Donnergrollen im Land der grünen Wasser

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„Noch ist sie nur ein Kind. Wer weiß schon, was ihr in den nächsten Monden einfällt und welcher Mann ihr Herz dann berührt.“

„Aber du würdest es gutheißen, wenn ich um sie werbe?“ Wakohs Mimik drückte plötzlich eine Verletzlichkeit aus, die Machwao erstaunte.

„Aber sicher!“, beeilte er sich zu sagen. „Jede Frau kann froh sei, wenn sie dich als Ehemann hat!“ Mit plötzlicher Klarheit erkannte er, dass er die Wahrheit sagte. Wakoh war ein guter Jäger, der seine Familie sicherlich gut versorgen würde. Nur das war wichtig.

Über das Gesicht von Wakoh lief ein weiches Lächeln, das all die furchterregenden Tattoos vergessen ließ. Ja, er wäre ein guter Ehemann! Wahrscheinlich war er nur auf diese Reise mitgekommen, um Machwao überhaupt diese Frage zu stellen. Machwao gab das Lächeln zurück und legte sich auf seine Felle. Es war nicht das Schlechteste, wenn er Wakoh als Schwager bekam. Gerade eben hatte er ihm auch eine liebenswerte Seite gezeigt. Eine Sanftheit, die er auch Kämenaw Nuki gegenüber zeigen würde.

* * *

Am nächsten Tag ehrten sie erst Geister mit einem Tabakopfer, ehe sie sich auf die Suche nach den grünen Steinen machten. Wakoh hatte sich unsichtbar gemacht und versteckte sich am hochliegenden Ufer, um mögliche Feinde auszuspähen. Die anderen suchten den Fluss ab und fanden bereits nach kurzer Zeit die seltsamen grünen Steine, die im Süden eine so wertvolle Handelsware darstellten. Umsichtig verstauten sie die Fundstücke in den Wildlederbeuteln, die sie mitgebracht hatten. Machwao streckte manchmal seinen Rücken, denn ständig in gebückter Haltung nach den Steinen zu suchen, war anstrengend. Nach den Arbeiten an seinem Kanu und dem langen Paddeln spürte er jeden einzelnen Muskel im Leib.

Dann ertönte völlig unvermittelt der Warnruf ihres Freundes. Nachdem der Vormittag so ruhig verlaufen war, riss er die Freunde aus ihrer geruhsamen Suche nach dem Stein des Weißen Bären. Mit einem Hechtsprung rettete sich Machwao an das Ufer, während Wapus noch völlig irritiert im Fluss stand. Nur Awässeh-neskas hatte sich ebenfalls in Sicherheit gebracht.

„Geh in Deckung“, schrie Machwao voller Angst seinem Freund zu. Endlich reagierte Wapus und suchte Schutz hinter einem Felsen. „Was ist los?“, rief er besorgt. Seine Augen waren rund, als er sich vorsichtig nach allen Seiten umsah.

„Keine Ahnung!“, schrie Machwao zurück. „Wakoh hat uns gewarnt!“

Erste Pfeile schlugen unvermittelt in der Nähe der Männer ein und alle duckten sich in die Deckung von Felsen oder Bäumen. So viele Feinde konnten es nicht sein, denn die Pfeile waren zählbar, nichtsdestotrotz gefährlich. Dann ertönte ein verzweifeltes Gurgeln und Stille breitete sich über den Arm des Flusses aus.

Machwao wagte sich aus der Deckung und rannte in Höchstgeschwindigkeit auf die Böschung zu. Dann hechtete er kopfüber in ein Dickicht, tauchte hinter einen umgestürzten Baumstamm und schnappte nach Luft. Jetzt! Jetzt, würde ihn sicherlich ein tödlicher Pfeil treffen! Er wartete mehrere Atemzüge, doch nichts geschah. Erst dann wagte er es, sich vorsichtig auf den Bauch zu drehen und die Umgebung in Augenschein zu nehmen. Wo waren die Feinde? In einiger Entfernung beobachtete er, wie jemand durch den Wald schlich. Ohne zu denken erhob er sich aus der Deckung und bewegte sich in Richtung des Feindes. Er verschwendete keinen Gedanken daran, um wen es sich handelte, denn hier ging es nur darum, seine Freunde zu retten.

