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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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Ohne Elsas Monolog zu kommentieren, enthüllt Henno, dass er das Geld seiner Frau gefunden, sodann gestohlen hat, und was er damit zu tun pflegt. Die im Monolog Elsas implizit aufgeworfene Frage, ob das Verhalten Hennos ihrer Charakterisierung entspricht, beantwortet Henno selbst positiv. Darüber hinaus erhalten die Rezipienten mehr Informationen, als Elsa zuvor in der Fremdcharakterisierung gegeben hat, und erlangen so einen Informationsvorsprung. Diese Informationsvergabe ist analeptisch, insofern Henno Geschehen aus der Vergangenheit enthüllt.

Als Teil der Exposition bereitet die Selbstcharakterisierung von Henno wie auch der Prolog und der Monolog Elsas „die Vergabe von Informationen über die in der Vergangenheit liegenden und die Gegenwart bestimmenden Voraussetzungen und Gegebenheiten der unmittelbar dramatisch präsentierten Situationen“22 für die Rezipienten gestrafft auf. Die Exposition endet nicht nach den beiden Monologen, sondern erst mit dem Ende der ersten Szene (KG VII, S. 128 v. 20).23

Obwohl beiden Monologen als primäre Funktion die Vermittlung handlungsbezogener Informationen zufällt, führen sie indes auch in die fiktive Spielrealität ein und schaffen einen Übergang von einer nicht-aktionalen informierenden in eine dialogisch aktionale Spiel-Situation.

Der Konflikt entwickelt sich im Anschluss an die beiden Monologe in zwei Dialogpassagen. In der ersten weiht Henno seinen Knecht Dromo in den Diebstahl des Geldes ein und beauftragt ihn, Tuch zu kaufen. Die Szene endet mit einem Monolog Dromos (KG VII, S. 128 vv. 9–20), der als Szenenabschluss, gefolgt von einer leeren Bühne, eine strukturell-gliedernde Funktion hat. Diese war im Pluto schon nachzuweisen, dort allerding nur einmalig. Reuchlin lässt hier ein Muster zur Szenenstrukturierung erkennen, das Sachs nicht nur in gleicher Weise übernimmt, sondern auch eigenständig in seiner Bearbeitung fortführt. Der Abgangsmonolog Dromos und der daran anschließende Auftrittsmonolog Elsas, mit dem die nächste Szene beginnt (KG VII, S. 128 v. 22 – S. 129 v. 10), verdeutlichen die Funktionalisierung. Dromo beendet die erste Szene:


Ach lieber herr, sag nur mit nichten!
10 Die sach weiß ich frey auß zu richten,
Nemblich, das ich mich selbs versorg
Und bring das thuch herauß auff borg
Und die acht gülden mir behalt.
Gott geb, wie halt das tuch werd zalt!
15 Und darnach wil ich weiter lauffen
Und das tuch umb bar gelt verkauffen,
Dasselbig gelt mir auch behalten.
Der jarrit sol des bawren walten!
Ob er gleich wird der schalckheit innen,
20 Wird ich etwan ein außred finnen.

Dromo enthüllt, dass er sich das Tuch vom Tuchhändler unter dem Versprechen der späteren Bezahlung geben lassen will, um es sogleich wieder zum doppelten Preis zu verkaufen. Henno wird die Schuld treffen und er, Dromo selbst, muss nur noch eine Ausrede finden. Die handlungsbezogene Funktion der Enthüllung setzt die Intrige in Gang. Die Rezipienten erhalten einen Informationsvorsprung, der es ihnen ermöglicht, die Missverständnisse der nachfolgenden Szenen zu verstehen, die die Grundlage für die Komik bilden. Zusätzlich wird ein Spannungsmoment eröffnet, da sein Vorhaben zukunftsungewiss geäußert ist.

