Geh nie alleine essen! - Neuauflage

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Menschen, die instinktiv ein starkes Beziehungsnetz aufbauen, haben schon immer großartige Unternehmen geschaffen. Wenn man die Geschäftswelt auf das Wesentliche reduziert, geht es nach wie vor darum, dass Menschen anderen Menschen etwas verkaufen. In dem gewaltigen Brimborium, das die Geschäftswelt unaufhörlich um alles Mögliche macht, um Marken, um Technologie, um Design, um Preisüberlegungen und die endlose Suche nach dem ultimativen Wettbewerbsvorteil, geht der Grundgedanke leicht verloren. Aber fragen Sie einen beliebigen gestandenen CEO, Unternehmer oder sonstigen Geschäftsprofi, wie er seinen Erfolg erreicht hat; ich garantiere Ihnen, dass Sie kaum Geschäftsjargon zu hören bekommen. Vor allem werden ihnen diese von denjenigen Menschen erzählen, die ihnen den Weg geebnet haben – falls der Befragte ehrlich und nicht zu sehr von seinem eigenen Erfolg eingenommen ist.

Nachdem ich jahrzehntelang in meinem Leben und in meiner Karriere die Macht der Beziehungen mit Erfolg angewendet habe, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass „Connecting“ zu den wichtigsten Fertigkeiten gehört, die man im Beruf – und im Leben – je lernen wird. Warum? Weil, ehrlich gesagt, Menschen einfach lieber Geschäfte mit jemandem machen, den sie kennen und mögen. Karrieren funktionieren – auf allen erdenklichen Feldern – auf die gleiche Weise. Und wie Bibliotheken füllende Forschungen bewiesen haben, werden selbst unser allgemeines Wohlbefinden und unser Glückgefühl zum großen Teil von der Unterstützung, der Leitung und der Liebe diktiert, die wir von der Gemeinschaft empfangen, die wir uns aufbauen.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich genau herausgefunden hatte, wie man Verbindungen zu anderen knüpft. Aber eines wusste ich mit Gewissheit: Egal ob ich Präsident der Vereinigten Staaten oder Präsident des Elternbeirats werden wollte, auf jeden Fall gab es viele andere Menschen, deren Hilfe ich auf dem Weg dorthin benötigen würde.

Selbsthilfe – eine falsche Bezeichnung

Wie macht man aus einem Bekannten einen Freund? Wie bringt man andere Menschen dazu, dass sie sich emotional für Ihr Fortkommen einsetzen? Warum gibt es Glückspilze, die nach einer Geschäftssitzung genug Verabredungen zum Essen für einen ganzen Monat und ein Dutzend potenzielle neue Mitarbeiter in der Tasche haben, während andere nur Bauchschmerzen haben? Wohin muss man gehen, damit man die Art von Menschen trifft, die das eigene Leben am stärksten beeinflussen können?

Von meiner frühesten Jugend in Latrobe an saugte ich aus allen erdenklichen Quellen Klugheit und Rat auf – von Freunden, aus Büchern, von Nachbarn, Lehrern und meiner Familie. Mein Durst nach mehr war unstillbar. Aber im Berufsleben geht meiner Erfahrung nach nichts über den Einfluss von Mentoren. In allen Stadien meiner Laufbahn suchte ich mir die erfolgreichsten Menschen in meiner Umgebung aus und bat sie um Hilfe und Leitung.

Was ein Mentor wert ist, lernte ich zuerst bei einem Rechtsanwalt namens George Love. Er und der Börsenmakler der Stadt, Walt Saling, nahmen mich unter ihre Fittiche. Ich war von ihren Geschichten über das Leben als Selbstständiger und von ihren klugen Sprüchen voller Know-how gefesselt. Mein Ehrgeiz fiel auf den fruchtbaren Boden von Georges und Walts ausufernden Geschäftseskapaden, und seither hielt ich immer Ausschau nach Menschen, die mir etwas beibringen oder mich inspirieren könnten. Im späteren Verlauf meines Lebens, als ich mit Unternehmenslenkern, Ladenbesitzern, Politikern und Entscheidungsträgern jeglicher Couleur verkehrte, bekam ich langsam ein Gefühl dafür, wie die erfolgreichsten Menschen unseres Landes auf andere zugehen und wie sie diese Menschen dazu einladen, ihnen beim Erreichen ihrer Ziele zu helfen.