Nach wenigen Schritten hatte er den Fremden eingeholt und mit einem furchterregenden Schrei warf er sich auf ihn. Genauso überrumpelt versuchte der fremde Krieger ihn abzuschütteln, doch Machwao hatte seine Kriegskeule erhoben und schlug erbarmungslos zu. Er fühlte nichts außer dem Willen, seine Freunde zu retten und selbst zu überleben. Kurz musterte er den Feind, den er mit einem kräftigen Schlag seiner Keule getötet hatte. Ja, er war jung, vielleicht in seinem Alter. Und er schien vom Volk der Anishinabe zu sein. Warum auch wagten sie sich in die Jagdgründe der Menominee? Abgesehen davon, dass die Menominee gar nichts dagegen hätten, wenn Anishinabe hier in der Gegend auftauchten. Die Häuptlinge suchten nach Möglichkeiten des Friedens mit allen benachbarten Völkern. Kurz wallte das Mitleid in Machwao hoch, einen so jungen Feind besiegt zu haben. Aber er war angegriffen worden und hatte keine andere Wahl gehabt.

In einiger Entfernung hörte er den Siegesschrei von Wakoh, dem Fuchs, und er dankte es seinem Freund, dass er sie alle gewarnt hatte. Es war umsichtig gewesen, dass er angeboten hatte, über sie zu wachen.

Machwao lief zum Flussufer zurück und gab mit Zeichen zu verstehen, dass Wapus und Awässeh-neskas gefahrlos aus dem Wasser kommen konnten. Sein Freund Awässeh-neskas, Bärenkralle, war verletzt und kam nur langsam aus der Deckung eines Felsens hervor. Ein Pfeil steckte in seiner Schulter und sein Gesicht war schmerzverzerrt. „Hoh, wo sind denn diese Feinde so plötzlich hergekommen?“

Machwao lachte dunkel, als die Erleichterung ihn übermannte. Er hob die Hände in einer Geste der Unwissenheit. „Ich habe sie auch nicht bemerkt. Gut, dass Wakoh so aufmerksam war, sonst würden wir jetzt nicht mehr hier stehen. Lass mich dir helfen!“ Awässeh-neskas ließ sich in den Kies plumpsen und ähnelte nun wirklich einem kleinen Bären, der sich die Wunden leckte. Auf seiner Stirn sammelte sich trotz der Kälte Schweiß und er atmete keuchend. Fast sah es aus, als würde sein Geist ihn gleich verlassen.

Wapus kniete sich neben den Verletzten und begutachtete die Wunde. Der Pfeil steckte tief in der Schulter und Wapus warf Machwao einen besorgten Blick zu. „Ich muss die Wunde weiten, um den Pfeil herauszuziehen. Er wird viel Blut verlieren. Hilfst du mir, ihn festzuhalten?“

Machwao spürte, wie ihm die Kehle eng wurde. Sein Freund würde Schmerzen haben! Er konnte so etwas schwer aushalten. Er sah auf, als Wakoh angerannt kam. Außer Atem kniete auch dieser sich neben den Krieger und sah vorwurfsvoll von einem zum anderen. „Habt ihr meinen Warnruf nicht gehört?“

Machwao schluckte seinen Zorn hinunter und warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du urteilst vorschnell! Wir haben dich gehört, doch deine Warnung kam reichlich spät. Ein Pfeil fliegt schnell!“

„Hoh!“ Wakoh schluckte die Kritik hinunter und schüttelte den Kopf. „Sie waren vorsichtig. Seht, was ich gefunden haben!“ Er zeigte den Männern einen ledernen Beutel, in dem bereits viele dieser grünen Klumpen lagen. Offensichtlich kannten auch einige Anishinabe den geheimen Platz und waren hierhergekommen, um sich daran zu bereichern.

Machwao nickte kurz und zeigte dann auf den verletzten Freund.

