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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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2 Gattungsverständnis von Hans Sachs

1

In diesem Sinne, aber nur für die ersten Dramen, ist der Aussage von Füssel 1995, S. 8, zuzustimmen, dass Sachs „in eine produktive Konkurrenzsituation zu den zeitgenössischen, neulateinischen Gelehrten“ geriet.

2

Vgl. etwa Holzberg, 1995, S. 9ff., der versucht, Verbindungen zwischen Sachs und Willibald Pirckheimer nachzuweisen; dem hält Wuttke 1996, S. 603, entgegen, dass die von Holzberg herausgearbeitete strickt gezogene Grenze zwischen Patriziern und Handwerkern nicht für Sachs gilt, der nachweislich mit dem Patrizier Niklas Braun befreundet war.

3

Wuttke 1996, S. 603, zum Humanismus-Verständnis S. 598–603.

4

KG VII, S. 202–210 und in Sachs 2003, S. 64–76. Eine ausführliche Betrachtung findet sich bei Brunner 2009, S. 88–90, Klein 1988, S. 247–256 und Strich 1961, S. 366–368. Kipf 2015, S. 421–429, betrachtet zusätzlich die Klagred der neun Muse oder kunst uber gantz Teutschland (KG IV, S. 124–127) von 1534 und Ein gesprech mit den 9 muese, wer doch ursprüncklicher ursacher sey der aufruer im Tewtschlandt (KG XXIII, S. 17–26) von 1553. Kipf 2015, S. 426f. nennt als mögliche Quelle für das Spruchgedicht Die neun Gab Muse oder Kunstgöttin betreffend Fulgentius’ Fabula de novem Musis aus seinen Mythologiae. Er arbeitet schlüssig die Bezüge heraus und kommt zu dem Schluss (S. 427): „The reference to the myth of the muses as patrons of the arts, especially of poetry, is foreign to medieval German literature, and thus further reinforces the fact that Sachs’s poetics – as moralistic as it is – borrows aspects of humanist poetics.“

5

Vgl. Wuttke 1996, S. 599. Auch Jacob Locher nennt als Inspiration für sein dichterisches Schaffen die göttlichen Musen. Vgl. Dietl 2005, S. 252f.

6

Vgl. Bernstein 1995, S. 43f. und Kipf 2015, S. 421f.

7

Vgl. Bernstein 1993, S. 28. Celtis bezieht sich nicht nur in seiner Ingolstädter Rede von 1492, sondern auch im Widmungsgedicht an Kurfürst Friedrich III. den Weisen von Sachsen, das der Ars versificandi et carminum (1486) vorangestellt ist, auf Apoll und seine Musen. Darin erscheinen ihm wie bei Sachs im Traum Apollo und seine Musen. Wenn Klein 1988, S. 259, festhält: „Aus den Händen des Dichtergottes empfängt er die ‚Ars‘, ihn allein erkennt er als seine Instanz“, dann möchte sie die Unterschiede zu den neun gab Muse und Celtis fixieren und verschließt sich möglichen Gemeinsamkeiten. Sie kommt zu dem Schluss (S. 260): „Unter den angedeuteten Aspekten läßt sich wohl kaum eine Brücke von ihm, dem volkssprachlichen Autor, zum humanistisch-gelehrten schlagen. Darüber mag auch nicht die Übernahme von Motiven aus der neulateinischen Literatur hinwegtäuschen; sie sind nur modischer Schmuck, modische literarische Form, die mit traditionellen Inhalten gefüllt wird. […] Der neulateinische Dichter empfängt göttliche Inspiration, künstlerische Genialität, die ihm erlaubt, unabhängig von äußeren Regeln vollendete Kunst zu schaffen. Der Handwerkerdichter dagegen empfängt das formal-technische Instrumentarium, das handwerkliche Rüstzeug, das ihm zur Herstellung seiner Kunst unentbehrliche Voraussetzung ist.“

8

Bernstein 1993, S. 28.

9

Identische Aufzählungen finden sich in der Summa all meiner Gedicht von 1567 (KG II, S. 337–344) und in Die werck gottes sind alle gut, wer sie im geist erkennen thut von 1568 (KG XV, S. 550–554).

10

KG I, S. 3.

11

KG XIX, S. 7. Vgl. dazu Bernstein 1993, S. 92.

12

Vgl. Krause 1979, S. 93. Bei Sachs heißt es im Prolog zum Wilhalm von Orlientz mit seiner Amaley (KG XVI, S. 57; vgl. Krause 1979, S. 93):

Zu sehen eine artlich comedi,

Die sich fast vergleicht einer tragedi,

Sehr trawrig biß hin zu dem end,

Da sie sich erst zu frewden wend.

13

Vgl. Klein 1988, S. 38 Fn. 48.

14

Dietl 2005, S. 214.

15

Vgl. Catholy 1968, S. 95f., der wenig überzeugend die Situierung im Schulunterricht und damit pädagogische Gründe anführt, weshalb bestimmte witzige Elemente nicht in die Komödie übernommen worden seien.

3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527–1536

1

Stuplich 1998, S. 243.

3.1 Nichtadaptierte Monologformen: Überbrückungsmonolog und Affektdarstellung in Lucretia und Virginia

1

Der vollständige Titel lautet: Tragedia von der Lucretia, auß der beschreybung Livii, hat 1 actus und 10 person.

2

Der vollständige Titel lautet: Tragedia, mit 24 personen zu agiren, die Virginia.

3

Vgl. Stuplich 1998, S. 244.

4

Holzberg 1992, S. 539f., er weist dagegen für Sachs’ Bearbeitung eine Zweiteilung nach.

5

Ausführlich Holzberg 1992, S. 539–547 und Stuplich 1998, S. 243–256.

6

Vgl. Stuplich 1998, S. 244f. Zum Reimschema bemerkt sie (S. 245): „Die Idee zu der auch im Drama erkennbaren Dreiteilung könnte Sachs von Valerius Maximus entnommen haben. Als äußeres Einteilungsmerkmal verwendet Sachs hierzu den Paarreim am Ende einer Replik, bzw. er läßt eine neue mit einem Paarreim beginnen. Daß Sachs den Dreireim später als akustisches Signal zur Strukturierung der Handlung einsetzt, haben die Untersuchungen zur Akteinteilung gezeigt. In seinem ersten Drama erfüllt der Paarreim anstelle der Reimbrechung eine vergleichbare Funktion.“

7

Vgl. Holzberg 1992, S. 534f. und S. 540f.

8

Vgl. Stuplich, S. 248ff.

9

Auch wenn die Lucretia nicht mit den Dekameron-Bearbeitungen vergleichbar ist, zeigen sich hier bereits erste Ansätze, die Erzählerrede in monologische Figurenrede zu übertragen. Vgl. Teil B, Kap. 4.1.

10

Pfister 2001, S. 184. Vgl. Hirsh 2003, S. 15ff. Die Grenze zwischen Gebet und Monolog ist nicht immer klar, denn, so Hirsh 2003, S. 17, in „most ancient and medieval plays, the gods or God were presumed to exist even if they did not physically appear onstage, and they were presumed to be capable of hearing a prayer from a distance. But the dividing line between a prayer and a soliloquy in secular drama (and even sometimes in religious drama) is not always clear-cut. […] If a speech is ostensibly addressed to a god but the speaker does not really intend or hope that the speech will be heard by the god, the speech is self-address in the form of an apostrophe.“

11

Vgl. Stuplich 1998, S. 249.

12

Schöfferlin 1523, XIX: „Da das geschahe vnd Sextus von ir schied tryb sie solichen iamer vn klag / das es über die maß was“.

13

Vgl. Holzberg 1992, S. 544ff.

14

1530 dichtete Sachs sein zweites Drama, die Comedia, darin die göttin Pallas die tugend und die göttin Venus die wollust verficht, die keine Monologe aufweist. Sie beruht auf der Komödie des Chelidonius Voluptatis cum virtute disceptio, gedruckt 1515 in Wien. Thon 1889, S. 19, sieht im Erscheinen der Comedi Pallas den Anfangspunkt für die erste geschlossene Periode in der dramatischen Tätigkeit Sachs’, die er ausdrücklich als humanistische bezeichnet: „Was auf diesem Gebiet vorhergeht, das kampfgesprech von der lieb vom Mai 1515 (K. III. 406), das damit im Wesentlichen identische ‚Fastnachtspiel von der Eygenschaft der Lieb‘ (vom 8. Jan. 1518 G.F. Nr. 1) das an Pamphilus Gengenbachs ‚Gouchmat‘ erinnernde Fastnachtspiel ‚das Hoffgesindt Veneris‘ (vom 21. Febr. 1517 G.F. Nr. 2), sowie die Tragedi von der Lucretia (vom 1. Jan. 1527 K. XII, Nr. 1) sind nur sporadische Vorläufer. Und zwar ist es die etwa 5 Jahre umfassende recht eigentlich humanistische Periode unseres Dramatikers, die mit der Comedi beginnt.“

 

15

Stuplich 1998, S. 256.