Ich lernte, dass echtes Networking darin besteht, nach Möglichkeiten zu suchen, anderen Menschen zu mehr Erfolg zu verhelfen. Man muss sich bemühen, mehr zu geben, als man bekommt. Und ich gelangte zu der Überzeugung, dass es eine Litanei knallharter Prinzipien gibt, die diese weichherzige Philosophie erst ermöglichen.

Diese Prinzipien sollten mir schließlich helfen, Dinge zu erreichen, die ich mir eigentlich nicht zugetraut hatte. Sie sollten mir Chancen bescheren, die einem Menschen meiner Herkunft eigentlich verwehrt waren, und sie sollten mir zu Hilfe kommen, wenn ich gelegentlich wie jeder andere auch Fehler machte. Nie war diese Hilfe so bitter nötig wie bei meinem ersten Job nach der Business School bei Deloitte & Touche Consulting.

An den üblichen Anforderungen gemessen war ich ein fürchterlicher Consultant-Anfänger. Wenn man mich damals vor eine Tabellenkalkulation setzte, bekam ich einen glasigen Blick; und genau das passierte auch, als ich über meinem ersten Projekt saß und zusammen mit ein paar anderen Berufsanfängern in einem fensterlosen, vom Boden bis zur Decke mit Akten angefüllten Raum in irgendeiner Vorstadt über einem Meer von Zahlen brütete. Ich versuchte es; ich versuchte es wirklich. Aber ich konnte es einfach nicht. Meiner Überzeugung nach musste eine derart schlimme Langeweile tödlich sein.

Ich war auf dem besten Weg, gefeuert zu werden oder selbst zu kündigen.

Zum Glück hatte ich damals schon ein paar der Networking-Regeln angewendet, die ich gerade lernte. Wenn ich nach Feierabend nicht unter Schmerzen versuchte, irgendeine vor Zahlen überquellende Tabelle zu analysieren, nahm ich Kontakt zu ehemaligen Kommilitonen, Professoren, früheren Chefs und allen Menschen auf, denen Beziehungen zu Deloitte vielleicht etwas bringen könnten. An den Wochenenden hielt ich auf kleineren Konferenzen im ganzen Land Vorträge zu verschiedenen Themen, die ich in Harvard vor allem unter der Anleitung von Len Schlessinger gelernt hatte (dem ich bis heute meinen Redestil verdanke). Auf diese Weise rührte ich die Werbetrommel für meinen neuen Arbeitgeber. Ich hatte auf allen Organisationsebenen Mentoren, unter anderem den CEO Pat Loconto.

Trotzdem bekam ich nach dem ersten Jahr eine verheerende Beurteilung. Ich bekam schlechte Noten, weil ich die mir übertragenen Aufgaben nicht mit der Begeisterung und Konzentration bearbeitete, die von mir erwartet wurden. Aber die für die Bewertung zuständigen Personen, zu denen ich bereits Beziehungen aufgenommen hatte und denen meine außerbetrieblichen Aktivitäten bekannt waren, hatten eine andere Idee. Gemeinsam erfanden wir eine Stellenbeschreibung zusammen, die es in dem Unternehmen vorher nicht gegeben hatte.

Meine Mentoren gaben mir ein Budget von 150.000 Dollar, mit dem ich genau das tun sollte, was ich ohnehin schon tat: das Geschäft ausbauen, das Unternehmen als Redner repräsentieren und mit der Presse und der Unternehmensszene Kontakte knüpfen, die Deloittes Marktpräsenz stärken würden. Der Glaube, den meine Vorgesetzten in mich gesetzt hatten, zahlte sich aus. Nach einem Jahr war der Bekanntheitsgrad des Unternehmens in dem Geschäftsbereich, in dem ich arbeitete (Umstrukturierungen) vom letzten Platz unter den Consultingfirmen auf einen der Spitzenplätze der Branche gestiegen und daraus resultierte eine Wachstumsrate, die das Unternehmen noch nicht erlebt hatte (obwohl das natürlich nicht alleine mein Werk war). Ich wurde dann zum Marketingdirektor des Unternehmens befördert und war der jüngste Angestellte, der je zum Partner gemacht wurde. Und ich hatte eine tolle Zeit – die Arbeit machte Spaß, sie war aufregend und interessant. Mehr kann man von einem Job nicht verlangen.