„Wir müssen den Pfeil herausschneiden. Hilf mir, ihn festzuhalten!“

Awässeh-neskas schüttelte verneinend den Kopf. „Ich kann das alleine. Ihr müsst mich nicht festhalten.“

Es war Wapus, der entschlossen ein Machtwort sprach. „Ich bohre nicht mit einem Messer in dir herum, ohne dass du festgehalten wirst. Ich kenne dich und will nicht von deinen Tatzen erschlagen werden, wenn du wütend wirst.“

Awässeh-neskas rollte empört die Augen, dann ließ er sich widerstandslos nach hinten sinken. Seine Lider waren nun geschlossen und es sah aus, als würde er schlafen.

Mit seinem Messer schnitt Wapus den Umhang über der Verletzung auf. Als Wapus die Wunde freigelegt hatte, drang er mit dem Messer am Schaft entlang in das blutende Fleisch. Er weitete die Wunde, bis er schließlich die Pfeilspitze erreicht hatte. Er musste verhindern, dass die Spitze in der Wunde blieb, wenn er den Pfeil herauszog. Das Blut floss in Strömen über den Körper des Verletzten und Awässeh-neskas bäumte sich auf. Machwao und Wakoh knieten fast auf den Armen von Awässeh-neskas, um ihn am Boden zu halten. Der Mann kämpfte gegen die Schmerzen an und seine Lippen wurden blutig, bis Machwao ihm ein Stück Leder in den Mund schob.

Umsichtig schnitt Wapus das Fleisch um die Pfeilspitze herum auf und bohrte dann unter den Pfeil. Mit einer leichten Hebelwirkung versuchte er, den Pfeil nach oben zu schieben. Es ging ganz leicht, weil der Pfeil den Knochen noch nicht durchschlagen hatte. Kurze Zeit später lag der Pfeil im Kies und Wapus entfernte alle kleinen Teilchen, die er sehen konnte. Wenn Dreck zurückblieb, dann konnte sich die Wunde entzünden. Es blutete stark, doch das würde eher helfen, die Wunde zu reinigen. Awässehneskas lag ganz still da. Eine gnädige Ohnmacht hatte ihn von den Schmerzen befreit.

Wapus öffnete sein heiliges Bündel und suchte nach den Kräutern und anderem Zauber, der seinem Freund bei der Heilung unterstützen würde. Aber er wusste, dass es besser wäre, schnell wieder heimzukommen. Die Wunde war schwer und es würde einige Zeit dauern, bis sie verheilt war. Sein Freund brauchte einen warmen Wigwam und Pflege. Sie hatten gefunden, was sie wollten, und jetzt hatte die Genesung des Freundes Vorrang. Außerdem musste das Volk wissen, dass Anishinabe in der Nähe waren.

Der Kampf um Mabila

(Im Süden)

Maisblüte wollte zu ihrer Mutter, doch die Pflicht, aber auch die Angst, ließen sie verharren. Von draußen waren der Kampflärm und die Schreie der Krieger zu hören. Ihr Herz klopfte, als sie mit den anderen die heiligen Gesänge zum Sonnenvater schickte. Der Heilige Mann sang ebenfalls und begleitete die Gesänge wieder mit seiner kleinen Trommel. Sie war aus einem Tontopf, der mit Leder bespannt war. Durch eine kleine Öffnung konnte Wasser eingefüllt werden, das der Trommel ihren besonderen Klang gab. Sie wurde mit einem Schlegel geschlagen, doch bei dem Lärm konnten die Jungfrauen ihren Klang kaum noch hören. Auch die Gesänge der Jungfrauen waren in dem Lärm des Kampfgeschehens nur mehr ein Hauch. Frauen und Kinder versteckten sich schreiend vor Angst in den Hütten und verschlossen die Türen. Die Krieger besetzten die Palisaden und schrien den Feinden ihre Schmährufe entgegen, beantwortet von den Befehlen und Schlachtrufen der Spanier.

