Geh nie alleine essen! - Neuauflage

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Das Genie der Kühnheit

„Ergreife den Augenblick! Was Du tun kannst oder glaubst zu können, fang nur an! Kühnheit hat Genie, Macht und Zauberkraft.“

– Johann Wolfgang von Goethe

Mein Vater Pete Ferrazzi war Amerikaner in der ersten Generation. Im Zweiten Weltkrieg war er Matrose bei der Handelsmarine gewesen und danach ein ungelernter Stahlarbeiter, dessen Welt aus harter Arbeit und niedrigem Lohn bestand. Er wollte, dass es mir, seinem Sohn, einmal besser geht. In meiner Jugend waren wir unzertrennlich (seine Freunde nannten mich „re-Pete“ [Wortspiel, gleichklingend mit „re-peat“ – „wiederholen/noch einmal“], weil er mich überallhin mitnahm). Er wusste, dass ich ein besseres Leben haben würde, wenn er für mich einen Weg aus der Arbeiterklasse finden würde, aus der wir stammten.

Aber mein Dad kannte die Ausgänge nicht. Er hatte nie ein College besucht. Von Country Clubs und Privatschulen hatte er keine Ahnung. Er kannte nur einen einzigen Mann, der die Macht haben könnte, mir zu helfen: seinen Boss. Genau genommen den Chef des Chefs des Chefs seines Chefs – Alex McKenna, den CEO von Kennametal, in dessen Fabrik mein Vater arbeitete.

Die beiden Männer waren sich nie begegnet. Aber Dad hatte einen klaren Blick dafür, wie die Welt funktioniert. Er hatte selbst von der Fabrikhalle aus die Beobachtung gemacht, dass Wagemut häufig das Einzige war, was zwei gleichermaßen begabte Menschen und ihre Berufsbezeichnungen voneinander unterschied. Also fragte er, ob er McKenna sprechen könne. McKenna war von dieser Anfrage derart verblüfft, dass er einen Termin ausmachte. Nach dem Gespräch war er bereit, mit mir zu sprechen – aber mehr nicht.

Es ergab sich, dass McKenna mich mochte – zum Teil wegen der Art, wie er auf mich aufmerksam gemacht wurde. Er gehörte dem Kuratorium einer privaten Grundschule in unserer Gegend namens Valley School of Ligonier an, wohin alle wohlhabenden Familien ihre Kinder hinschickten. Sie hatte den Ruf, eine der besten Schulen des Landes zu sein. Nachdem er ein paar Fäden gezogen hatte, verschaffte uns Mr. McKenna einen Termin bei Peter Messer, dem Rektor der Schule.

An dem Tag, an dem ich mich einem Stipendium an der Valley School einschrieb, wurde, betrat ich eine neue Welt, die mich auf einen ganz neuen Kurs brachte, und zwar genau wie mein Vater gehofft hatte. Ich bekam eine der besten Ausbildungen, die man in Amerika bekommen kann, erst an der Valley School, dann an der Kiski School, an der Yale University und schließlich an der HBS. Das wäre nie passiert, wenn sich mein Vater nicht gedacht hätte, dass Fragen nichts kostet.

Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, war diese Ausbildung das Wichtigste in meinem Leben. Außerdem hat die Lektion, die ich aus dem Handeln meines Vaters gelernt habe, alles beeinflusst, was ich seither getan habe.

Wenn es darum ging, die Bedürfnisse seiner Familie zu erfüllen, war meinem Vater einfach überhaupt nichts peinlich. Ich erinnere mich, dass wir einmal mit dem Auto nach Hause unterwegs waren und Dad im Sperrmüll vor einem Haus ein kaputtes Big-Wheel-Dreirad erspähte. Er hielt an, nahm es und klopfte an die Tür des Hauses, vor dem das weggeworfene Spielzeug darauf gewartet hatte, abgeholt zu werden.