Meine Karriere lief auf Hochtouren und irgendwie schien alles ein glücklicher Zufall zu sein. Tatsächlich wusste ich jahrelang nicht, wohin mich die berufliche Laufbahn führen würde – nach Deloitte kam ein buntes Sortiment an Spitzenjobs, das ich mit der Gründung meines eigenen Unternehmens krönte. Erst wenn ich von heute aus zurückblicke, erscheint mir alles absolut logisch.

Nach Deloitte wurde ich bei Starwood Hotels & Resorts der jüngste Marketingdirektor eines Fortune-500-Unternehmens, dann wurde ich CEO eines Videospielunternehmens, das von Knowledge Universe (Michael Milken) gegründet worden war, und schließlich gründete ich Ferrazzi Greenlight, eine Schulungs- und Beratungsgesellschaft für Vertrieb und Marketing, die mit Dutzenden weltberühmten Namen zusammenarbeitet und CEOs in aller Welt berät. Im Zickzackkurs gelangte ich nach oben. Jedes Mal, wenn ich über eine Veränderung nachdachte oder Rat brauchte, wandte ich mich immer an den Freundeskreis, den ich mir geschaffen hatte.

Anfangs versuchte ich, die Aufmerksamkeit von meinen „menschlichen“ Fähigkeiten abzulenken, weil ich befürchtete, sie könnten irgendwie unter den sonstigen, „respektableren“ geschäftlichen Fähigkeiten stehen. Aber als ich älter wurde, kamen alle möglichen Menschen – bekannte CEOs, Politiker, Collegestudenten und meine eigenen Mitarbeiter – zu mir und fragten mich, wie man denn all diese Dinge macht, die ich schon immer gern gemacht hatte. Die Zeitschrift Crain’s führte mich als einen der 40 besten Unternehmensführer unter 40 und auf dem Weltwirtschaftsforum wurde ich als „Global Leader for Tomorrow“ bezeichnet. Senatorin Hillary Clinton bat mich, meine Kontaktfähigkeiten dafür einzusetzen, Geld für ihre bevorzugte gemeinnützige Organisation, Save America’s Treasures, zu beschaffen. Freunde und CEOs von Fortune-500-Unternehmen fragten mich, ob ich ihnen nicht dabei helfen könnte, eher intime Abendgesellschaften für Kunden und potenzielle Kunden in den wichtigsten Regionen des Landes zu organisieren. Ich bekam E-Mails von MBA-Studenten, die unbedingt die sozialen Kompetenzen lernen wollten, die auf der Business School nicht gelehrt wurden. Daraus entwickelten sich formelle Ausbildungskurse, die inzwischen Bestandteil der renommiertesten MBA-Programme Amerikas sind.

 

Ich lernte daraus, dass andere Menschen aus den „softeren“ Fähigkeiten, mit deren Hilfe ich zum Erfolg gelangt war, Nutzen ziehen konnten.

Selbstverständlich reicht es für den Erfolg nicht aus, sich ein Netz von Beziehungen aufzubauen. Aber der Aufbau einer Karriere und eines Lebens mit der Hilfe und Unterstützung von Freunden, der Familie und von Kollegen hat unglaubliche Vorteile.

1.Es wird nie langweilig. Zeitraubend manchmal; anstrengend vielleicht. Aber fade niemals. Man erfährt immer etwas über sich selbst, über andere Menschen, über das Geschäft und über die Welt und es fühlt sich toll an.

2.Eine beziehungsgesteuerte Karriere ist gut für die Unternehmen, für die man arbeitet, denn alle profitieren von Ihren Fortschritten – die Menschen wollen nämlich wegen des Nutzens, den Sie bieten, mit Ihnen verbunden sein. Sie empfinden ein Gefühl der Befriedigung, wenn sowohl die Kollegen als auch das Unternehmen an Ihrem Fortkommen beteiligt sind.

3.„Connecting“ – die Unterstützung, die Flexibilität und die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, die es mit sich bringt – ist besonders in der heutigen neuen Arbeitswelt sinnvoll. Die Loyalität und die Sicherheit, die früher die Organisationen boten, kann man sich heute durch seine eigenen Netzwerke verschaffen. Die lebenslange Zugehörigkeit zu einem Unternehmen ist tot; heutzutage sind wir alle freie Mitarbeiter, die sich ihre eigene Karriere durch verschiedene Jobs und Unternehmen bahnen. Und da heutzutage die Information die wichtigste Währung ist, gehört ein weitreichendes Netzwerk zu den sichersten Möglichkeiten, zu einem führenden Denker auf dem jeweiligen Fachgebiet zu werden und es auch zu bleiben.