 

Vor den Toren versammelte sich kurz darauf die Hauptmacht des Feindes. Die Patrouillen waren zur Vorhut gestoßen, sodass die Ebene mit Reitern und Soldaten überflutet war, die von allen Seiten gegen die Palisaden stürmten. DeSoto konnte es sich nicht erlauben, dass ein Dorf ihm Widerstand leistete, und hatte Befehl gegeben, dieses Dorf auszulöschen. Mit ihren Äxten und Beilen versuchten sie, die Palisaden einzureißen, während die Krieger von oben ihre Pfeile auf die Angreifer schossen. „Santiago!“, erscholl der Schlachtruf der Fremden. Der Angriff kam jetzt koordiniert, mit all der Tücke und Kriegskunst, zu der die Spanier fähig waren. Ihr Expeditionskorps war immer noch die am besten ausgerüstete Truppe der Welt. Ihr Anführer Hernando DeSoto war ein fähiger, wenngleich skrupelloser Kommandeur. Die Arkebusen rissen Löcher in die Palisaden und trafen die Krieger, die dahinter Schutz gesucht hatten. Der ohrenbetäubende Knall rollte wie ein Donner über das Dorf und ließ die Menschen darin vor Schreck erstarren. Dann gaben die Trommelwirbel der Trommlerjungen das Signal zum Sturm und in die Trompeten und Pfeifen mischte sich das hohe Kriegsträllern der Bewohner. Viele Krieger ließen sich von den Palisaden herab und kämpften im offenen Feld gegen die Angreifer, aber die Reiter mit ihren Lanzen spießten sie auf, als wären es Strohpuppen. Die Flinkheit, die sonst der Vorteil der Indios war, wurde ihnen nun zum Verhängnis, weil sie die Schnelligkeit der Pferde unterschätzt hatten. Staub wirbelte auf, als die Reiter in voller Geschwindigkeit über den sandigen Boden galoppierten. Ihre hohen Lanzen ragten aus der Staubwolke heraus und verschwanden dann plötzlich, wenn der Reiter sie senkte, um sein tödliches Handwerk zu verrichten.

Dann wurde der Angriff plötzlich unterbrochen und andere Männer traten vor, die neues Unheil brachten. Brennende Pfeile schossen über die Palisaden und steckten die Hütten in Brand. Gleichzeitig liefen Soldaten an die Palisaden heran, die brennende Ballen vor sich her schoben. Im Nu brannte das trockene Holz und die Krieger mussten sich vor den Flammen zurückziehen. Auch im Dorf brach Panik aus, als die Feuersbrunst sich in Windeseile verbreitete. Krieger versuchten die Brände zu löschen und die eingeschlossenen Frauen und Kinder zu befreien. Einzelne Kinder konnten über das Dach entwischen, ehe es lichterloh brannte. Sie waren von ihren Müttern hochgehoben worden, kletterten über die brennenden Dächer und sprangen dann nach unten, nur um dort von weiteren Flammen und Rauch eingehüllt zu werden. Hustend versuchten sie einen Weg aus der Feuerhölle zu finden, während sich auf der Haut bereits Brandblasen bildeten. Die anderen starben schreiend im Feuer oder erstickten, ehe das Feuer sie erreichte. Alles geschah in unglaublich kurzer Zeit. Gerade eben noch hatten die Krieger erfolgreich die Feinde aus dem Dorf vertrieben, doch nun wurden sie von allen Seiten bedrängt und ihr Dorf durch das Feuer zerstört. Verzweiflung breitete sich aus, Hoffnungslosigkeit und die Erkenntnis, dass sie einem übermächtigen Feind gegenüberstanden.

Große-Schlange warf seine Krieger verbissen gegen den Feind und ermutigte sie durch sein kühnes Vorbild, nicht aufzugeben.

Wenn erst die Palisaden von den Feinden überwunden wurden, dann gäbe es kein Entkommen mehr. An Flucht war nicht mehr zu denken, denn die Spanier hatten das Dorf umzingelt. Halten oder Sterben. Schreie waren zu hören, verbranntes Fleisch verpestete die Luft und die Hitze des brennenden Dorfes wurde unerträglich und nahm den Menschen den Sauerstoff. Große-Schlange starb, als ein Pfeil seine Brust durchbohrte und er rückwärts von der Palisade fiel. Für einen winzigen Augenblick spürte er die Überraschung des nahenden Todes, eine tiefe Furcht vor der schwarzen Finsternis, die ihn umfing, dann wurde es licht und hell und Frieden umfing ihn. Er spürte nicht mehr, wie er unsanft zu Boden krachte und Flammen an seinem Haar züngelten.