„Ich habe in Ihrem Müll dieses Big Wheel gesehen“, sagte er zu der Besitzerin. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich es mitnehme? Ich glaube, ich kann es reparieren. Ich fände es wunderbar, wenn ich meinem Sohn so etwas schenken könnte.“

Was für ein Mut! Können Sie sich diesen stolzen Arbeiter vorstellen, wie er diese Frau anspricht und im Prinzip zugibt, so arm zu sein, dass er gern ihren Müll haben möchte?

Aber das ist ja noch nicht alles. Stellen Sie sich vor, wie sich diese Frau gefühlt hat, weil sie die Gelegenheit bekam, jemandem ein solches Geschenk zu machen. Das hat ihr auf jeden Fall den Tag versüßt.

„Selbstverständlich“, sagte sie überschwänglich. Sie erklärte, dass ihre Kinder schon groß waren und das Spielzeug seit Jahren nicht mehr benutzt worden war.

„Sie können gern auch noch das Fahrrad haben. Zum Wegwerfen war es mir einfach zu schade …“

Dann fuhren wir weiter. Ich hatte ein „neues“ Big Wheel, auf dem ich fahren konnte, und ein Fahrrad, in das ich hineinwachsen konnte. Sie hatte ein Lächeln und ein Herzklopfen, das nur Güte hervorbringt. Und Dad lehrte mich, dass Kühnheit etwas mit Genie und sogar mit Freundlichkeit zu tun hat.

Jedes Mal, wenn ich mir selbst Grenzen setze, was ich schaffen kann und was nicht, oder wenn sich Angst in mein Denken einschleicht, erinnere ich mich an das Big-Wheel-Dreirad. Ich erinnere mich selbst daran, dass Menschen mit geringer Risikotoleranz, deren Verhalten von Furcht geleitet wird, kaum einen Hang zum Erfolg haben.

Die Erinnerungen aus jener Zeit sind haften geblieben. Mein Vater brachte mir bei, dass das Schlimmste, was jemand sagen kann, höchsten ein „Nein“ ist. Wenn einem jemand nicht seine Zeit oder seine Hilfe gibt, ist das sein Pech.

Mir hat in meinem Leben nichts so viele Gelegenheiten gebracht wie die Bereitschaft, zu fragen, egal in welcher Situation. Als ich einmal als namenloser Besucher auf dem Weltwirtschaftsforum in der Schweiz in den Bus zum Hotel stieg, sah ich Phil Knight, den Gründer von Nike. Knight war für mich so etwas wie ein Rockstar, weil er so außerordentlich erfolgreich mit der Gründung und dem Aufbau von Nike war und weil er im Laufe der Zeit so viele Marketing-Innovationen eingeführt hatte. Ob ich nervös war? Darauf können Sie Gift nehmen. Aber ich ergriff die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, beim Schopf und machte mich auf den Weg zum Platz neben ihm. Später wurde er der erste Bluechip-Kunde von YaYa. Ich mache so etwas ständig, egal in welcher Situation.

Manchmal klappt das nicht. Die Liste der Menschen, mit denen ich mich anfreunden wollte und die an meinen Annäherungsversuchen nicht interessiert waren, ist genauso lang. Beim Networking hält der Wagemut die gleichen Fallstricke und Ängste bereit wie beim Dating – und darin bin ich nicht annähernd so gut wie im Knüpfen geschäftlicher Bekanntschaften.

Es ist verlockend, sich an die Menschen zu halten, die man schon kennt. Aber im Gegensatz zu gewissen Formen des Datings ist der Networker nicht auf der Suche nach einem einzigen erfolgreichen Bund. Wenn man einen bereichernden Kreis vertrauter Beziehungen schaffen will, muss man die ganze Zeit draußen sein und sich unter die Menschen mischen. Wenn ich jemanden anrufe oder treffe, den ich nicht kenne, habe ich bis heute Angst vor der Zurückweisung. Dann rufe ich mir das Big Wheel ins Gedächtnis, das mein Vater für mich besorgte, und mache trotzdem weiter.