Heute habe ich die Kontakte von über 10.000 Menschen in meinem Smartphone, die mit mir sprechen, wenn ich sie anrufe. Sie bieten mir Fachwissen, Arbeit, Hilfe, Ermutigung, Unterstützung und – ja! – sogar Fürsorge und Liebe. Die äußerst erfolgreichen Menschen, die ich kenne, sind insgesamt betrachtet weder besonders begabt noch besonders gebildet oder besonders bezaubernd. Aber sie haben alle einen Kreis von vertrauenswürdigen, begabten und inspirierenden Menschen, auf die sie zurückgreifen können.

Das ist natürlich Arbeit. Man muss dafür eine Menge Schweiß investieren, so wie ich damals als Caddie. Es bedeutet, dass man nicht nur an sich selbst, sondern auch an andere Menschen denken muss. Wenn Sie sich einmal entschlossen haben, auf andere zuzugehen und um Hilfe zu bitten, damit Sie der Beste werden, was immer Sie auch tun, werden Sie genauso wie ich feststellen, mit welcher Macht das zum Erreichen Ihrer Ziele beitragen kann. Und was genauso wichtig ist: Es führt zu einem erfüllteren, reichhaltigeren Leben, umgeben von einem stetig wachsenden, pulsierenden Netz von Menschen, die sich um Sie kümmern und um die Sie sich kümmern.

Dieses Buch beschreibt die Erfolgsgeheimnisse vieler Menschen, die es weit gebracht haben; diese Geheimnisse werden von Business Schools, Karriereberatern und Therapeuten nur selten erkannt. Wenn Sie sich die Ideen zu eigen machen, die ich in diesem Buch behandle, können auch Sie zum Mittelpunkt eines Kreises von Beziehungen werden, der Ihnen lebenslang zum Erfolg verhelfen wird. Ich bin natürlich ein bisschen fanatisch, was das Knüpfen von Kontakten betrifft. Ich tue die Dinge, die ich Ihnen beibringen werde, mit einem gewissen … sagen wir Überschwang. Aber ich glaube, schon wenn Sie einfach auf andere zugehen und anerkennen, dass niemand es alleine schafft, werden Sie schnell erstaunliche Ergebnisse sehen.

Jeder hat das Zeug zum Connector. Wenn es ein Kind vom Lande aus Pennsylvania in den „Klub“ schafft, schaffen Sie das auch.

Wir sehen uns dort.

2
Nicht aufrechnen

„So etwas wie einen ‚Selfmade‘-Menschen gibt es nicht. Wir setzen uns aus Tausenden von anderen zusammen. Jeder, der uns je etwas Gutes getan oder uns Mut zugesprochen hat, hat sich in die Zusammensetzung unseres Charakters, unserer Gedanken und unseres Erfolgs eingefügt.“

– George Burton Adams

Wenn ich vor College- oder Universitätsstudenten spreche, werde ich immer gefragt: Was sind die Geheimnisse des Erfolgs? Wie sehen die unausgesprochenen Regeln aus, mit denen man groß rauskommt? Am liebsten hätten sie meine Antwort in einem fest verschnürten Päckchen mit einer hübschen Schleife darauf. Warum auch nicht? Ich wollte das in ihrem Alter auch.

„Sie wollen also den großen Exklusivbericht?“, antworte ich dann. „Das ist nur recht und billig. Ich fasse den Schlüssel zum Erfolg in einem Wort zusammen: Großzügigkeit.“

Dann mache ich eine kurze Pause und sehe mir die Gesichter der jungen Menschen an, die mich fragend anschauen. Die Hälfte der Anwesenden meint, ich würde mir einen Scherz erlauben; die andere Hälfte meint, sie hätte lieber ein Bier trinken gehen sollen, anstatt meinen Vortrag zu hören.

Ich fahre fort, indem ich den Studenten erkläre, dass mein Vater Stahlarbeiter in Pennsylvania war und dass er für mich mehr wollte, als er jemals hatte. Er äußerte diesen Wunsch einem Mann gegenüber, dem er bislang noch nie begegnet war, und zwar dem CEO seines Arbeitgebers, Alex McKenna.