Der Enthüllung kommt eine explizite Funktion für das Handlungsgeschehen zu, die Verständnis sichert und die Komik ermöglicht. Die ausdrückliche Funktionalisierung setzt sich in der Szenenstrukturierung fort, die zusätzlich zu den Monologen am Anfang und Ende eine leere Bühne vorsieht. In den vorherigen Dramen, ausgenommen eine Szene im Pluto, findet dieses Mittel allein am Ende des Aktes Verwendung.

Mit Beginn der neuen Szene tritt Elsa monologisierend auf (KG VII, S. 128 v. 22 – S. 129 v. 10).24 Der retardierende erste Teil (S. 128 vv. 22–29) erinnert in Form einer Analepse an die bereits aus dem Expositionsmonolog bekannten Informationen über das mühsam zusammengesparte Geld. Da die Rezipienten über den Diebstahl des Geldes schon informiert wurden, baut sich bei ihnen hinsichtlich der Reaktion Elsas ein Spannungsmoment auf. Wie im Monolog Dromos vermittelt Sachs das Spannungsmoment als Enthüllung, hier Elsas Sorge um ihr Geld (S. 128 vv. 30–35):


Mein man all zeit groß armut klagt,
Verschlembt doch als, was er erjagt,
Unnützlichen, als werens sprewer.
25 So offt mir gelt ist worden hewer,
Nam ich darvon den zehend mein.
Darnach ich wechslet gülden ein
Und hab zam bracht acht gülden alt,
Die ich in der krippen behalt.
30 Das ist meins hertzen lust und gier.
Ich schaw sie offt den tag wol zwier.
Ich zels ein tag offt siben mal,
Ob ich noch hab mein alte zal.
Ietzund ich aber darzu mauß,
35 Weil man und knecht sind beyde auß.

Der zweite Teil des Monologes ist als Apostrophe an den Beutel gestaltet. In der Ansprache an ihn vermittelt sich besonders eindrücklich das Entsetzen über das Verschwinden des Geldes. Zweifel an der Echtheit des Beutels und am eigenen Sehvermögen im Zusammenspiel mit der im ersten Teil geäußerten Vorfreude auf das Geld lassen den verzweifelten Gemütszustand Elsas nachvollziehbar erscheinen:


Sie zeucht den beuttel herfür, spricht:
S. 129 Liebs beuttelein, laß sehen dich!
Sag mir bald! wie gehabst du dich?
O weh! hat dich als unglück troffen?
Wie stehn dir all dein fächer offen?
5 O weh! das ist mein beuttel nicht.
Jo, jo, mich drieg denn mein gesicht.
Weh deß unglücks, das mir zu-steht!
O meine liebe nachbewrin Gredt,
Kombt mir zu hilff in meiner angst!
Im grund ich bin verdorben langst.

Ihre Verzweiflung kann sie im anschließenden Dialog mit der Nachbarin Greta kundtun. Diese rät Elsa am Ende des ersten Aktes, zu einem Wahrsager zu gehen, um so den Diebstahl aufzuklären.

 

Nach demselben Muster wie der erste Akt beginnt der zweite mit einem Auftrittsmonolog (KG VII, S. 130 vv. 18–27):25


Der Ptolomeus bschreiben thet
Ein buch Alarmacabalet,
20 Und welcher thut darinn studirn,
Der lehret die kunst in dem gstirn
Der planetn und der zwölff zeichen,
Die schweren aspect der-geleichen.
Auß dem ist im zu wissen ring
25 Auff erden ein iegkliches ding
Zukünfftig oder angefangen,
Gegenwertig oder vergangen.

Die Beschreibung eines Sternendeuterbuches, aus dem man den Blick in die Zukunft, Vergangenheit oder Gegenwart lernen könne, vermittelt den Rezipienten, dass die monologisierende Figur der Wahrsager ist. Der nicht-aktionale Monolog dient dazu, den Ortswechsel zum Wahrsager kenntlich zu machen und in den neuen Akt und damit in die neue Szenerie einzuführen.

Reuchlin integriert keine weiteren Monologe in das Stück, Sachs hingegen adaptiert das strukturell-gliedernde Verfahren und fügt drei Monologe unabhängig von der Vorlage, der er ansonsten streng folgt, in das Drama ein, wenngleich er sie weitaus kürzer als die sonstigen gestaltet.