Für die meisten von uns ist Networking kein bisschen instinktiv oder natürlich, auch wenn es selbstverständlich Menschen gibt, die dank ihres angeborenen Selbstvertrauens und dank ihrer sozialen Kompetenz leicht Anschluss finden.

Daneben gibt es noch uns, die anderen.

In der Anfangszeit bei YaYa machte ich mir Sorgen um das Überleben des Unternehmens. Zum ersten Mal in meiner beruflichen Laufbahn musste ich mich an viele mir unbekannte Menschen wenden; ich repräsentierte ein unbekanntes Unternehmen und pries ein Produkt an, das sich am Markt noch nicht bewährt hatte. Ich wollte nicht einfach Manager bei BMW oder bei Mastercard anrufen und ihnen meine Ware aufschwatzen. Aber wissen Sie was? Da die Alternative hieß, einen Teil der Belegschaft zu entlassen oder in den Augen des Vorstands und der Investoren zu versagen, fiel es mir nicht mehr schwer, auf BMW zuzugehen.

Die Kühnheit, mit Menschen zu sprechen, die mich nicht kennen, lässt sich häufig einfach dadurch mobilisieren, dass ich die Angst vor der Peinlichkeit gegen die Angst vor dem Scheitern und seinen Folgen abwäge. Bei meinem Vater war es so, dass er entweder fragte oder seine Familie nichts bekam. Ich musste entweder fragen oder ich hatte keinen Erfolg. Diese Angst überwindet immer meine Furcht, abgewiesen zu werden oder in peinliche Situationen zu geraten.

Letztendlich muss sich jeder selbst fragen, wie das Scheitern aussieht. Das passiert uns schließlich allen einmal und deshalb müssen wir das aus dem Weg räumen. Es geht nicht um die Wahl zwischen Erfolg und Misserfolg. Es geht darum, sich für das Risiko zu entscheiden und nach Größe zu streben – oder nichts zu riskieren und sich der Mittelmäßigkeit sicher zu sein.

Bei vielen Menschen ist die Angst vor der Begegnung mit anderen Menschen mit der Angst verbunden, vor Publikum zu sprechen (einer Angst, die regelmäßig die Todesangst als größte Angst übertrifft). Einige der größten Redner der Welt gestehen, dass sie solche Ängste empfinden. Mark Twain hat einmal gesagt: „Es gibt zwei Arten von Rednern: die, die nervös sind, und die, die lügen.“

Man bewältigt diese Angst am besten, wenn man zuerst anerkennt, dass sie völlig normal ist. Sie sind damit nicht alleine. Als Zweites muss man anerkennen, dass die Überwindung dieser Angst über den Erfolg entscheidet. Und drittens muss man sich vornehmen, sich zu bessern.

Ich sage Ihnen jetzt ein paar Dinge, die Sie sofort tun können, damit das wirklich besser wird und Sie sich daran gewöhnen, in gesellschaftlichen Situationen mutiger zu sein:

• Finden Sie ein Rollenmodell

Wir neigen dazu, Menschen zu suchen, die uns ähneln – schüchterne Menschen tun sich gern mit schüchternen Menschen zusammen und extrovertierte Menschen tun sich gern mit extrovertierten Menschen zusammen –, weil sie unser eigenes Verhalten unbewusst bestätigen. Aber jedermann kennt jemanden in seinem Freundes- und Bekanntenkreis, der anscheinend ohne Angst oder mit wenig Angst auf andere Menschen zugeht. Wenn Sie sich nicht trauen, den großen Sprung zu wagen und von sich aus fremde Menschen anzusprechen, lassen Sie sich von solchen Menschen helfen und den Weg zeigen. Nehmen Sie sie nach Möglichkeit zu gesellschaftlichen Anlässen mit und beobachten Sie ihre Verhaltensweisen. Achten Sie auf ihre Handlungen. Mit der Zeit übernehmen Sie einen Teil ihrer Methoden und langsam bauen Sie den Mut auf, selbst auf andere zuzugehen.

