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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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3.2 Expositionsmonolog, Simultanmonolog, Auftrittsmonolog und Fremdcharakterisierung im Pluto1

Die Comedi Der Pluto ist das fünfte2 Drama von Sachs. Er dichtete es 15313 als erste Comedi unter Rückgriff auf das antike Drama Plutos4 von Aristophanes.5 Im Titel gibt Sachs den Pluto mit fünf Akten an, im Text finden sich hingegen nur vier, obwohl er auch Abschnitte aus dem fünften Akt der Vorlage übernimmt:6


1. Akt: Der Knecht Carion und sein Herr Cremillus kommen zu dem blinden und armen Plutus. Aufgrund seiner Blindheit weiß Plutus nicht, wer gut und wer böse ist. Cremillus und sein Knecht wollen ihm helfen.
2. Akt: Plutus erhält seine Sehkraft, obwohl Penia, die Armut, dies zu verhindern suchte, weil nach der Heilung von Plutus niemand mehr für sie arbeiten wolle. Plutus will nur noch Frommen Reichtum verschaffen. Auf dem Markt gerät er mit Cremillus so sehr in Bedrängnis, dass beide ins Haus müssen.
3. Akt: Ein frommer Mann, der früher arm war, will Plutus für seinen jetzigen Reichtum danken. Ein Jude will sich hingegen beschweren, die beiden diskutieren.
4. Akt: Eine alte Frau beschwert sich bei Plutus, weil sie ihr junger Liebhaber nicht mehr beachtet, seitdem Plutus da ist. Der Jüngling und die alte Frau versöhnen sich.

Der Pluto ist das erste Drama, bei dem Sachs in der produktiven Rezeption eines antiken Dramas einen Monologtyp direkt adaptiert. Von den insgesamt vier Monologen, die Sachs verwendet, sind drei in der Vorlage zu finden. Der von ihm eigenständig eingefügte ist ein Überbrückungsmonolog (KG VII, S. 75 vv. 23–26).

Die Spielhandlung beginnt nach dem Prolog mit einem simultanen Expositionsmonolog des Knechts Carion (KG VII, S. 66 vv. 9–26), der zusammen mit seinem Herrn Cremillus und Plutus auftritt:


Ach gott, wie schwer ist einem knecht,
10 Solchem herren zu dienen recht,
Der seinem eigen kopff nach-geht?
Und was der knecht ie darzu redt,
Gefelt es doch dem herren nicht.
Und was unraths darnach geschicht,
15 So muß der knecht die schulde han.
Wirt gleich ietzund auch also gan
Mit meinem herren, der uns zwen
Schafft, disem blinden nach zu gehn.
Ander leut gehn den blinden vor.
20 Mein herr aber thut als ein thor.
Was ich in frag, sagt er mir nit.
Ach herr, zum öfftermal ich bit:
Sag mir! wer ist doch dieser blind,
Dem wir so lang nach gangen sind?
25 Durch all mein dienst, die ich ie thet,
Wer ist der blind, der vor uns geht?

Wie in der Vorlage gliedert sich der Monolog in zwei Teile.7 Im ersten Abschnitt präsentiert Sachs als Teil einer Fremdcharakterisierung Lebenshintergründe des Knechtes, vor allem das schwierige Verhältnis zu seinem Herrn. Der zweite Teil ist zwar auch eine Fremdcharakterisierung, aber der aktuellen Situation gewidmet, in der beide einem Blinden hinterherlaufen. Als Teil der Exposition verankert Sachs die wichtigsten Eigenschaften der drei Hauptfiguren in den Worten des Knechts.

Der vorangestellte Prolog, der für die Rezipienten die Aussagen des Knechts relativiert, präsentiert die Vorgeschichte, wonach ein Wahrsager Cremillus rät, dem Erstbesten auf seinem Weg hinterher zu laufen. Dieser – es ist Plutus, der Gott des Reichtums – werde ihn reich machen. Mit Prolog und Expositionsmonolog etabliert Sachs gezielt ein vermittelndes Kommunikationssystem und verschafft den Rezipienten gegenüber den Figuren einen Informationsvorsprung. Es zeigt sich zudem eine der von Sachs häufig angewandten dramaturgischen Techniken: Prolog und Expositionsrede bewirken einen raschen Einstieg in die Handlung und bereiten den Spannungsbogen vor. Sachs übernimmt damit ein grundlegendes Funktionsprinzip, das Monologe bereitstellen können.