Der erste selbstständig eingefügte Monolog dient neben der Szenenstrukturierung vor allem dem Handlungsverständnis. Er folgt auf den Betrug des Knechts am Tuchhändler. Vor dem Auftrittsmonolog des Tuchhändlers (KG VII, S. 136 vv. 14–19) nur angekündigt, wird der Rechtsverstoß erst jetzt szenisch präsentiert:


Ich bin heint glegen und hab gesorgt,
15 Hab gester eim bawrnknecht tuch borgt.
Der sagt, sein bawer würt heut kommen,
Mich zaln; hab in doch nit vernommen.
Ich fürcht, der bawer brauch gefer.
Dort geht er eben gleich daher.

Analeptisch (vv. 15–17) berichtet der Monologisierende von einem Bauernknecht, dem er das Tuch geborgt hat. Es wird deutlich, dass es die Figur der Tuchhändler sein muss, der nächste Tag begonnen hat und ein Ortswechsel vonstatten gegangen ist. Wie in der Rede des Sternendeuters wird mit Informationen, die den Rezipienten aus Dialogen bereits bekannt sind, eine neue Figur in das Geschehen eingeführt. Sachs klärt hier mittels Monolog den Fortgang der Intrige auf. War am Ende der vorausgehenden Szene noch unklar, ob Dromo sein Vorhaben umsetzen konnte, bestätigt der Monolog des Tuchhändlers den Betrug. Sachs füllt somit, anders als Reuchlin, eine Leerstelle im Handlungsgeschehen. Die letzten beiden Verse dienen der Überleitung in den Dialog, indem sie den ankommenden Dialogpartner teichoskopisch beschreiben.

Ähnlich verfährt Sachs in dem Monolog, der in den vierten Akt einführt (KG VII, S. 139 vv. 10–14):


10 Man wird ietzt sitzen zu gericht.
Bin doch von niemandt bstellet nicht,
Dem ich daran sol procuriern!
Wil niemant heut mein hendt mir schmiern?

Nachdem der Tuchhändler am Ende des dritten Aktes angekündigt hat, den Knecht verklagen zu wollen, braucht es nur wenige Verse, um den Ortswechsel zum Gericht („Man wird ietzt sitzen zu gericht“) und den Sprecher als Juristen („Dem ich daran sol procuriern“) erkennbar werden zu lassen. Diesen führt Sachs wie schon den Tuchhändler und den Sternendeuter in die Szene bzw. den Akt ein und stellt so sicher, dass die Rezipienten ihn identifizieren können.

Anders verhält es sich bei dem letzten selbstständig eingefügten Monolog (KG VII, S. 146 vv. 17–20), der das Ende der Szene markiert und das Verhalten des Juristen kommentiert:


Ich hab auch manchen mann betrogen
Bey der nasn am recht umbzogen;
Betreugt mich gleich der baurenknecht,
20 Dunckt mich, mir gscheh nit gar unrecht.

Dieser reflektiert sein früheres Verhalten und erkennt, dass es falsch war, weshalb ihm auch kein Unrecht widerfahren ist, als der Knecht ihn überlistet hat. Die Selbsteinsicht in das moralisch inkorrekte Verhalten vermittelt sich analeptisch, indem der Anwalt die in der Vergangenheit begangenen Betrüge enthüllt. Für die weitere Handlung sind diese Informationen irrelevant. Sie dienen vielmehr der im Epilog gegebenen moralischen Deutung. Sachs nutzt demnach die strukturell-gliedernde Funktion des Monologs, um mittels reflektierender Figurenrede auf die Lehre im Epilog hinzuarbeiten. Möglicherweise setzt er an dieser Stelle den vierten Chorgesang der Vorlage in Figurenrede um. Der Chor beklagt, dass am Gericht u.a. Verlogenheit, Verrat, List und Betrug an der Tagesordnung seien. Sachs bestätigt mit der Alleinrede des Juristen die Vorwürfe, geht indes noch einen Schritt weiter, indem er dem Juristen ein reflexives Moment auferlegt, das zur Selbsteinsicht führt.

Rekapituliert man die Funktionen der Monologe in der Lucretia, Virginia und im Pluto, zeigt sich vor dem Hintergrund der Typologie deutlich die Bedeutung des Henno. Vor seiner Bearbeitung fügte Sachs unabhängig von der Vorlage Monologe ein, um strukturell-gliedernd Abschnitte zu überbrücken oder um handlungsbezogen Affekte im Klagen darzustellen. Bei Reuchlin findet sich erstmals die monologische Einführung einer neuen Figur in die Handlung. Sachs führt sie selbstständig fort. Damit kann er sicherstellen, dass zum einen die Rezipienten die Figur erkennen und zum anderen Zeitsprünge oder Ortswechsel integriert sind. Neben dem Expositionsmonolog und seiner szenen- und aktstrukturierenden Funktion26 adaptiert Sachs die Enthüllung, um Handlungsabsichten zu präsentieren. Nicht nur die Kausalität bleibt gewahrt, indem er die Figuren Gründe für ihr Handeln nennen lässt, auch lässt sich die Vermittlung handlungsbezogener Informationen sicherstellen. Erst durch das Verständnis der Betrugshandlung kann er die Komik herausarbeiten, weil sie sich über eine Intrige vollzieht, für die die Rezipienten einen Informationsvorsprung haben müssen. Diesen erhalten sie komprimiert in Form eines Monologes, der Handlungsabsichten enthüllt.

Die für das Fastnachtspiel ab 1550 charakteristische schwankhafte Handlungskonstruktion fand Sachs im Henno vor. Seine Bearbeitung verdeutlicht, dass er diese Handlungskonstruktion als eine Konvergenz aus antiker Dramenform und volkssprachlicher Literaturtradition auffasste. Sehr konkret bestätigt sich damit die untersuchungsleitende These, dass die Literarisierung des Fastnachtspiels auf der Etablierung eines Formenrepertoires beruht, die ihrerseits als volkssprachliche Humanismusrezeption einzuschätzen ist.

Die Untersuchung der folgenden Bearbeitungen soll sich der strukturell-gliedernden Funktion des Auftritt-Abgangs-Monologs zuwenden und darstellen, inwieweit Sachs im Jahr 1536 bereits selbstständig die adaptierten Monologfunktionen einsetzte. Dafür dient der Vergleich eines Monologs in den beiden Hester-Fassungen von 1536 und 1559.

Im Anschluss daran widmet sich die Untersuchung den Dekameron-Bearbeitungen. Dies soll zeigen, wie die Übertragung der Handlungskonstruktion und der Erzählerrede der narrativen Vorlage in die dramatische Figurenrede vonstatten ging. Abschließend wendet sich die Untersuchung der Komik in der Bearbeitung einer antiken dramatischen Vorlage zu, speziell der Umsetzung einer komischen Verwechslungshandlung.

3.4 Auftritt-Abgangs-Monolog im Judicium Paridis und Hester

In der zwei Tage später gedichteten Comedi Das judicium Paridis1, die Jacob Lochers Spectaculum de iudicio Paridis, de pomo aureo, de tribus deabus, et prilici hominum vita2 zur Vorlage hat,3 finden sich drei Monologe. Davon hat Sachs zwei selbstständig eingefügt, die hier jedoch nicht weiter zu analysieren sind.4 Einen dieser drei Monologe konnte Sachs ansatzweise seiner Vorlage entnehmen.

Neu ist in dieser Comedi der Auftritt-Abgangs-Monolog, der eine eigene Szene bildet. Sachs fügt diesen Monolog zu Beginn des zweiten Aktes zur Vermittlung des handlungsauslösenden Momentes ein (KG VII, S. 47 vv. 14–19):


Weil alle götter sind alda
15 Und ich göttin Discordia
Von in verschmecht bin worden gar,
So würff ich in den apffel dar.
Der ist mit künsten zugericht,
Das sie beleiben eynig nicht.

In diesem aktionalen Monolog wirft Discordia einen Apfel in die Runde, der von ihr zuvor die Eigenschaft bekommen hat, Streit zu verursachen (vv. 17–19). Weil sie keine Einladung zur Götterfeier erhalten hat, will sie jetzt Zwietracht säen. Gleiches findet sich in der Vorlage, wenngleich Locher eine dialogische Rede einsetzt, Discordia Jupiter direkt anspricht und Merkur sie vertreibt.5

In Sachs’ Bearbeitung des Dramas ist der Monolog in Form einer eigenen Szene zum ersten Mal nachzuweisen. Er erweitert möglicherweise die Technik des Auftritts-Monologs, der in die Szene einführt und die Figuren charakterisiert. Erkennbar ist, dass Sachs das handlungsauslösende Moment, den Wurf des Apfels in die Götterrunde, mit der Rede von Discordia zusätzlich akzentuiert und begründet. Indem Discordia allein auf der Bühne ist, erhält ihre Rede mehr Gewicht und ist „für den Zuschauer deutlich als selbständige Handlungseinheit erkennbar“.6

 

Der Stoff vom Paris-Urteil war in Mittelalter und Früher Neuzeit so weit verbreitet,7 dass er sogar in einem Fastnachtspiel aus dem 15. Jahrhundert bearbeitet wurde. Darin ist kein Monolog zu finden, auch nicht an der Stelle, an der Discordia den Apfel in die Runde wirft. Stattdessen hat das Spiel einen ausführlichen Nebentext:

do ward ein apfel auf den tysch gepracht, dor auf geschriben stund: der apfel schol sunst nymant sein, denn der aller wirdigsten allen. darnach grayffen die drey gottin vnd zerkrigten sich, vnd ir yde wolt in haben.8

Im Sinne der untersuchungsleitenden These, verdeutlicht die Nebentext-Passage, dass Sachs trotz der Abweichungen näher am neulateinischen Drama als am Fastnachtspiel ist. Anders als die volkssprachliche Bearbeitung lehnt er sich stark an die Rede der Discordia aus dem neulateischen Drama an, die es im Fastnachtspiel schlicht nicht gibt.

Im Verlauf des Schauspiels bleibt Sachs auch der Szeneneinteilung der neulateinischen Vorlage weitestgehend treu. Im Gegensatz zum Henno fällt die geringe Szenenstrukturierung auf, deren deutlichste Kontur im vorgestellten Auftritt-Abgangs-Monolog zutage tritt. In der Vorlage konnte Sachs keine Szenengrenzen finden, denn Locher strukturiert sein Stück nur mittels Akten und Interludien.

Wenn Sachs in der Henno-Bearbeitung derart nah an der Vorlage bleibt, dass man beinahe von einer Übersetzung sprechen kann, gilt für diese gleichwohl, wie Stuplich richtig meint, dass er sich „nicht an seine Vorlage bindet, sondern die Handlung nach eigenen Vorstellungen umstrukturiert und mit eigenen technischen Mitteln spielbar zu machen sucht“.9 Begründet Stuplich dies mit Sachs’ eigenständiger Dramentechnik, so ist dem mit Blick auf den Monolog, so wie Sachs ihn ab 1550 einsetzte, einschränkend hinzuzufügen, dass er das breite Spektrum der Monologformen und -funktionen nur ansatzweise in dieses Drama integriert und sich die Mehrheit der Monologfunktionen nicht nachweisen lässt.

Als in der Einleitung des Abschnitts B von einer Entwicklung der poetologischen Kompetenz gesprochen wurde, lag die Vermutung nahe, dass es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt. Die Analyse des Judicium Paridis zeigt nachdrücklich, dass sich Sachs nur eng an Vorlagen anlehnt, wenn sie eine antike Dramenform hatten. Dafür spricht insbesondere die Bearbeitung des Henno und des Hecastus von 1549. Sachs greift sich punktuell Vorlagen heraus, aus denen er das Formenrepertoire entlehnt, bearbeitet andere Vorlagen hingegen selbstständig, ohne aber stets auf die bereits bekannten Techniken zurückzugreifen.

Dem entgegenzuhalten ist die Zweifachbearbeitung der Hester. Hier zeigt sich, wie Sachs einerseits auf das adaptierte Formenrepertoire zurückgreift und andererseits zugleich aufgrund seiner poetologischen Kompetenz in der zweiten Bearbeitung dieses weiter entwickelt. Die Hester ist das letzte Drama vor seiner neunjährigen dramatischen Schaffenspause von 1536–1545. Der ersten Bearbeitung von 1536 folgt 1559 eine zweite.

Beide Monologe der Hester-Fassung von 1536 (KG I, S. 120 vv. 19–24 und S. 123 vv. 17–26) finden sich auch in der Fassung von 1559 wieder, dort allerdings neben acht weiteren, mit komplexerem Aufbau und ohne simultane Präsentation (KG XV, S. 107 vv. 25 – S. 108 v. 9 und S. 113 vv. 3–22). Die Entwicklung zwischen erster und zweiter Bearbeitung zeigt der Monolog von Hammon:


1536 1559
Der küng hat mich erhöcht in ehren, Ich wil ein weyl da gehn spatzieren,
Die küngin thut mein wird auch mehren, In deß königes hof refieren,
Das ich allein soll mit ir essen. Und so sichs füglich zu wird tragen,
Noch ist mein hertz mit leyd besessen, So wil ich beim könig verklagen
Weyl ich den Juden vor mir sie, Den jüden, der mir auß hochmut
Der vor mir nit beugt seine knie. Kein ehr noch reverentz an-thut,
Der küng thut mir in geren schencken, Veracht auch deß königs gebot,
Das ich in an ein baumb laß hencken Dem sonst als hofgsind volg ist than.
In mein hauß fünfftzig klaffter hoch, Wenn ich dem köng das zeige an,
Welcher ist zu-bereytet doch. Wil ich thum ein gewaltig bitt,
Hoff, er wird mirs abschlagen nit,
Sonder den alten jüden schencken,
Auff daß ich in alß bald laß hencken
An galgen, den ich auffrichtet doch
In meinem hauß füntzg klaffter hoch;
Nach dem ich gentzlich auff und ab
Forthin mehr kein anfechtung hab,
Sonder geht alls gelücklich hin
Nach meines hertzen mut und sin.

Während 1536 der Monolog simultan präsentiert wird, ist 1559 Hammon allein auf der Bühne und beschreibt den Ort, an dem er sich befindet. Der König liefert Hammon Mardocheus aus, den er sodann hängen lassen will. 1559 erläutert Hammon indes seinen Plan, den er mit einer Auflistung der Vergehen von Mardocheus begründet und der ihn zu seiner Anklage bewegt. Sachs legt damit in seiner späteren Fassung Wert auf die sukzessive Präsentation und räumt dem handlungsbezogenen Wissen um den neuen Ort und der Ausgestaltung von Kausalität eine hohe Bedeutung ein. Stuplich stellt hierzu fest, dass Sachs nicht alle simultanen Passagen der frühen Fassung in sukzessive umwandelt.10 Ihrer Schlussfolgerung, dass die Ausführlichkeit der späteren Fassung „nicht auf dem Versuch, das Gerüst besser verständlich zu machen“, beruhe, „da schon das simultane Spiel den Konflikt zwar knapp, aber gleichwohl konsequent“ darstelle,11 ist nicht ohne weiteres zuzustimmen, denn die Entwicklung von Handlungskausalität dient neben der dramaturgischen Verfeinerung auch dem Verständnis der Rezipienten.

Für die Untersuchung der Dramen ab 1545, die hauptsächlich das Dekameron zur Vorlage haben, ist über die Monologfunktionen hinaus der Frage nach der poetologischen Aneignung zur Vermittlung von Handlungskausalität nachzugehen.