 

• Lernen Sie, zu sprechen

Viele Unternehmen haben auf die zahllosen Menschen, die erkannt haben, dass sie bessere Redner werden müssen, reagiert. Diesen Bildungsorganisationen ist klar, dass Sie nicht vorhaben, vor einer Zuhörerschaft von tausend Menschen zu sprechen (jedenfalls nicht am Anfang). Die meisten Menschen, die bei solchen Unternehmen Hilfe suchen, wollen mehr Selbstvertrauen gewinnen und Methoden lernen, mit denen sie ihre Schüchternheit überwinden können. Diese Unternehmen bieten nicht ein oder zwei Allheilmittel an. Sie bieten vielmehr die Möglichkeit an, in einem nicht einschüchternden Umfeld zu üben, und zwar unter Anleitung eines Lehrers, der einen auch antreiben kann. Es gibt Hunderte von Trainern und Schulen, die sich dieser Ausbildung widmen. Zu den bekanntesten gehört der Toastmasters Club. Ganz sicher gibt es eine Abteilung in Ihrer Nähe. Diese gut geführte Organisation hat schon Millionen von Menschen geholfen, ihre Redefähigkeit zu verbessern und ihre Ängste zu überwinden.

• Machen Sie mit

Man fühlt sich am wohlsten, wenn man etwas tut, an dem man sich mit anderen freuen kann, die die Begeisterung mit einem teilen. Man kann jedes Hobby gemeinsam mit anderen betreiben: Briefmarken sammeln, Singen, Sport, Literatur. Für alle diese Interessen gibt es Vereine. Machen Sie mit, werden Sie aktives Mitglied. Wenn Sie sich der Aufgabe gewachsen fühlen, werden Sie einer der Leiter dieser Gruppe. Dieser letzte Schritt ist entscheidend. Um Führungsaufgaben zu übernehmen, braucht man Übung – also üben Sie! Dabei ergeben sich immer neue Möglichkeiten, neue Kontakte zu knüpfen und auf andere zuzugehen.

• Machen Sie eine Therapie

Ich weiß, ich weiß, Sie werden jetzt denken: „Der will mich in eine Therapie schicken, damit ich besser zu Menschen sprechen kann?“ Lassen Sie mich das bitte erklären. Erstens halte ich es schon für sehr wichtig, dass man den Wunsch hat, besser zu werden, als man momentan ist. Zweitens haben viele sehr erfolgreiche Menschen, die ich kenne, irgendwann in ihrem Leben eine Therapie gemacht. Ich behaupte nicht, dass eine Therapie Ihren Umgang mit Menschen verbessert, aber vielleicht hilft sie Ihnen, mit Ihren Ängsten und sozialen Befürchtungen produktiver umzugehen. Zahlreiche Studien, die von dem National Institute of Mental Health finanziert wurden, belegen eine hohe Erfolgsquote von Therapien zur Behandlung der Ursachen von Schüchternheit.

• Einfach machen

Setzen Sie sich das Ziel, jede Woche einen neuen Menschen kennenzulernen. Dabei ist es ganz egal, wo Sie wen kennenlernen. Stellen Sie sich im Bus jemandem vor. Setzen Sie sich an der Theke neben jemanden und sagen Sie Hallo. Sprechen Sie am Wasserspender einen Kollegen an, mit dem Sie noch nie gesprochen haben. Sie werden merken, dass das umso leichter geht, je mehr Übung Sie darin haben. Und das Beste ist, dass Sie sich dabei mit dem Gedanken der Abweisung anfreunden. Von diesem Standpunkt aus wird sogar das Scheitern zu einem Schritt nach vorn. Nehmen Sie das als Lerneffekt. Der Dramatiker Samuel Beckett hat einmal geschrieben: „Scheitere. Versuch es wieder. Scheitere erneut. Scheitere besser.“

Furcht macht schwach. Wenn Sie erst einmal begriffen haben, dass Zurückhaltung keine Vorteile bringt, wird jede Situation und jede Person – egal wie unerreichbar sie scheinen mag – zu einer Erfolgschance.

