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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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Abgesehen vom Ende des Fastnachtspiels ist der weitere Verlauf des Handlungsgeschehens mit der Vorlage identisch. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sachs nicht mit weiteren Monologen die Ausdeutung der Vorlage deutlicher herausarbeitet bzw. deren dramatische Umsetzung überhaupt erst möglich macht.

Wie er die Erzählerrede in dramatische Figurenrede zur Geschehensvermittlung umsetzt, zeigt der Monolog des fahrenden Schülers (vv. 181–200) zu Beginn der dritten Szene (insbes. ab v. 187). Anders als in extern analeptischen Expositionen, die nichtdargestelltes Geschehen zusammengefasst wiedergeben, handelt es sich um eine direkte Umsetzung der Erzählerrede der Vorlage:


Wol hat gewoͤlt das gluͤck mir heudt,
Mir ist geratn ein gute beudt,
Das ichs den Winter kaum verzehr.
Het ich der einfelting Pewrin mehr,
185 Die mich schickt in das Paradeiß!
Wehr schadt, das sie all weren weiß!
Botz angst, ich sie dort ein von weiten
Auff eim Roß mir eilendt nach reiten.
Ists nicht der Pawr, so ists ein blag,
190 Das er mirs dinglich widr abjag.
Ich wil das puͤrlein hie verstecken
Ein weil in diese doren hecken,
Nun kan er je mit seinem Roß
Nit zu mir reiten in das moß,
195 Er muß vor dem graben absteigen.
Ja er thuts gleich, nun wil ich schweigen,
Mein garn in busen schieben frey,
Auff das er mich nit kenn darbey,
Wil leinen mich an meinen stab,
200 Sam ich auff ein zu warten hab.

Der Monolog hat zwei Teile. Der erste (vv. 181–186) ist eine Reflexion über die glückliche Fügung des Zusammentreffens mit der Bäuerin. Indem der Schüler auf das vergangene Geschehen zurückblickt, wird ein Zeitsprung im Handlungsfortgang deutlich. Dieser geht mit einem Wechsel der Szenerie einher. Sie ist im zweiten Teil durch das Herannahen eines Reiters und die Beschreibungen von Hecken und sumpfigem Land als außerhalb der Ortschaft liegend charakterisiert.

Sachs setzt für die Übertragung der narrativen Vorlage das Mittel der Teichoskopie ein und stellt so geschehensvermittelnd den Vorgang des heranreitenden Bauern dar. Mit dieser Technik, die den Rezipienten gegenwärtiges Geschehen zugänglich macht, das auf der Bühne nicht sichtbar ist, löst Sachs das Problem, dass in der Vorlage ein Pferd ins Spiel kommt und zur weiteren Handlungsentwicklung unverzichtbar ist. Indem der Schüler als Wortkulisse die Beschaffenheit des Ortes mit Dornenhecke („doren hecken“ v. 192) und Graben beschreibt, wird verständlich, dass der Bauer von seinem Pferd absteigen muss, um zum Schüler gelangen zu können. Das Pferd ist demnach aus plausiblen Gründen auf der Bühne nicht zu sehen. Es für die Dramatisierung zu streichen, wäre nicht möglich gewesen, denn nur die Doppelung der Dummheit von Frau und Mann, die dem Schüler erst die Wertsachen und dann auch noch das Pferd zuspielen, macht den Witz der Handlung aus und ist auch so in der Vorlage zu finden.

Ebenso zeigt der Monolog die Listigkeit des Schülers, der weiß, dass er die Bäuerin betrogen hat, seinen ‚Gewinn‘ aber nicht wieder zurückgeben möchte. Deshalb versteckt er die erhaltenen Sachen, auch das verräterische „garn“ (v. 197), an dem der Bauer ihn hätte erkennen können, und verhält sich so, als ob er auf jemanden wartet.

Hier zeigt sich, wie Sachs mit dem Monolog die durch Erzählerrede vermittelten Informationen der Vorlage deutlich ausgebaut hat, dies besonders in Hinblick auf die Beschreibung des ankommenden Bauern und die Begründung für das Absteigen vom Pferd. Der Erzähler im Schwank beschreibt lediglich, wie der Schüler die Sachen versteckt: „Da in der faren schůler sahe hernach reiten, da verbarg er das blunderlin vnder ein studen, vnd lent sich also vff ein stecken.“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 18–20) Die Notwendigkeit für diesen Monolog und die Ausarbeitungen sind durch die Dramatisierung einer epischen Vorlage bedingt.