* * *

Seine Frau erfuhr nichts mehr von seinem Tod. Ihre Chukka brannte lichterloh und im letzten Moment half sie Nanih Waiya, auf das Dach zu klettern. Die Balken lagen dicht, aber der Junge war schmal genug, um sich durchzu quetschen. Aber auch das Dach stand bereits in Flammen und das Kind kreischte vor Entsetzen. „Versteck dich!“, rief die Mutter hustend. Der Atem wurde knapp und die Hitze brannte in ihren Lungen. Die beiden Sklavinnen kreischten in Todesangst und versuchten ebenfalls, der Flammenhölle zu entkommen. Mit ihren Händen rissen sie das Stroh von den Wänden und versuchten, einen Ausgang zu finden. Dann wurde der Qualm so schlimm, dass sie hustend zusammenbrachen. Auch der Mutter tränten die Augen und sie rang keuchend nach Luft. Sie hörte noch, wie ihr Sohn auf dem Dach um Hilfe schrie, dann sank sie zu Boden. „Hashtali, nimm mich zu dir!“, flehte sie. „Ich habe keine Angst!“ Dann erreichten die Flammen ihren Körper und steckten die Kleidung in Brand. Die Schmerzen waren unerträglich und sie rannte als brennende Fackel durch ihre Hütte. Ihr Schreien mischte sich mit dem Todeskreischen der Sklavinnen. Hier, in dieser Feuersbrunst, gab es keine Unterschiede mehr. Ihr Todeskampf dauerte eine Ewigkeit, ehe Hashtali ein Einsehen hatte und die drei Frauen zu sich rief.

Die Spanier hatten inzwischen das Tor überwunden und stürmten mordend durch das brennende Dorf. Sie hieben auf alles ein, was sich ihnen in den Weg stellte, gleichgültig ob es Mann, Frau oder Kind war. Sie waren in einem Blutrausch, der nicht mehr aufzuhalten war. Ihre Degen und Lanzen schnitten furchtbare Wunden in das Fleisch und das Blut lief in Strömen. Die Männer stiegen über eingeschlagene Köpfe, blickten in starre, aufgerissene Augen und hieben Arme ab, die sich ihnen bittend entgegenstreckten. Andererseits kämpften auch die Krieger mit dem Mut der Verzweiflung. Keiner wollte in Gefangenschaft geraten und man wählte lieber den Freitod. Manch ein Mann nahm die Sehne seines langen Bogens, knüpfte sie an den Palisaden fest und erhängte sich, um der Gefangenschaft zu entgehen. Es gab kein Entkommen bei der furchtbaren Übermacht der Feinde, denn das Dorf war eingekesselt, also kämpften die Menschen lieber bis zum Tod. Einer nach dem anderen fiel, bis sich die Körper auf den Wegen stapelten. Es waren Tausende, die an diesem Tag den Tod fanden. Das Dorf mit den Palisaden war zur Todesfalle geworden.

Auch die Fremden hatten schwere Verluste, aber ihre Waffen waren überlegen und das Feuer war auf ihrer Seite. Der Rauch breitete sich aus und die Hitze der Flammen war schier unerträglich. Die Männer husteten und spuckten, doch am schlimmsten war der Geruch nach verbranntem Fleisch. Immer wieder dröhnte der Schlachtruf „Santiago“, der ihnen Kraft gab, weiter gegen diese „Wilden“ zu kämpfen. Auch der Anführer kämpfte vom Pferd aus, selbst als ein Pfeil ihn in die Hüfte traf. Von allen Seiten drangen die Fremden in das Dorf vor und töteten die wenigen Überlebenden. Es gab kein Erbarmen.

