Call me Baby

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Kapitel 4

-Tobias-

Es ist Donnerstagabend und ich bin wieder der Letzte im Büro, als das Telefon noch einmal klingelt. Ich lausche in die Stille des Großraumbüros und versuche, den Anrufer auszumachen. Es muss sicher irgendwo drüben bei Heike klingeln oder an Sebastians Platz. Weil ich meinen Rechner noch nicht heruntergefahren habe, nehme ich das Gespräch sicherheitshalber entgegen. Nachdem ich meinen Spruch aufgesagt habe, höre ich ein leise geflüstertes »Baby« durch die Kopfhörer meines Headsets. Mein Herz schlägt sogleich einen Takt höher und ein angenehm warmes Gefühl breitet sich in meinem Inneren aus. Obwohl ich dem Mann vor einiger Zeit deutlich zu verstehen gegeben habe, dass es sich hier nicht um eine Sexhotline handelt, habe ich irgendwie trotzdem gehofft, dass er sich erneut meldet …

»Sorry, ich … ähm …« Der Mann räuspert sich geräuschvoll. »Ich wollte bloß kurz deine Stimme hören. Wir sehen uns dann.«

»Ähm … ja … okay«, gebe ich irritiert zurück. Bevor ich noch etwas sagen kann, legt er auf. Verwirrt nehme ich das Headset ab und fahre meinen Computer runter. Wir sehen uns? Ich glaube, da hat er sich vertan. Und überhaupt – was war das eben für ein seltsames Gespräch? Wieso ruft er nochmals hier an mit dem Risiko, bei einem meiner Kollegen zu landen und legt nach nur wenigen Worten wieder auf? Ich bin zwar froh, dass er angerufen hat, doch irgendwie enttäuscht mich diese kurze Unterhaltung ein bisschen. Mit hängenden Schultern verlasse ich das Bürogebäude.

Draußen ist es bereits dunkel und ein frischer Wind weht durch die großen Bäume auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich schlinge mir die Arme um den Oberkörper und will mich gerade auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle machen, als mir aus dem Augenwinkel auffällt, wie sich eine Gestalt aus dem Schatten des Gebäudes löst und auf mich zukommt.

»Hey, Baby.«

Erschrocken zucke ich zusammen, drehe mich dabei langsam um. Diese Begrüßung beschleunigt meinen Puls. Das kann doch jetzt nicht wahr sein … oder? Da steht er. Das fahle Licht einer Straßenlaterne umgibt ihn. Braune Haare, braune Augen, Dreitagebart. Es könnte jeder x-beliebige Mann sein, der hier vor mir steht und mich ein wenig verlegen anlächelt. Aber ich weiß, dass er es ist. Der Fremde mit einer Vorliebe für Telefonsex.

Mit wild klopfendem Herzen stehe ich wie angewurzelt vor ihm, die Augen weit aufgerissen, und bekomme keinen Ton heraus. Warum ist er plötzlich hier? Und wie hat er mich überhaupt gefunden? Sollte ich jetzt vielleicht weglaufen, bevor es zu einem blöden Missverständnis kommt? Angst beschleicht mich und ich taste nach meinem Smartphone in der Jackentasche, um notfalls die Polizei rufen zu können.

Der Mann kommt näher, bemerkt meine Unsicherheit und bleibt in einigem Abstand zu mir stehen. Ich erkenne ein entschuldigendes Lächeln auf seinem Gesicht.

»Hör mal, ich wollte dir nicht auflauern und dich wirklich nicht erschrecken. Die Telefonsexsache tut mir wahnsinnig leid, glaub mir. Du musst mich sicher für einen perversen Spinner halten, wegen dem, was ich abgezogen habe«, entschuldigt er sich reumütig und macht noch einen Schritt auf mich zu. »Die Situation ist mir wirklich peinlich und … na ja, ich hätte auch einfach die Sache verdrängen und mich nicht mehr melden können, aber … ich würde gerne mit dir reden und dir alles erklären, okay? Dann werde ich dich auch nicht weiter belästigen, versprochen.« Seine tiefe Stimme geht mir unter die Haut. Ich nicke zaghaft und kann deutlich hören, wie der Fremde erleichtert ausatmet. Die Anspannung fällt von ihm ab, und auch ich fühle mich nicht mehr so unsicher wie noch vor wenigen Sekunden. Der kurze Anflug von Panik verschwindet, je länger er mich anlächelt.