Sachs baut in Form einer Wortkulisse zunächst den neuen Ort der Szene auf, sodann schließt er die Szene mit einem das bisherige Geschehen rekapitulierenden Monolog des Schülers (vv. 224–246):


Laufft hin, sorgt nur nicht vmb das Pfert,
225 Das jr ein schaden findet dran.
Das Roß wirt mir recht, lieber Man.
Wie froͤlich scheindt mir heudt das gluͤck,
Volkummentlich in allem stuͤck:
Die Fraw gibt mir rock, hossn vnd schw,
230 So gibt der Man das Roß darzw,
Das ich nit darff zu fussen gahn.
O das ist ein barmhertzig Man,
Der geht zu fuß, lest mir den Gaul,
Er weiß leicht, daß ich bin stuͤdtfaul.
235 O das der Pawr auch solcher weiß
Auch sturb vnd fuͤr ins Paradeiß,
So wolt ich gwiß von diesen dingen
Ein gute beut daruon auch bringen.
Doch wil ich nit lang mist da machen;
240 Wann kemb der Pawer zu den sachen,
So schluͤg er mich im feld darnider
Vnd nem mir gelt vnd kleider wider;
Wil eilendt auff den Grama sitzen
Vnd in das Paradeiß nein schmitzen,
245 Ins wirtzhauß, da die Huͤner braten,
Den Pawrn lassen im moß vmb waten.

Zwar erwecken die ersten drei Verse den Anschein, als spräche der Schüler den Bauern an, doch ist der vermeintlich dialogische Abschnitt zum Monolog zu rechnen, weil er den Sarkasmus bzw. die Schadenfreude des Schülers wiedergibt. Damit leitet er die affektiv gestaltete Rückschau auf das bisherige Geschehen ein. Der erste Abschnitt (vv. 224–234) ist folglich repetitiv analeptisch gestaltet. Darin setzt der Schüler die Bäuerin und den Bauern aufgrund des doppelten Glücks, das sie ihm durch ihre einfältige Art beschert haben, gleich. Im zweiten Teil reflektiert er über denkbare Konsequenzen, sollte der Bauer den Betrug bemerken. Deshalb entschließt er sich, ins Wirtshaus zu reiten.

Obwohl der Schüler nicht über die Dummheit der beiden anderen Figuren spricht, sondern sich über sein Glück freut, dient die Affektdarstellung als Kommentierung des Verhaltens der anderen Figuren. Die Torheit der beiden ist sein Glück. Der Erzähler der Vorlage beschreibt, wie der Schüler mit dem Pferd wegreitet, und enthält sich jeder Kommentierung auf das bisher Geschehene: „dieweil nam er das blünderlin vff sein rucken, vnd sasz vff das pferd, vnd reit hinweg.“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 27–28)

 

Ganz in diesem Sinne, die Torheit beider Figuren hervorzuheben, ändert Sachs das Ende der Vorlage um. Im Fastnachtspiel hat die Frau dem ganzen Dorf erzählt, dass sie Geld und Kleidung einem Fahrenden mitgegeben hat, um es ihrem Mann ins Paradies zu bringen. Bei Pauli endet der ‚schimpf‘ damit, dass der Mann seiner Frau von dem Auffinden des Schülers erzählt und sie belügt, er habe ihm zusätzlich zum Geld noch das Pferd geschenkt.

Aufgrund des erweiterten Schlussteils im Fastnachtspiel schließt sich dem die dritte Szene beschließenden Monolog des Schülers ein Auftritt-Abgangs-Monolog (vv. 247–252) der Bäuerin direkt an:


Ach, wie ist mein Man so lang auß,
Das er nit wider kumbt zu Hauß.
Ich bsorg, er hab des wegs verfelt,
250 Das meimb alten nit werdt das gelt.
Botz mist, ich hoͤr den Schulthes blassen.
Ich muß gehn baldt mein Sew auß lassen.

Der Monolog ist handlungsbezogen nicht auf die Konzeption der Figur ausgerichtet, sondern macht eine Ellipse und einen Ortswechsel deutlich, der die Bewegung der handelnden Figuren anzeigt: Die Aussage „wie ist mein Man so lang auß“ (v. 247) vermittelt die große Zeitspanne, die vergangen ist. Daneben motiviert das Signal des Schultheiß die Schweine hinaus zu lassen. Es erklärt, warum die Bäuerin das Haus verlassen hat und wieso sie Leute im Dorf getroffen und ihnen die Geschichte erzählt haben kann. In der Rede enthüllt die Bäuerin auch noch einmal ihren Wunsch, ihrem „alten“ das Geld zustellen zu lassen.