Lady Tatkraft

Was die Verbesserung der Redefähigkeit angeht, gibt es niemand Besseren als DeAnne Rosenberg. Sie ist seit 32 Jahren Karriereberaterin und Inhaberin der Managementberatung DeAnne Rosenberg Inc.; sie ist „Lady Tatkraft“, und das aus gutem Grund.

Im Jahre 1969 las sie im Wall Street Journal einen Artikel, in dem auf das Fehlen einer weiblichen Stimme in der American Management Association (A.M.A.) hingewiesen wurde. Rosenberg erinnert sich: „Damals wurde der Präsident der A.M.A. interviewt und mit den Worten zitiert: ‚Wir haben keine Frau gefunden, die in der Öffentlichkeit selbstbewusst über Management sprechen kann.‘ “

Sie schnitt den Artikel aus und teilte der A.M.A. in einem Brief mit, sie brauche nicht mehr zu suchen. Nach zwei Wochen hatte sie immer noch keine Antwort.

„So ging das einfach nicht“, regt sie sich auf. „Ich schrieb noch einen Brief, direkt an den Präsidenten, und sagte darin mehr oder weniger, er solle Taten folgen lassen oder den Mund halten.“

Nach zwei Tagen rief sie der Verbandspräsident an und sagte ihr, sie hätten sie für einen Vortrag eingeplant. DeAnne wurde die erste Frau, die für die A.M.A. sprach.

Sie hat sich die Lektion aus diesen schicksalhaften Ereignissen gemerkt: Das Erfolgsrezept ist ein Mischmasch aus Selbstsicherheit, sturer Hartnäckigkeit und Unverfrorenheit respektive Wagemut. DeAnne lernte, dass wagemutige Begegnungen das Fundament erfolgreicher Karrieren sind. In den vielen Jahren, in denen sie anderen Menschen beigebracht hat, ihre Ängste zu überwinden, hat sie ein bewährtes „Drehbuch“ zusammengestellt, das jeder benutzen kann, wenn er jemandem zum ersten Mal begegnet.

Ich fand dieses Skript hilfreich. Ich glaube, dass es auch vielen Lesern helfen kann und stelle es Ihnen hier dankbar vor:

1.Beschreiben Sie die Situation. „Legen Sie direkt los und sagen Sie, wie Sie die Sache bei Tageslicht betrachtet sehen, ohne dabei zu hetzen oder zu dramatisieren“, so Rosenberg. Sie machte der A.M.A. klar, dass es a) falsch war, keine weiblichen Redner zu haben, und dass es b) ein Schritt in die richtige Richtung wäre, sie zu engagieren. Es ist logisch, dass man zuerst wissen muss, wo man steht, bevor man überzeugend sprechen kann – das heißt, bevor man leidenschaftlich und auf der Basis persönlicher Erfahrung sprechen kann.

2.Teilen Sie Ihre Gefühle mit. Wir spielen die Auswirkung von Emotionen in unseren alltäglichen Kontakten, insbesondere im Berufsleben, herunter. Man sagt uns, Verletzlichkeit sei schlecht und wir sollten unsere Gefühle sorgsam verbergen. Aber wenn wir uns daran gewöhnen, im Gespräch mit anderen zu sagen „Ich habe das Gefühl, dass …“, gewinnen unsere Begegnungen Tiefe und Ernsthaftigkeit. Mit Ihren Gefühlen zeigen Sie Ihren Zuhörern, dass Sie sie respektieren und sie Ihnen wichtig sind.

3.Sagen Sie, was Sache ist. Dies ist der Moment der Wahrheit, in dem Sie mit voller Deutlichkeit sagen, was Sie wollen. Wenn Sie Ihren Hals riskieren, sollten Sie wenigstens wissen, wofür. Die Wahrheit ist der schnellste Weg zur Lösung, aber bleiben Sie realistisch. Ich wusste, dass Phil Knight von Nike auf ein fünfminütiges Gespräch in einem Bus in Davos hin nichts kaufen würde, aber ich sicherte mir seine E-Mail-Adresse und sagte ihm, dass ich wieder auf ihn zukommen würde. Und das tat ich dann auch.