Schließlich erreichten die Spanier die Hütte des Häuptlings. Sie hatte als einzige kein Feuer gefangen, weil es in der Mitte des Dorfes auf dem künstlichen Hügel stand. Die Jungfrauen befanden sich mit dem Hopaii darin und klammerten sich aneinander. Sie schrien vor Furcht, als ein Soldat in die Hütte stürmte und dem Heiligen Mann einfach den Kopf abschlug. Er benötigte mehrere Schläge, ehe der Kopf über den Boden rollte. Schreiend drängten sich die Mädchen in eine Ecke, als weitere Männer mit gezückten Waffen auf sie zukamen. Hier gab es kein Entrinnen, denn die Hütten waren stabil gebaut worden. Auf einen Befehl hin ließen die Soldaten die Hellebarden sinken und starrten die Mädchen lüstern an. Die Soldaten forderten endlich den Preis des Sieges. Jetzt und hier! Es gab keinen Ehrenkodex, der die Einwohner einer gefallenen Stadt schützen würde, schon gar nicht, wenn es sich um Heiden handelte. Draußen dunkelte es bereits und die Nacht senkte sich gnädig über das Schlachtfeld.

Für die Männer gab es kein Halten mehr. Sie hatten den ganzen Tag gekämpft und ihr Leben dabei riskiert. Sie sahen es als gerecht an, dass sie sich anschließend die Beute teilten. Die Männer waren verschwitzt und dreckig, sie waren aufgeputscht vom Kampf und das Adrenalin pochte in ihren Adern. Gierig rissen sie den Mädchen die Kleider vom Leib und zerrten sie zu Boden, um sich an ihnen zu bedienen. Sie wussten, dass ihnen nicht viel Zeit blieb, denn irgendwann würde ein Befehlshaber kommen und die Soldaten zur Ordnung rufen. Also stürzten sie sich auf die Beute und nutzten die kurze Zeit völliger Gesetzlosigkeit, in der es kein Mitleid und kein Erbarmen gab, wie in so vielen Schlachten vorher. Sie stießen kaum auf Widerstand, weil die Mädchen so entsetzt waren, dass sie nicht an Gegenwehr dachten. Die Soldaten mit ihren blutbesudelten Harnischen und glänzenden Helmen wirkten wie Ausgeburten der Unterwelt, wie wütende Götter, die ihren Zorn an den Mädchen ausließen.

Erst als sie grob zu Boden gestoßen wurden, ahnten sie, was ihnen bevorstand. Ihr Weinen und Klagen rührte die Männer nicht, denn sie hatten Angst, dass andere kamen und ihnen den Spaß verdarben. Frauen waren schon länger Mangelware, sodass sie ihren aufgestauten Instinkten freien Lauf ließen. Sie öffneten die Hosen, spreizten die Beine der Jungfrauen und drangen brutal in das junge Fleisch ein. Das Keuchen der Männer mischte sich mit dem Weinen der Mädchen, das bald von einem qualvollen Stöhnen abgelöst wurde. Es hinderte die Männer nicht an ihrem Tun. Ihr verschwitzter Körper presste das Mädchen unter sich gegen den Boden, ihre blutverschmierten Hände hielten die Handgelenke umfasst, und ihr stinkender Atem schlug keuchend in das Gesicht, das angsterstarrt unter ihnen lag. Der widerliche Akt dauerte nicht lange, denn in ihrer grenzenlosen Gier wollten die Männer schnell zum Ziel. Rücksichtslos nahmen sie sich die Beute, stießen und verletzten, ohne Reue, ohne Mitleid und ohne Schamgefühl. Heute würde es keine Strafe geben. Es war ein Gemetzel gewesen, und dieser Akt der Barbarei war lediglich die Vollendung. Die Männer stöhnten vor Befriedigung, als sie sich in den Mädchen ergossen und sich dann aus der blutigen Wunde zurückzogen. Sie hatten mit ihrem körpereigenen Schwert zugestoßen. Sie beeilten sich, denn der nächste Mann wartete bereits auf die Beute. Das Weinen hatte aufgehört.