Mr. McKenna gefiel der Schneid meines Vaters und er verhalf mir zu einem Stipendium an einer der besten Privatschulen des Landes, in deren Kuratorium er saß.

Elsie Hillman, die Vorsitzende der Republikanischen Partei in Pennsylvania, die ich kennenlernte, nachdem sie in der New York Times gelesen hatte, dass ich mich während meines zweiten Studienjahres in Yale vergebens für das New Haven City Council beworben hatte, lieh mir Geld, gab mir Ratschläge und ermutigte mich, auf eine Business School zu gehen.

Ich sage den Studenten, dass ich damals in ihrem Alter war und dass ich so ziemlich die besten Bildungschancen der Welt bekam – fast ausschließlich dank der Großzügigkeit Dritter.

„Aber“, so fahre ich dann fort, „jetzt kommt der schwierige Teil: Sie müssen mehr als nur bereit sein, Großzügigkeiten anzunehmen: Oft müssen Sie hinausgehen und sie verlangen.“

Sofort sehe ich am Blick der Studenten, dass sie sich darin wiedererkennen. Fast jeder im Raum musste schon einmal jemanden wegen eines Bewerbungsgesprächs, eines Praktikums oder eines kostenlosen Rats um Hilfe bitten. Und die meisten haben das nur widerwillig getan. Aber solange man nicht genauso bereit ist, um Hilfe zu bitten, wie Hilfe zu gewähren, arbeitet man nur auf einer Seite der Gleichung.

Das meine ich mit „Connecting“. Es ist ein stetiger Prozess des Gebens und Nehmens – um Hilfe bitten und Hilfe bieten. Wenn man Menschen miteinander in Kontakt bringt, wenn man seine Zeit und seine Kenntnisse freigebig teilt, wird der Kuchen für alle größer.

In den Ohren derjenigen, die in der Geschäftswelt zu Zynikern geworden sind, mag diese karmisch angehauchte Sichtweise der Dinge naiv klingen. In den heiligen Hallen der amerikanischen Unternehmenswelt wird die Macht der Großzügigkeit zwar weder vollständig gewürdigt noch angewendet, aber ihr Wert in der Welt des Networkings ist erwiesen.

Mir macht es zum Beispiel Spaß, Tipps und Ratschläge für Karrieren zu geben. Das ist fast schon ein Hobby. Ich habe das schon bei Hunderten jungen Menschen gemacht und es befriedigt mich außerordentlich, wenn ich später von ihnen höre, wie sich ihre Karriere entwickelt. Es gibt Momente, da kann ich im Leben eines jungen Menschen viel bewirken. Ich kann eine Tür öffnen, einen Anruf tätigen oder ein Praktikum organisieren – das sind die einfachen Dinge, die Schicksale verändern. Doch allzu oft wird mein Angebot zurückgewiesen.

Der Empfänger sagt zum Beispiel: „Tut mir leid, aber ich kann diesen Gefallen nicht annehmen, weil ich nicht weiß, ob ich ihn je zurückzahlen kann.“ oder: „Ich will niemandem verpflichtet sein, deshalb muss ich passen.“ Manchmal beharren die Menschen sofort und auf der Stelle darauf, den Gefallen irgendwie zu erwidern. Nichts macht mich wütender als eine solche Blindheit dafür, wie so etwas funktioniert. Und das ist auch keine – wie man ja annehmen könnte – Frage der Generation. Ich habe solche Reaktionen schon von Menschen aller Altersklassen und in allen Lebensbereichen erhalten.

Ein Netzwerk funktioniert genau deswegen, weil man gegenseitig anerkennt, dass man einander braucht. Es gibt ein stillschweigendes Einverständnis, dass die Investition von Zeit und Energie in persönliche Beziehungen mit den richtigen Menschen eine Dividende abwirft. Die meisten Angehörigen des „obersten einen Prozents“ gehören deswegen zu dieser Schicht, weil sie diese Dynamik begreifen; sie haben nämlich selbst die Macht ihres Netzwerks aus Kontakten und Freunden benutzt, um dort hinzukommen, wo sie jetzt stehen.