Direkt im Anschluss erscheint wieder der Bauer und bemerkt das Verschwinden seines Pferdes. Der Auftrittsmonolog (vv. 253–268) fügt sich in das nahezu durchgängig verwendete Muster, Szenen mit einem Monolog einzuleiten:


Botz leichnam angst, wo ist mein Pferdt?
Ja, bin ich frumb vnd ehrenwerdt,
255 So hat mirs der boͤßwicht hin ghritten,
Er daucht mich sein duͤckischer sitten,
Hat auch das gelt vnd kleider hin.
Der groͤst Narr ich auff erden bin,
Das ich traudt diesem Schalck vertrogen.
260 Schaw, dort kumbt auch mein Weib herzogen,
Ich darff jr wol vom Roß nit sagen,
Ich troet jr vor hart zu schlagen,
Das sie so einfeltig het eben
Dem lantzpscheissr das dinglich geben,
265 Vnd ich gab jm doch selb das Pferdt,
Viel groͤsser streich wer ich wol werdt,
Weil ich mich kluͤger duͤnck von sinnen.
Ich wil etwan ein außred sinnen.

Mit diesem Monolog schließt Sachs, wiederum über die geschehensvermittelnde Brücke des zweiten Schüler-Monologs, an die Einzelreden der ersten beiden Szenen an. Die für den ersten Monolog des Bauern beschriebene stereotype Argumentation der einfältigen Ehefrau gegenüber wendet sich nun zur Selbstcharakterisierung. In besonderer Weise zeigt sich die Einsicht des Bauern in seine Dummheit, indem er selber meint, er hätte mehr Schläge als seine Frau verdient, weil er sich klüger wähnte als sie. Der Kontrast zur vorhergehenden Haltung ist eindeutig. Der Bauer sieht sich vom hohen Ross geholt. Die Einsicht ist jedoch nicht so groß, dass er seinen Fehler der Ehefrau gegenüber eingestehen möchte. Er beschließt hingegen, sich eine Ausrede einfallen zu lassen. Seinen Versuch, mit einer Lüge die Torheiten zu bemänteln, führt der darauffolgende Dialog allerdings sogleich ad absurdum, denn das ganze Dorf ist bereits informiert. Die Bäuerin und nun auch der Bauer können dem Hohn und Spott nicht entgehen. Doch erneut folgt kein Wutausbruch, sondern lediglich ein an Gott apostrophiertes Aufseufzen („Wie hab ich ein Weib, lieber Gott“; v. 302), gefolgt von einem vielsagenden Gedankenstrich im Text. Indem der Mann anschließend einfach seine Frau nach Hause an den Herd schickt, manifestiert er die pragmatisch ‚unkonventionelle‘, zurückhaltend-friedvolle Handlungsalternative als bevorzugte Reaktionsweise.

Bemerkenswert ist, dass Sachs den eng mit der allgemein negativ konnotierten Torheit verbundenen Handlungsbogen bis an den Punkt führt, der die Dummheit sowohl der Bäuerin als auch des Bauern öffentlich macht. Die dadurch entstandene Schlusssituation erinnert an das satirische Lob der Torheit des Erasmus von Rotterdam:44 Sachs nutzt die in den Monologen eingeführten Figurenperspektiven, um ausgehend von der Torheit der einen die vermeintliche Klugheit des anderen nur noch törichter erscheinen zu lassen. Die Assoziation, dass das Stück mit dem Lachen des ganzen Dorfes über das törichte bäuerische Ehepaar endet, schließt auch das Lachen über die Selbstgewissheit der nur scheinbar Klugen ein. Was als Torheit zu gelten hat, ist mehrdeutig. Sachs nutzt den Handlungsgang, um Torheit auch als Paradoxie des gemeinten Sinns und der erbrachten Folgen von Handlungen vorzuführen und sie damit hinterfragbar zu machen.

Bei Pauli verhält es sich anders. Der Schwank endet damit, dass der Mann nach Hause geht und seiner Frau erzählt, dem Schüler noch mehr Geld und das Pferd mitgegeben zu haben: „Da er nun wider heim kam, da fragt in die fraw ob er den man funden het. Er sprach ia, ich hab im mer geltz geben, vnd hab im mein pferd darzů geschenckt, das er dester ee zů im kum.“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 30 – S. 275, Z. 2) Pauli thematisiert damit nicht die Einsicht in die eigene Torheit, wie sie sich in der Bearbeitung von Sachs findet.

