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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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Der dritte Akt kommt ohne Monologe aus und ist im Vergleich zur Vorlage stark auf den Haupterzählstrang fokussiert. Das Drama erreicht seinen Höhepunkt, als der Fürst Concretus Guiscardus töten lassen will, woraufhin Gismunda mit Selbstmord droht.

Die beträchtlichen Kürzungen im Mittelteil blenden die rhetorische Versiertheit Gismundas, die in der Vorlage „klar wie eine italienische Humanistin“10 spricht, beinahe aus. Wenn Gismunda im dritten Akt die Anschuldigungen des Vaters zurückweist, sind zwar auch hier alle wichtigen Punkte der Vorlage vorhanden, es ist indes nicht ihre rhetorisch geschulte Rede,11 sondern es sind die von Sachs hinzugefügten Beraterszenen, die den Vater als Schuldigen erscheinen lassen.

In gleicher Weise verhält es sich im vierten Akt, der eine 10-zeilige Passage der Vorlage deutlich erweitert. Sachs fügt dem Akt eine Beraterszene hinzu, in der die Berater Concretus von der Entscheidung, Guiscardus töten zu lassen, abbringen wollen. „Ohne selbst direkt in die Handlung einzugreifen“, so Stuplich, „benutzt der Autor die Räte, um das Verhalten des Concretus zu kommentieren und ihn damit zugleich zu charakterisieren.“12 Auch die zweite Szene des vierten Aktes zeichnet Concretus negativer als die Vorlage, wenn ein Trabant die letzten Worte des Toten wiedergibt und Concretus das Herz des Toten an seine Tochter sendet.13 Der vierte Akt ist demnach die Hinführung zur dritten Lehre des Epilogs, die besagt, dass die Eltern im Falle einer Liebe der Kinder nicht zu streng sein sollen und keinen Racheakt vollführen sollen, für den die Reue zu spät kommt. Der Vater sollte stattdessen alles zum Guten wenden (KG II, S. 38 v. 31 – S. 39 v. 7).

In der Vorlage findet sich mit dem Beschluss des Concretus, seine Tochter nicht körperlich zu bestrafen und stattdessen Guiscardus töten zu lassen (Arigo 1860, S. 254), anstelle der Beraterszene eine narritivierte Rede:

in dem von ir schied sich mit im selbs beriet der tochter an dem leibe nicht zestraffen vnnd sein hertikeyt vnd czorn gen ir fallen lassen, vnnd mit eynes anderen schaden der tochter grosse liebe zäumen vnd brechen meynet, vnd den die Gwischardo in hůte heten gepot das sy in mit still on alles romor würgten vnd töten das hercze im auß dem leibe nämen vnd im brächten.

Dass Sachs diese, wie auch zwei weitere Redeformen dieser Art, nicht mit monologischer Figurenrede ersetzt hat, bestätigt, wie er die Handlung für seine eigene exemplarische14 Deutung der Novelle auf die Lehre im Epilog veränderte. Seine Änderungen betreffen vor allem den Fürsten Concretus, der durch Hinzufügungen von Sachs nicht nur im vierten, sondern auch im ersten (KG II, S. 22 v. 23 – S. 24 v. 14) und dritten Akt (KG II, S. 30 vv. 23–34) gegen die Berater agiert.

Im fünften Akt verfährt Sachs weiterhin selbstständig, wenn er Gismunda über ihr Unglück klagen lässt (KG II, S. 35 vv. 4–11):


O weh, du falsch untrewes glück!
5 Wie hast du mir erzeygt dein dück
Inn meiner lieb so schnell und gech!
O das meim hertz-lieb nur nichts gschech!
O ich fürcht laider, er sey tod.
O weh der grossen angst und not!
10 Nun ich will auch meinem elend
Mit diesem drunck machen ein end.

Die Affektdarstellung bestätigt nochmals die Liebe Gismundas und bekräftigt erneut ihre Entscheidung, sich im Falle des Todes von Guiscardus das Leben zu nehmen. Die Wiederholung der Selbstmordabsicht ist eine Vorbereitung auf die Ansprache von Gismunda an das Herz ihres Geliebten (KG II, S. 35 v. 26 – S. 36 v. 5 und S. 36 vv. 15–26):


O du freundlich und lieblichs hertz,
Ein herberg freuden, wunn und schertz,
Hast du geendet nun dein leben,
Wie dir vom unglück ist gegeben
30 Ein solch ellendes trawrigs end
Von deins tödlichen feindes hend,
Der dich doch durch Gottes eingab
Gelegt hat in ein guldins grab,
Deß du wol wirdig bist und werd,
S. 36 Nun hast vollend dein lauff auff erd
Und mangelt zur begrebtnuß dein
Nichts weytter, dann die zeher mein,
Die wil ich auch mit-teylen dir
5 Auß hertz-mitleydender begir.

Dieser an das Herz gerichtete Monolog findet sich noch ausführlicher in der Vorlage.15 Gismunda enthüllt umfassend ihre Liebe zu Guiscardo und begründet, warum sie ihr Leben beenden will. Der Monolog ist simultan, da sie in Begleitung ihrer Hofdamen auf der Bühne ist. Sie kommentieren die Worte Gismundas und erleichtern so das Verständnis. Der Struktur nach ist der Monolog den an Gott bzw. Götter gerichteten Apostrophen ähnlich. Dass jedoch die Gefühle Gismundas derart ausgiebig als Affektdarstellung vermittelt werden, ist nur auf die Vorlage zurückzuführen. Die Affektdarstellung hat deshalb, anders als in den zuvor dargestellten Monologen, tatsächlich die Gefühlswelt der Figur zum Gegenstand.


15 O du mein aller-liebstes hertz,
Ich weyß: dein seel die wart mit schmertz
Auff mich, biß das in hertzen-leyd
Mein seel mit ir von hinnen scheyd
Auß dieser welt in jenes leben,
20 der ich gentzlichen was ergeben
In hoher lieb und sie auch mir.
Nun harr! ich wil geleich mit dir.
Dieweil und du sturbest durch mich,
Wie möcht ich denn leben an dich!
25 Sunder in lieb bleib ich vereint
Dort ewig, weil ein tag erscheint.

Stuplich weist nach, dass die Aufteilung der Akte dem Handlungsverlauf der Quelle folgt und dieser eine dramatische Struktur mit Handlungsumschwung vorgibt. Der erste Akt „enthält die Exposition und mit dem Verbot der Wiederverheiratung der jungen Frau den dramatischen Auftakt“,der zweite steht „ganz im Zeichen der aufkeimenden Gefühle zwischen Guiscardus und Gismunda“, der dritte enthält den „Umschlag der Handlung“ mit Höhe- und Wendepunkt, der vierte beschleunigt das Handlungstempo durch zwei Fehlentscheidungen Concretus’ hin zur Katastrophe, die dann im fünften erfolgt.16

Die Eigenständigkeit in der Dramaturgie, trotz beibehaltener Handlungsstruktur der Vorlage,17 trifft auch für die Funktionalisierung der Monologe zu.18 Sachs übernimmt die für ihn wesentlichen Monologe bzw. narrativierten Gedankenreden aus der Vorlage, baut sie zur Vermittlung dort nicht dargestellter Passagen aus oder lässt sie weg, um die didaktische Auslegung des Epilogs durch eingeschobene dialogische Szenen stärker hervorheben zu können. Selbstständig fügt er einen Monolog ein, um wiederholend die emotionale Situation Gismundas darzulegen und ihren Selbstmord für die Rezipienten kausal zu begründen.

 

Für die Umsetzung der Erzählerrede in dramatische Figurenrede findet der Monolog Verwendung, um erzählte Handlungen zu vermitteln, aber nicht darstellen zu müssen. Wenn der Erzähler in narrativierter Rede Gedanken wiedergibt, setzt Sachs diese Form in einem Monolog um, in dem er die wesentlichen figurenbezogenen Funktionen aufgreift und für die monologische Rede erweitert, allerdings nur, wenn sie für die exemplarische Deutung im Epilog geeignet sind.19 Affektdarstellung und Reflexion finden sich erstmals in dieser komplexen und durchstrukturierten Form. Die Innensichten der Figuren sind auf die Vorlage zurückzuführen, auch wenn Sachs ihnen jede Zwiespältigkeit nimmt.

In Bezug auf den gesamten Dramenaufbau lässt sich festhalten, dass Sachs, obwohl er Änderungen in Form von Aussparungen und Zusätzen vorgenommen hat, durch die vorgegebene Handlung der Novelle eine Dramenstrukturierung erreicht, die stark an den antiken Dramenaufbau angelehnt ist.20

4.1.2.3 Thitus unnd Gisippus

Das letzte der fünf aufeinander folgenden Dekameron-Schauspiele Thitus unnd Gisippus (X, 8), geschrieben im Dezember 1546, macht deutlich, wie Sachs den dramatischen Gehalt einer Novelle erkannte1 und sich formal an das antike Drama anlehnte.2 Dem Fünfaktprinzip konnte Sachs erneut treu bleiben, weil bereits die Vorlage eine fünfteilige Struktur vorgibt. Insgesamt nimmt er nur Kürzungen und kleinere Änderungen vor. Ein weiteres, für die dramatische Umsetzung geeignetes Charakteristikum der Vorlage ist die hohe Dichte an dialogischen und monologischen Reden, an die sich Sachs anlehnen konnte.


1. Akt: Gisippus stellt seinem Freund Thitus seine Braut Sophronia vor. Thitus verliebt sich in Sophronia.
2. Akt: Thitus gesteht Gisippus, dass er dessen zukünftige Ehefrau liebt. Gisippus schlägt ihm vor, dass er sich in der Hochzeitsnacht mit ihr heimlich vermählen darf. Er soll so tun, als sei er Gisippus.
3. Akt: Die Hochzeit ist vollzogen. Thitus soll zurück nach Rom berufen werden, weil sein Vater gestorben ist. Gisippus gesteht Sophronia, dass sich Thitus mit ihr vermählt hat. Ihr Vater und Bruder wollen Gisippus vor Gericht stellen. Thitus erklärt jedoch die Situation und bekommt Sophronia zur Frau.
4. Akt: Gisippus geht es schlecht, er hat kein Geld und keine Ehre mehr und ist auf der Suche nach Thitus. Gisippus wird des Mordes beschuldigt. Thitus will ihn retten und bekennt sich schuldig, wie auch Gisippus sich nun schuldig bekennt, ebenso der wahre Mörder. Der Richter spricht alle drei frei.
5. Akt: Gisippus erzählt, was ihm in der vergangenen Zeit widerfahren ist. Thitus will sein gesamtes Vermögen mit ihm teilen und ihm seine Schwester zur Frau geben.

Im ersten Akt verfährt Sachs bei der Dramatisierung recht eigenständig, da der Erzähler ohne direkte, indirekte oder narrativierte Figurenrede in die Handlung einleitet. Dafür setzt Sachs, unabhängig von der Vorlage und dem Henno vergleichbar, zu Beginn des Aktes einen Expositionsmonolog (KG XII, S. 15 v. 28 – S. 16 v. 8) ein, der das enge Verhältnis von Thitus und Gisippus komprimiert vermittelt:


Ach, wo ist mein freund auff den tag?
An den ich mich nit frewen mag.
S. 16 Was hat er nur zu schaffen schir?
Wie mag er sein so lang von mir?
Das im nur nichts wer widerfarn!
Nun sind wir ie in dreyen jarn
5 So lang nit von einander gwesn.
Er sitzt so lang nit ob dem lesn.
Ich muß gehn schawen, wo er sey,
Auff das ich werd der sorgen frey.

Thitus fragt sich reflektierend, wo sein Freund Gisippus ist, von dem er seit drei Jahren noch nie so lange getrennt war und ohne den er sich nicht freuen möchte. Er braucht ihn, um seine Sorgen loszuwerden. Zusammen mit den einleitenden Worten im Prolog, die keine Handlungszusammenfassung sind, dem Monolog und dem anschließenden Dialog gibt Sachs die Erzählerrede der Vorlage als Exposition dramatisch wieder, wobei er sich auf die wesentlichen Informationen beschränkt.

Durch den anschließenden Dialog wird verständlich, dass Gisippus von Thitus wissen möchte, wie diesem seine zukünftige Frau gefällt. Die Antwort darauf folgt nicht im Dialog, sondern erst am Aktende in einem Monolog (KG XII, S. 18 v. 23 – S. 19 v. 28). Diese Alleinrede verdient besondere Beachtung, da sie sich von allen bisherigen Monologen unterscheidet. Ansatzweise ist sie mit denen von Gismunda und Guiscardus vergleichbar. Unterteilt ist der Monolog in fünf Abschnitte, die mit dem aktionalen und reflexiven Gehalt das Für und Wider der Liebe zu Sophronia darstellen: Im ersten Teil (S. 18 vv. 23–29) lobt Thitus die Schönheit Sophronias, weshalb er sie selbst gerne zur Frau hätte:


Ach Gott, wie höflich und gantz adelich,
Wie schön und zart und gar undadelich,
25 Wie sitlich, tugentsam und mild
Ist diß aller-schönst frawen-bild!
Schöners auff erd ward nie geborn.
O das die junckfraw außerkorn
Wer mein und mir zum gmahel gebn!

Der zweite Abschnitt (S. 18 v. 30 – S. 19 v. 7) formuliert die Selbstzweifel über den zuvor geäußerten Gedanken. Thitus führt die Freundschaft und blinde Liebe als Gegenargumente an, möchte er doch vernünftig und weise sein:


30 O du elendes menschlichs lebn!
O Thite, wo setzt du dein sin
Gemüt, hertz und dein hoffnung hin?
Weist du nit, das es nit kan sein?
Sie ist des besten freundes dein.
35 Was thust dich denn umb sie bekümmern,
Dich mit solcher unruh zu-drümmern?
Wie lest dich die blind lieb verblenden?
S. 19 O Thite, thu dich wider wenden
Zu deiner weißheit und vernunfft
Und schick dein begird in zukunft
Zu künsten und dich uberwind,
5 Eh dich die blind lieb fah und bind
Zu laster, schaud! wolst du denn an
Deim besten freundt so ubel than?

Dass die Liebe gleichwohl stärker ist, erkennt er im dritten Abschnitt (S. 19 vv. 8–15). In seiner Begründung beruft er sich darauf, dass es eine solche Tat schon mehrere tausend Mal gegeben habe:


Ach Gott, aber wie ist so starck
Die lieb! durchdringt hertz, bein und marck.
10 Sie ist vil stercker, wenn der todt.
Für die hilft kein gsetz noch gebot.
Es warn vil töchter und ihr väter,
Schwester und brüder solche thäter.
Vil tausent mal geschicht die that,
15 Das einer eins freunds weib lieb hat.

Deshalb fasst er in Abschnitt vier (S. 19 vv. 16–20) den Entschluss, sich der Liebe hinzugeben:


Ich bin noch jung, es bleibt fein still.
Drumb will ich gleich, was die lieb will,
Mich in der junckfraw lieb ergeben,
Zu dinst ihr sterben oder leben,
20 Biß ich ihr thu mein lieb bekand.

Wiederaufkommende Selbstzweifel in Abschnitt fünf (S. 19 vv. 21–28) lassen ihn für den Fall der unerfüllten Liebe die Möglichkeit des Todes in Kauf nehmen:

 

O nein, das wer ein grosse schand,
Solt das Gisippus werden innen.
Auch möchte bey ir kein gnad ich finnen.
Kan ich der lieb ye nit außschlagen,
25 Sol ichs also verborgen tragen,
So wirds kosten das leben mein.
Nun, kan es ye nicht andes sein,
So gib ich mich gleich willig drein.

Die klare Strukturierung ergibt sich aus der Vorlage.3 Dort ist der Monolog in dieselben Abschnitte unterteilt und mit einer zwischengeschobenen Erzählerrede zudem deutlich untergliedert.4 Da Boccaccio für den Stoff von Thitus und Gisippus ein Exemplum zur Vorlage hatte, wird seine Intention umso mehr augenscheinlich. Er hat die Geschichte erheblich komplizierter gestaltet, so dass

die Personen nun nicht mehr einfach als Mittel zur Sichtbarmachung einer Idee da sind, sondern daß sie über ein eigenständiges Bewußtsein verfügen, das ihnen erlaubt, die jeweilige Situation nicht mehr als etwas Selbstverständliches hinzunehmen, sondern als etwas Besonderes zu bedenken.5

Sowohl im Dekameron als auch in der Bearbeitung von Sachs wird mit Hilfe des Monologs ein Gewissenskonflikt zwischen Begehren und Loyalität gezeichnet.6 Die Liebe erscheint zwar als übermächtig, ist aber in einen inneren Konflikt überführt.

Selten arbeitet Sachs ein Dilemma derart ausführlich und deutlich wie in diesem Monolog aus. Der Text verdeutlicht die schon in den vorherigen Bearbeitungen beobachtete Tendenz, dass der reflexive, d.h. auch zweifelnde, hauptsächlich der Affektdarstellung dienende Monolog auf die Dekameron-Rezeption zurückgeht. In nachfolgenden Schauspielen bleiben solch konfliktträchtige Monologe die Ausnahme. Mit Blick auf die Analyse der Fastnachtspiele soll im weiteren Verlauf der Arbeit die Frage geklärt werden, inwiefern Sachs in reflexiven Monologpassagen überhaupt ein Dilemma zulässt.

Für die Handlung ist der Monolog von außerordentlicher Relevanz, enthüllt er doch am Ende des ersten Aktes die Liebe von Thitus zu Sophronia, den Entschluss zur Geheimhaltung und dass Thitus bereit ist, den möglichen Tod in Kauf zu nehmen. Obwohl die Rezipienten einen Informationsvorsprung haben, bleiben sie im Unklaren darüber, wie sich die Handlung entwickeln könnte. Einzig die Gattungsbezeichnung ‚Comedi‘ verweist vorab auf ein gutes Ende.

Den zweiten Akt lässt Sachs ebenfalls mit einem Monolog (KG XII, S. 19 vv. 33–36) beginnen, der bestätigt, dass Thitus nach wie vor Sophronia sehr liebt:


O Venus, wie mit gschwinder eyl
Hast du mit Cupidinis pfeyl
35 Also anzünd mein hertz verwund,
Das es wird nimmermehr gesund!

Von Sachs selbstständig eingefügt, hat der Monolog eine retardierende Funktion, die mit der Bestätigung des zuvor Gesagten die andauernde Liebe deutlich macht. Strukturell-gliedernd führt er in den Akt ein. Der darauffolgende Dialog, der sich noch ausführlicher in der Vorlage findet, führt die Handlung fort und das Geschehen zum Höhe- und Wendepunkt. Thitus und Gisippus beschließen, dass Thitus heimlich die Hochzeitsnacht mit Sophronia verbringen soll.

Da in der Vorlage der Erzähler die Hochzeitsnacht beschreibt, ändert Sachs die Handlung insofern, als er im dritten Akt in der ersten Szene zwei Knechte über die Hochzeit sprechen lässt, auf der sie sich gerade befinden, und in der zweiten Szene Thitus und Gisippus in einer Analepse die Hochzeitsnacht rekapitulieren. Im weiteren Verlauf des Aktes folgt Sachs wieder der Vorlage. Als Thitus vom Tod seines Vaters erfährt, beschließt er zusammen mit Gisippus Sophronia einzuweihen, woraufhin ihr Vater Gisippus verklagen will. Dank der rhetorisch versierten Argumentation von Thitus kommt es jedoch zur Einigung, worauf Sophronia und Thitus als rechtmäßige Eheleute nach Rom gehen.

Zu Beginn des vierten Aktes stellen zwei Szenen dar, wie Gisippus verarmt ist und von Gläubigern gesucht wird. Sein Aussehen beschreibt ein Knecht als einem Bettler gleich. In der dritten Szene tritt Gisippus mit einem Monolog (KG XII, S. 29 vv. 29–36) selbst auf:


Ach Gott, wie ellend ich ietzt bin!
30 Mein heyl und glück ist gar dahin.
Hin ist mein reichthumb, gwalt und ehr.
Nun hab ich ie nun nichtsen mehr.
Nun bin ich ietzt in der stat Rom,
Such nun mein freund Thitum mit nam,
35 Ob er ein monat mich hielt auß.
Freund, sag! wo ist herr Thiti hauß?

Neben der bereits bekannten Information über Gisippus’ schlechten Zustand ist der Ortswechsel nach Rom zentral für die Rede. Der erste Teil (vv. 29–31) bestätigt als Analepse die Äußerungen des Knechtes, der zweite (vv. 32–36) gibt den aktuellen Standort und den Grund des Aufenthaltes wieder. Um bei Thitus unterzukommen, ist Gisippus in Rom auf der Suche nach seinem Freund. Unter der Voraussetzung der vor den Monolog positionierten dialogischen Szenen umgeht Sachs hier Verständnisschwierigkeiten, die eventuell aufgetreten wären, wenn er, wie schon beim ersten und zweiten Akt, auch diesen nur mit dem Monolog hätte beginnen lassen.

Nachdem Gisippus gezeigt wurde, wo Thitus ist, folgen aufeinander drei Monologe, deren letzter eine eigene Szene ist. Der erste, nur zwei Verse lange Simultanmonolog (KG XII, S. 30 vv. 8–9) zeigt, wie nah Sachs an der Vorlage bleibt, wenn man die Regieanweisung ‚Thitus geht hin unnd wider, sicht Gisippum wol, kert umb unnd spricht‘ hinzuzieht:


Muß gehn wider in senat gan.
Ein brieff ich drinn vergessen han.

Denn in der Vorlage heißt es deutlich, dass Thitus Gisippus sieht, aber nicht erkennt.7 Mit dem Simultanmonolog wird dieses Geschehen darstellbar. Auch wenn der Inhalt nicht für die Handlung relevant ist, braucht es die Szene des Nicht-Erkennens zur Vorbereitung auf das Missverständnis und das drohende tragische Ende. Dieses Missverständnis folgt im anschließenden Monolog von Gisippus (KG XII, S. 30 vv. 12–23):


Ach Got, erst hat mein glück außdroschen.
Ist mein freundschaft ietzt gar erloschen,
Das er mich ietzt gar nie mehr kend?
15 Mich wol sach, sich doch von mir wend,
Dem ich mitheilt leib, ehr und gut,
Der mich bracht in unfal, armut,
Dem ich mein eigne braut hab gebn.
Erst verdreust mich, auff erd zu lebn.
20 Ich will mir selb anthun den tod,
Das nur end nemb trübsal und not.
Nun ich will gleich gehn, wo ich kumb.
Etwan bringt mich ein ander umb.

Mit den die Vergangenheit reflektierenden Fragen gelingt es Sachs, das Unverständnis über die Missachtung von Thitus zu formulieren. Ohne sich von der Vorlage zu entfernen, nimmt er einzelne Schlagwörter der narrativierten Rede auf und formuliert sie in der monologischen Rede aus.8 In gleicher Weise verfährt er, wenn Gisippus beschließt, sich das Leben zu nehmen bzw. auf seine Tötung hofft. Die Evozierung eines tragischen Endes entwickelt der anschließende Auftritt-Abgangs-Monolog (KG XII, S. 30 vv. 26–33) des Mörders weiter: