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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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Am Ende der Szene steht ein Abgangsmonolog Eulenspiegels (vv. 297–306). Er verkündet, verschwinden zu wollen, obwohl er gerne sehen würde, wie sich beide Parteien gegenseitig beschuldigen:


Ich wil mich heben auß der druͤpffen,
Weil ich thet an einander knuͤpffen
Den Wirdt vnde diesen Dorffpfaffen,
300 Hab ich gemachet beidt zu affen,
Das sie beidsam rumoren wern
Umb den Thaler, ich moͤchts hoͤrn gern;
Wils wol erfaren, wenn ich wiedrumb
In dieses Dorff Egelsheim kumb.
305 Auff das niemandt mein schalckeyt spuͤr,
Nimb ich vrlaub hinter der thuͤr.

Dieser Monolog verweist auf die Schwierigkeiten, eine stark typologisierende Figurenzeichnung in ein Klassifikationsschema einzuordnen, wie es etwa Fernau erstellt hat.34 Er vermittelt das typische Eulenspiegel-Bild: Eine schalkhafte Figur, die es schafft, Leute zu betrügen und dabei ungeschoren davon kommt. Eulenspiegel erläutert seine Funktion als Strafinstanz für die Laster des Wirtes und des Pfarrers. Er erwähnt nicht mehr die Blinden, sondern Wirt und Pfarrer, die demnach im Sinn mangelnder Erkenntnisfähigkeit die eigentlichen Blinden sind, die es zu strafen gilt.35

Indem Eulenspiegel nach kurzer, analeptisch konstruierter Reflexion den Entschluss fasst, auf die Situation aktiv zu reagieren, antizipiert er den Handlungsverlauf proleptisch, der auf den Höhepunkt, auf die Entdeckung der Intrige bzw. das Austragen des eingeleiteten Konflikts, zustrebt. Der Monolog ist wiederum, wie in ähnlichen Fällen anderer Fastnachtspiele, nicht am Punkt des tatsächlichen Umschwungs der Handlung angesiedelt, sondern kurz davor. Die Figur handelt, um sich der kommenden Situation zu entziehen. Da nun aber das rechtzeitige Sich-Entziehen eine typische Eigenheit von Eulenspiegel ist, kann man auch von einer feststehenden, für Eulenspiegel als Figur geradezu vorgegebenen Absicht sprechen. Demzufolge hat der Monolog figurenbezogen nicht die Funktion eines Entschlusses, sondern die der Enthüllung eines Motivs oder einer Haltung. Sachs vermittelt die schalkhafte Eigenart Eulenspiegels durch die Schadenfreude, die dem Monolog als Affektdarstellung unterlegt ist.36

Daneben dient die Selbstrede hier als spannungsfördernde Vorausschau auf das Zusammentreffen der beiden Parteien mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. In der Eulenspiegel-Historie heißt es zum heimlichen Abgang Eulenspiegels: „Und Ulenspiegel richt sich auch und schleich von danen.“ (Ulenspiegel 1981, S. 208)

Obwohl Eulenspiegel die Hauptfigur des Fastnachtspiels ist, spricht er nur zwei Monologe. Geiger begründet diese monologische Zurückhaltung damit, dass Eulenspiegel als dramatische Gestalt wirkt, indem er „Reflexe in ander[en] [Gestalten] hervorruft, nicht aber, indem er eigene leidenschaftliche Reflexe aufweist“.37 Tenberg sieht zudem in der Eulenspiegel-Figur einen Vermittler zwischen den Rezipienten und Sachs selbst.38 Diese Vermittlerrolle zwischen innerem und äußerem Kommunikationssystem trifft auf Eulenspiegel vor allem im Expositionsmonolog zu; der zweite Monolog in der siebten Szene hingegen ist genauso im äußeren Kommunikationssystem angesiedelt, wie es die Mehrzahl der Monologe von Sachs ist. Sachs setzt die Monologe auch nicht für andere Figuren zur Darstellung leidenschaftlicher Reflexionen ein, wie Geiger meint. Sie dienen ihm vielmehr zur Vermittlung der verschiedenen Orte, an denen das Geschehen stattfindet, und seiner eigenen exemplarischen Deutung des Geizes als Laster.39

Ganz in diesem Sinne sind auch die drei Monologe der letzten Szene funktionalisiert, die alle der Pfarrer spricht. Sie verteilen sich auf den Beginn (Auftrittsmonolog), die Mitte (Überbrückungsmonolog) und das Ende (Abgangsmonolog) der Szene. Zu Beginn der Szene (v. 307–310) beschließt der Pfarrer, den Wirt zu beschwören. Erkennbar ist auch seine Erwartung, für die Teufelsaustreibung vom Wirt belohnt zu werden:


Ich wil zu richten mein beschwerung;
Mir wirt werden ein gut verehrung,
Vom Wirt, wenn ich den Teuffl außtreib.
310 Da wil mich holen gleych sein Weyb.

Die Darstellung des Ortswechsels als vorrangiger Funktion erreicht Sachs mit der konstanten Zuordnung des Pfarrers zum Pfarrhof und durch die Überleitung zum anschließenden Dialog, der den Blick auf die herannahende Dialogpartnerin teichoskopisch richtet. Der Pfarrer vermutet das Eintreffen der Wirtin, so dass sie gemeinsam zum Wirtshaus gehen können. Des Weiteren könnte im Monolog angedeutet sein, dass ein oder zwei Tage vergangen sind, hatte der Pfarrer doch in der sechsten Szene der Wirtin und Eulenspiegel gesagt, dass er erst „vber ein tag oder zwen“ (v. 267) zu den Wirtsleuten komme. In der Eulenspiegel-Historie teilt der Erzähler mit, dass Zeit vergangen ist und ein Ortswechsel stattfindet: „Des driten Tags gieng die Fraw hin und mant den Pfarer umb die 12 Gulden“ (Ulenspiegel 1981, S. 208).

Der Monolog des Pfarrers innerhalb der Szene (vv. 333–338) hat die strukturell-gliedernde Funktion der Überbrückung, denn die Wirtin verlässt die Bühne, um ihren Mann zu holen. Nach dem Monolog treten beide Wirtsleute auf. Handlungsbezogen dient der Monolog als Reflexion über das Verhalten der Wirtin. Der Pfarrer glaubt, die Wirtin sei ebenfalls besessen:


Ich glaub, die Wirtin sey auch winnig,
Bsessen, zerruͤt vnd gar vnsinnig,
335 Weil sie mich schmecht, vmb schuldt anklagt
Und mir von einem Taler sagt
Vnd dreien blindn in einer sumb,
So weyß ich ye kein wort darumb.

Die nicht auf die Vorlage zurückführbare Annahme, dass auch die Wirtin besessen sei, weitet das gegenseitige Missverstehen aus und verstärkt so die Komik. Der Monolog ist, anders als etwa in der Komödie Monechmo, keine Hilfestellung, um die Komik in den nachfolgenden dialogischen Szenen zu verstehen, sondern komisch aufgrund der defizitären figurenbezogenen Informiertheit, da er das Unwissen des Pfarrers präsentiert und ohne Eulenspiegels Zutun die figurenspezifisch gegebenen Fehldeutungen als Faktoren für die Handlungssituation ausweitet.

Am Ende des Spiels (vv. 391–402) spricht der Pfarrer den epiloghaften Schlussmonolog. Er will mit der Beschwörung beginnen, die unter anderem Schläge mit der eingeweichten Gerte umfasst. Sachs legt dem Pfarrer dabei eine moraldidaktische Auslegung des Geizes in den Mund:


Ich wil gehen die ruten einweichen,
Dem wirt sein haudt gar wol durch streichen
Vnd mein beschwerung dazu sprechen.
Im ist nit leychtlich ab zu brechen,
395 Dieweil er den geitz Teuffel hat,
Der schreidt nach Talern fruͤ vnd spadt.
Der Teuffel fert nicht geren auß,
Wo er ein wurtzelt in eim Hauß.
Ahn rue den Menschen er steht vbet,
400 Auch ander Leut teglich betruͤbet
Und richtet ahn viel ungemachs
An allen orten, spricht Hans Sachs.

Im Gegensatz zu vielen anderen Fastnachtspielen endet dieses nicht mit einer expliziten Lehransage. Dennoch handelt es sich um eine moralische Auslegung, welche die in den Monologen gesetzten Akzente zusammenfasst. Der ‚Geizteufel‘ gehört mit Schlägen einer eingeweichten Rute aus dem besessenen Wirt ausgetrieben, weil er Unruhe bringt und die Leute unglücklich macht.40

 

Insgesamt zeigen die fünf Monologe des Pfarrers, dass Sachs sie in erster Linie einsetzt, um Ortswechsel und Zeitsprünge zu organisieren. Sechs der 11 Monologe stehen als Auftrittsmonologe am Beginn einer Szene. Indem sie eine Veränderung bezüglich des Ortes, der Zeit oder der Person vermitteln, erleichtern sie das Wahrnehmen und Verstehen der Umbrüche im Fortgang der Handlungskonstruktion. Bedingt ist diese Art des funktionalen Einsatzes hauptsächlich durch die dramatische Umsetzung der narrativen Vorlage.

Für die Handlungsentwicklung sind die Monologe nicht von Relevanz. Vielmehr sind sie dramatische Mittel, um Handlungsabschnitte kenntlich zu machen, wie dies auch schon in der Dekameron-Bearbeitung im Fastnachtspiel G 23 der Fall war. In gleicher Weise – aber anders als in den Tragedis und Comedis – haben die Monologe keine handlungstragenden Funktionen, sondern dienen der Verständniserleichterung. Prägnantes Merkmal sowohl der Schauspiel- als auch der Fastnachtspiel-Bearbeitungen ist die handlungsstrukturierende Funktion der Monologe.41

Eine narrative Vermittlungsebene ist neben den Auftrittsmonologen insbesondere durch die beiden Monologe Eulenspiegels in das Fastnachtspiel integriert. Vor allem der Expositionsmonolog (vv. 1–20), der durch seinen analeptischen und zukunftsgewissen proleptischen Aufbau einem Prolog ähnelt und Eulenspiegel wie einen Herold erscheinen lässt, ist vornehmlich im äußeren Kommunikationssystem angesiedelt.

Die Intention des Eulenspiegel-Autors, Handlungsmodelle zu liefern, findet sich auch in der 71. Historie wieder. Die Unvorsichtigkeit der Figuren ermöglicht Eulenspiegel drei Mal leichtes Spiel. Erstens fallen die Blinden auf Eulenspiegel herein, indem sie ohne nachzufragen davon ausgehen, dass der jeweils andere das Geld hat. Zweitens fallen die Wirtsleute auf Eulenspiegel herein und glauben ihm, dass er einen Bürgen für die Blinden findet. Drittens lässt sich der Pfarrer von Eulenspiegel überlisten, weil dieser ihm ein Geschenk in Aussicht stellt.

Sachs arbeitet nicht das unvorsichtige Handeln und die Unkenntnis des Schlechten in seinem Fastnachtspiel heraus, wie es der Eulenspiegel-Autor intendiert hat, sondern macht ein in der Historie nur angedeutetes Laster explizit: den Geiz. Speziell über die Monologe vermittelt er die Moral42, dass Geiz eine schlechte, ‚teuflische‘ Eigenschaft ist und entsprechende Konsequenzen zur Folge hat.43 Dabei geht es Sachs nicht „um allgemeine Sündenklagen, sondern um gesellschaftliche Verhaltensmuster“44, die er als schädlich für die Ordnung ansieht.

Sachs lenkt die Rezipienten auf eine neue exemplarische Ausrichtung, die auch ohne die Kenntnis der übrigen Historien funktionalisierbar ist. Dafür benutzt er die primär strukturell-gliedernden Monologe und entwickelt in ihnen Figurenperspektiven, die als Kommentare zu jeweils anderen Figuren immer wieder auf Geiz als negatives Merkmal zu sprechen kommen. Mit Blick auf die beiden Quellen, die Sachs zur Verfügung standen, ist festzustellen, dass er alle diese Attribuierungen hinzufügte.45

Der schalkhafte Eulenspiegel in seiner typenhaften Zeichnung bleibt von der moralischen Unterweisung verschont.46 Er ist es vielmehr, der die Schwächen der anderen Figuren aufdeckt und als Strafinstanz dient. „Eulenspiegel führte eine ‚schalkheyt‘ aus, mit deren Hilfe Hans Sachs exemplarisch das Gute vom Bösen trennen, das richtige Verhalten und die ethischen Werte aufzeigen kann.“47 Dazu dienen ihm die Monologe, mit denen er zudem die Ortswechsel im Handlungsgang vermittelt. Sie sind die Voraussetzung, um die von Eulenspiegel initiierte und auf Missverständnissen basierende Intrigenhandlung in einem dramatischen Text darstellbar zu machen. Sie gehen auf das in Reuchlins Henno erstmals wieder aktualisierte sukzessive Handlungsprinzip zurück. Die strukturelle Gliederung betrifft deshalb die Szenengrenzen, ähnlich wie im Henno und im Hecastus.

Sachs bringt seine poetologische Kompetenz wirksam auf der strukturell-gliedernden und auf der handlungsbezogenen Ebene von Ort und Zeit zum Tragen und setzt auf der figurenbezogenen Ebene selbstständig neue Akzente. Insbesondere mit der Explizierung des Lasters Geiz, der Sucht nach Geld und Gratifikationen, pointiert Sachs den wesentlichen Faktor, der im Handlungsgang zu den Unvorsichtigkeiten und Missverständnissen führt.

Damit macht Sachs auch ein humanistisch inspiriertes Bildungsangebot, das sich dezidiert mit den in der Bibel genannten Hauptlastern verbinden lässt und somit im Sinne Melanchthons die dort gegebenen Mahnungen und Modelle für ein wahrhaft gewinnbringendes Handeln erneuert.48

Tabellarischer Überblick:


Sz. Vers Rede und strukturell-gliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen
Figur Zeit und Ort
1 1–20 Auftrittsmonolog Selbstcharakterisierung, Enthüllung Analepse, Prolepse, Teichoskopie
21–64 Dialog
2 65–125 Dialoge
3 155–159 Auftrittsmonolog Reflexion, Affektdarstellung Überbrückung (Zeit)
160–206 Dialog
4 207–216 Auftrittsmonolog Reflexion, Selbstcharakterisierung, Fremdcharkaterisierung, Enthüllung Zeitsprung, Ortswechsel, Teichoskopie,
217–238 Dialog
239–246 Abgangsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung Überbrückung (Ortswechsel)
5 247–258 Dialog
6 259–264 Auftrittsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung, Enthüllung Zeitsprung, Ortswechsel
265–274 Dialog
275–278 Abgangsmonolog Reflexion Überbrückung (Ortswechsel)
7 279–284 Auftrittsmonolog Reflexion
285–296 Dialog
297–306 Abgangsmonolog Entschluss, Enthüllung, Affektdarstellung Analepse, Prolepse
8 307–310 Auftrittsmonolog Entschluss Ortswechsel, Teichoskopie
311–332 Dialog
333–338 Überbrückungsmonolog Reflexion Zeitsprung
339–390 Dialoge
391–402 Abgangsmonolog Reflexion, Lehre

4 Komik in G 40 Der Parteckensack

Das Fastnachtspiel G 40 Der Parteckensack verfasste Sachs am 2. Dezember 1552 ohne bekannte Vorlage.1 Sein Stoff ist eine Variante der fastnachtspieltypischen Themen von ‚fehlgeschlagener Kupplerei‘ bzw. ‚vertauschter Buhlschaft‘.2

Das Stück ist nicht nur wegen der fehlenden Vorlage von Bedeutung, sondern auch, weil Sachs, anders als in seinen übrigen Fastnachtspielen, die zentrale Handlungssequenz verdeckt ablaufen lässt und fast vollständig in Monologen präsentiert. Er funktionalisiert damit in ganz eigener Weise die in den Schauspielbearbeitungen angeeignete poetologische Kompetenz zur Gestaltung der Komik, wie sie etwa im Monechmo und im vorreformatorischen Fastnachtspiel vermittelt sind.

Die Komik, in der ebenfalls auf einem Verwechslungsspiel basierenden Comedi Monechmo, entsteht in Anlehnung an Sachs’ Vorlage in den Dialogen, indem die Dialogpartner jeweils den anderen der Zwillingsbrüder vor sich wähnen und die entstandenen Missverständnisse für die Rezipienten komisch sind. Der Monolog dient dazu, die Rezipienten vorab zu informieren, welcher der beiden Zwillingsbrüder aufgetreten ist. Nur in Ausnahmefällen enstehen im Monechmo komische Sequenzen im Monolog selbst.

 

Im vorreformatorischen Fastnachtspiel ist die Komik nicht an die Handlungsstruktur gebunden. Vielmehr steht sie in direktem Zusammenhang mit Verstößen gegen Normen, so etwa in ausgedehnten Prügelszenen oder skatologischen und obszönen Anspielungen.3 Komik, so Grafetstätter, geht damit „durch den Bruch mit Erwartungshaltungen einher: Das Komische resultiert aus einer Diskrepanz des Wahrgenommenen zu anerkannten Normen und Werten“.4 Die Wiederherstellung der Ordnung kann auch mit bestrafendem Verlachen einhergehen, bei dem eine enge Verbindung von Körperlichkeit und Lachen besteht.5 Insbesondere die Performanz der Körperlichkeit und ihr Ausdruck in Sprache markieren den Unterschied zum Fastnachtspiel von Sachs, wie die vergleichende Analyse von Spiel G 57 mit seiner vorreformatorischen Vorlage K 37 gezeigt hat. In K 37 basiert die Komik auf einem Verwechslungsspiel, ausgestaltet mit derben Begriffen wie „hurnschalk“ (S. 281, v. 5) und Prügelszenen. Im Nebentext ist etwa ausdrücklich angemerkt: „die weil hat die meit die kupplerin geslagen.“ (S. 281, v. 20) Sachs legt die Komik in die Verwechslungshandlung und sorgt mit den Monologen für Kausalzusammenhänge, aber auch für eine Verstärkung der Komik, indem er Schadenfreude über die missliche Lage der Kupplerin bei den Rezipienten entstehen lässt.6 Ähnlich verfährt er in den Bearbeitungen des Dekameron, Ulenspiegel und Schimpf und Ernst. Die Funktionalisierung der Monologe in G 23 als Begleitung und Kommentierung der Handlung fördert sekundär auch die Entstehung der Komik.7 In G 51 legt Sachs den Witz zusätzlich in die Monologe, etwa wenn der Pfarrer annimmt, auch die Wirtin sei vom Teufel besessen. Entscheidend ist jedoch, dass für alle vier Fastnachtspiele die Handlungskonstruktion Voraussetzung für die gattungskonstituierende Komik ist. Es ist ein Charakteristikum für das Fastnachtspiel ab 1550, dass es sich durch die Bindung der Komik an die Handlung auszeichnet.

Das Fastnachtspiel G 40 bildet hier keine Ausnahme, wenngleich die extensive Verwendung des Monologs hervorsticht, ohne den die Handlung schlicht nicht vermittelbar ist:


1. Szene: Rosimunda beklagt gegenüber der Magd den Tod ihres Mannes. Sie fürchtet, dass sich kein anderer Mann für sie interessiert. Die Magd erzählt ihr von Verehrern, von denen Rosimunda Engelhart treffen möchte. Sie hofft, dass ihre Ehre gewahrt bleibt und er ihr die Ehe anträgt.
2. Szene: Der Kaufmann Engelhart ist in Rosimunda verliebt, darf aber erst in drei Jahren heiraten. Weil er sie dennoch zur Geliebten haben will, verabredet er mit Hilfe der Magd ein Treffen am selben Abend und gibt ihr für ihre Dienste einen Taler.
3. Szene: Die Magd hofft, noch mehr als einen Taler aus der Liebschaft zwischen Engelhart und ihrer Herrin herausschlagen zu können. Rosimunda berichtet von dem Wunsch Engelharts, bei ihr zu schlafen, obwohl er nicht um ihre Hand angehalten hat. Die Magd rät ihr, ihn zu sich kommen zu lassen und ihn dadurch auf Dauer für sich zu gewinnen. Er soll an der hinteren Tür warten. Durch die Gasse vor dieser Tür würde niemand gehen, da dort ein leeres Weinfass liege. Sie wolle ihn nachts um drei in das Haus holen.
4. Szene: Engelhart ist traurig, denn er muss sofort zu seinem Herrn. Er hofft, dass die Magd aus dem Haus kommt, damit er ihr eine Nachricht für Rosimunda geben kann. Unverrichteter Dinge muss er gehen.
5. Szene: Die Magd stellt fest, dass es drei Uhr ist und Engelhart bald da sein müsste.
6. Szene: Conrad, der Bettler, ist im Dunklen auf dem Weg zum Weinfass, das er als Schlafplatz nutzt. Die Magd hört ihn und glaubt, es sei Engelhart. Sie bedeutet ihm, still auf ein Zeichen zu warten. Conrad wundert sich und beschließt, sich auf die Situation einzulassen. Die Magd holt ihn im Dunklen herein.
7. Szene: Die Magd erhofft sich guten Lohn. Sie will den angeblichen Junckherren später wieder herausführen.
8. Szene: Die Magd führt Conrad die dunkle Treppe hinab. Dabei verliert er seinen Almosensack und sagt, es wäre sein Degen.
9. Szene: Die Magd will den Degen suchen, verstecken und Geld für die Rückgabe verlangen.
10. Szene: Rosimunda hat ein ungutes Gefühl, weil sie eine zerrissene Hose und ein Buch vorfand, das Engelhart niemals lesen würde. Die Magd erzählt Rosimunda vom Fund eines Almosensacks. Sie dachte, Engelhart sei betrunken und habe deshalb eine andere Stimme. Rosimunda meint, sie hätte selbst erkennen müssen, dass es nicht Engelhart ist. Sie hofft, dass nichts von den Geschehnissen bekannt wird und verspricht der Magd einen Mantel.

Obwohl Sachs den Monolog ganze 13 Mal einsetzt, beginnt das Fastnachtspiel dialogisch. Die Exposition erstreckt sich über die gesamte erste Szene, die die Rezipienten über den unglücklichen Witwenstand Rosimundas und ihre Suche nach einem neuen Mann informiert. Würde Rosimunda ohne ihre Magd auftreten, wäre der Einstieg ähnlich der häufig zu findenden monologischen Variante gestaltet.8

Am Ende der ersten Szene verwendet Sachs den ersten der 13 Monologe. Darin (vv. 62–69) reflektiert Rosimunda über Engelhart, den ihr die Magd im vorausgegangen Dialog als Verehrer vorgestellt hat:


Der Engelhart ist ein feiner Gsell;
Ich glaub nicht, daß er nach mir stell.
Wo er zu Ehren mein begeret,
65 Gar bald wuͤrd er von mir geweret.
Doch ich wil hoͤren seinen muth,
Villeicht meint ers ehrlich vnd gut.
Ich wil gehn in das Hinderhauß,
Ein weyl zum Fenster schawen nauß.