Dafür muss man aber zunächst aufhören, alles aufzurechnen. Man kann kein Netz aus Verbindungen aufbauen, wenn man nicht mit gleichem Eifer Verbindungen zu anderen knüpft. Je mehr Menschen man hilft, desto mehr Hilfe bekommt man selbst und umso mehr Hilfe bekommt man, um anderen zu helfen. Das ist wie mit dem Internet. Je mehr Menschen dazu Zugang haben und je mehr Menschen es benutzen, umso nützlicher wird es. Ich weiß, dass ich eine kleine Armee aus ehemaligen Schützlingen habe, die in allen möglichen Branchen Erfolg haben und mir helfen können, als Mentor für die jungen Menschen zu fungieren, die heute zu mir kommen.

Das ist kein warmherziger Schnickschnack; es ist eine Erkenntnis, die starrköpfige Geschäftsleute lieber ernst nehmen sollten. Einen Wettbewerbsvorteil erlangte man im Industriezeitalter, indem man ständig Prozesse und Systeme weiterentwickelte. Heute gewinnt man ihn, indem man Beziehungen verbessert.

Informationen sind, anders als andere materielle Ressourcen, im Fluss: Sie können jederzeit erscheinen (entdeckt oder kommuniziert werden) oder verschwinden (veralten). Die besten Informationen in dem Moment zu haben, in dem man sie braucht, erfordert Höchstleistungen an Zusammenarbeit, Mitgestaltung und Kommunikation – das Schmieden von Beziehungen und die Netzwerke, die für sie bestimmte Aufgaben übernehmen.

Wir leben in einer Welt, in der wir voneinander abhängig sind. Flache Hierarchien streben bei jeder Gelegenheit Allianzen an. Immer mehr Freiberufler merken, dass sie mit anderen zusammenarbeiten müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Nullsummenspiele, bei denen nur eine Partei gewinnt, bedeuten heute mehr denn je, dass auf lange Sicht beide Parteien verlieren. In der vernetzten Welt ist „Win-win“ eine notwendige Realität. In einem hyper-vernetzten Markt läuft die Kooperation der Konkurrenz den Rang ab.

Das Spiel hat sich gewandelt.

William Whyte skizzierte im Jahre 1956 in seinem Bestseller The Organization Man den Archetyp des amerikanischen Arbeiters: Wir zogen den grauen Anzug an, arbeiteten in einem Großunternehmen und boten unsere Loyalität im Austausch gegen einen sicheren Arbeitsplatz an. Die vertraglich festgelegte Knechtschaft wurde glorifiziert, aber sie ließ kaum Spielraum und bot wenig Chancen. Heute bieten die Arbeitgeber nur noch wenig Loyalität und die Arbeitnehmer gar keine. Unsere Karrieren sind keine Wege mehr, sondern eher Landschaften, die wir durchqueren. Wir sind Freiberufler, Entrepreneure und Intrapreneure – jeder mit seiner eigenen Marke.

Viele Menschen haben sich an die neue Zeit angepasst und dabei den Glauben beibehalten, dass den letzten die Hunde beißen und der gemeinste und fieseste Hund in der Nachbarschaft gewinnt. Aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Früher fand man als Arbeitnehmer Großzügigkeit und Loyalität im Unternehmen, heute müssen wir sie in unserem eigenen Beziehungsnetz finden. Dabei geht es aber nicht mehr um die blinde Loyalität und Großzügigkeit, die wir einst dem Arbeitgeber boten. Loyalität und Großzügigkeit sind heute eher persönlicher Natur und sie richten sich an die Kollegen, das Team, die Freunde und die Kunden.

Wir brauchen einander heute mehr als je zuvor. Und das ist keine Sentimentalität, es ist wissenschaftlicher Fakt.

In den letzten zehn Jahren haben Neurowissenschaftler, Psychologen und Wirtschaftswissenschaftler Quantensprünge bei unserem Verständnis gemacht, wieso einige ein glückliches, gesundes Leben führen und andere nicht. Es wurde dabei deutlich, dass wir nicht nur mit anderen verbunden sind. Wir sind das Produkt der Menschen und Netzwerke, mit denen wir verbunden sind. Wen Sie kennen bestimmt, wer Sie sind – wie Sie sich fühlen, wie Sie handeln und was sie erreichen.