Einer der Männer hatte immer noch nicht genug. Er zog sein Messer und stieß es dem Mädchen in die Scheide. Brutal stach er zu und schlitzte es auf. Er lachte hysterisch, als das Mädchen vor Schmerzen schrie. Wieder stieß er zu und das Blut lief über sein Handgelenk. Er war wie wahnsinnig, als er das Messer nahm und dem Mädchen schließlich die Kehle durchschnitt. Ein Schwall Blut ließ den Schrei verstummen. Ihre Hände bebten, dann erschlaffte der Körper und die Augen brachen. Kaltschnäuzig wischte der Mann sein Messer an ihrer zerfetzten Kleidung sauber, dann rannte er aus der Hütte. Vielleicht fürchtete er nun doch die Strafe DeSotos. Irgendjemand maulte, dass er jetzt seine Lust an einem anderen Mädchen befriedigen musste.

* * *

Maisblüte hatte die Augen geschlossen und ergab sich ihrem Schicksal. Sie hatte den ganzen Tag gebetet und der Sonnenvater hatte ihnen seine Gnade verwehrt. Mit dem Tod des Hopaii war auch ihr eigenes Leben vorbei. Als die Hand des Mannes ihr schönes Tuch zerriss, wusste sie, was ihr bevorstand. Sie wurde mit einer solchen Brutalität zu Boden geworfen, dass ihr die Luft wegblieb. Eine Hand quetschte ihre Handgelenke zusammen, die andere presste ihre Beine auseinander. Sie wollte sie zusammenpressen, aber der Mann riss ein Bein so weit nach oben, dass sie vor Schmerzen stöhnte. Schweiß und Gestank schlugen ihr ins Gesicht, als die Fratze des Mannes sich über sie beugte. Seine Haare waren verschwitzt und seine seltsamen braunen Augen glänzten vor Gier. Sein Mund saugte heftig an ihren Brüsten und sie versuchte sich wegzudrehen. Er war schwer und so grinste er nur widerlich. Wieder fand sein Mund ihre Brüste und er riss viel zu heftig daran.

Dann spürte Maisblüte, wie das Geschlecht des Mannes gegen ihren Schoß presste. Nein, dachte sie, noch nicht, ich hatte noch nicht meine ersten Riten! Dann übertraf der Schmerz all ihre Gedanken, als sich der Mann stoßend seinen Weg in ihr Innerstes suchte. Sie wollte die Beine zusammenpressen, irgendwie diesem Schmerz entgehen, doch es gelang ihr nicht. Sie lag offen und ungeschützt unter ihm, hörte sein gepresstes Keuchen und das Klatschen seines Fleisches auf dem ihren. Neben sich hörte sie ein anderes Mädchen schreien, dem das Gleiche widerfuhr. Es war Vogel-im-Bach, deren Jugend auch sie nicht schützte.

 

Maisblüte verschwendete keinen Gedanken an ihre Freundin, denn was ihr geschah, war so unbeschreiblich, dass ihr schwindelte. Die Schmerzen in ihrem Schoß waren schier unerträglich und sie wollte nur noch, dass es aufhörte. Der Mann aber steigerte sich in einen Rausch und drang so heftig in ihr vor, dass sie vor Schmerzen stöhnte.

Aufhören, dachte sie nur noch. Aufhören! Dann bäumte auch dieser Mann sich auf und beendete sein schändliches Geschäft. Er lachte wie befreit und sah ihr dann lüstern in die Augen. Immer noch hatte er ihre Handgelenke umfasst, sodass sie nicht aufstehen konnte.

Nur langsam kehrten die Geräusche zurück und Maisblüte hörte das Weinen der anderen Mädchen. Hier hatte es kein Erbarmen gegeben. Der Mann zwang sie aufzustehen und schubste sie zu den anderen Mädchen, die sich weinend an die Wand drückten. Viele bluteten zwischen den Beinen, was die Männer nur noch mehr reizte. Sie machten Witze und strichen mit ihren dreckigen Fingern immer wieder zwischen die Beine der Mädchen.

Maisblüte hatte das tote Mädchen am Boden entdeckt und schrie vor Entsetzen. Es war Nebel-am-Morgen, die dort mit durchschnittener Kehle lag. Maisblüte ahnte, dass auch sie getötet werden würde. Ihr Klagen mischte sich in das Flehen der anderen, die ebenfalls den Tod erwarteten. Würde Hashtali sie zu sich rufen, damit sie ihren Angehörigen in die andere Welt folgen konnten? Wer waren diese fremden Götter, die ihr Dorf ausgelöscht hatten?

