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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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1.6 Einzelanalysen

Die Einzelanalysen beziehen sich auf die oben ausführlich analysierten Spiele G 57, G 23, G 22, G 51 und G 40, so dass die Untersuchung den funktionalen Einsatz des Monologs hinsichtlich seiner Wechselwirkung mit einer Dramaturgie, die auf einer festen Bühnnanordnung beruht, in den Fokus nehmen kann, ohne erneut auf den Inhalt der einzelnen Stücke eingehen zu müssen.

Das Fastnachtspiel G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß kommt seiner Anlage nach ohne Tür und Fenster aus,1 besitzt nach Lussky aber dieselbe Struktur wie Spiele, die solch eine Kulisse benötigen. Deshalb und weil bis zu drei Auftritts- und Abgangsmöglichkeiten erforderlich sind, zählt Lussky es zu den Spielen, die auf einer festen Bühne aufgeführt wurden.2 Daneben etabliert es erstmals Szenerien, die mit mehrmaligen Ortswechseln und Zeitsprüngen einhergehen.3

Die Anhäufung von Ortswechseln und ihre detaillierte Benennung durch Figurenrede4 machen fiktive Schauplätze überhaupt erst möglich.5 Exemplarisch ist der Auftrittsmonolog des Schülers zu Beginn der dritten Szene (vv. 181–200), der die Szenerie mittels Teichoskopie und Wortkulisse6 etabliert.7 Darin vermittelt der Schüler, dass er sich an einem Ort außerhalb des Hauses befindet, der einen Graben und eine Hecke hat und am Waldrand gelegen ist. Für die Inszenierung und den Handlungsfortgang ist die Situierung des Geschehens außerhalb eines geschlossenen Raumes unumgänglich. Erst dadurch kann die doppelte List des Schülers umgesetzt werden. Die fiktive Szenerie dem Publikum vor Augen zu führen, dürfte allein mittels Wortkulisse nicht zu leisten gewesen sein. Es bedurfte zusätzlich einer Grenze zwischen Publikum und Schauspielern, die „ein schöpferisches imaginiertes Nachvollziehen der ‚Wortkulisse‘“ erlaubte und „einen schnellen und einfachen Szenenwechsel“8 zuließ: die feste Bühne.

Dem schnellen Szenenwechsel entspricht im weiteren Verlauf des Fastnachtspiels G 22 der unmittelbar aufeinanderfolgende zweifache Ortswechsel, wiederum über Monologe vermittelt: Die Szenerie vor dem Wald in der dritten Szene wechselt in der vierten (vv. 247–252) zurück in das Haus der Bauern. Der Monolog der Bäuerin dient nicht nur dem Fortgang der Handlung und dem von Sachs zusätzlich eingefügten Ende, in dem das ganze Dorf über die Betrogenen informiert ist, sondern zusätzlich einem plausibel gemachten Zeitsprung. So kann der Bauer in der fünften Szene vor dem Wald auftreten und in der vergangenen Zeit den Schüler gesucht haben. Wiederum nutzt Sachs hierfür den Monolog.9

Wenn im Fastnachtspiel G 22 der Expositionsmonolog von Beginn an die Figuren in der fiktiven Spielrealität situiert, das Publikum nicht mehr direkt anspricht und die Wortkulisse fiktive, mehrfach wechselnde Orte entwickelt, so sind darin erste Anzeichen für eine Änderung der Bühnenform beschlossen. Ihre freilich noch unvollständige Ausarbeitung dürfte darin begründet sein, dass das Fastnachtspiel G 22 eines der ersten ist, das überhaupt fiktive Schauplätze etabliert und eine komplexe Handlungsstruktur mit Ortswechseln und Zeitsprüngen hat. Die weiteren Spiele G 23, G 40, G 51 und G 57 bestätigen indes die Strukturänderungen und stützen die These von einer festen Bühnenform für das Fastnachtspiel.

Insbesondere im Spiel G 51 Ewlenspiegel mit den blinden von 1553 verwendet Sachs den Monolog extensiv, um einen neuen Ort anzuzeigen sowie das Handlungsgeschehen nachvollziehbar und verständlich zu machen. Fünf Mal übernimmt hier der Monolog in sieben von acht Szenen die Funktion der Vermittlung des Ortswechsels: 1. Szene: vor der Stadt (Monolog); 2. Szene: Wirtshaus; 3. Szene: Wirtshaus; 4. Szene: Kirchhof (Monolog); 5. Szene: Wirtshaus; 6. Szene: Kirchhof (Monolog); 7. Szene: Wirtshaus (Monolog); 8. Szene: Kirchhof (Monolog).

Für die dramatische Bearbeitung der Vorlage musste Sachs die Bewegung zwischen den zwei Hauptspielorten Wirtshaus und Kirchhof räumlich darstellen, weil sonst das doppelte Missverständnis nicht deutlich geworden wäre. Die Handlungslogik der Bearbeitung basiert auf der räumlichen Trennung der Figuren.

Für eine feste Bühne spricht zudem, dass die Darstellung des Missverständnisses nur gelingt, wenn die Figuren sich nicht begegnen, d.h. die Auf- und Abgänge müssen räumlich getrennt sein, was mindestens zwei Aufgangsmöglichkeiten erfordert.10

Wären Auf- und Abtritte von vornherein nicht klar geregelt und die Orte nicht eindeutig markiert, würde die Inszenierung des Geschehens fehlschlagen und die Handlung wäre unverständlich. Dem Monolog fällt hier zum einen die wichtige strukturierende Funktion zu, Zeit zu überbrücken und zu raffen, damit eine Figur in der nächsten Szene an einem anderen Ort auftreten kann (vv. 239–246), und zum anderen handlungsbezogene Informationen am Beginn einer neuen Szene zu vermitteln (vv. 207–216). Das Publikum kann so nachvollziehen, an welchem Ort die Figur sich aktuell befindet.

Mit den Fastnachtspielen G 23 Der jung Kauffmann Nicola mit seiner Sophia von 1550 und G 40 Der Parteckensack von 1552 bestätigt sich Lusskys Annahme, wonach die Inzenierung auf Tür und Fenster als Kulisse angewiesen und beides nicht durch reale Türen und Fenster in Gaststuben bzw. Privathäusern substituierbar war, wie es Michael annimmt.11

In der dritten Szene des Spiels G 23 braucht es eine Szenerie innerhalb und außerhalb des Hauses, die für die Zuschauer sichtbar und hörbar ist. Darin erbittet Nicola Einlass in das Haus, den ihm die Magd jedoch verweigert (vv. 134–137):


125 Wenn er kumb an das Hauß zu klopffen,
Sol ich abfertigen den tropffen,
Sprechen, mein Fraw sey vberfeldt,
[…]
Mich duͤnckt, der jung lap klopf schon dausen.
135 Seit irs? Mein Fraw ist nit anheimb.
Nicola spricht:
Ich solt jr etwas sagn in kheim;
Ey laß mich nauff, mein liebe Metz.

Indem die Magd monologisch ausdrücklich den Ort als Haus benennt und ihr weiteres Vorgehen erläutert, steht das Haus mittels Wortkulisse vor den Rezipienten; die nachfolgende Szene ist gewissermaßen vorweggenommen. Darüberhinaus etabliert die Magd ein Innen und Außen, indem sie das Klopfen als von draußen („dausen“ v. 134) kommend identifiziert. Nicolas Bitte um Einlass („laß mich nauff“ v. 137) legt den Schluss nahe, dass sich die Magd an einer höheren Stelle befindet, d.h. das Haus als imaginierter Ort höher als Nicolas Position ist. Solches kann nicht, wie Michael annimmt, vor der Tür einer Wirtsstube realisiert werden. Plausibel zu erklären sind die Redeanteile nur durch eine Bühne, wie sie bereits Lussky angenommen hat. Mit ihr wird der Höhenunterschied verständlich: Die Magd steht demnach auf der Bühne, d.h. im Haus, während sich Nicola vor der Bühne, d.h. vor dem Haus befindet.

Sachs funktionalisiert den Monolog der Magd in diesem Sinne in zweierlei Hinsicht: Zum einen etabliert er die Szenerie, die möglicherweise auch durch eine sichtbare Kulisse angedeutet war. Die Wortkulisse macht den Rezipienten unmissverständlich deutlich, wo sich die Figuren aufhalten. Zum anderen greift der Monolog auf nachfolgendes Geschehen voraus, um mögliche Missverständnisse zu umgehen bzw. eine Verständnishilfe für den anschließenden Dialog zu liefern.

Das Fastnachtspiel G 40 Der Parteckensack bestätigt diese angedeutete Bühnenform. In der sechsten Szene ist die Szenerie wie in G 23 vor dem Haus und im Haus etabliert. Die Rezipienten wissen, vermittelt durch den Monolog Conrads, dass dieser vor dem Haus im Weinfass seine Schlafgelegenheit bezogen hat (vv. 218–245). Im Anschluss daran monologisiert die Magd (vv. 246–248) über das von ihr gehörte Geräusch vor der Tür:


Ich hoͤr was vor der Thuͤr vmbzaufen,
Ich glaub, der Juckherr sey schon drausen.

Im weiteren Verlauf der Szene sagt die Magd, als sie den vermeintlichen „Junckherr“ in „stickfinster Nacht“ (v. 268) in das Haus führt, wie sie ihn eine Treppe hinauf bringen muss:


Junckherr, kombt vnd halt euch an mich,
Stost euch nit, ich muß finsterlich
Euch hinauff bringen hoch drey stiegen,

Diese beiden Passagen illustrieren deutlich den Einsatz einer Tür und dreier Stufen („drey stiegen“), die hinauf in das Haus führen. Hier zeigt sich ein weiteres Mal die Erforderlichkeit einer festen Bühne. Mit Blick auf die oben zitierten Passagen aus G 23 Der jung Kauffmann Nicola mit seiner Sophia dürfte zudem viel dafür sprechen, dass die Aufführung der Fastnachtspiele grundsätzlich auf einer solchen erfolgte.

 

Mithin ist davon auszugehen, dass erst die Bühnenform komplexere Handlungen ermöglichte, die vor 1550 in dieser Vielfalt nicht nachweisbar sind. Notwendig für die figurenperspektivische Umsetzung eines komplexen Geschehens in szenischer Präsentation sind die Vermittlung von Zeitsprüngen und Ortswechseln. Sie prägen die nicht-austauschbare Reihung von Handlungssequenzen und charakterisieren eine in sich geschlossene dramatische Handlung. Das grundlegende dramaturgische Prinzip dafür ist die Sukzession, welches ein Nacheinander der Szenen bei gleichzeitiger Aneinanderreihung der Geschichte nahelegt:

zwei aufeinander folgende Szenen präsentieren also normalerweise auch zwei aufeinanderfolgende Phasen der Geschichte. […] Die dramatische Präsentation der Geschichte ist damit stärker auf ein ‚einsinniges‘ Nacheinander festgelegt als die narrative Präsentation, die eine Umstellung von ganzen Großabschnitten und eine Auffächerung und Verzweigung der Geschichte in nebeneinander herlaufende Handlungsphasen kennt.12

Zusätzlich zur Sukzession ist es für dramatische Texte unumgänglich, epische Vorlagen auf eine spielbare Länge zu kürzen. Das Prinzip der Konzentration verlangt ein selektives Verfahren. Dabei ist der „Umfang der Geschichte“, so Pfister, „nicht ohne weiteres mit ihrer zeitlichen Erstreckung gleichzusetzen, da diese ja durch Zeitaussparungen bewältigt werden kann, sondern er ist vor allem in der Zahl der Handlungen und Geschehensabläufe begründet, die die Geschichte ausmachen“.13 Sukzession und Konzentration sind die Hauptbedingungen, um eine Geschichte auf einer Bühne dramatisch präsentieren zu können.

Sie verlangen eine festgesetzte Bühnenform und eine Grenze zwischen Publikum und Schauspielern zur Inszenierung einer geschlossenen Handlung. Mit ihnen kann man die epischen Vorlagen der Aufnahmefähigkeit des Publikums anpassen und für eine Bühne umarbeiten. Als Hauptmerkmale der Sukzession und Konzentration sind in den Fastnachtspielen von Sachs, neben der Begrenzung der Dramenhandlung auf die Intrige, Zeitsprünge und Ortswechsel zu verzeichnen. Die Funktionalisierung des Monologs zur Vermittlung des Ortswechsels und des Zeitsprungs steht in diesem Kontext.

Das Fastnachtspiel G 57 Die alt verschlagen Kuplerin von 1553, das auf der vorreformatorischen Fastnachtspielvorlage K 37 beruht, bestätigt die bisher dargestellten Änderungen der Bühnenform, auch wenn der Einsatz eines Fensters oder einer Tür in diesem Spiel nicht zwingend ist14 und Regieanweisungen schon in der Vorlage einen Innen- und Außenbereich für die Spielstätte vorschreiben.

Nachdem der Bote den Domherrn abberufen hat, lautet die Regieanweisung in der Vorlage „Thumher get ausz und tut den langen mantel ab, als sei er der frau man“ (S. 279, vv. 5–6). Damit wird nicht nur ein Abgang und die Inszenierung des Rollenwechsels vom Domherrn zum Ehemann vorgegeben; unter Berücksichtigung der nachfolgenden Regieanweisung zeigt sich zugleich, dass der Domherr sich vor der Tür befindet, während die Kupplerin mit der Ehefrau spricht: „Die weil ist der Thumherr daussen, so spricht die frau zu der kuplerin“. Aufgrund dieser Regieanweisungen ist anzunehmen, dass zumindest für dieses vorreformatorische Fastnachtspiel die Tür der Stube oder der Gastwirtschaft dem Abgang diente und dadurch ein Szeneneinschnitt mit Ortswechsel und Umkleiden möglich war.15 Eine ausdrückliche Nennung des Ortswechsels erfolgt jedoch nicht: Dem Dialog zwischen der Frau und der Kupplerin geht einer zwischen Domherrn und Bote voraus. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass beide Dialoge an jeweils anderen Orten spielen sollen, weil anders ihr Handlungsrahmen nicht sinnvoll situiert wäre.

Der Vergleich zur Bearbeitung von Sachs zeigt, dass ein Ortswechsel nicht gleichzeitig eine klar erkennbare Szenerie einschließt, die von der Publikumsrealität abgrenzbar ist. Sachs verwendet den Ortswechsel im Gegensatz zur Vorlage fünf Mal und benennt ihn als eindeutig indentifizierbare Szenerie.16 Hierfür nutzt er die mit dem Monolog entwickelte Wortkulisse, die sich zwar teilweise nur auf die Erwähnung des Ortes beschränkt, aber diesen mit weiteren, dialogisch eingeführten Bestimmungen umschreibt.

Mehr noch als in der Eulenspiegel-Bearbeitung zeigt sich in diesem Fastnachtspiel die Funktionalisierung des Monologes zur Vermittlung des Ortes, so seine Nennung zum Beginn der zweiten Szene im Monolog des Domherrn (v. 35): „Und wil als bald im Thumb vmbschawen“. Die Überleitung zum nächsten Ort erfolgt im Monolog der Magd (v. 134) – als eigene, dritte Szene gestaltetet –, in dem sie auf den Markt verweist, wo sie eine Frau finden will: „Wil gehn am Marckt, nach einer schawen“. Die Marktszenerie baut der Dialog zwischen Magd und Frau weiter aus. Mit Beginn der fünften Szene wechselt die Szenerie abermals in den Dom, jetzt mithilfe des Monologs des Domherrn (v. 214) beschrieben: „Bin wider her in den Thumb kommen“.17 Am Ende der fünften Szene verdeutlicht die Kupplerin, dass sich die Frau in ihrem Haus befindet (v. 242): „Die Fraw wart daheim in meim Hauß“. Dieser Ort kommt zwar erst in der siebten und damit letzten Szene zum Einsatz, der Monolog bereitet indes schon an dieser Stelle des Spiels auf ihn vor. Dadurch ist verständlich, wo sich die Magd und die Frau bei ihrem nächsten Auftritt aufhalten. In der fünften Szene verweist der Ehemann mit seinem Monolog auf den Gang seiner Frau zum Markt (v. 249) und benennt gleichzeitig das Verlassen des Wohnhauses. Dadurch verlegt Sachs die Szenerie in die Gegend um das Wohnhaus (vv. 255–256): „Vnd ist noch kein funck Fewrs im Hauß, / Bin gleich vor zorn gelauffen auß“.

Mit den Wechseln zwischen den verschiedenen Szenerien konstituiert Sachs mit den Monologen zusätzlich eine von der Aufführung „unabhängige Zeitlichkeit“ und stellt so eine „vom Publikum relativ unabhängige Fiktionsebene“ her.18 Die fiktiven Örtlichkeiten gehen mit einer fiktiven, nur auf der Bühne gültigen Zeit einher und grenzen sich damit deutlich von der Publikumsrealität ab.

Der Vergleich der Ortswechsel im Fastnachtspiel G 57 mit denen der vorreformatorischen Vorlage zeigt noch deutlicher als die Eulenspiegel-Bearbeitung, wie Sachs seine komplexe Dramaturgie erst mit einer festen Bühne umsetzen konnte und dass er dieses Verfahren unabhängig von epischen Vorlagen, die unterschiedliche Szenerien voraussetzen, zur Handlungsstrukturierung nutzte.