Der beiseite gesprochene Monolog wirkt deutlich auf die Rezeptionsebene des Publikums ein, da er eine Trennung der Kommunikation zwischen den Figuren auf der Bühne vermittelt und die autokommunikative Gedankenrede offensichtlich auch für den Herrn des Knechts nicht hörbar ist. Dabei handelt es sich um eine komplexe Konstruktion, die Sachs in Anlehnung an die Vorlage präsentiert. Möglicherweise findet sie in den Fastnachtspielen gerade wegen dieser Komplexität nur selten Anwendung.

Das Beiseitesprechen hat ein komisches Potential, da durch die Trennung der Figur in Innen und Außen immer ein Kommentar zur Situation entsteht. Die Situation wird scheinbar angehalten oder gespiegelt, speziell dann, wenn die dem Beiseitesprechen folgende oder vorhergehende Rede oder der präsentierte Gedanke in Kontrast zur gegenwärtigen Situation steht. Komik ist dann unmittelbar ein spannungsförderndes Element, das wesentlich von der Vorfreude der Rezipienten auf den kommenden Entwicklungsgang lebt. Ebenso verhält es sich bei aufeinanderfolgenden handlungskontrastrierenden und/oder sich widersprechenden Monologen. Allerdings kann hierbei sukzessiv verfahren werden. Möglichweise verwendet Sachs die Sukzession statt der Simultanität gezielt in den Fastnachtspielen,8 weil ein Beiseitesprechen nur selten nachzuweisen ist.9

Neben dem Expositionsmonolog ist es die leere Bühne, mit der Sachs im Pluto eine Szene abgrenzt. Mit einem Auftrittsmonolog (KG VII, S. 83 vv. 4–13) markiert er erstmalig den Beginn einer neuen Szene. Nachdem der Knecht von der Heilung Plutus’ berichtet und diese Szene den zweiten Akt beschlossen hat, tritt Plutus allein auf und spricht:


Mein mund den götter lob vergicht,
5 Die wider gaben mein gesicht.
Vor kund ich kennen keinen man,
Und wer mir gutes hat gethan,
Vor dem floch ich so gar unbillich.
Ietzt aber bin ich gar gutwillig,
10 Das ich der frommen mich erbarm
Und mach die bösen reichen arm
Und bring all ding herwider, das
Durch mein blindheit versaumet was.

Der geheilte Plutus berichtet analeptisch, wie er mit der Blindheit in der Vergangenheit gelebt hat (vv. 4–8). Weil er niemanden erkennen konnte, floh er auch vor denen, die ihm Gutes getan hatten. Dieser retardierende Teil bestätigt den Bericht des Knechtes über die Heilung des Plutus. Anschließend (vv. 9–13) erklärt dieser, wie er sich in Zukunft verhalten will. Die Frommen sollen belohnt und die Bösen bestraft werden, indem er sie ihres Reichtums berauben will. Die durch seine Blindheit verursachten falschen Zuweisungen möchte er korrigieren.

 

Der Monolog eröffnet hier ein Spannungsmoment, weil ungewiss ist, inwiefern Plutus seine Ankündigung umsetzt. Eine Prolepse,10 wie sie im zweiten Teil der Rede begegnet, ist mit ihrem Wirkungskriterium, Spannung oder Entspannung zu erzeugen, ein dramatisches Charakteristikum. Anachronien wie die Analepse sind integrale Bestandteile von Dramen. Ihre Informationsvergabe ist zumeist nicht-aktional berichtend, um die Rezipienten ausreichend informiert durch das Drama zu leiten.

In der Vorlage findet sich der Monolog ebenfalls am Beginn einer neuen Szene, weist dort jedoch als Ansprache an mehrere Götter eine dialogische Tendenz auf. Sachs dagegen betont den Umschwung der Handlung, indem er mittels der leeren Bühne den Szenenbeginn besonders verdeutlicht. Daran anschließend tritt, wie in der Vorlage, Cremillus auf (KG VII, S. 83 vv. 15–26). Sachs weist dessen Rede, entgegen der Vorlage, im Nebentext mit der Wendung ‚redt mit im selb‘ als Monolog aus, weil Plutus noch anwesend ist und darum die monologische Umsetzung nur simultan möglich ist:


15 Ich bin gestanden lang am marck.
Umb mich kam das gepöfel arck,
Das alles wolt mein freunde sein,
Weil Plutus zu mir keret ein.
Den sucht ich in des artztes hauß.
20 Der sagt mir, er wer schon herauß.
Nun mein ich in daheim zu finden.
Sich! steht er vor der thür dahinden!
O Pluto, ich wünsch dir groß glück
Und aller seligkeit ein stück.
25 Gott wöll, das unser anefang
Sich end mit glücklichem außgang!

Mehr noch als im Expositionsmonolog treffen für diesen die Kriterien des Simultanmonologs zu, bei dem eine Figur spricht, „ohne direkten Adressaten, aber in Anwesenheit anderer Spieler, ohne jedoch von diesen registriert zu werden“.11 Sachs hatte hier vermutlich die Wahrnehmung der Rezipienten im Blick, wenn er mit der eingefügten Regieanweisung deutlich macht, dass es sich um eine autokommunikative Gedankenrede handelt. Erkennbar ist wieder, dass Sachs um eine Klärung der Kommunikationsebenen der Figurenreden bemüht ist und mögliche Missverständnisse der monologischen Rede ausräumen will. Er setzt die Monologtechnik problembewusst ein und reflektiert auch bei Übernahmen aus der Vorlage mögliche Unklarheiten.

Im Monolog berichtet Cremillus rückblickend von dem Gedränge auf dem Markt und seinen Versuchen, Plutus zu finden, den er jetzt an der Tür stehen sieht. Das Zusammentreffen wird herausgezögert, so dass das Geschehen auf dem Markt analeptisch berichtet werden kann. In der Vorlage ist nicht eindeutig zu klären, ob es sich um einen Monolog handelt. Venatorius vermerkt neben dem Text – möglicherweise als Regiebemerkung –, dass Cremillus, von den angeblichen Freunden bedrängt, wütend angelaufen kommt: „Indignatur Chremyl, quod in rebus secudis, tum multi accurrerent amici“. Dieser beginnt seine Rede, indem er die Freunde fortjagt: „Apage cito“ (Plvtvs 1531, i2). In affektiver Darstellung empört er sich über die drängenden ‚Freunde‘. Ob er dies zu sich selbst oder zu Plutus sagt, bleibt unklar. Sachs beseitigt die Unklarheit mit der Regieanweisung ‚redt mit im selb‘. Zusätzlich verschiebt er den Fokus von den ‚Freunden‘ auf die Suche nach Plutus und gestaltet den Monolog berichtend statt affektiv empört.

Unabhängig von der Vorlage setzt Sachs den Monolog selbstständig zur Überbrückung ein (KG VII, S. 75 vv. 23–26):


Das ist von meim nachbawrn ein trew,
Das er nach mir schickt in das gew,
25 Seins glücks mir auch ein theil vergint,
Wie wenig man der nachbawrn findt.

Mit der Affektdarstellung von Freude über den Nachbarn vermeidet Sachs eine leere Bühne, wenn der Knecht bei Plutus im Haus ist. Sowohl für das Handlungsgeschehen als auch für das Verständnis der Rezipienten ist dieser Monolog nicht relevant, er dient vorrangig der Überbrückung.

Die drei aus der Vorlage übernommenen Monologe zeigen, wie Sachs einerseits selbstständig verfährt, wenn er für seine Intention unwichtige Abschnitte wie bspw. Anspielungen auf Götter weglässt, den Fokus auf einen anderen Abschnitt legt oder für die Rezipienten eine monologische Figurenrede deutlich hervorhebt. Andererseits zeigen sie, wie er sich an die Vorlage anlehnt, indem er das Stück und eine Szene mit einem Monolog beginnen lässt, diesen simultan präsentiert und handlungsbezogen Rückblicke und Vorausschauen einfügt, die das Verständnis sichern und Spannungsmomente erzeugen.

Trotz der nachgewiesenen Monologfunktionen, die bereits im Sinne der Typologie sind, können sie lediglich als erste Stufe im Entwicklungsprozess gesehen werden. Der Unterschied zu den Monologen im Fastnachtspiel liegt vor allem in der Uneindeutigkeit, mit der sie als autokommunikative Gedankenrede von anderen Formen der Figurenrede abgegrenzt werden können. Im Fastnachtspiel treten die monologisierenden Figuren nur in Ausnahmefällen nicht allein auf. Für die Entwicklung der poetologischen Kompetenz entscheidend ist die Bearbeitung des Henno von Johannes Reuchlin. Darin finden sich nicht nur beinahe alle Funktionen der Typologie, sie sind auch wesentlich eindeutiger markiert als im Pluto.