 

Das Magazin Wired hat das 2010 in einer Titelstory verpackt: „Das Geheimnis für Gesundheit und Glück? Gesunde und glückliche Freunde … Ein halbes Jahrhundert medizinischer Daten [hat] die Ansteckungskraft sozialer Netzwerke erkannt.“

Traurigerweise stecken viele Menschen den Kopf in den Sand und versuchen immer noch so durchzukommen, als schrieben wir das Jahr 1950. Wir neigen zu einem romantischen Bild von Unabhängigkeit und sehen Autonomie als eine Tugend. Meiner Erfahrung nach ist eine solche Ansicht ein Karrierekiller. Autonomie ist eine Rettungsweste, die aus Sand gemacht ist. Unabhängige Menschen, die nicht in der Lage sind, vernetzt zu denken und zu handeln, mögen zwar für sich genommen sehr produktiv sein, aber sie können weder als gute Führungskräfte noch als gute Teamarbeiter gelten. Über kurz oder lang gerät ihre Karriere ins Stocken und kommt schließlich zum Stillstand.

Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Als ich bei Deloitte war, arbeitete ich an einem Projekt für Kaiser Permanente, die größte Krankenversicherung des Landes. Dabei war ich gezwungen, zwischen den Unternehmenssitzen in San Francisco und Los Angeles hin- und herzupendeln, und am Wochenende flog ich heim nach Chicago.

Ich hatte schon früh die Hoffnung, dass die Consultingbranche für mich das Tor zu einem anderen Bereich sein könnte. Da ich in Los Angeles arbeitete, fragte ich mich, wie ich einen Fuß in die Tür der Unterhaltungsindustrie bekommen könnte. Ich hatte nichts Konkretes vor; ich wusste nur, dass ich mich für diese Branche interessierte und nach Hollywood wollte, und nicht nur, um irgendeinem Agenten die Post zu bringen.

Ray Gallo, mein bester Freund aus dem Bachelorstudium, arbeitete als Anwalt in Los Angeles, also rief ich ihn an und fragte ihn um Rat.

„Hallo Ray, kennst du jemanden in der Unterhaltungsbranche, mit dem ich darüber sprechen könnte, wie ich da hineinkomme? Kennst du irgendjemanden, der mal kurz Zeit hätte, mit mir essen zu gehen?“

„Über gemeinsame Freunde kenne ich jemanden namens David, der auch auf der HBS war. Ruf ihn doch mal an.“

David war ein schlauer Unternehmer, der einige kreative Geschäfte in Hollywood machte. Vor allen Dingen hatte er eine enge Verbindung zu einem gehobenen Manager in einem Filmstudio, der auch mit ihm studiert hatte. Ich hoffte, dass ich beide kennenlernen könnte.

Ich traf mich mit David in einem Straßencafé in Santa Monica. Er trug die in Los Angeles übliche elegante Freizeitkleidung. Ich war in Anzug und Krawatte, was zu dem zugeknöpften Consultant aus dem Mittelwesten passte, der ich damals war.

Nach einigem Hin und Her stellte ich David eine Frage:

„Ich denke darüber nach, irgendwann in die Unterhaltungsbranche zu wechseln. Kennen Sie jemanden, der mir nützliche Ratschläge geben könnte?“ Ich war der gute Freund eines engen Freundes von ihm. Angesichts der Intensität unseres Treffens schien mir das eine harmlose Bitte.

„Ich kenne da schon jemanden“, sagte er. „Sie ist bei Paramount im gehobenen Management.“

„Super, ich würde sie gern kennenlernen“, sagte ich begeistert. „Wäre es möglich, schnell ein Treffen zu arrangieren? Könnten Sie ihr vielleicht eine E-Mail schicken?“

„Kann ich nicht“, sagte er kategorisch. Ich war schockiert und meinem Gesicht sah man das an. „Keith, das ist so: Wahrscheinlich brauche ich von dieser Person irgendwann irgendetwas, irgendeinen persönlichen Gefallen. Ich habe einfach keine Lust, das Kapital, das ich bei dieser Person habe, für Sie oder für jemand anderen einzusetzen. Das muss ich für mich selbst aufsparen. Tut mir leid. Ich hoffe, Sie verstehen das.“

Aber ich verstand es nicht. Ich verstehe es immer noch nicht. Seine Aussage widersprach allem, was ich wusste. Er hielt Beziehungen für etwas Endliches, so wie ein Kuchen, aus dem man nur eine bestimmte Anzahl Stücke schneiden kann. Nimmt man ein Stück weg, bleibt weniger für einen selbst übrig. Ich wusste allerdings, dass Beziehungen eher wie Muskeln sind – je mehr man sie benutzt, desto stärker werden sie.