»Danke. Gott, ich habe schon befürchtet, dass du mich wütend zum Teufel jagst. Ich musste echt lange mit mir hadern, ob ich mich dir zu erkennen gebe oder nicht. Aber ich wollte mich wenigstens bei dir entschuldigen, damit du mich nicht für einen Perversen hältst, der andere Leute auf der Arbeit belästigt. Das kann ich irgendwie nicht auf mir sitzen lassen.« Er grinst schief und fährt sich nervös mit der Hand durchs Haar. »Wollen wir vielleicht irgendwohin gehen, wo wir uns in Ruhe unterhalten können, und vielleicht … einen Kaffee trinken?«

»Hier in der Nähe gibt es eine nette Kneipe«, entgegne ich, nachdem ich meine Stimme endlich wiedergefunden habe. »Für Kaffee ist es mir persönlich ein bisschen zu spät. Aber ein Bier könnte ich jetzt echt gebrauchen.«

***

Knapp zehn Minuten später sitzen wir uns in der Kneipe zwei Straßen weiter gegenüber und trinken Bier. Diese Situation ist so verrückt, dass ich mich über gar nichts mehr wundere. Erst verwählt sich ein Mann und landet aus Versehen bei mir, weil er Telefonsex haben will, und nun haben wir quasi so etwas wie ein Date.

Mein Unbekannter hat sich als Niklas vorgestellt. Er arbeitet als Finanzberater bei einer Privatbank und wohnt mit seinem Kumpel, den er schon seit Kindertagen kennt, in einer WG hier in der Stadt.

»Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, dass ich dich angerufen habe. Ehrlich. Ich hatte echt keine Ahnung, dass ich so doof war und mich verwählt habe. Aber diese Telefonnummer … Das ist mir erst aufgefallen, nachdem du es mir gesagt hast. Ich hatte da wohl einen Zahlendreher, den ich nicht bemerkt habe. Hättest du das Missverständnis nicht so schnell aufgeklärt, vermutlich hätte ich immer wieder angerufen. Ich meine, was musst du von mir denken? « Die Worte sprudeln nur so aus Niklas heraus, kaum, dass er einen Schluck von seinem Bier getrunken hat. So selbstsicher wie am Telefon kommt er nicht mehr rüber. Er wirkt ehrlich zerknirscht über sein Missgeschick, was ihn irgendwie total sympathischer für mich macht. Bisher hat mich seine Stimme fasziniert, aber jetzt gefällt mir sein ganzes Auftreten, von seinem Aussehen hin bis zu seinem verlegenen Lächeln.

»Schon gut. Ist ja nichts weiter passiert. Ich hätte die ganze Sache schließlich sofort aufklären oder einfach auflegen können«, entgegne ich mit roten Wangen. Zum Glück ist der Raum nur schwach beleuchtet, sodass er es hoffentlich nicht bemerkt. »Also bin ich auch irgendwie schuld, weil ich mitgemacht habe. Du hast mich beim ersten Mal nur so sehr überrascht, dass ich selbst kaum reagieren konnte …«

»Kann ich verstehen. Mich würde es auch irritieren, wenn mir jemand einfach so ins Ohr stöhnt, während ich bei der Arbeit sitze.« Nun grinst er schelmisch, was ihm echt gut steht. Irgendwie finde ich ihn dadurch noch attraktiver. »Mann, ich hätte dich wohl ewig weiter in dem Glauben angerufen, bei einer Sexhotline für Schwule gelandet zu sein, wenn du nichts gesagt hättest.« Eindringlich sieht er mich an. Seine Augen wirken noch dunkler und ein Schatten liegt auf seinem Gesicht.

Dann grinst er wieder und nimmt einen großen Schluck von seinem Bier. Die Stimmung lockert sich, was vermutlich auch an dem Alkohol liegt, denn mein Bier ist bereits zur Hälfte leer. Die Schmetterlinge in meinem Bauch verbreiten sich nach Niklas’ Geständnis immer mehr und je länger wir uns unterhalten, desto heftiger klopft mein Herz. Mein Körper kribbelt angenehm, wenn ich ihn ansehe. Das ist kein perverser Kerl, der bloß eine schnelle Nummer gesucht hat, sondern ein wirklich sympathischer und attraktiver Mann, der hier vor mir sitzt und verzweifelt versucht, mir diese peinliche Situation zu erklären. Das Bier in meinem Blut lässt mich mutiger werden. Ich bin verdammt neugierig, was er wohl von mir als seinen Telefonsexpartner gehalten hat, denn sonst hätte er vermutlich kein zweites Mal angerufen.