3.3 Zutrittsmonolog, Abgangsmonolog, Enthüllung, Selbstcharakterisierung, Zeitsprung, Ortswechsel und Komik im Henno1

Vorlage für das Schauspiel sind Johannes Reuchlins Scaenica Progymnasmata von 1491, auch Henno genannt. Es ist einer der erfolgreichsten Texte der Frühen Neuzeit,2 dessen Besonderheit nicht nur in der von Humanisten gelobten antiken Dramenform, sondern auch in der Bearbeitung eines mittelalterlichen Schwankstoffes liegt.3

Der Henno ist neben dem Monechmo eines der wenigen schwankhaften Dramen, die Sachs als Comedi bearbeitete. In allen anderen Fällen widmete sich Sachs den schwankhaften Stoffen im Fastnachtspiel.4 Aufgrund dieser Besonderheit des Henno wird im Rahmen der Nachzeichnung eines poetologischen Aneignungsprozesses gerade der Konstruktion der Komik besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Der Einfluss des Henno auf die Dramentechnik von Sachs ist unbestritten, auch wenn eine vollständige Untersuchung fehlt. Wolfgang F. Michael etwa nennt den Henno „das entscheidende Bildungserlebnis, aus dem er die Form des Dramas nicht nur seiner Komödien und Tragödien, sondern auch seiner Fastnachtspiele erst ableitet“.5 Michael hebt besonders die Handlung hervor, die Reuchlin, anders als seine Zeitgenossen, dem Drama „gegeben“ hat.

So konnte er nicht mehr wie die anderen Humanisten auf einer Einortbühne, oder gar auf ortloser Bühne, Dialoge rezitieren lassen, er mußte die verschiedenen Örtlichkeiten andeuten. Das tat er mit dem allerfeinsten Mittel: er ließ die Darsteller abtreten und konnte dann im Dialog den neuen Ort andeuten. Wir nennen dies Sukzessionsbühne.6

Dabei spielt die von Michael nicht erwähnte Funktionalisierung des Monologes, wie sich nachfolgend zeigt, eine wesentliche Rolle.

Reuchlin legt bereits mit dem Titel die explizite Anwendung für den Unterricht nahe, indem er mit Progymnasmata auf Übungen aus der Rede- und Schreiblehre verweist,7 die nach Quintilian dazu dienen sollen, durch die Bearbeitung von Stoffen literarische Gewandtheit zu erlangen:

Hinter den rhetorischen Begriffen leuchtet Reuchlins Konzept auf: literarische Anregung durch die Schaffung von Theaterstücken zu bieten. So können wir davon ausgehen, daß Reuchlin seinen Zeitgenossen mit dem ‚Henno‘ ein dramaturgisches Muster einer neuen Textsorte vorlegen wollte, das es bisher in Deutschland nicht gab, weder in deutscher noch in lateinischer Sprache, und das an der römischen Komödie, dem ludus anilis, orientiert war.8

Im Kommentar zu seinem Text erklärt Reuchlin, dass er mit ludus anilis eine „comoedia im alten Stil ohne gelehrte Späße und in sehr kurzen Akten“9 meint. Er beruft sich auf die Definition des Grammatikers Diomedes und hebt im Prolog hervor, dass es sich um eine ‚comoedia‘ im Stile der Palliata handelt.10 Darauf verweisen neben der lateinischen Sprache formale Kennzeichen wie etwa der fünfaktige und szenische Aufbau sowie der Prolog und die Didaskalien. Aber auch im Aufbau der Dialoge und Szenen lehnt sich Reuchlin an Terenz und Plautus an: Beispielhaft sind hierfür der Eingangsdialog zwischen Henno und Dromo, Elsas Suche nach dem Geld und die Hochzeit am Ende des Stückes. Weniger der römischen als vielmehr der griechischen Komödie sind die Chorgesänge am Aktende mit ihrer moralisierend zusammenfassenden Funktion entlehnt. Reuchlin hebt selbst hervor, dass eine ausdrückliche Moral nicht im Stück, sondern nur in den Chorliedern zutage tritt.11

Inhalt und formale Umsetzung des Originals und der Bearbeitung von Sachs sind nahezu identisch:


1. Akt: Der Bauer Henno hat seiner Frau Elsa Geld gestohlen. Er weiht seinen Knecht Dromo in den Diebstahl ein und beauftragt ihn, Tuch zu kaufen. Dromo beschließt, das Tuch auf Kredit zu kaufen, es selbst weiterzukaufen und sich dann eine Ausrede einfallen zu lassen. Elsa findet den Diebstahl ihres Geldes heraus. Ihre Nachbarin Greta rät ihr, sich von einem Astrologen den Dieb wahrsagen zu lassen.
2. Akt: Der Astrologe nennt Henno als Dieb. Dromo erzählt Henno, dass der Tuchhändler das Geld und das Tuch behalten hat und Henno es am nächsten Tag abholen soll.
3. Akt: Henno, Elsa und Dromo gehen in die Stadt. Der Tuchhändler Danista wartet auf sein Geld für das Tuch, das er dem Knecht gegeben hat. Henno und Danista streiten, Dromo behauptet, kein Tuch bekommen zu haben. Danista fordert eine Entscheidung vor Gericht.
4. Akt: Dromo erzählt dem Juristen Petrucius die Wahrheit. Dieser rät ihm, vor Gericht auf alle Fragen mit „Blee“ zu antworten, woraufhin der Richter kein Urteil fällen kann.
5. Akt: Der Jurist möchte sein Geld von Dromo haben. Doch auch jetzt antwortet dieser nur mit „Blee“. Elsa erzählt ihrer Nachbarin Greta, dass ihre Tochter und Dromo heiraten möchten, was nach dem Streit zwischen Henno und Dromo aber nicht mehr möglich ist. Henno bietet ihm an, seine Tochter zur Frau zu bekommen, wenn er ihm die Wahrheit sagt. Alle versöhnen sich und die Hochzeit beginnt.

Reuchlin fügt Chorpassagen zwischen die Akte, die Sachs, wie auch in allen anderen Schauspielen, nicht übernimmt. Abgesehen von Chor, Prolog, Epilog und drei Monologen hält er sich nahezu vollständig an seine Vorlage und bietet damit eher eine Übersetzung.12 Eine solche strenge Anlehnung an das Original ist selten für Sachs und findet lediglich in der Hecastus-Bearbeitung (1549) eine Entsprechung.13

 

Da Reuchlin die Moral nur in den Chorgesängen, nicht aber im Handlungsgeschehen verankert, ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, ob Sachs mit den wenigen Hinzufügungen diese moralischen Wertungen in die Handlung oder eigene moralische Deutungungen integriert.

Der erste Chorgesang thematisiert die Ängste der Reichen vor Armut und preist die Armut selbst. Mit Armut gehe Fröhlichkeit einher und man lerne, mit einem tugendhaften Leben seine Hoffnungen auf Gott zu setzen.14 Im zweiten und dritten Chorgesang werden die Dichtung, insbesondere das Schauspiel, und der Dichter mit seinen Tugenden gepriesen. Der vierte Chorgesang beschreibt die Betrügerei des Gerichts, der man sich durch ein friedfertiges Leben entziehen könne.

Der von Sachs eigenständig hinzugefügte Epilog beinhaltet vier Lehren. Die erste hat das friedfertige Leben zum Gegenstand. Zwei weitere Lehren führen die falschen Verhaltensweisen von Henno und seinem Knecht an und eine vierte Lehre idealisiert die vertrauensvolle Ehe.15 Sachs legt somit in seiner Bearbeitung das Hauptaugenmerk nicht auf die Deutung der Handlung, sondern auf die dramaturgische Umsetzung des Handlungsgeschehens.