4.Formulieren Sie eine Frage mit offener Antwort. Wenn Sie eine Frage so formulieren, dass man sie nicht mit Ja oder Nein beantworten kann, wirkt sie weniger bedrohlich. Was halten Sie davon? Wie können wir dieses Problem lösen? Das Thema ist angesprochen, die Gefühle sind geäußert und die Wünsche formuliert. Mit einem offenen Vorschlag oder einer offenen Frage laden Sie den anderen dazu ein, mit Ihnen an einer Lösung zu arbeiten. Ich verlangte von Phil keinen bestimmten Termin, an dem wir miteinander essen gehen würden. Ich ließ diese Frage offen, um unsere erste Begegnung nicht mit Verpflichtungen unnötig zu belasten.

6
Die Networking-Nervensäge

„Ehrgeiz kann kriechen oder fliegen.“

– Edmund Burke

Da steht ein Mann oder eine Frau, den Martini in der einen Hand, die Visitenkarten in der anderen, und die auswendig gelernte Werbemasche stets bei der Hand. Er oder sie ist ein Meister im Einschleimen und bei jeder Veranstaltung mit gehetztem Blick auf der Suche nach einem noch dickeren Fisch, den man an Land ziehen kann. Er oder sie ist der unaufrichtige, skrupellos ehrgeizige und jeden überschwänglich begrüßende Typ, der Sie nicht werden wollen.

Vielen Menschen drängt sich bei dem Wort „Networking“ das Bild einer solchen Nervensäge auf. Aber meiner Meinung nach entgehen dieser Sorte von hyperaktiven Kontaktknüpfern und Visitenkartenzählern die Feinheiten des authentischen Kontakts. Ihre Masche funktioniert nicht, weil sie keine Ahnung haben, wie man bedeutsame Beziehungen knüpft.

Ich musste das auf die harte Tour lernen.

Wenn Sie mich als jungen Mann gekannt hätten, hätten Sie mich vielleicht nicht gemocht. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich mich selbst mochte. Ich beging alle klassischen Fehler der Jugend und der Unsicherheit. Es ging mir meistens um mich. Mir stand der unersättliche Ehrgeiz ins Gesicht geschrieben. Ich befreundete mich mit Höherstehenden und ignorierte meinesgleichen. Allzu oft zeigen die Menschen ihren Untergebenen ein bestimmtes Gesicht, ihrem Chef ein anderes und ihren Freunden wieder ein anderes.

Als ich bei Deloitte für das Marketing verantwortlich wurde, waren mir plötzlich viele Leute unterstellt. Ich hatte Großes vor – Dinge, die in der Beraterszene auf dem Gebiet des Marketings noch nie gemacht worden waren. Und jetzt hatte ich endlich eine Mannschaft, mit der ich dies umsetzen konnte. Aber anstatt meine Mitarbeiter als Partner zu sehen, die ich umwerben musste, damit meine und ihre langfristigen Ziele erreicht wurden, sah ich sie als ausführende Organe für meine Aufgaben.

Bedenkt man dazu noch meine relative Jugend (ich war 20 Jahre jünger als alle anderen Topmanager), wird einem klar, wieso der Widerstand meines Teams uns alle ausbremste. Aufgaben, die meiner Meinung nach innerhalb von Stunden hätten erledigt sein können, dauerten mehrere Tage. Ich wusste, dass ich etwas tun musste, und wandte mich deshalb an die Management-Trainerin Nancy Badore, die schon als Coach für hochrangige CEOs arbeitete, als es den Begriff „Coaching“ dafür noch gar nicht gab.