Dieser untermauert anders als Pauli das Interpretationsangebot für die Rezipienten. Der Epilog (vv. 305–322) dient dazu, die Einsicht des Bauern in seine Dummheit nochmals zu verdeutlichen. Dieser Epilog ist nicht als Rede ad spectatores gefasst, sondern vermittelt eine figurenspezifische Reflexion, wenn es im Nebentext heißt: „Der Pawr beschleust“ (v. 304). Im ersten Teil beschwert der Bauer sich über die Dummheit seiner Frau. Im zweiten Teil stellt er hingegen fest, dass auch er Fehler macht, und kommt deshalb zu dem Schluss:


Denn zieh man schad gen schaden ab,
320 Darmit man friedt im Ehstandt hab
Vnd keyn vneinigkeyt auff wachs;
Das wuͤnschet vns allen Hans Sachs.

Auch wenn hier der Bauer nicht explizit eine Lehre ausspricht, kommt er doch zu dem Schluss, dass niemand fehlerfrei ist,45 und damit zu einem Fazit, das viele die Ehe thematisierende Fastnachtspiele von Sachs kennzeichnet. Die Einigkeit in der Ehe dürfte letztlich ein zentrales Anliegen von Sachs gewesen sein. Könneker sieht die Einstellung zum Frieden in der Ehe sogar als die „eigentliche Moral“ der Fastnachtspiele von Sachs:

Die Mahnung, Frieden zu halten, sich im Bewußtsein eigener Schwächen mit denen des Partners abzufinden, statt das bestehende Übel durch gegenseitige Aufrechnung der Sünden unnötig zu vergrößern, steht fast stereotyp am Ende der meisten Fastnachtspiele von Sachs, ja ist, so könnte man geradezu sagen, die eigentliche Moral, die er in ihnen verkündet.46

Insgesamt lässt sich anhand des strukturellen Aufbaus der Monologe die analeptische und proleptische Ausrichtung als Hauptcharakteristikum festhalten. Ist der Expositionsmonolog vornehmlich über eine externe Analepse konstituiert, die die Figur des verstorbenen Ehemanns einführt, um im Kontrast zu diesem den jetzigen Ehemann durch Fremdcharakterisierung als schlecht darzustellen, zeichnen sich die übrigen Monologe durch eine repetitive, bisheriges Geschehenen noch einmal bedenkende Analepse aus. Den Ausblick auf zukünftige Ereignisse geben zukunftsungewisse Prolepsen am Ende der Monologe. Sie sollen den Spannungsbogen aufrecht erhalten. Über diese beiden Ordnungskategorien, die als Geschehensvermittlung an die Figurenrede gebunden sind, stellt sich jeweils die Rückbindung zum vergangenen Geschehen und die Aussicht auf das zukünftige her, womit der Monolog in den Handlungsrahmen eingebettet bleibt. Explizit geschehensvermittelnd wirkt der vorlagenbedingte Einsatz der Teichoskopie. Durch die Monologe am Szenenanfang ist es Sachs darüberhinaus möglich, Ortswechsel und Ellipsen figural zu vermitteln. Der Monolog als szenenstrukturierendes Mittel findet in diesem Fastnachtspiel extensiv Verwendung.

Ein Grund dafür muss in der insgesamt auffälligen Ausarbeitung der Vorlage liegen. Während Sachs mit den Novellen des Dekameron Vorlagen bearbeitete, die es zu kürzen und exemplarisch zu wenden galt, gaben ihm die kurzen Schwänke von Pauli ein Handlungsgerüst, das er erweitern konnte. Die strukturell-gliedernden Monologe nutzt er zum Aufbau handlungstragender Figurenperspektiven. In diesem Spiel fallen die Figurenzeichnungen bzw. die Kontrastierungen der enthüllten Motive sowie die präsentierten Selbst- und Fremdcharakterisierungen besonders ins Gewicht. In den Monologen des Bauern macht Sachs ansatzweise eine Entwicklung der Figur in ihrer Haltung erkennbar, die er für die Lehrhaftigkeit des Spiels nutzt. Während die Bäuerin trotz des Expositionsmonologs ein naives Verhalten im Umgang mit dem Schüler, mit dem Bauern und auch mit der Dorfgemeinschaft zeigt, ist das vermeintlich kluge Verhalten des Bauern ebenso dumm. Ein solcher didaktischer Impetus ist in der Vorlage nicht offensichtlich, obwohl es doch gerade Paulis „literarhistorische Leistung“ ist, „auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Quellen zurückzugreifen und im geschickten Griff die wesentlichen Elemente herauszulösen und dramatisch neu gestaltet für seine Moraldidaxe umzusetzen“.47