Wenn ich mir die Zeit nehme, mich mit jemandem zu treffen, will ich versuchen, dieser Person zum Erfolg zu verhelfen. Aber David rechnete auf. Er betrachtete jede Begegnung im Lichte der Ertragsminderung. In seinen Augen beinhaltete eine Beziehung nur eine bestimmte Menge an Goodwill, an Sicherheiten und an nutzbarem Kapital.

Er hatte nicht begriffen, dass die Nutzung des Kapitals das Kapital aufbaut. Dieses große Aha-Erlebnis hat David wohl nie gehabt.

Ich habe diese Lektion von Jack Pidgeon gelernt, dem ehemaligen Schulleiter der Kiski School im südwestlichen Pennsylvania, wo ich zur Schule gegangen bin. Er hatte eine ganze Institution darauf aufgebaut, dass er die Menschen nicht fragte: „Wie können Sie mir helfen?“ Sondern indem er fragte: „Wie kann ich Ihnen helfen?“

Jack kam mir oft zu Hilfe, unter anderem einmal als ich in meinem zweiten College-Jahr war. Ich hatte mich für den Sommer von einer Frau engagieren lassen, die gegen einen jungen Kennedy als Kandidatin für den Kongress antrat. In Boston gegen einen Kennedy zu kandidieren und obendrein noch für den früheren Sitz von Jack Kennedy war in den Augen vieler Menschen ein aussichtsloses Unterfangen. Aber ich war jung, naiv und kampfbereit.

Leider hatten wir kaum Zeit gehabt, die Rüstung anzulegen, da mussten wir schon die weiße Fahne hissen und aufgeben. Einen Monat nach Beginn des Wahlkampfs ging uns das Geld aus. Acht andere College-Studenten und ich wurden aus einem Hotelzimmer, das als Wahlkampfzentrale herhalten musste, mitten in der Nacht von dem Geschäftsführer buchstäblich hinausgeworfen, weil wir ihn zu lange nicht bezahlt hatten.

Wir stopften unsere Reisetaschen in einen gemieteten Lieferwagen und da wir nicht wussten wohin, fuhren wir nach Washington, D.C. In unserer Unschuld dachten wir, wir könnten uns in einen anderen Wahlkampf einklinken. Was waren wir noch grün hinter den Ohren.

Irgendwann in der Nacht rief ich von einem Münzfernsprecher an irgendeiner Raststätte auf dem Weg nach Washington aus Mr. Pidgeon an. Als ich ihm unsere Lage schilderte, kicherte er. Und dann tat er, was er schon für Generationen von Kiski-Absolventen getan hat. Er klappte seine Rolodex-Rollkartei auf und begann zu telefonieren.

Unter anderem rief er Jim Moore an, ebenfalls ehemaliger Kiski-Schüler und früher stellvertretender Wirtschaftsminister der Reagan-Administration. Bis unsere Karawane der verirrten Seelen in Washington ankam, hatten wir alle Übernachtungsplätze und waren auf dem besten Weg zu neuen Ferienjobs. Ich bin ziemlich sicher, dass Mr. Pidgeon seinerzeit für Jim ähnliche Anrufe getätigt hat.

Mr. Pidgeon wusste, was es wert war, Menschen miteinander bekannt zu machen, von Kiski-Schüler zu Kiski-Schüler. Er wusste nicht nur, wie sehr sich das auf das Leben der Einzelnen auswirken würde, sondern, dass sich die Loyalität, die dieses Handeln erzeugte, für die fast bankrotte, kleine, aus fünf Gebäuden bestehende Einrichtung in Südwest-Pennsylvania, die er aufzubauen versuchte, am Ende lohnen würde.

Und so war es auch. Jim und ich sitzen inzwischen im Verwaltungsrat unserer früheren Schule. Und wenn Sie die Schule aus der Zeit kennen würden, als Jack sie übernahm, würden Sie sie heute kaum wiedererkennen; die Skipisten, der Golfplatz, das Kunstzentrum und die technischen Einrichtungen lassen sie aussehen wie ein MIT des Mittleren Westens.

Ich will damit Folgendes sagen: Vertrauen festigt Beziehungen. Darauf werden Institutionen aufgebaut. Vertrauen gewinnt man nicht, indem man Menschen fragt, was sie für einen tun können, sondern – um einen früheren Kennedy zu zitieren – indem man fragt, was man für andere tun kann.