Als wir uns zum ersten Mal in meinem Büro trafen, hatten wir kaum die ersten Höflichkeiten ausgetauscht, als ich mit der Frage herausplatzte: „Was muss ich tun, um eine gute Führungskraft zu werden?“

Sie sah sich eine Weile wortlos in meinem Büro um. Als sie schließlich etwas sagte, traf es mich bis ins Mark: „Keith, sehen Sie sich einmal die ganzen Bilder an der Wand an. Sie reden davon, eine tolle Führungskraft zu werden, und in Ihrem ganzen Büro gibt es kein einziges Bild, auf dem Sie nicht zu sehen sind: Sie mit anderen berühmten Menschen, Sie an berühmten Orten, Sie als Gewinner von Preisen. Hier hängt kein einziges Bild von Ihrem Team oder irgendetwas, das auf die Leistungen Ihres Teams hindeutet oder das jemandem wie mir sagen würde, dass Ihnen diese Menschen so wichtig sind wie Sie selbst. Ist Ihnen klar, dass die Leistungen Ihres Teams und alles, was es Ihretwegen tut – nicht was es für Sie tut –, Sie als guten Leader ausweisen?“

Diese Frage machte mich sprachlos. Sie hatte absolut recht. Hatte ich gezeigt, dass ich echtes Interesse an dem Leben hatte, das meine Mitarbeiter außerhalb der Arbeit führten? Warum hatte ich mich nicht bemüht, sie an der Führung zu beteiligen? Mit meinen Vorgesetzten hatte ich das vom ersten Tag an getan. Damals begriff ich, dass mein langfristiger Erfolg von allen Menschen in meiner Umgebung abhing; davon, dass ich genauso für sie arbeitete, wie sie für mich arbeiteten!

Die Politiker haben das viel besser begriffen als die meisten Führungskräfte: Wir wählen diejenigen Menschen, die wir mögen und respektieren. Großartige Unternehmen werden von CEOs aufgebaut, die Zuneigung und Bewunderung erwecken. In der heutigen Welt erreichen die bösen Jungs als letzte das Ziel.

 

Von dem befreundeten Buchautor Tim Sanders habe ich gelernt, dass das Zeitalter der Gemeinheiten im Geschäftsleben aus zwei Gründen vorüber ist. Erstens leben wir in einem neuen „Überfluss der geschäftlichen Wahlmöglichkeiten“, und zwar sowohl im Hinblick auf Produkte als auch im Hinblick auf berufliche Laufbahnen. Wahlmöglichkeiten sind für schwierige Kollegen und Vorgesetzte das Todesurteil. „In einer Zeit, in der mehr von uns mehr Möglichkeiten denn je haben, gibt es keinen Grund mehr, sich mit einem Produkt oder einer Dienstleistung abzufinden, die nicht halten, was sie versprechen, mit einem Unternehmen, das man nicht mag oder mit einem Chef, den man nicht respektiert“, schreibt Sanders. Der zweite Grund ist das, was er den „neuen Telegrafen“ nennt. „Ein übles Produkt, ein schädliches Unternehmen oder eine miese Person können die traurige Realität kaum noch verheimlichen. Die Menschen vertreten heute nachdrücklich ihre Meinung, sind gut informiert und mit allen Möglichkeiten des Internets gewappnet.

Unterm Strich bedeutet dies, dass man Menschen, die man nicht mag, leichter entgehen kann als je zuvor. Wenn Ihnen die Interessen anderer nichts bedeuten, finden die Menschen das heute eher früher als später heraus. Unsere Kultur verlangt heutzutage mehr von uns. Sie verlangt, dass wir einander respektvoll behandeln. Sie verlangt, dass wir bei jeder Beziehung den gegenseitigen Nutzen beachten müssen.

Wenn man auf ein Leben und auf eine Karriere zurückblickt, in deren Verlauf man anderen Menschen begegnet ist, will man ein Netz aus Freundschaften sehen, in das man sich fallen lassen kann – und nicht einen Scherbenhaufen gescheiterter Beziehungen. Hier nun ein paar Regeln, die ich aus eigener Erfahrung empfehlen kann und die verhindern, dass Sie jemals zur Networking-Nervensäge werden: