Za darmo

Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

Tekst
0
Recenzje
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Ich hab mich gerüst auff die nacht,
Gleich wie ein jäger auff die jacht,
Mit creutzhacken, dollich und schwerdt.
Wo mir einer auff der gassen werdt,
30 Den erschlag ich und zeuch ihn ab
Und nem ihm alles, das er hab,
Schlepp ihn denn in das öd gemewr.
Lang hab ich braucht die abentewr.

In einer Selbstcharakterisierung gibt sich die Figur als Mörder zu erkennen, indem er sein Tatwerkzeug beschreibt und einen Mord an einer ihm zufällig vor die Füße kommenden Person ankündigt. Sachs bleibt zwar der Vorlage treu, wenn er den Mörder in das Handlungsgeschehen integriert, entfernt sich aber von ihr, wenn er den Mord an einer unbekannten Person nicht darstellt, sondern ihn stattdessen in der Gerichtsszene in einer knappen analeptischen Rede vermittelt. Hinsichtlich Anklage und Verurteilung von Gisippus wegen Mordes folgt Sachs wiederum der Haupthandlung aus der Vorlage: Thitus tritt im Augenblick der Verurteilung seines Freundes zur Szenerie monologisierend hinzu (KG XII, S. 33 vv. 3–6):


Ich glaub bey Jove, das der frey
Mein bester freund Gisippus sey.
5 Er ists. Kan ich kein gnad erwerben,
So will ich willig für ihn sterben.

Reflektierend macht sich Thitus bewusst, dass der Angeklagte sein Freund Gisippus ist. Sofort entschließt er sich zur Hilfeleistung und bekundet, für ihn sterben zu wollen. Der Monolog signalisiert den beginnenden Handlungsumschwung zum guten Ende, der in den folgenden Dialogpassagen weiter ausgearbeitet wird.

Analog zur Vorlage gestaltet Sachs das Ende des vierten Aktes. Neben Gisippus und Thitus gibt sich auch der wahre Mörder als solcher zu erkennen, so dass der Richter schließlich alle drei frei spricht. Seiner Funktion nach erhöht der vierte Akt durch die neue Situation eines verarmten Gisippus, der sterben will und des Mordes angeklagt ist, noch einmal die Spannung und beschwört ein tragisches Ende herauf.

Der letzte Akt wendet schlussendlich auch das Zukünftige zum Guten, denn Thitus möchte all sein Hab und Gut mit Gisippus teilen und ihm seine Schwester zur Frau geben. Beide rekapitulieren das Geschehene und versichern sich ihre Freundschaft. Sachs richtet sich hier wieder nach der Quelle, obwohl er dem Ende mit dem ausgebauten Dialog mehr Bedeutung beimisst, als es die Erzählerrede der Vorlage vorgibt.

Die funktionale Verwendung des Monologes ist in diesem Schauspiel, besonders wenn Sachs den Monolog selbstständig einfügt, der szenischen Strukturierung9 und damit einhergehend der Einführung in die jeweilige Szene bzw. dem besseren Verständnis geschuldet. Abgesehen von einem Simultanmonolog stehen alle Monologe am Anfang oder Ende der Akte und Szenen. Als derart klar erscheinendes Strukturierungsprinzip ist der funktionale Einsatz des Monologes bisher nur im Henno nachweisbar. Die vier von Sachs selbstständig eingefügten Monologe zeichnen sich vor allem durch die Komprimierung der Novellenhandlung aus. Sie führen in das Geschehen ein, vermitteln einen Ortswechsel und erklären dem Rezipienten in Form einer Selbstcharakterisierung die Figurenabsichten.

Die aus der Vorlage übernommenen Monologe bieten eine deutlich detailliertere Innensicht und sind weniger handlungsvermittelnd, stattdessen tritt der aktionale Charakter in reflexiver Form hervor. Die Simultanmonologe sind ebenfalls der Vorlage geschuldet, lassen sich indes schon in früheren Schauspielen von Sachs finden. Das darin präsentierte Dilemma trägt zum Spannungsaufbau bei, da die Handlung tragisch zu enden droht. Wie auch in den vorherigen Schauspielen hat Sachs nicht alle Monologandeutungen der Vorlage übernommen.

Im Unterschied zu den vier anderen dramatischen Dekameron-Bearbeitungen nimmt er keine Umarbeitungen der Handlung vor, die die Figuren neu charakterisieren bzw. auf die Lehren im Epilog zuschneiden.

Deutlicher als am Concreti lässt sich anhand dieser Bearbeitung zeigen, wie die Handlung der Vorlage das Strukturierungsprinzip für die dramatische Umsetzung bereitstellt. Damit ist nicht nur gemeint, dass die Novellenhandlungen eine Fünfaktstruktur nahelegen, sondern einen Aufbau in Hinführung, Entwicklung des Konflikts, Höhepunkt, Wendepunkt und gutes oder schlechtes Ende. Es ist die Konzeption eines Konflikts oder einer Intrige, die wie im Henno diese Handlungskonstruktion verlangen.

4.1.3 Zwischenfazit

Insgesamt erscheint es als ein Zusammenspiel aus mehreren Voraussetzungen, das die Dekameron-Schauspiele in dieser Art entstehen ließ. Von zentraler Bedeutung ist auch hierfür der in der Frühen Neuzeit wegen seiner antiken Dramenform hochgelobten Henno, der auch auf Sachs einen beachtlichen Einfluss ausübte. Er bietet einen mit den Novellen vergleichbaren Handlungsgang. Nimmt man den Henno als Modell, so war es Sachs auf Grundlage der poetologischen Aneignung möglich, die Handlungsstruktur der Dekameron-Novellen dramatisch umzusetzen, indem er einerseits wie in Thitus und Gisippus nah an der Vorlage blieb und andererseits wie im Concreti eigenständig verfahren konnte. Desweiteren müssen die schwer nachzuweisenden, wohl aber vorhandenen, vielleicht im Schulunterricht der Lateinschule erworbenen rhetorischen Kenntnisse von Sachs mit bedacht werden. In der Lateinschule dürfte er mindestens gewisse Strukturierungsprinzipien, die seinen Vorlagen zugrunde liegen, erlernt haben, so dass er sie in den Vorlagen erkennen und selbst produktiv dramatisch einsetzen konnte.

Wenn Sachs eine Novelle bearbeitete, die als Drama in fünfaktiger Struktur mit Hinführung, Höhepunkt und tragischem oder glücklichem Ausgang erscheint, obwohl die Quelle, etwa die der Lisabetha, keine eindeutige Strukturierung aufweist, muss er neben der Vorlage ein weiteres Aufbauschema vor Augen gehabt haben. Bei diesem dürfte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Reuchlins Henno handeln. Einerseits geht dieser selbst auf einen mittelalterlichen und nicht auf einen antiken oder biblischen Text zurück und andererseits weist die von Sachs verwendete Technik deutliche Parallelen zum Henno auf.

Vor diesem Hintergrund zeigt die Betrachtung des 1544 gedichteten Fastnachtspiels G 16 der schwanger pawer, welches Gattungsverständnis Sachs vor 1550 für das Fastnachtspiel hatte und wie entscheidend die Bearbeitungen des Dekameron als Tragedi und Comedi waren: Sachs bleibt bei gleicher Quellenlage (‚Arigos‘ Dekameron) dem Fastnachtspiel insofern treu, als er es durch den Herold in die Fastnachtszeit einbettet und es nur in einem Akt und mit einer Szenengrenze dichtet, obwohl die Handlungsstruktur ähnlich wie in den Schauspiel-Bearbeitungen einen komplexeren dramatischen Aufbau vorgibt. Es lassen sich dennoch erste fließende Übergänge, die als Literarisierungstendenzen zu bewerten sind, in der Form erkennen, dass die Handlungsstruktur mit Einführung, Überlegung der List, erfolgreicher List und glücklichem Ende auch im Fastnachtspiel erkennbar ist und Sachs zumindest für den Erfolg der List einen Szeneneinschnitt einfügt und Figuren auf- und abtreten lässt. Der, wenn auch äußert knapp gehaltene, Monolog beweist zusätzlich die Vorlagentreue. Es zeigt sich, wie Sachs die monologisierende Figur im Handlungsgeschehen verortet und nicht in Form einer Publikumsansprache aus der Handlung ausbrechen lässt.

4.2 Komik im Monechmo

Der Monechmo gilt als Ausnahme unter den Tragedis und Comedis, weil er eines der wenigen Schauspiele mit komischen Elementen ist. Sachs selbst grenzt Tragedi und Comedi als ernsthafte dramatische Gattungen vom Fastnachtspiel ab. Wie oben bereits erwähnt, ist die schwankhafte Handlungskonstruktion für das Fastnachtspiel von Sachs gattungskonstituierend.1 Schwankhaft meint hier, dass die dramaturgische Umsetzung eines Stoffes auf den „komischen Effekt“2 zielt. Die Komik entsteht dabei primär über die Strukturierung der Handlung und wird deshalb vom Witz unterschieden. Es wird von ‚schwankhaft‘ gesprochen, weil das Wort ‚Schwank‘ ab dem 15. Jahrhundert für eine Erzählung mit komischer Wirkung steht, auch wenn das „nur eine ‚Möglichkeit jeder Gattung‘ bezeichnet.“3

So definiert Herzmann Schwank als „Erzählung eines lustigen Einfalls oder Streiches in Vers oder Prosa.“4 Eine Definition ist nicht unproblematisch, weil der Schwank „keine einheitliche Form“5 hat und sich in „verschiedenen Gattungen auf jeweils unterschiedliche Weise realisieren“6 lassen kann. Eine Annäherung liefert Dietl, die den Schwank charakterisiert

 

als eine aus Situationskomik und Wortwitzen gespeiste, das Derbe und Drastische nicht meidende, meist einsträngige und lineare Erzählung oder dramatische Präsentation, die oft in einer überzogen und deutlich stilisiert dargestellten Alltagswelt situiert ist, komische Konflikte und Unzulänglichkeiten menschlichen Zusammenseins präsentiert und auf eine Pointe zusteuert, die zumeist im Sieg des Schlaueren oder Rücksichtloseren besteht. Der Zweck […] ist zunächst auf das delectare beschränkt.7

Im Gegensatz zum Witz wird die Komik im Schwank aus der Handlung heraus entwickelt. Häufig führen zwei Parteien gegeneinander eine Art Wettkampf, bei dem sie sich mit ihrer List übertrumpfen wollen.8 Eine Figur versucht dabei eine andere „in ihren Rechten durch Lüge, Betrug, Täuschung zu schädigen“9, worauf die geschädigte Figur entsprechend reagiert. Am Ende siegt die Figur mit der „norm- und situationsgerechte[n] Klugheit“10, möglicherweise weil im 15. und 16. Jahrhundert delectatio immer mit utilitas einhergehen soll.

In dieses Schema fügen sich die Scaenica progymnasmata, so dass von den Dramenautoren der Frühen Neuzeit erneut Johannes Reuchlin hervorgehoben werden muss, der mit der humanistischen Komödie „schwankhafte Handlungsmuster“11 in antiker Form bereitstellt.

Hans Sachs überschrieb zwar einige seiner Spruchgedichte mit ‚Schwank‘, scheint jedoch – wie für die Frühe Neuzeit charakteristisch – keine genaue Definition von Schwank gehabt zu haben, so dass die Texte, die er unter ‚schwenck‘ verzeichnet, eher eine Art „Sammelbecken“12 bilden, unter denen sich auch Reden finden. Schwank bedeutete für Sachs aber immerhin, soviel kann als sicher gelten, dass die Texte „scherzhaft, fiktiv und komisch oder amüsant“13 sind. Wie innerhalb der dramatischen Gattungen – wenn er Tragedi und Comedi als ernsthafte Gattungen dem Fastnachtspiel gegenüberstellt – grenzt er deshalb ‚histori‘ von ‚schwenck‘ ab.14

In der Analyse des Monechmo15 wird schwerpunktmäßig untersucht, inwiefern der Monolog dazu beiträgt Komik hervorzurufen. Die von der schwankhaften Handlungskonstruktion herbeigeführten Komikeffekte können nur unter bestimmten Voraussetzungen ihre Wirkung bei den Rezipienten entfalten. Im Monechmo spielt der Monolog hierfür eine entscheidende Rolle, weil er das Verständnis sichert.

Beispielhaft wird an vier der insgesamt 17 Monologe dargestellt, wie Sachs das Verwechselungsspiel auf komische und gleichzeitig für die Rezipienten nachvollziehbare Weise umsetzt.

Die direkte Vorlage des 1548 gedichteten Schauspiels ist nicht, wie der Prolog vermuten lassen könnte (KG VII, S. 98 v. 8), Plautus’ Menaechmi,16 sondern dessen deutsche Übersetzung durch Albrecht von Eyb von 1472/73.17 Hierbei handelt es sich um eine dramatische Vorlage, die vor jeder Szene eine Zusammenfassung des folgenden Inhalts im Nebentext bereitstellt.

Im Gegensatz zu Albrecht von Eyb, der sein Stück in 22 Szenen ohne Akte aufteilt, unterteilt Sachs seine Comedi in fünf Akte mit elf Szenen. Möglich ist ihm die Reduzierung der Szenen durch das Weglassen der Nebenhandlungen, wodurch er gleichzeitig die Verwechslung komisch, aber verständlich darstellen und sich nur dem für ihn zentralen Thema, der ‚bulschaft‘, widmen kann.18

Die Komik des Stückes beruht auf einem Verwechslungsspiel der Zwillingsbrüder Lutz und Lutz:


1. Akt: Der verheiratete Lutz will mit seinem Knecht Heintz zu seiner Geliebten Rosina gehen und ihr einen Mantel schenken, der eigentlich seiner Ehefrau gehört. Rosina beauftragt ihre Köchin, ein Essen für sich und ihren Geliebten zu bereiten. Der fremde Lutz ist mit seinem Knecht Fritz auf der Suche nach seinem seit sieben Jahren verschollenen Bruder. Die Köchin ruft den fremden Lutz zum Essen. Nach erfolglosen Erklärungsversuchen, dass er nicht der Schenker des Mantels sei, lässt sich der fremde Lutz auf die Situation ein, schickt seinen Knecht fort und folgt Rosina.
2. Akt: Knecht Heintz sucht seinen Herrn. Er sieht den fremden Lutz, der die Situation zwar immer noch nicht versteht, gleichwohl aber den Mantel zum Seidensticker bringt. Heintz hält ihn für seinen Herrn. Sie beschimpfen sich. Die Köchin bringt ihm ein goldenes ‚häfftlein‘, das noch an den Mantel genäht werden soll. Der fremde Lutz freut sich über sein Glück und will mit allen Sachen die Stadt schnell verlassen.
3. Akt: Heintz ist über seinen Herrn verärgert und verrät deshalb dessen Ehefrau, wo sich der Mantel befindet. Sie beschimpft ihren Ehemann und fordert den Mantel zurück. Der verheiratete Lutz will ihn von Rosina zurückholen. Sie beschimpft ihn, weil er den Mantel zum Seidensticker bringen sollte.
4. Akt: Der fremde Lutz trifft auf die Ehefrau des verheirateten Lutz. Sie will ihren Mantel wiederhaben, den er bei sich trägt. Ihr Vater wird hinzugeholt. Alle streiten sich und der fremde Lutz läuft weg. Der Vater beschließt, ihn von einem Arzt heilen zu lassen. Als der verheiratete Lutz auftritt, wehrt dieser sich, als der Arzt ihn behandeln will. Der Knecht Fritz denkt, er sei sein Herr und hilft dem verheirateten Lutz. Dieser kennt den Knecht nicht und spricht ihn deshalb frei.
5. Akt: Der fremde Lutz findet seinen Knecht, dieser beharrt darauf, frei zu sein. Der verheiratete Lutz kommt hinzu und die ganze Verwechslung klärt sich auf.

Stuplich weist in ihrer Analyse die selbstständige dramaturgische Gestaltung von Sachs vor allem im Hinblick auf die Aufführungstechnik nach:

Der Monechmo ist weder eine Umsetzung der antiken Komödie ins Deutsche noch eine Dramatisierung der Eybschen Übertragung. Sachs benutzt Eybs Text, wie jede andere Vorlage, als Lieferanten des Handlungsgerüsts. Er wählt aus, was in seine eigene Komödie Eingang finden soll und gestaltet diese nach eigenen Kriterien.19

Für die Aufführungstechnik und Raffung der Handlung auf ein Thema trifft dies tatsächlich zu. Mit Blick auf den Monolog tritt jedoch zutage, dass 14 der Vorlage entnommen sind.20

Weil die Komik in diesem Fall auf einem Verwechslungsspiel beruht, muss Sachs die Informationsvergabe an die Rezipienten im Gegensatz zu der an die Figuren unterschiedlich gewichten. Pfister spricht in Anlehnung an den Begriff der ‚discrepant awareness‘ von ‚diskrepanter Informiertheit‘. Diese beziehe sich

auf zwei Relationen: einerseits auf die Unterschiede im Grad der Informiertheit zwischen den dramatischen Figuren und andererseits auf die entsprechenden Unterschiede zwischen diesen und dem Publikum. Der erste Aspekt ist also ausschließlich auf das innere Kommunikationssystem bezogen, während der zweite sich auf die Relation zwischen innerem und äußerem Kommunikationssystem bezieht.21

Angewendet auf den Monechmo bedeutet das, dass zwar diskrepante Informiertheit auch zwischen dramatischen Figuren wie etwa dem fremden Lutz und Rosina vorliegt, viel entscheidender ist jedoch die diskrepante Informiertheit zwischen innerem und äußerem Kommunikationssystem, weil sie zu einem Informationsvorsprung der Rezipienten führt und dadurch die Komik der Situationen erst nachvollziehbar hervortritt. Da die Rezipienten jeder Situation des Dramas beiwohnen, „während die einzelnen Figuren in der Regel nur an einer Teilmenge der präsentierten Situationen unmittelbar partizipieren“, sind die Rezipienten „in der Lage, die jeweils nur partielle Informiertheit der einzelnen Figuren zu summieren und miteinander zu korrelieren“.22 Das Verwechslungsspiel des Monechmo, das gerade auf jener

Diskrepanz der Informiertheit beruht, ist so strukturiert, daß zwei voneinander unabhängige Ereignisketten ständig ineinandergreifen. Jede einzelne Überschneidung dieser zwei Ereignisketten […] wird von den Beteiligten aus zwei komplementären Perspektiven beurteilt, die im Laufe des Stückes durch das Hinzukommen immer neuer falsch gedeuteter Informationen immer weiter auseinanderklaffen, und nur der Zuschauer als Augenzeuge aller Begegnungen befindet sich auf einem Informationsniveau, das es ihm erlaubt, diese komplementären Perspektiven zu einem Ganzen zusammenzufügen. Daraus ergibt sich auch eine der zentralen Ironien […]: Was den Figuren als chaotische Verwirrung erscheint, fügt sich dem Zuschauer zum geometrischen Muster komplementärer Mißverständnisse.23

Wie Sachs den Monolog als Mittel der diskrepanten Informiertheit funktionalisiert, macht die Kette aus drei Monologen zu Beginn des zweiten Aktes deutlich. Alle drei finden sich auch in der Vorlage, dort folgen indes nur die letzten beiden direkt aufeinander. Den ersten Monolog spricht der Knecht Heintz (KG VII, S. 105 vv. 9–16):


Mein junckern hab ich im dreng verlorn.
10 Ich bin erfült mit lauter zorn.
Glaub, er hab sich von mir gestoln,
Sey gangen heimlich unverholn
Zu seiner Rosina, eß das mal.
Das hauß ist ie zu uberal.
15 Hat ers thon, so wil ich in schelten
Und im den bossen wider-gelten.

In einer Reflexion über seinen Herrn präsentiert der Knecht den Informationsstand, auf dem er sich aktuell befindet, und zieht daraus die falschen Schlussfolgerungen: Er hat seinen Herrn verloren und vermutet, dass er zu seiner Geliebten gegangen ist. Die Ankündigung, dass er seinen Herrn hierfür ‚schelten‘ will, erzeugt doppelte Spannung auf das Zusammentreffen. Zum einen stellt der Knecht seinen eigenen niederen Stand mit der Ankündigung der Strafe in Frage, zum anderen könnte er auf den fremden Lutz treffen.

Die Rezipienten wissen zu Beginn des zweiten Aktes, anders als der Knecht, dass der fremde Lutz bei Rosina war und diese ihn mit dem Mantel zum Seidensticker geschickt hat. Zusätzlich wissen sie, wie der Knecht im Falle eines Zusammentreffens zu handeln gedenkt. Auf welchen Lutz er trifft, vermittelt der zweite Monolog (KG VII, S. 105 vv. 19–30):


Das glück das wil mir heut gar wol.
20 Ich hab mich gessen und truncken vol
Und hat mir auch die fraw von hertzen
Erbotten wol mit schimpff und schertzen,
Hat mir auch disen mantel geben,
Den ich zum seidesticker eben
25 Sol tragn, mit berlein in zu sticken.
Den sol sie nimmer mehr an-blicken.
Wie hab ichs so weidlich betrogen!
Warumb hats mich denn nein gezogen?
Es war eim andern vermeint verert,
30 Ist er mir beschaffen und beschert.

Mittels eines analeptischen Berichtes, der das Essen bei einer Frau zum Thema hat, die ihn beauftragt, einen Mantel zum Seidensticker zu bringen, wird ersichtlich, dass es sich nicht um den Herrn des Knechtes Heintz, sondern um den fremden Lutz handelt. Die abschließende Reflexion klärt über den Informiertheitsgrad der monologisierenden Figur auf: Sie ist sich bewusst, dass man sie für eine andere Person gehalten hat.

 

Beide Monologe bereiten die Komik im Zutrittsmonolog des Knechtes Heintz (KG VII, S. 105 v. 33 – S. 106 v. 2) vor:


Dort geht mein junckherr, hat auff ein krantz,
Redt mit im selb, ist frölich gantz.
35 Ich merck wol, das er spottet mein,
S. 105 Das ich des mahls beraubt sol sein.
Ich wil in trutzig reden an.

Wie auch der Monolog des fremden Lutz muss dieser simultan präsentiert werden, weil der Knecht zu dem monologisierenden Lutz hinzutritt und dessen Rede reflektiert. Er glaubt, dass es sich um seinen Herrn handelt, der sich über ihn lustig macht.

Nur über den Informationsvorsprung der Rezipienten, den die vorausgegangenen Monologe sichergestellt haben, kann sich ein komisches Moment entwickeln. Der Knecht erkennt nicht nur die mit sich selbst redende Figur nicht richtig, sondern deutet auch noch deren Rede falsch.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Monologen, die hauptsächlich mit ihrem nicht-aktionalen Aufbau als Verständnishilfe fungieren, zielt der dritte auf Komik, die aber ohne die beiden ersten nicht entstehen könnte. Sie ist möglich, indem die beiden Monologe direkt aufeinander folgen und so der Witz über den falsch eingeschätzten Redeinhalt seine Wirkung entfalten kann. Genau an dieser Stelle bleibt Sachs der Vorlage auffallend treu.24

In jedem Akt kommt es zu Missverständnissen zwischen verschiedenen Figuren, aus denen komische Dialogszenen mit Beschimpfungen, Prügelandrohung oder Heilungsversuchen hervorgehen. Vorbereitet werden die Dialoge mit Monologen, deren hauptsächliche Funktion die Verständnissicherung ist. Hierfür ändert Sachs die Vorlage und fügt Monologe selbstständig ein, zum Beispiel die Rede des fremden Lutz zu Beginn des fünften Aktes (KG VII, S. 118 vv. 20–24), der der Abtritt des verheirateten Lutz direkt voraus geht:


20 Kan ich denn heut mein knecht nit finden?
Er lest den wein sich uberwinden,
Ligt etwan dort und ist stüd-vol.
Schaw! dort schleicht vor mir hin der mol!
Fritz, Fritz! wo schleuffst nur umb den tag?

Reflektierend fragt sich Lutz, wo sein Knecht Fritz ist und ob er betrunken herumliegt. Da es sich um eine Verwechslungskomödie handelt und der verheiratete Lutz unmittelbar zuvor den vierten Akt beendet hat, dient der Monolog einzig der Verständnissicherung. Der verheiratete Lutz hatte den Knecht Fritz im vorangegangenen Akt freigesprochen; dieser besteht im anschließenden Dialog auf seine Freiheit. Weil davon auszugehen ist, dass eine Person die Zwillingsbrüder auf der Bühne darstellt, braucht es wiederkehrende Merkmale, mit denen die Rezipienten den jeweiligen Lutz erkennen können. Diese sind der jeweilige Knecht, der Mantel, die Geliebte und die Ehefrau.

Weil Knecht Fritz seinen Herrn direkt vorher gesucht hat, wird nun klar, dass es sich bei dem auftretenden Lutz um den fremden handelt, der nun ebenfalls seinen Knecht sucht und diesen auch mit Namen direkt benennt. In der Vorlage ist nicht sofort ersichtlich, um welchen Lutz es sich handelt, dort beginnt die Szene direkt mit dem Dialog. Sachs beseitigt die Ungenauigkeit nicht nur an dieser Stelle. Er verwendet ein Schema, das das ganze Drama durchzieht, allerdings auch in den meisten Fällen in der Vorlage zu finden ist.25

Die Hauptfunktion liegt in der Vermittlung wiedererkennbarer Merkmale, denn nur mit einem Informationsvorsprung ist es den Rezipienten möglich, der Handlung zu folgen, die Verwechslung nachzuvollziehen und infolge dessen den Witz zu verstehen. Die Komik entsteht meistens in den Dialogen,26 weil die Dialogpartner den jeweils anderen Lutz vor sich wähnen.

Neben dem Monolog nutzt Sachs das Mittel der leeren Bühne am Ende eines Aktes, um sicherzustellen, dass es sich hier und im folgenden Aktanfang um den jeweils anderen Lutz handelt. So endet der dritte und vierte Akt mit einem Monolog des verheirateten Lutz und der vierte und fünfte Akt beginnt mit einem Monolog des fremden Lutz.

Die aktstrukturierende Funktion ist eine eigene Leistung von Sachs. Zwar entnimmt er die meisten Monologe der Vorlage, aber durch die starke Raffung auf ein Thema hin lässt er Szenen weg und kürzt sie, sodass er auch teilweise Szenen mit Monologen beginnen oder enden lassen kann, die in der Vorlage eine andere Position einnehmen.

Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein macht, als ob dieses Schauspiel ungewöhnlich viele Monologe aufweist, hat Sachs insgesamt 23 Monologe der Vorlage nicht übernommen. Mit der bereits angesprochenen Raffung der Handlung geht eine Beschränkung auf die notwendigen Monologe einher, die sich oft identisch bei Albrecht von Eyb finden. Dieser wiederum hat den Großteil seiner Monologe direkt aus dem Plautus-Text übersetzt, wo auf die monologische Rede in uneindeutigen Fällen mit der Regieanweisung ‚secum loquitur‘ verwiesen wird.27 Die dramaturgische Gestaltung der Komik steht demzufolge über die Vermittlung von Albrecht von Eyb in der Tradition der Palliata.

Weil eine schwankhafte Handlungskonstruktion, wie sie sich im Monechmo finden lässt, auch für die Fastnachtspiele ab 1550 nachgewiesen werden kann, ist in den folgenden exemplarischen Fastnachtspielanalysen u.a. der Frage nachzugehen, wie Sachs Komik im Vergleich zum Monechmo und zum vorreformatorischen Fastnachtspiel entstehen lässt.