3.2 Expositionsmonolog, Simultanmonolog, Auftrittsmonolog und Fremdcharakterisierung im Pluto

1

Der vollständige Titel lautet Ein comedi, mit 11 person zu recidirn, der Pluto, ein gott aller reichthumb, unnd hat fünff actus.

2

Das vierte Drama Das Christus der war Messias sei kommt ohne Monologe aus.

3

Im selben Jahr dichtet Sachs ein Kampfgespräch bzw. nach dem Generalregister ein Fastnachtspiel mit Pluto und Frau Armut.

4

Der Pluto des Aristophanes hat als einziges griechisches Drama einen ähnlichen Stellenwert wie die römischen. Vgl. Stuplich 1998, S. 61.

5

Für die Pluto-Bearbeitung stellt sich abermals die Frage nach den Griechisch- und Lateinkenntnissen von Sachs. Sollte er tatsächlich keine genügenden Sprachkenntnisse für eine Lektüre des Originals gehabt haben, könnte der Umstand, dass keine sieben Monate nach der Comedi Thomas Venatorius’ Übersetzung des Pluto ins Lateinische erschien – sie dient hier im weiteren der Vergleichsanalyse –, in diesem Fall tatsächlich für enge Kontakte zu Nürnberger Humanisten sprechen. Vgl. dazu Stuplich 1998, S. 61ff., und Michael 1984, S. 331.

6

Dass man die Angabe des fünften Akts im Druck vergessen hat, ist wohl auszuschließen. Ab dem Pluto verdeutlicht Sachs das Aktende dem Publikum regelmäßig durch eine leere Bühne und einen Dreireim. Bei der antiken Fünfaktstruktur bleibt er indes nicht stehen. Seine Schauspiele weisen meist sieben, mitunter bis zu 10 Akte auf. Ab 1560 schreibt Sachs nur noch siebenaktige Schauspiele. Vgl. Stuplich 1998, S. 111f.

7

Bei Venatorius heißt es (Plvtvs 1531, b-b2):

Pro summe Iupiter, Deique cæteri,

Quam res molesta est, quamque condi

tio grauis,

Vt forte serrus cesserit non admodum

Sapienti hero. nam seruus et si quæ optuma

Sunt moneat, haud hoc possidens tamen approbet,

Oportet emergentis hinc periculi

Seruum implicari: tam suo nunquam sinit

(b 2)Dominum imperare, trux Fortuna, corpori.

Sed omne ius emens sibijpsi uindicat.

Et hæc quidem sint hæc. at ipsum Apollinem

Iure optumo accusauerim, qui cum aureo

Ex tripode response edat, et uidelicet

Cum medicus, ut dicunt, sit, augurque sapiens,

Herum meum remisit haud sanum tamen:

Qui sequitur orbum et captum utroque lumine

Hominem, secus faciens, quam facere oporteat.

Solent uidentes nanque cæcos ducere,

Hic sequitur, et me impellit facere eadem insuper.

Nec interim, rogatus hæc quid sibi uelint,

Quidquam mihi respondet, ac ne γρύ quidem.

Proinde ego tacere quo modo queam

Haud uideo, nisi quid hunc sequamur dixeris

Here. ac molestus esse nunquam desinam

Tibi, necque enim cædes coronatum scio.

8

Pfister 2001, S. 123f.: Die „Informationsvergabe in dramatischen Texten hat zwei zeitliche Achsen: die Achse der Simultaneität – in jedem Augenblick werden über die verschiedenen Codes und Kanäle gleichzeitig Informationen vermittelt – und die Achse der Sukzession – über jeden der Codes und Kanäle werden im zeitlichen Nacheinander linear-akkumulativ Informationen vermittelt.“

9

Einer dieser seltenen Monologe ist der erste, den Sachs im Nebentext mit ‚red mit ihm selb‘ explizit als Monolog ausweist: im Fastnachtspiel G 13 von 1544.