Vielleicht war es dieses Flehen, vielleicht war aber auch der Rausch vorbei, warum die Männer endlich innehielten und etwas betroffen auf das tote Mädchen starrten. Es wäre nicht nötig gewesen. Einer der Soldaten trat vor und erlaubte den anderen Mädchen, dass sie sich bedeckten. Er nahm ein zerrissenes Gewand und reichte es Maisblüte, damit sie ihren Körper verhüllen konnte. „Wir tun euch nichts!“, versicherte er, obwohl er wusste, dass Maisblüte ihn nicht verstehen konnte.

Die Soldaten packten die Mädchen am Arm und führten sie aus der Hütte heraus. Draußen war es dunkel, nur hier und da brannte noch ein Feuer und beleuchtete den Ort des Gemetzels. Erst jetzt konnte Maisblüte das Ausmaß des Angriffs erkennen. Das Dorf war vollständig zerstört worden! Überall lagen die toten Krieger und in den heruntergebrannten Chukkas konnte man verkohlte Skelette erkennen. Ihre Mutter! Wo war die Mutter? Und wo war ihr kleiner Bruder? Ihre schwarzen Augen wurden groß, als sie mit entsetzlicher Sicherheit ahnte, dass niemand mehr am Leben war. Neben ihr erklang erneutes Wehklagen, als die anderen Mädchen erkannten, dass ihre Lieben wohl alle getötet worden waren.

Maisblüte stieg über Leichenberge, als die Soldaten sie aus dem Dorf führten. Ihre Füße rutschten in dem Matsch aus Staub und Blut aus, sodass einer der Männer sie kurz stützte. Maisblüte erschrak bis ins Mark, denn die Hand an ihrem Arm erinnerte sie an die Tortur, die sie gerade erst überstanden hatte. Sie riss sich los und erntete das Gelächter der Soldaten. Maisblüte versuchte einen Blick auf ihre Chukka zu erhaschen, aber in der Dunkelheit und in dem Rauch konnte sie nicht so weit sehen. Vielleicht war es gut so. So blieb ihr der Anblick der verkohlten Leichen erspart. Ihr Leben, wie sie es bisher gekannt hatte, war mit einem Schlag zu Ende. Sie wusste nicht, was ihnen noch bevorstand. Aber es war klar, dass sie alle versklavt werden würden. In der Ferne wurde einigen überlebenden Männern der Kopf abgeschlagen, während andere Soldaten durch die Reihen der Gefallenen schritten und jeden töteten, der sich noch rührte. Sie machten keine männlichen Gefangenen.

Die Mädchen klammerten sich aneinander und weinten vor Angst. Sie stolperten, als ihre Knie vor Furcht zu zittern begannen, aber niemanden scherte das. Die Mädchen wehrten sich nicht, als ihnen die Händen gefesselt wurden und sie durch die Meute der Soldaten gezogen wurden. Kurz erlaubte man ihnen, sich etwas abseits hinzusetzen, dann wurden sie wieder aufgescheucht und durch das Lager getrieben, das etwas abseits der schwelenden Hütten aufgebaut wurde. Es war fast dunkel, als sie in ein großes Zelt gezerrt wurden. Einige Mädchen schrien, als ihnen erneut die Kleidung vom Leib gerissen wurde, und sie drängten sich ängstlich aneinander. Was würde jetzt geschehen? Würden sie geopfert werden? Würden sie ihren Familien in die andere Welt folgen können? Mit großen Augen verfolgten sie das Geschehen und einige erkannten, was ihnen blühte. Sie würden an diese Männer gegeben werden! Das Weinen wurde zu einem Schluchzen, als sie schamlos gemustert wurden und ein Mann nach dem anderen vortrat, um sich seine Beute zu holen. Ohne Rücksicht wurden sie auseinandergerissen und in die Zelte ihrer neuen Herren verschleppt.