»War ich denn … nun, genauso gut wie die Anderen?«, frage ich nicht ohne eine Spur von Nervosität.

»Welche anderen?«, will er verwirrt wissen. Vermutlich hat er nicht mehr damit gerechnet, dass ich das Thema erneut aufgreifen würde.

»Na ja … ich dachte … du klangst so, als hättest du das schon mal gemacht. Also Telefonsex, meine ich. Das sind doch alles Profis, oder? Da muss ich doch wie jemand geklungen haben, der absolut keine Ahnung hat.«

Niklas’ Augen weiten sich überrascht, dann vergräbt er sein Gesicht in den Händen. Anscheinend habe ich ihn mit dieser Frage total überrumpelt.

»Scheiße«, murmelt er, »ich habe das noch nie zuvor gemacht. Musste ich nie.« Dann sieht er mich wieder an. »Ich habe geglaubt, dass ich es mit einem Profi zu tun habe, und mir wirklich Mühe gegeben, nicht wie ein blutiger Anfänger zu klingen. Mir war das Ganze so schon peinlich genug. Hast du dir etwa gemerkt, was ich alles gesagt habe?«

Ich nicke stumm. Natürlich. Jedes Wort. Und vor allem sein Stöhnen geht mir seit dem Abend nicht mehr aus dem Kopf. Keine Ahnung, was Niklas von mir hält, jetzt, da wir uns tatsächlich begegnet sind. Ich für meinen Teil finde nicht nur seine Stimme verdammt sexy. Der ganze Mann ist einfach zum Anbeißen! Für ihn könnte ich doch tatsächlich all meine Prinzipien, was One-Night-Stands betrifft, vergessen. Gerade jetzt spüre ich die Anziehung zwischen uns und das Kribbeln, das sich von meinen Haarspitzen bis zu den Fußsohlen in meinem ganzen Körper ausbreitet. Er macht mich wirklich neugierig. Umso interessanter ist es, wie er mich so schnell gefunden hat. Es überrascht mich, dass er nach dieser Nummer überhaupt bei mir aufgetaucht ist. Wäre mir so ein Missverständnis passiert, ich hätte mich ganz sicher nicht zu erkennen gegeben.

»Umso schlimmer«, seufzt er und kratzt sich verlegen am Kopf. Ihm ist sein Verhalten wirklich peinlich, was ich irgendwie süß finde.

»Es ist ja nichts weiter passiert und wir konnten die Sache klären, also Schwamm drüber«, sage ich zu ihn. »Wie hast du mich eigentlich gefunden? Ich meine … du hattest doch keine Ahnung, wer ich bin.« Mein Bier ist mittlerweile leer, während er seins kaum angerührt hat. Kurzerhand bestelle ich mir ein weiteres bei der Bedienung, die gerade mein leeres Glas einsammelt.

 

»Du hast ja selbst gesagt, wo ich gelandet bin. nachdem ich erschrocken aufgelegt habe, musste ich diese Media AG sofort googlen. Und weil du so spät noch ans Telefon gegangen bist, obwohl die offiziellen Sprechzeiten schon vorbei waren, habe ich einfach gehofft, dich wieder sprechen zu können. Natürlich hätte auch jemand ganz anderes rangehen können, da hatte ich vermutlich Glück. Wie du aussiehst, wusste ich nicht, ich konnte nur raten, dass du es bist, der heute Abend so spät das Gebäude verlässt.« Niklas hebt sein Bier an die Lippen und nimmt einen langen Schluck. Der Schaum hinterlässt eine Spur auf seiner Oberlippe. Seine Zunge schnellt vor und leckt den Schaum weg. Wir gebannt starre ich auf seinen Mund.

»Keine Ahnung, was du jetzt über mich denkst, aber das mit dem Telefonsex war eine total schwachsinnige Idee«, meint er nach einer längeren Pause.

»Wie kamst du da überhaupt drauf?«

»Diese ganze Telefonsexsache ist auf den Mist von meinem Mitbewohner gewachsen.« Niklas trinkt sein Bier aus und schiebt das Glas zur Seite. »Na ja, Max war eben davon überzeugt, dass es mir guttun könnte …«

»Und dann wolltest du es auch mal ausprobieren?«, mutmaße ich mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Nein, so war es gar nicht. Bisher habe ich mich von Telefonsex oder One-Night-Stands ferngehalten, weil ich in einer festen Beziehung gewesen bin. Doch nach der Trennung von meinem Freund war ich einsam. Also habe ich es auf Max’ Zureden mal mit Telefonsex probiert, statt für einen Quickie in den nächstbesten Club zu rennen oder mich in einschlägigen Onlineportalen anzumelden. Und am Telefon wäre ja alles ganz unverbindlich. Niemand sieht einen dabei. Und wenn es nicht geht, sofort auflegen. Klang leicht, wie Max er formuliert hatte.« Er lacht und kratzt sich verlegen am Kopf. »Wenn ich Trottel mich bloß nicht verwählt hätte … Ich war einfach viel zu nervös.«

»Dann hätten wir uns vermutlich gar nicht kennengelernt und säßen jetzt nicht hier«, entgegne ich und proste ihm mit meinem Bier zu.

»Ja. Max sei Dank, würde ich mal sagen. Da habe ich wohl Glück gehabt, direkt die richtige Filiale eures Callcenters erwischt zu haben und …«, er sieht mir tief in die Augen, »dass du dich als so ein angenehmer Gesprächspartner entpuppt hast.«

Als er mich so offen anlächelt, kann ich einfach nicht anders. Mein Körper reagiert wie von selbst. Ich beuge mich über den Tisch und küsse ihn einfach, ohne über mein Handeln nachzudenken.

Niklas zuckt vor Überraschung zusammen, weicht jedoch nicht zurück. Dadurch ermutigt, verstärke ich den Druck auf seinen Mund. Meine Lippen streichen erst zögernd über seine, dann intensiviere ich den Kuss. Vorsichtig tastet sich meine Zunge vor und erkundet seine Konturen. Sein Dreitagebart kitzelt ein wenig. Niklas hat nicht nur wahnsinnig schöne Lippen, sie fühlen sich auch noch unglaublich toll an beim Küssen.

Er öffnet breitwillig seinen Mund, um mir Einlass zu gewähren. Seine Zunge kommt mir bereits entgegen. Jetzt ist von seiner anfänglichen Zurückhaltung gar nichts mehr zu spüren. Hungrig erwidert er den Kuss. Mit den Händen umfasst er mein Gesicht und zieht mich noch ein Stück weiter über den Tisch zu sich. Ein leises Stöhnen kommt über meine Lippen. Scheiße, kann der Kerl gut küssen!

Dieser Kuss bringt mich um den Verstand. Es ist ewig her, seit mich ein Mann so leidenschaftlich geküsst hat. Und ihn scheint es nicht einmal zu stören, dass wir uns gerade in einer Kneipe befinden. Hier ist zwar nicht so viel los, dennoch sind wir nicht allein hier. Aber das ist auch mir egal, denn mein Kopf ist wie leergefegt.

Ich stütze mich mit den Händen auf dem Tisch ab, um den Kuss nicht unterbrechen zu müssen, denn diese Position wird langsam etwas unangenehm für mich. Deshalb lehne ich mich noch weiter vor und verlagere mein Gewicht auf dem Ellenbogen, als ich es plötzlich laut neben uns scheppern höre. Erschrocken fahren wir auseinander.

»Scheiße!«, flucht Niklas. Ich blinzle verwirrt und versuche, die Situation zu erfassen. Mein Hirn ist immer noch etwas benebelt von der plötzlichen Leidenschaft, die durch den Kuss in mir ausgelöst wurde. Hat mein Körper so eindeutig auf Niklas reagiert, weil ich schon so lange mit niemanden intim gewesen bin? Schon möglich … Aber es war eben nicht nur Verlangen, das ich während des Kusses gespürt habe.

Niklas springt von seinem Stuhl aufn und reibt sich mit einer Serviette über die Hose, während die Bedienung am Boden neben unserem Tisch kniet und Scherben einsammelt. Jetzt bemerke ich erst, dass mein Bierglas zerbrochen auf dem Boden liegt. Das Bier hat sich in einer Pfütze über den Tisch ausgebreitet und einen großen Fleck auf Niklas’ heller Jeans hinterlassen. Durch unsere wilde Knutschaktion habe ich gar nicht bemerkt, wie ich das Glas mit dem Arm umgestoßen habe.

»Sorry, das wollte ich nicht«, entschuldige ich mich mit geröteten Wangen und gehe um den Tisch herum zu ihm.

»Ja … ist schon okay. Trocknet sicher gleich wieder«, antwortet Niklas, nachdem er sich von dem Schreck erholt hat. Er grinst mich schief an und in meinem Bauch geht es erneut drunter und drüber. Zu den Schmetterlingen von vorhin hat sich zusätzlich eine wilde Horde Ameisen gesellt.

»Sollen wir vielleicht … Also wir könnten zu mir und …«, schlage ich ihm vor. »Du könntest dich umziehen.« Sobald ich diesen Vorschlag gemacht habe, merke ich, wie bescheuert diese Idee eigentlich ist. Niklas ist gut einen Kopf größer als ich, da werden ihm meine Hosen gar nicht passen.

Ich will mein Angebot bereits zurückziehen, doch Niklas nickt nach kurzem Überlegen. Sein intensiver Blick in meine Augen lässt mich erahnen, dass er den Vorschlag mit dem Umziehen als vorgeschoben enttarnt hat. Mir wird ganz schwindelig vor lauter Herzklopfen, denn mir selbst ist die Zweideutigkeit in meinen Worten gar nicht aufgefallen.

Niklas wendet sich dann an die Kellnerin, die gerade mit den Glasscherben auf ihrem Tablett an uns vorbeigeht, um die Getränke zu bezahlen. Dann verlassen wir gemeinsam die Kneipe. Es ist verdammt frisch draußen, doch Niklas vertreibt die Kälte aus meinem Körper, als er mich gegen die nächstbeste Hauswand presst und meine Lippen erneut erobert. Sein Kuss raubt mir den Atem. Knutschend taumeln wir durch die Dunkelheit. Zwar hatte er eben gesagt, dass er sich nicht so oft auf One-Night-Stands einlässt, doch gerade scheint er anders drauf zu sein. Und auch ich kann es eigentlich ungeachtet meiner Prinzipien kaum erwarten, mit ihm Sex zu haben. Unsere leidenschaftlichen Küsse machen deutlich, worauf die Situation hinauslaufen könnte.

Es dauert nicht so lange, bis wir endlich vor dem Wohnkomplex stehen, in dem meine Wohnung liegt. Niklas’ Lippen liebkosen meinen Nacken, während ich die Haustür aufschließe. Ich taste mit der Hand nach dem Lichtschalter im Flur, den ich nach einigen glücklosen Versuchen finde. Sirrend springt die Deckenlampe an und erhellt das Treppenhaus.

»Ich wohne ganz oben«, presse ich kaum hörbar hervor. Meine Atmung geht nur noch stoßweise, von meinem Puls will ich gar nicht erst reden. Wir stolpern mehr die Treppe hinauf, als dass wir gehen. Niklas drückt mich auf halbem Weg gegen das Geländer und küsst mich so hart auf den Mund, dass unsere Zähne aufeinandertreffen. Ich stöhne auf, bin so erregt, dass ich mir am liebsten jetzt und hier die Klamotten vom Leib reißen würde. Niklas drängt sich näher an mich, schiebt sein Knie zwischen meine Beine. Als ich die leichte Reibung gegen meinen Schritt spüre, entweicht mir ein Keuchen. Verrückt, wie sehr mein Körper auf ihn reagiert.

Meine Hände zerren wie von selbst an seiner Jacke. Ich öffne den Reißverschluss und schiebe ihm das störende Kleidungsstück halb von den Schultern, um ihn besser berühren zu können. Meine Finger schlüpfen unter seinen Pullover, während wir uns immer wieder wie wild küssen. Ein wohliger Schauer jagt über meinen Rücken, als ich endlich seine festen Bauchmuskeln unter meinen Handflächen spüre. Auch Niklas’ Finger haben sich mittlerweile ihren Weg unter meine Kleidung gebahnt. Seine rechte Hand liegt fest auf meinem Hintern, während die linke über meinen Rücken streicht. Wenn ich schon jetzt vor Verlangen vergehe, wie wird das erst sein, wenn wir beide gleich nackt sind?

Meine Gedanken überschlagen sich. Niklas hat den Kuss gelöst, um mit dem Mund meinen Hals zu erkunden. Er neckt mich mit Lippen und Zähnen, was mir ein unkontrolliertes Wimmern entlockt. Niklas’ Zunge leckt heiß über die empfindliche Haut an meinem Hals und ich kann mir gerade noch so ein Stöhnen verkneifen. Um zu zeigen, wie sehr ich ihn will, schiebe ich ihm mein Becken entgegen, als plötzlich ein Klingeln die Stille des Treppenhauses durchbricht. Erst leise, dann dringt der Ton immer lauter zu mir durch. Verwirrt konzentriere ich mich darauf, während Niklas unbeirrt weiter an meinem Hals saugt und dort vermutlich einen Knutschfleck hinterlässt.

»Da ist wohl jemand heiß begehrt, was?«, murmelt Niklas, lässt seine Lippen wenige Millimeter über meinem Hals schweben, lässt jedoch nicht von mir ab.

Genervt ziehe ich das Smartphone heraus und schaue aufs Display. Es ist Kevin. Auf der Party hatten wir gleich Nummern ausgetauscht. Das war, bevor ich mich so elegant habe volllaufen lassen. Ist mir immer noch irgendwie ein bisschen peinlich. Ich drücke ihn weg, aber als es dann erneut klingelt, gehe ich doch ran. Trotz meiner offensichtlichen Erregung ist da auch noch ein Funke Neugier, was Kevin auf einmal von mir will.

»Ja?«, brumme ich ein wenig außer Atem.

»Hey, Tobias. Wie geht’s dir so? Hast du Zeit, oder störe ich gerade?«

»Es … mh … ist gerade etwas ungünstig«, murmele ich, unterdrücke nur mit Mühe ein weiteres Stöhnen, weil Niklas mir gerade einen Knutschleck verpasst.

»Schade.« Kevin wirkt geknickt. »Ich wollte mich nur noch mal mit dir unterhalten und nachhorchen, ob zwischen uns alles okay ist. Schließlich bist du Sonntag so schnell abgehauen, dass ich mir nun Gedanken mache. Kann ich dich wieder anrufen? Morgen vielleicht?«

»Ja … morgen … alles klar. Tschüss, Kevin«, verabschiede ich mich schnell. Zwar tut es mir leid, ihn einfach so abzuwimmeln, doch gerade habe ich wirklich andere Dinge im Kopf, als mich über vergangenen Sonntag zu unterhalten.

Niklas hat sich mittlerweile von mir gelöst und sieht mich nun mit einem durchdringenden, ein wenig wehmütigen Ausdruck in den Augen an.

»Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe, Tobias«, sagt er leise und senkt den Blick. Etwas Trauriges liegt in seinem Gesicht, was das Verlangen augenblicklich aus meinem Körper vertreibt. Er darf nicht gehen. Ich wollte doch … Ich lege meine Hand auf seine Schulter.

»Bitte … geh noch nicht.«

Niklas schüttelt jedoch den Kopf.

»Es ist bloß schon spät und ich muss morgen früh wieder ins Büro«, entschuldigt er sich und jetzt erscheint wieder ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht. »Darf ich dich auch mal privat anrufen?«

Röte steigt in meine Wangen. Ich nicke. Natürlich darf er mich anrufen. Jederzeit. Ich reiche ihm mein Smartphone, damit er seine Nummer eintippen kann. Dann klingele ich ihn an. Als ich die leise Melodie aus seiner Jackentasche vernehmen kann, grinse ich.

»In Ordnung. Ich melde mich bei dir.« Niklas gibt mir noch einen sanften Kuss zum Abschied, von dem mir die Knie weich werden. »Ach, bevor ich es vergesse.« Seine Lippen nähern sich meinem Ohr. »Du hast eine verdammt sexy Telefonstimme«, flüstert er mir zu, bevor er mich stehen lässt.