10

Korthals 2003, S. 214f., nennt in Anlehnung an Asmuth drei Typen der Prolepse: zukunftsungewiss – zukunftsgewiss, Figurenrede – Autorenrede und auktoriale Prolepsen.

11

Stuplich 1998, S. 161.

3.3 Zutrittsmonolog, Abgangsmonolog, Enthüllung, Selbstcharakterisierung, Zeitsprung, Ortswechsel und Komik im Henno

1

Der vollständige Titel lautet Ein comedi, mit 10 personen zu recidiern, doctor Reuchlins im Latein gemacht, der Henno.

2

Vgl. Roloff 1998, S. 187.

3

Vgl. Dietl 2003, S. 772. Reuchlins Quelle war möglicherweise die französische Farce Maître Pathelin, die im 15. Jahrhundert entstanden ist, oder auch die italienische Commedia dell‘ arte, die sich aus den bekannten Figurentypen Advokat, Tuchhändler und Schäfer erklären lassen könnte. Vgl. Holstein 1888, S. 47, Dietl 2003, S. 771f. und Dörner 2013, Sp. 592.

4

Der Stoff des Henno findet sich auch in dem vorreformatorischen Fastnachtspiel der kluge Knecht (K 107, S. 820–850). Darin sind keine Monologe nachzuweisen. Inwiefern es Reuchlins Henno zur Vorlage hat, ist unklar. Eine Neuedition und Kommentierung hat Wuhrmann 1975 geliefert. Die Nähe zur Gattung Fastnachtspiel zeigt auch das Ende der in Frankfurt entstandenen Übersetzung Comedia Jo. Reuchlin traducta vulgariter, die Beutler 1927, S. 103–148 ausführlich untersucht und auf S. 205–224 ediert. Nach Dörner 2013, Sp. 593, ist diese wohl um 1500 entstandene deutsche Version des Henno als Vorlage für das Fastnachtspiel wahrscheinlich. Sachs bleibt in seiner Bearbeitung näher am lateinischen Original als die Übersetzung. Dass er sie gekannt hat, ist unwahrscheinlich, kann indes nicht vollends ausgeschlossen werden. Die beiden Monologe zu Beginn sind auch in der Frankfurter Übersetzung nachzuweisen, unterscheiden sich jedoch von Sachs’ Monologen. Auch Dörner 2013, Sp. 593, geht davon aus, dass Sachs direkt auf Reuchlin zurückgreift.

5

Michael 1971, S. 270; vgl. auch Michael 1972, S. 256.

6

Michael 1984, S. 331; zur Sukzessionsbühne Teil D, Kap. 1.3.

7

Vgl. Kraus 2005, Sp. 159f.

8

Roloff 1998, S. 188.

9

Roloff 1998, S. 188; der Kommentar ist abgedruckt bei Holstein 1888, S. 98–106.

10

Vgl. Roloff 1998, S. 188.

11

Vgl. Newman 1986, S. 265ff; Dietl 2003, S. 771. Nach Schnur 1995, S. 71, kann man den Chor als Technik der Palliata ansehen, weil Plautus ihn als ‚canticum‘ ebenfalls eingesetzt hat, vgl auch Roloff 1998, S. 191.

12

Vgl. Stuplich 1998, S. 61 Fn. 182, die im Prolog, dort im Vers „Ein teutsch comedi hie zu machen“, einen Hinweis darauf sieht, dass Sachs das Stück als Übersetzung gestaltet hat.

13

Macropedius stellt sich selbst in eine Tradition zu Reuchlin, wenn er ihn als Grund für sein Dichten benennt, vgl. Bloemendal 2009, S. 41. Eine Gegenüberstellung des Hecastus von Macropedius und der Bearbeitung von Sachs liefern Dammer/Jeßing 2007. Sie weisen auch auf die Übertragungsleistung von Sachs aus dem neulateinischen Drama hin (S. 3): „Schließlich kann an der Zusammenstellung dieser beiden Texte eine wesentliche, in der traditionellen Sachs-Forschung notorisch zu kurz kommende Dimension dieser Übertragungsleistung deutlich gemacht werden: In seinen Bearbeitungen und Übersetzungen neulateinischer Vorlagen (viel stärker als bei seiner Adaption klassisch-lateinischer Texte) ‚importierte‘ Hans Sachs gleichsam die makrostrukturelle Ästhetik des neulateinischen Dramas, die ja, längst vor der Wiederentdeckung der Poetik des Aristoteles, aus den klassischen Vorlagen gewonnen worden war“.