Die Funktion der Reflexion und Fremdcharakterisierung ist die Darstellung von Rosimundas Wunsch, ihre Ehre zu wahren. Sie erhofft sich von Engelhart ehrenvolle Absichten. Damit wird ihr handlungsleitendes Motiv zum ersten Mal verdeutlicht. Die Angst um Ehrverlust begründet im Handlungsverlauf die Heimlichkeit und ist der Auslöser für die Verwechslung. Die Figurenzeichnung macht deutlich, dass Rosimunda zwar ein gewisses Risiko mit dem angebahnten Treffen, das zunächst nur eine Unterredung sein soll, eingeht, aber nicht bedingungslos einen Liebhaber sucht. Der Monolog endet proleptisch in einem kurzen Entschluss, der den Abgang motiviert.

Weil die zweite Szene mit einem Auftrittsmonolog von Engelhart (vv. 70–82) beginnt, erscheint seine Rede als indirekte Replik auf die geäußerten Hoffnungen von Rosimunda. Es ist zu vermuten, dass Sachs dieses Mittel der indirekten Verknüpfung von Monologen, wie z.B. auch in der kontrapunktischen Anordnung in der Dekameron-Bearbeitung, gezielt einsetzt. Dadurch ist es ihm möglich, Aussagen von Figuren, die sich noch nicht getroffen haben und eventuell auch nicht treffen werden, inhaltlich in Beziehung zu setzen:


70 Ich bin in strenger Lieb verwund
Gar tieff in meines Hertzen Grund
Gen Rosimunda, der Wittib zart,
Doch hats leyder vmb mich die art,
Daß ich mich nicht verheyraten darff;
75 Wann ich verschrieben bin so scharff
Meim Herren noch drey gantzer Jar;
Derhalben ich nicht werben thar
Umb sie, mir zu einem Ehweib;
Wuͤrd aber mir zu theyl jhr Leib
80 In Bulschafftweiß, da geb ich vmb
Geltes heymlich ein dapffer summ.
Mein Ann, wann lauffst so eylentz her?

Engelhart bestätigt die Aussage der Magd über seine Liebe zu Rosimunda und erklärt, wie von Rosimunda erhofft, seine ehrenvollen Absichten. Die Rezipienten erfahren jedoch noch mehr: Wie Engelhart klagend bekennt, darf er erst in drei Jahren heiraten und kann deshalb nicht um Rosimundas Hand anhalten. Er ist jedoch bereit, für eine Nacht mit Rosimunda „in Buhlschafftweiß“ eine größere Summe auszugeben. Die vermittelte Selbstcharakterisierung ist hinsichtlich der eigenen Ehre durchaus zweideutig. Indem Engelhart enthüllt, in näherer Zukunft nicht heiraten zu können, sich aber trotzdem um Rosimunda bzw. ihren „Leib“ bemühen zu wollen, wird eine Information preisgegeben, die der Magd, vor allem aber Rosimunda, nicht bekannt ist. Sachs führt damit erneut eine Diskrepanz der Informiertheit von Rezipienten und Figuren ein. Durch diese Informationsvergabe, die rein figurenspezifisch erfolgt, erhalten die Rezipienten einen Informationsvorsprung gegenüber der Magd und gegenüber Rosimunda.9 Durch das mehrperspektivische Wissen besitzen die Rezipienten nicht nur gegenüber den Figuren ein Mehr an Informationen, sie können zudem den unterschiedlichen Informiertheitsgrad der Figuren untereinander erkennen. Sachs vermittelt so „das Bewusstsein der Mehrdeutigkeit jeder Situation“ und gibt den Rezipienten die Möglichkeit, eine Position einzunehmen, aus der sie „die einzelnen Situationseinschätzungen der Figuren als abweichend von der Norm des faktisch Angemessenen“10 beurteilen können. Er setzt dieses aus antiken Dramen bekannte Mittel im Fastnachtspiel für die Entwicklung der Intrige, des Konflikts und der Komik der Handlung ein und wesentlich mit Monologen um. Auch in diesem Fall ermöglicht die Diskrepanz, die Handlung auf den Konflikt bzw. das Missverständnis hin zu entwickeln und Spannung auf die Verwicklungen zu erzeugen.