zu sein. Auch der Fluss mit seinen kleinen Stromschnellen war inzwischen ein ganzes Stück entfernt, sodass es für Maisblüte beschwerlich wurde, das Wasser für den Herrn zu holen. Aber sie genoss es, sich endlich waschen zu können. Es verwunderte sie, wie wenig die Fremden auf Reinlichkeit achteten. Es ekelte sie vor dem stinkenden Körper ihres Herrn, der sich nie zu waschen schien. Es war ihm wohl zu kalt, während Maisblüte von klein auf gelernt hatte, sich mit dem kalten Wasser zu waschen. Der Winter nahte und doch genoss Maisblüte diese Möglichkeit, sich zu säubern. Sie stellte sich vor, dass sie all den Dreck und den Gestank des Mannes von sich wusch. Es machte ihr inzwischen nichts mehr aus, wenn er sich in sie hineinzwängte. Sie drehte einfach ihren Kopf zur Seite und wartete ab, bis es vorbei war. Ihr Körper gehörte nicht mehr zu ihr.

* * *

Maisblüte erlebte tagtäglich, wie es um die anderen Sklaven stand. Männer wurden ausgepeitscht und gefoltert und irgendwann gehörten das Stöhnen und die Qualen der Gefangenen zu diesen immer wiederkehrenden Alptraum. Sie erlebte, dass Frauen in Ketten einfach in die Büsche gezerrt wurden, wenn einer dieser Männer sein Bedürfnis verrichten wollte, und dass jeder Widerstand zwecklos war. Sie wusste, dass nur die Anwesenheit des Capitán sie schützte und so hoffte sie auf seinen Schutz. Es war ihr unangenehm, wenn er sie zu Besorgungen losschickte, denn dann sah sie sich der Willkür der anderen Männer ausgesetzt, die in ihren Augen übernatürliche Wesen waren, denen man gehorchen musste.

Die Gebräuche der neuen Herren waren ihr nicht geläufig, so wunderte sie sich nicht, als sie eines Tages beim Wäschewaschen am Fluss von einem anderen Mann belästigt wurde. Sie hatte dies schon lange befürchtet und auch vorausgeahnt. Aber während sie zum Holzsammeln ihren Bruder losschicken konnte, blieb das Wäschewaschen nach wie vor ihre Aufgabe. Sie versuchte, sich dem Mann zu entziehen, doch er versperrte ihr mit einem Grinsen den Weg. Sie wusste nicht, wie sie sich in so einem Fall verhalten sollte, außerdem war an Flucht nicht zu denken, weil die Ketten sie behinderten. Immer noch glaubte sie an Götter, die in diesen Teil der Welt gekommen waren, um die Menschen zu bestrafen. Maisblüte versuchte es mit Flehen, doch der Soldat ließ sich nicht beirren. Verzweifelt sah Maisblüte sich nach Hilfe um, doch sie befand sich allein an der Stelle des Flusses. Und wer würde ihr schon gegen einen Gott zu Hilfe kommen? Wenn sie schrie, würde sie höchstens die Aufmerksamkeit von anderen Soldaten auf sich ziehen. Die Miene des Soldaten zeigte Ärger, als sie nicht gleich gehorchte, und so legte sie das Bündel mit der Wäsche zur Seite, um ihm gehorsam zu sein. Je mehr man diese Götter warten ließ, umso ungestümer und verletzender verhielten sie sich. Unterwürfig legte sie sich hin und wartete auf das Unvermeidliche. Sie glaubte, dass dies von ihr verlangt wurde und zu diesen seltsamen Sitten der Fremden gehörte, auch, weil es unentwegt mit den anderen Frauen geschah.

Auch die Sklavinnen ihres Vaters hatten sich dessen Wünschen ergeben und so fügte sie sich gehorsam. Maisblüte ging davon aus, dass ihr Körper nicht mehr ihr Eigen war, sondern diesen Göttern gehörte. Das Gesicht des Soldaten verzog sich zu einem Grinsen, als er sich fordernd auf sie legte. Wieder stieg ihr dieser widerliche Geruch in die Nase. Warum wuschen sich diese Fremden nicht?

Dann wurde der Soldat mit einem lauten Fluch von ihrem Körper weggezogen und das rot angelaufene Gesicht ihres Herrn tauchte auf. „Lauf, du Bastardo!“, schrie Juan wutentbrannt und gab dem Soldaten einen Tritt in den Hintern. „Hau ab!“

Maisblüte richtete ihre Kleidung, verwundert über seine Wut. Alle Männer taten dies. Sie nahmen sich doch die Frauen, wie es ihnen gerade gefiel.

„Du Hure, du Puta, du heidnisches Weib!“ Juan riss die Sklavin an den Haaren hinter sich her und schüttelte sie dabei hin und her.

Für Maisblüte kam dieser Ausbruch völlig unerwartet. Was hatte sie falsch gemacht? Gerade noch war sie froh um die Hilfe gewesen, doch nun hatte sie Angst vor seinem Zorn. Sie kreischte in ihrer Not und bat um Erbarmen. „Keyu!“ Bitte nicht! Sie verstand nicht, warum sie geschlagen wurde, sie war doch gehorsam gewesen! Wieso reagierte er so wütend darauf?

Juan ließ sich in seiner Wut nicht bremsen und schlug mit der Faust auf sie ein. Seine Schläge waren brutal und schonungslos. Ihre Lippe platzte und sie hielt sich die Hand vor das Gesicht, um es vor weiteren Schlägen zu schützen. Was hatte ihn so erzürnt? War sie nicht demütig genug vor den fremden Göttern gewesen? Der hünenhafte Mann stand vor Wut geifernd über dem jungen, zierlichen Mädchen, das sich in seiner Not kaum wehren konnte. „Bitte!“, flehte sie immer wieder. Dann musste sie sich hinknien und auspeitschen lassen für ihr hündisches Wesen. Sie hatte verstanden, dass er sie als Hündin bezeichnete, aber sie verstand nicht, warum. Die Hiebe auf ihren Rücken waren schmerzhaft und sie wimmerte. Das schien ihn umso mehr anzustacheln, denn er prügelte wie ein Wahnsinniger auf sie ein. „Keyu!“, rief sie in ihrer Not. „Keyu!“

Er trat ihr so brutal in den Bauch, dass sie flach zu Boden ging und nach Luft schnappte. Immer wieder trat er sie, während er sie als Hündin beschimpfte und erneut mit seiner Peitsche traf. Er griff ihr so brutal an die Kehle, dass sie sich mit beiden Händen dagegen wehrte, weil sie zu ersticken drohte. Seine Peitsche traf ihre Brüste und blutige Striemen zogen sich über die weiche Haut. Dann hatte er offenbar genug und sein Zorn verrauchte.

Kurz warf er ihr noch einen verächtlichen Blick zu, dann ging er, ohne sie weiter zu beachten, ins Lager zurück.

Maisblüte schnappte keuchend nach Luft und drehte sich auf die Seite. Ihr war schwindelig und schlecht. Es war das erste Mal seit längerer Zeit, dass Juan ihr wirklich und mit Absicht wehgetan hatte. Schwankend erhob sie sich und tastete über ihren geschundenen Körper. Ihr Kopf dröhnte und sie fühlte, wie Blut über ihre Lippe floss. Sie taumelte vor Schwindel und ging nur langsam in das Zelt zurück. Dort legte sie sich stöhnend auf ihr Lager. Sie verstand nicht, was den Zorn dieses Mannes erregt hatte.

Nanih Waiya sah sie mit großen Augen an. „Was ist passiert?“

„Ich habe dem Mann missfallen“, stammelte Maisblüte unter Schmerzen.

„Warum?“

Maisblütes Schultern zuckten. „Ich weiß nicht! Ich diene den Männern, aber es scheint ihm nicht zu gefallen. Ich kann mich aber nicht wehren, wenn ich am Fluss bin. Sie tun, was immer sie wollen, und nichts kann sie aufhalten. Wir müssen hier weg, oder ich sterbe bald!“

„Wie soll uns das gelingen, solange du diese Fesseln hast?“ Nana runzelte unwillig die Stirn. Er hatte unter dem Herrn nicht zu leiden, sodass er eher fürchtete, kein Essen mehr zu erhalten. Maisblüte weinte. Sie hatte keine Kraft mehr und sie fürchtete sich vor weiteren Bestrafungen. Sie verstand einfach nicht, was diese Menschen hier taten und warum. Sie legte sich auf die Matte und schloss die Augen vor der grausamen Welt. Ihr Vater hatte sie immer einem ehrenhaften Krieger zur Frau geben wollen, doch jetzt fristete sie das Leben einer niedrigen Sklavin. Vielleicht wäre der Tod besser als diese ständigen Demütigungen? Sollte sie einfach aufhören zu atmen?

Nach einiger Zeit bemerkte sie die Anwesenheit des Mannes und öffnete die Augen, um ihn nicht weiter zu reizen. Es war nicht ratsam, ihn zu ignorieren. Sie kniete demütig vor ihm und hoffte, dass seine Wut verraucht war. In einfachen Worten versuchte er ihr zu erklären, dass sie nur ihm dienen durfte. Ihm allein! Maisblüte liefen die Tränen über die Wangen. „Ich nicht Hund!“, erklärte sie mit den wenigen Worten, die sie bisher kannte. „Soldat böse!“

Juan runzelte erstaunt die Stirn und starrte sie an. „Wieso böse?“, fragte er. Zum ersten Mal zeigte sich Unverständnis in seinem harten Blick. Misstrauisch musterte er sie. „Wer ist böse?“ Maisblüte weinte schluchzend. „Ich will nicht!“, sagte sie. Mehr Worte kannte sie nicht. Wie sollte sie ihm auch erklären, dass der Soldat sie wie ein Ding behandelt hatte, das man benutzen konnte.

Juan verstand trotzdem, was sie damit sagen wollte. Wieder wurde sein Blick zornig und die Gesichtsfarbe wechselte in ein ungesundes Rot. „Oh Gott!“, schimpfte er los. Und dann folgte eine Schimpftirade, von der Maisblüte kein Wort verstand. Sie sah nur, wie der Mann sich in einen fürchterlichen Zorn hineinredete, und wich angsterfüllt vor ihm zurück. Die Hiebe und Schläge brannten auf ihrer Haut und sie konnte unmöglich noch mehr Schmerzen ertragen. Sie zuckte panisch zurück, als seine Hand ihr Gesicht berührte, und es dauerte eine Weile, ehe sie erkannte, dass er nicht mehr wütend auf sie war. „Es tut mir leid!“, flüsterte er sanft. „Warte hier, ich kläre das! Es tut mir leid! Ich dachte …“ Mit diesen seltsamen Worten verließ er das Zelt und ließ sie völlig verwirrt zurück.