14

Roloff 1998, S. 191: „Reuchlin gab im Nachhinein in seinem Kommentar die Begründung für dieses Chorlied folgendermaßen: Die Zuschauer hätten den Umschlag von Traurigkeit in Freude bei Henno und von überschäumender Freude in tränenreiche Trauer bei Elsa erlebt, daraus wäre für sie zu lernen, weder dem Wohlstand zu vertrauen, noch sich von dessen Verlust allzusehr niederdrücken zu lassen: talem esse ducet qui voluntarie pauper est – ‚vortrefflich ist nur, wer aus freien Willen arm ist‘.“

15

Von keinem Drama – in der untersuchten Frühphase sind dies immerhin 4 von 13 Schauspielen, die einen Chor oder chorähnliche Passagen (Modus und Interludien) am Aktende aufweisen – hat Sachs diese übernommen. Nur in seinem zweiten Schauspiel Comedia, darin die göttin Pallas die tugend und die göttin Venus die wollust verficht übernimmt er die letzte Chorpassage, weil diese nicht unabhängig von der Handlung ist, sondern der Chor einen Dialog mit einer Figur führt. Im neulateinischen Drama fällt dem Chor außerdem die Aufgabe zu, allgemeine Aussagen, z.B. über Poesie, zu treffen, die nicht mit der Fabel des Stückes in Zusammenhang stehen müssen. Hier scheint sich ein weiterer Grund für den Wegfall des Chores in den Bearbeitungen von Sachs zu finden, denn ihm ging es eigens um die moralische Ausdeutung der Spielrealität und nicht um zusätzliche allgemeine Ausführungen zu einem Thema, welches nicht im Zusammenhang mit dem Plot des Stückes steht. Zwar liegen zwischen den Vorlagen und den Bearbeitungen teilweise nur 30–40 Jahre, aber in diesen Zeitraum fällt die Reformation und mit ihr eine veränderte moralische Deutung der Dramen. Auch deshalb scheint Sachs gerade nicht am Chor der Vorlagen interessiert zu sein, sondern entwickelt stattdessen mit dem Wegfall des Chores und der Aufwertung des Epilogs seine eigene dramatische Struktur.

16

Bei Reuchlin heißt es (Henno 1995, S. 8 v. 18–27, Übersetzung S. 9):


Muliercularum est misera condicio hercule Ach Gott, wie elend geht’s uns armen Weiblein doch,
Atque iis magis quae sunt maritis coniuges und mehr noch denen, welche Eheweiber sind.
Hoc usque sensi quae viro sum subiuga. Das spürt ich immer, seit dem Mann ich untertan.
Quaecunque nendo operamque dando, domesticis Was ich deshalb mit Spinnen, Schaffen, häuslichen
Curis, lucris negotiisque villicis Arbeiten, Winst und dörflichen Geschäften nur
Vel quaerito vel condo parsimonia, erwerbe oder sparsam auf die Seite leg,
Totum hoc meus ludit maritus et bibit, das alles gleich verspielt mir und versäuft der Mann,
Ut vix mihi lodix supersit sutilis, so daß mir kaum geflickte Schürze übrigbleibt
Pauper lacerna, ricula et calyptra: iam ein ärmlich Juppen, Für- und Busentuch hab ich,
Non ego capillos plagulis connexito. Kaum daß ums Haar ein Kopftuch ich mir binden kann.

17

 

Zur Illustration, dass Sachs sehr wahrscheinlich nicht die Frankfurter Übersetzung gekannt hat, sei exemplarisch der Monolog Elsas angeführt (Beutler 1927, S. 205):

Ich byn eyn armes weyp vnd els genandt.

Gros betrupnus ist mir worden bekandt.

Gros elendt mus ich leiden.

Verwar eyns geschigt auch andern weybernn,

Die alt heslich menner han

Vnd mussen yn seyn vnderthan.

Ich hab auch eyn alten roer apfen.

Ich meyn, das mir yn der teufel hat geschaffen.