Der Henno beginnt sowohl bei Reuchlin16 als auch bei Sachs, hier nach dem Prolog, mit zwei aufeinanderfolgenden Monologen, die sich von den zuvor verwendeten in Länge und Aufbau markant unterscheiden. Das Stück eröffnet ein Expositionsmonolog Elsas (KG VII, S. 125 vv. 5–20)17:


5 Ach wie ein armutselig standt
Ist, den wir arme weiber handt,
Welche sind mit der ehe verbunden!
Das hab ich arme wol empfunden,
Die ich hab einen losen man.
10 Was ich erkratzet und gewon
Mit karckheit und heußlichen sorgen,
Mit spinnen abent und den morgen,
Desselb mein man mir als verseufft,
Verspilt, wo er zun gsellen schleufft.
15 Des geh ich her zerrissen gar.
Kein zopff flicht ich mehr in mein har,
Es ist gantz borstet, wie ein igel.
Ich butz mich auch vor keinem spiegel.
Ich weiß mich schier kaum zu erneren,
20 Wenn sich mein narr nit wil verkeren.

Untergliedert ist der Monolog in drei Teile: Der erste (vv. 5–7) ist eine klagende Affektdarstellung über den Status der Ehefrau im Allgemeinen. Teil 2 (vv. 8–14) gibt als Selbst- und Fremdcharakterisierung die persönliche Situation der Ehefrau mit einem Mann wieder, der ihr Geld verspielt und vertrinkt. Teil 3 (vv. 15–20) beschreibt ihren aktuellen schlechten Zustand: Die Kleider sind zerrissen, die Haare nicht frisiert und sie kann sich kaum noch ernähren.

Anders als der Expositionsmonolog im Pluto ist der Monolog nicht beiseite gesprochen und nicht-aktional, denn er informiert, kommentiert und es vollzieht sich kein „unmittelbar situationsveränderndes Handeln“.18 In dieser Form wird fast die Hälfte der nach 1550 verfassten Fastnachtspiele eingeleitet.

Elsa spricht ihre Rede von Beginn an in der Spielrealität, d.h. im inneren Kommunikationssystem, durchbricht diese aber zugleich, indem sie Informationen über ihren Mann in Form einer Fremdcharakterisierung und Informationen über ihre Situation in Form einer Selbstcharakterisierung präsentiert.

Diese Charakterisierungen unterscheiden sich in ihrem Grad an Glaubwürdigkeit: Wenn Elsa über ihr hartes Dasein als Ehefrau spricht, die kein Geld mehr hat und fast hungern muss, sollen die Rezipienten von der Wahrheit der Rede ausgehen, da sie keinen Dialogpartner anspricht, gegenüber dem sie sich verstellen müsste. Die Fremdcharakterisierung ihres Mannes erweckt hingegen Spannung, ob das Gesagte tatsächlich auf Henno zutrifft. Da sich die Rezipienten bisher kein eigenes Bild von ihm machen konnten, haben sie keine Möglichkeit, die von Elsa vorgetragenen Informationen zu beurteilen.19

Die mit der Fremdcharakterisierung aufgerufene Frage, ob sich Henno tatsächlich derart verhält, beantwortet er selbst im direkt anschließenden Zutritts-Monolog (KG VII, S. 125 vv. 22 – S. 126 v. 8):


Ich wil gehn schleichen dahinumb
Und hören, was mein weib doch brumb,
Ob sie villeicht sey innen worn,
25 Das ich irm beuttel hab geschorn
Und in heimlich gemachet ler.
Aber es wundert mich, woher
Das weib so vil gesamlet hat,
Weil ich auch arbeit frü und spat,
30 Und kan doch in eim gantzen jar
Ein pfundt kaumb drübring also bar.
Aber meim weib hab ich gestoln
Acht gülden, die het sie verholn
Im hew, unter der alten krippen.
35 Der rit schüt meinem weib die rippen,
Die mehr gewint mit irem sparn,
Denn ich mit arbeit mag erfarn!
Das mag ich zu meim gwin auch rechen
Mein täglich spilen und mein zechen,
Mein bulen, badn und was ich thu.
Mir felt ein altes sprichwort zu:
5 Ein sparer muß ein zerer han.
Nun wil ich zu ir an hin gan,
Hören, was sie für teydung treib.
Ein guten abend, liebes weib!

Ein solcher bei Terenz, Plautus und Menander häufig verwendeter Zutritts-Monolog macht den Einfluss der Palliata besonders augenscheinlich.20 Obwohl andernorts, was die Forschung zu Recht hervorhebt,21 regelmäßig eine sukzessive Präsentation der Handlung im Henno erfolgt, liegt mit diesem Monolog eine simultane vor, wenn Henno seine Rede mit der Belauschung seiner Frau beginnt (vv. 23–24): „was mein weib doch brumb“.