Für die Fastnachtspiele ab 1550 ist deshalb anzunehmen, dass Sachs epische Vorlagen mit komplexer Erzählstruktur erst von da an häufig bearbeitete, weil die Aufführung von den festgelegten Auftrittsmöglichkeiten einer Bühne abhängig war. Ferner wendete Sachs diese Dramentechniken auch unabhängig von der Vorlage an, um Missverständnisse und Intrigen verständlich, d.h. kausal nachvollziehbar zu inszenieren. Das Bemühen um Verständlichkeit wird unter anderem an der Benennung des aktuellen Ortes im Monolog augenscheinlich.

Das Fastnachtspiel G 57 zeigt, wie Sachs das Spiel mit der Verwechslung durch die raschen Bewegungen innerhalb der Szenerien noch deutlicher hervorhebt, als es in der Vorlage geschieht; die Vorlage zeigt indes auch, dass die Darstellung der Verwechslung nicht zwingend auf diesen regen Wechsel angewiesen ist.

Sachs zieht bereits mit dem Expositionsmonolog der Kupplerin die Grenze zwischen Zuschauer- und Bühnenraum und etabliert den Ort vor dem Dom. Er nimmt keinen Bezug auf die Atmosphäre im Wirtshaus oder Privatraum, sondern inszeniert mittels Wortkulisse eine vom Publikumsraum losgelöste Szenerie. In seiner vorreformatorischen Vorlage situiert der Precursor die Handlung in der Wirtshaus-Szenerie; lediglich die Figur des Domherrn führt er ein (S. 277, vv. 8–10):


unsers herrn bischofs sigler her.
Herr wirt, der leßt euch piten ser,
Das er bei euch hie siglen tet.

Catholy ist zuzustimmen, wenn er hierzu meint, dass in den Fastnachtspielen ab 1550 die Etablierung einer fiktionalen Ebene mit der Explikation von Handlungskausalitäten einhergeht, wie nicht nur der Expositionsmonolog der Kupplerin im Gegensatz zur Vorlage zeigt.

Fragt man nach dem Grundprinzip, das Hans Sachs im Laufe seiner Entwicklung als Autor von Fastnachtspielen immer deutlicher geleitet hat, so wird man das der Kausalität nennen müssen: die psychologische Personengestaltung dient der kausalen Erklärung ihrer Handlungsweise (Kupplerin, Domherr, Ehemann, Magd), so wie die Fiktion des Raumes ebenfalls handlungsbestimmend oder doch Handlung ermöglichend wirkt (Haus der Kupplerin). Der Verzicht auf Ansage und Abkündigung schließlich lässt erkennen, daß das neue Fastnachtspiel nicht mehr von dem Prinzip der Wechselwirkung vom Publikum und Spielern, von realer Ebene der Fastnachtgeselligkeit und einer ohnehin allenfalls in Ansätzen realisierten Fiktionsebene ausgeht, sondern von dem Bestreben, die Spielebene gegenüber der Zuschauerebene zu isolieren. Diese Isolation aber kann nur dann zustandekommen, wenn die Handlung durch ständigen Verweis auf die Ursachen ihrer einzelnen Züge wie ihres Gesamtzusammenhangs dem Kausalprinzip unterstellt wird.19

Auftritte und Abgänge werden in vorreformatorischen Fastnachtspielen wie auch in denen von Sachs bis 1550 nur begrenzt eingesetzt, auch wenn es wie etwa in K 37 eine Handlung mit aufeinander aufbauenden Sequenzen zu inszenieren gilt.

Nur mit der Einführung einer festen Bühne lassen sich die nachgewiesenen Änderungen, insbesondere in Bezug auf die Grenzen, Ortswechsel und die Etablierung von unterschiedlichen Szenerien, seien diese auch lediglich eine Änderung zwischen Innen und Außen, erklären. Als markanteste Vermittlungsform dient Sachs der Monolog, dessen handlungsbezogene Funktion hier ihren maßgeblichen Einsatz findet. Das bedeutet: Der markante Anstieg der Monologe ab 1550 geht auf eine komplexere dramaturgische Ausgestaltung der Fastnachtspiele zurück, die letzten Endes in der Aufführung auf einer festen Bühne ihre Erklärung finden dürfte.20

Wie Sachs die speziellen Anforderungen einer Inszenierung für ein nicht-gelehrtes Publikum im Vergleich zu Bearbeitungen in anderen Gattungen umzusetzen verstand, stellt das folgende Kapitel dar.