Alles, das ich verdinen mit nehen vnd spinnen,

Das thudt er mir gancz vnd gar verschlemmen,

Also das ich nit eyn gutte gippen haen,

Do ich erlich moeght in gan.

Ach hab ich nit eyn schleyer, der do sey gudt.

Seyn schelmmerrei brengk mich zu grossen armudt.

18

Pfister 2001, S. 191.

19

Vgl. Pfister 2001, S. 253.

20

Vgl. Denzler 1968, S. 107ff. Zu Plautus vgl. die Analyse des Monechmo, Teil B, Kap. 4.2.

21

Vgl. Michael 1984, S. 331.

22

Pfister 2001, S. 124.

23

Vgl. Stuplich 1998, S. 156.

24

Bei Reuchlin (Henno 1995, S. 14 v. 111–128, Übersetzung S. 15):


Queritur maritus miseriam, totum aes bibit, Mein Mann beklagt sich? Er versäuft das ganze Geld,
Dilapidat argentum suum tam prodige, und geht mit seinem Silber so verschwendrisch um,
Quam si leves essent aristae. Ego secus, als wärens leichte Ähren. Anders bin doch ich.
Nam quandocundque datur, subduco nummulum Wann sichs so fügt, bring ich beiseit ein Hellerlein
Commutoque argentum clam in aurum haud segniter, und wechsle Silber heimlich um in Gold; mit Fleiß
Quod cumulo et inde condo sub praesepio. häuf ichs dann an und grab es unterm Troge ein.
Hic ludus, haec mea est voluptas maxima. Dies ist mein liebstes Spiel, dies ist mein größtes Glück.
Nam saepe bis terve in die loculum exuo Oft hol ich zweimal, dreimal täglich dann hervor
Videoque si sit aurum et an speciosius das Schächtelchen und schau: ists Gold? Blinkts schöner wohl
Quam fuerit antea, sic item reconditur. als es vorher war? Und dann grab ichs wieder ein.
Nunc vado item meopte more, dum Dromo Jetzt gehe wie gewohnt ich wiederum dorthin,
Iussum capessit, dum loquuntur invicem. dieweil beauftragt Dromo wird und mans bespricht.
Heus tu crumenula, quam beate et bellule Ei, Beutelchen, wie glücklich und wie fein dirs wohl
Vales? sed ecce quid evoluta singula ergeht? – Doch, da ich jetzt die Geldkatz ausgewickelt,
Cerno? Papae! heu miseram me! hoc exsecrabile was muß ich sehen? Zeter! Ach und weh ist mir!
Hoc luctuosum, hoc anxium infortunium. Welch gräßlich, ach, welch elend-banges Mißgeschick:
Crumena non est. O propinqua subveni die Börs ist weg! Zu Hilfe, Hilfe, Nachbarin,
Vicina Greta, funditus sum perdita. hilf, Greta – ach, um mich ists gänzlich jetzt geschehn!

25

Bei Reuchlin (Henno 1995, S. 16 vv. 153–160, Übersetzung S. 17) heißt es:


Ptolemaeus in libris Alarbamakalet Ptolemaeus hat im Buch Alarbamakalet
Artes magisterii bonas nobis dedit: uns gute Künste jener Meisterschaft geschenkt,
Astrorum et omnium quae scire caelitus was von Gestirnen und von Himmelskörpern ziemt
Homines decet, stellarum et erronum situs, dem Mensch zu wissen: Sternen- und Planetenbahn,
Signorum amicitias et intutus graves, Aspekte auch, ob günstig diese oder bös,
Domuum locationem, ut inde singulam der Häuser Lage, daß daraus im einzelnen
Nos rem quaemus scire, sive futura sit wir klar ergründen können, was die Zukunft bringt,
Seu denique praesens aut praeterita. wie auch die Gegenwart und die Vergangenheit.

26

Im Hecastus von Macropedius findet Sachs auch ein über die Monologe strukturiertes Drama. In seiner Bearbeitung folgt Sachs der Vorlage in der Akteinteilung übereinstimmend. Dass mit jedem Auftritt eine neue Szene beginnt, übernimmt Sachs nicht. Während Macropedius den Monolog hauptsächlich zur Szenenstrukturierung nutzt, rafft Sachs mit ihm auch die Handlung oder überbrückt Auf- und Abgänge. Dadurch hat sein Drama weniger Unterbrechungen als das von Macropedius.