Ambivalent sind die Figuren hier jedoch ebenso wenig wie in den Dekameron-Bearbeitungen. In ihren Monologen nennen die Figuren stattdessen Handlungsmotive, die eine Wertung ihres Handelns nahelegen. Sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann legen ihre eigene Torheit darin unmissverständlich offen. Durch die Figurenkonstruktion und die Erläuterung der Handlungsmotive kann Sachs die einseitige Darstellung der Dummheit ausgleichen, so dass am Ende beide Ehepartner gleichberechtigt ihre Fehler eingestehen müssen. Der Einschätzung von Könneker, wonach die eheliche Einigkeit zentrales Motiv der Fastnachtspiele sei, kann auch mit Blick auf die Figurenkonzeption in den Monologen recht gegeben werden, denn Sachs stellt nicht einen Ehepartner als allein Schuldigen dar, der in der abschließenden Lehre als Exempel für eine negative Charaktereigenschaft dienen könnte, sondern arbeitet die Ehe als beständige und zu bestätigende Institution heraus.

 

Dabei integriert Sachs die von Luther als Polemik gegen das Mönchtum angebrachte „Ablehnung des sakramentalen Charakters“ der Ehe und bestätigt zugleich ihre unhinterfragte „Stellung im sozialen Gefüge“.48 Die Ehe bildet in der Reformation als

von Gott geschaffene Form der Gemeinschaft auch die Grundordnung des Lebens schlechthin […], die gleichzeitig als Spiegel und Vorbild aller übrigen im weltlichen Bereich existierenden Ordnungen fungiert[], ja letztlich sogar Abbild der von Gott ins Leben gerufenen Schöpfungs- und Weltordnung selbst [ist].49

Der von Sachs beständig propagierte Wille zum Frieden in der Ehe zielt damit auch auf den Frieden bzw. die Beständigkeit in der Gemeinschaft, denn die Ehe „ist die Grundlage von Familie, Staat und Gesellschaft“.50

Diese Sinnzuweisung war dem Franziskaner-Mönch fremd. Damit zeigt sich, dass Sachs seine poetologische Kompetenz, deren Strukturierungsprinzipien und Figurenkonstruktionen aus der humanistischen Formkultur stammen, in ganz eigener Weise für seine Deutung im Dienste der reformatorischen Wissensvermittlung funktionalisierte. Das Ineinandergreifen von Einflüssen aus humanistischer Gelehrtenkultur und Predigtlehre bildet die Grundlage für die Dichtung dramatischer Texte. In Tragedi und Comedi lässt sich das docere aufgrund der angehängten Lehren in den Epilogen leichter erfassen. Wie auch in den Fastnachtspielen hat Sachs die literarischen Verfahrensweisen zur Darstellung der Handlung genutzt, um das docere zu integrieren.

Tabellarischer Überblick:


Sz. Vers Rede und strukturell- gliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen
Figur Zeit und Ort
1 1–16 Auftrittsmonolog Affektdarstellung (Klage), Enthüllung, Fremdcharakterisierung Analepse, Prolepse
17–71 Dialog
72–79 Überbrückungsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung Analepse, Zeitüberbrückung
80–115 Dialog
116 Singen Überbrückung
2 117–158 Dialog
159–178 Überbrückungsmonolog Reflexion, Entschluss, Affektdarstellung (Klage, Wut, Drohung), Enthüllung, Fremdcharakterisierung Analepse, Prolepse
179–180 Dialog
3 181–200 Auftrittsmonolog Affektdarstellung (Freude), Entschluss Ortswechsel, Teichoskopie
201–223 Dialog
224–246 Abgangsmonolog Reflexion, Affektdarstellung (Schadenfreude) Analepse
4 247–252 Auftritt-Abgangs-Monolog Reflexion Zeitsprung, Ortswechsel
5 253–268 Auftrittsmonolog Reflexion, Entschluss, Selbstcharakterisierung Ortswechsel, Teichoskopie
269–304 Dialog
305–322 Abgangsmonolog Reflexion, Lehre