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Winnetou 3

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»Da läuft er hin mit seinem Riesenböller. Er wird einige alte Bäume zusammenschießen, aber keine Haare und keine Feder treffen!«

Mehr hörte ich nicht. Wäre ich doch stehen geblieben, um zu horchen! Ich hätte noch mehr gehört, ich hätte etwas gehört, was für mich von großer Wichtigkeit gewesen wäre. Wie ich später erfuhr, waren sie wirklich und vollständig überzeugt gewesen, daß ich nichts treffen würde. Sie wollten mich beschämen und noch einmal ihr Glück versuchen, um mir, der ich nichts brachte, eine reiche Beute vorzeigen und mich auslachen zu können. Darum gingen sie nach mir auch fort, alle drei. Nun war der Platz verlassen, und ich hätte nachgraben können. Ich hätte das Testament Winnetous gefunden, gelesen, in meine Tasche versteckt und wäre immer noch sicher gewesen, irgend ein Wild zu schießen. Es sollte nicht sein!

Sie waren, um zu jagen, gestern und heut den Weg hinabgestiegen, auf dem wir heraufgekommen waren. In dieser Richtung, also nach Süden, hatten sie wohl alles Wild vertrieben. In dieser Überzeugung wendete ich mich nach Norden, die dort liegende Senkung hinab und nach dem Wiesenplane, über welchen wir damals die Kiowas gelockt hatten, um ihnen in der gegenüber sich öffnenden Schlucht eine Falle zu stellen. Hierher war wohl seit Jahren kein Mensch gekommen, so daß ich darauf rechnen konnte, zu einem guten Schusse zu kommen. Aber es war Mittag, also keine günstige Tageszeit, und so konnte ich zufrieden sein, als ich es nach Verlauf von einer Stunde zu zwei fetten Turkeyhennen gebracht hatte. Mit diesen kehrte ich nach dem Lagerplatze zurück.

Als ich dort ankam, war kein Mensch da. Wo steckten die drei? Waren sie nur zum Spaße entschlüpft, um heimlich zu lauschen, was ich bringen würde? Oder waren sie miteinander noch einmal jagen gegangen? Ich rief und bekam keine Antwort.

Ach, wenn sie wirklich fort wären! Aber ich mußte vorsichtig sein und suchte in aller Eile den Umkreis des Platzes ab. Da wurde es mir zur Gewißheit, daß sie sich wirklich entfernt hatten. Jetzt schnell an die Arbeit!

Ich zog das Messer und schnitt genau an der Westseite des Häuptlingsgrabes, hart an dem Rande desselben, ein Stück Rasen aus, um es dann später so wieder einzusetzen, daß von der Nachgrabung nichts zu sehen war. Aber Erdbrocken durften dann nicht umherliegen. Darum breitete ich meine Decke neben mir aus und legte den Boden, den ich aushob, sorgfältig auf dieselbe, um mit ihm das entstehende Loch dann wieder auszufüllen.

Ich arbeitete mit fieberhafter Geschwindigkeit, denn jeder Augenblick konnte die drei zurückbringen. Dabei horchte ich von Zeit zu Zeit, ob ihre Schritte oder Stimmen zu vernehmen seien. Bei der Aufregung, in welcher ich mich befand und die ich nicht ganz zu beherrschen vermochte, war es freilich leicht denkbar, daß meine Ohren nicht mehr die Schärfe besaßen wie dann, wenn ich meine gewöhnliche Ruhe bewahrt hätte.

Das Loch wurde tiefer und tiefer, gewiß über eine Elle tief. Da stieß das Messer auf einen Stein; ich entfernte ihn und einen zweiten, der unter ihm lag, und sah nun einen kleinen, viereckigen und vollständig trockenen Raum, dessen Wände aus glatten Steinen gebildet wurden. Auf dem Boden desselben lag ein starkes, zusammengefaltetes Leder – – das Testament meines Freundes und Bruders Winnetou. Im nächsten Augenblick steckte es in meiner Tasche und ich beeilte mich, das Loch zuzuwerfen.

Dies ging viel rascher als das Ausgraben von statten; ich schüttete die Erde von der Decke nach und nach hinein, stieß sie mit der Faust fest und legte schließlich das ausgestochene Rasenstück obenauf. Kein Mensch konnte nun sehen, daß hier ein Loch gegraben worden war.

Gott sei Dank! Das war gelungen – – wenigstens so dachte ich. Ich horchte. Es ließ sich nicht das geringste Geräusch vernehmen; ich hatte also Zeit, das Leder zu öffnen. Es war mit den Spitzen gegeneinander, wie ein Kuvert, zusammengelegt. Ein zweites lag drin, dessen umgeschlagene Spitzen Winnetou mit Hirschsehne zusammen genäht hatte. Ich schnitt es auf und sah das Testament, welches aus mehreren eng beschriebenen Papierblättern bestand.

Sollte ich es verbergen, oder durfte ich es lesen? So fragte ich mich. Warum es verstecken? Es gab ja gar keinen Grund hierfür. Wenn meine drei Gefährten zurückkehrten und mich lesen sahen, was konnten sie dagegen haben? Wußten sie, was es war? Ein Brief oder sonst etwas, was ich seit langem bei mir trug. Sie hatten nicht einmal das Recht, nach dem Papiere zu fragen. Und wenn sie dies taten, so konnte ich antworten, wie es mir beliebte. Dabei zog, nein, riß es mir förmlich die Augen auf, zu sehen, was Winnetou geschrieben hatte. Ja, geschrieben! Winnetou konnte schreiben. Klekih-petra war, wie in vielem andern, sein Lehrer auch in dieser Fertigkeit gewesen; nur hatte der herrliche Apache wenig Gelegenheit gefunden, sie auszuüben. Er hatte zuweilen eine Bemerkung in mein Notizbuch gemacht; ich kannte also seine Schrift; sie war nicht schön, nicht ausgebildet, aber höchst charakteristisch. Sie glich der Schrift eines vierzehnjährigen Schulknaben, welcher sich Mühe gegeben hat, kalligraphisch zu schreiben.

Ich konnte es doch nicht lassen, setzte mich nieder und schlug die Blätter auseinander. Ja, das war Winnetous Schrift; die Buchstaben von peinlich genau derselben Länge und Lage, nicht wie geschrieben, sondern mit Hingebung einzeln gezeichnet und gemalt. Wo hatte er diese vielen Zeilen wohl geschrieben, und wie lange, wie sehr lange mochte er darüber zugebracht haben. Meine Augen gingen mir über; sie füllten sich mit Tränen. Ich trocknete sie und las:

»Mein lieber, guter Bruder!

Du lebst, und Winnetou, der Dich liebte, ist tot. Doch seine Seele weilt bei Dir; Du hältst sie in Deiner Hand, denn sie steht geschrieben auf diesen Blättern; laß sie auf Deinem Herzen ruhen!

Du sollst den letzten Wunsch Deines roten Bruders erfahren und viele Worte von ihm lesen, die Du nie vergessen wirst; zunächst aber wird er Dir sagen, was am nötigsten ist. Du hast hier nicht das einzige Testament von Winnetou, denn er legte auch eines in die Ohren seiner roten Krieger; dieses hier ist nur für Dich.

Du wirst sehr viel Gold sehen und mit demselben tun, was mein Geist Dir jetzt sagt. Es lag im Nugget-tsil verborgen, doch Santer, der Mörder, trachtete danach. Darum hat Winnetou es fortgeschafft nach dem Deklil-to, wo du einst mit ihm gewesen bist. Erfahre die Stelle, an welcher es sich befindet. Du reitest den Indeltsche-tschil empor bis zu dem Tse-schosch am fallenden Wasser. Dort steigest Du vom Pferde und kletterst – – – —«

Bis hierher hatte ich gelesen, als ich eine Stimme hinter mir hörte:

»Good day, Mr. Shatterhand! Ihr versucht Euch wohl im Buchstabieren?«

Ich wendete mich um und sah, daß ich vorhin die größte Dummheit oder Nachlässigkeit meines Lebens begangen hatte. Zehn Schritte hinter mir hatte ich die Turkeyhennen hingeworfen und auch die Gewehre hingelegt. Ich saß nicht mit dem Rücken, sondern mit der rechten Seite an das Grabmal gelehnt, also mit dem Rücken nach dem Wege, welcher aus dem Tale heraufführte. An dieser unverzeihlichen Stellung war der Eifer für den letzten Willen Winnetous schuld. So hatte ich nicht sehen können, daß der, welcher jetzt zu mir sprach, sich hinter mir zu den Gewehren geschlichen hatte, die mir nun nicht erreichbar waren, denn er stand dort und hatte seine eigene Büchse auf mich angelegt. Ich fuhr mit einem Ruck empor, denn der Mann war kein Anderer als – – – – Santer!

Im nächsten Augenblicke hatte ich beide Hände am – – – ja wo? Am Gürtel, um die Revolver zu ziehen? Ja, das wollte ich, aber als ich vorhin an der Erde kniete, um das Loch zu graben, hatte mich der Gürtel mit den Gegenständen, welche darin steckten, gehindert und gedrückt und ich war im Gefühle der vermeintlichen Sicherheit so unvorsichtig gewesen, ihn abzuschnallen und hinzulegen; nun lag er am Boden und bei ihm auch noch das Messer. Ich war also augenblicklich ohne alle Waffe. Santer sah die nutzlose Bewegung meiner Hände, lachte höhnisch auf und drohte: »Keinen Schritt von der Stelle und keinen Griff nach den Waffen, sonst schieße ich augenblicklich! Es ist mein blutigster Ernst!«

Seine Augen flackerten mich dabei in einer Weise an, die mir sagte, daß ich allerdings sofort eine Kugel aus dem auf mich gerichteten Laufe bekommen würde. Hatte mich sein plötzliches Erscheinen vollständig überrascht, so war ich jetzt doch ebenso vollständig wieder gefaßt; ich stand unbeweglich und blickte ihm kaltblütig ins Gesicht.

»Jetzt endlich bist du mein!« fuhr er fort. »Siehst du meinen Finger am Drücker? Mit der leisesten Berührung blase ich dir eine Kugel ins Gehirn; verlaß dich darauf! Rühr also ja kein Glied, sonst schick ich dich zum Teufel! Mit dir hat man sich vorzusehen. Hast mich wohl nicht erwartet, he?«

»Nein,« antwortete ich ruhig.

»Ja, hast ausgerechnet, daß ich erst morgen abend kommen kann; diese Kalkulation war aber falsch.«

Das wußte er, hatte also mit meinen Gefährten gesprochen. Wo waren sie? Daß sie sich mit hier befanden, hätte mich beruhigt, wenn ich nicht so schon ruhig gewesen wäre. Sie mochten sein, wer, was und wie sie wollten, Mörder waren sie nicht, und ich hatte also wohl nicht zu befürchten, in ihrer Gegenwart von ihm umgebracht zu werden, wenn ich ihn nur jetzt nicht reizte; ich behielt also meine unbewegliche Haltung bei, während er mit dem Ausdrucke des unversöhnlichsten Hasses weiter sprach:

»Ich wollte nach dem Saltfork, um Tangua zu sagen, daß der Apache, der Hund, endlich verendet ist, traf aber zufällig auf eine Schar von Kiowas und bin also eher da. Unten stieß ich auf Gates und hörte von ihm, daß er einen Mr. Jones mitgebracht habe. Ich erfuhr, daß er zwei Gewehre habe, ein großes und ein kleines; das erregte meinen Verdacht; ich ließ mir den Kerl genau beschreiben und wußte nun, woran ich war. Er hatte sich zwar dumm, sehr dumm gestellt, konnte aber kein Anderer als Old Shatterhand sein. Ich stieg herauf, um mich zu verstecken und ihn bei der Rückkehr von der Jagd festzunehmen, doch war er schon da. Du grubst ein Loch, und wir sahen zu. Was ist das für ein Papier in deiner Hand?«

 

»Eine Schneiderrechnung.«

»Hund, glaube ja nicht, Spaß mit mir machen zu dürfen! Was ist‘s?«

»Eine Schneiderrechnung. Kommt her, und seht sie an!«

»Werde mich hüten! Muß dich erst fester haben! Was treibst du jetzt hier an den Mugworthills, die der Apache Nugget-tsil nannte?«

»Schatzgräberei.«

»Ah, dachte es mir!«

»Finde aber leider nur Schneiderrechnungen.«

»Werde sie mir genau ansehen. Dich hat der Teufel ja überall, wohin du nicht gehörst; dieses Mal aber hat er es endlich einmal gescheit angefangen. Mit dir ist‘s aus!«

»Oder mit Euch, denn einer von uns Beiden muß dran glauben; das ist gewiß!«

»Frecher Köter, der du bist! So ein Hund knurrt sogar noch im Sterben! Aber dieses ohnmächtige Zähnefletschen rettet dich nicht. Ich wiederhole: es ist aus mit dir! Und die goldenen Knochen, die du hier ausscharren wolltest, nehmen wir für uns!«

»Nehmt sie immerhin, und beißt Euch an ihnen die Zähne aus!«

»Höhne nicht! Du hast zwar gesagt, daß nichts mehr da sei; aber das Papier in deiner Hand wird uns wohl Auskunft geben.«

»So holt‘s Euch doch!«

»Ja, ich bekomme es; das werde ich dir gleich beweisen. Merke nur auf, was ich dir sage! Bei der geringsten unerlaubten Bewegung und bei der geringsten Weigerung, mir zu gehorchen, drücke ich los. Bei einem Andern würde ich vielleicht nur drohen, es aber nicht ausführen. Du aber bist ein so gefährlicher Halunke, daß ich unbedingt Ernst machen muß!«

»Das weiß ich selbst gar wohl!«

»Schön, daß du dies zugibst! Also kommt her, und fesselt ihn!«

Diese Worte waren nach der Seite hin gesprochen. Dort hatten Gates, Clay und Summer hinter den Bäumen gesteckt. Sie traten hervor und kamen langsam auf mich zu. Der Erstere sagte, wie sich entschuldigend, indem er einen Riemen aus der Tasche zog:

»Sir, wir haben zu unserem Erstaunen gehört, daß Ihr nicht Jones heißt, sondern Old Shatterhand seid. Warum habt Ihr uns belogen? Ihr wolltet uns betrügen; nun müssen wir Euch binden. Versucht ja keinen Widerstand! Es würde Euch nichts helfen, denn Mr. Santer schießt sofort; darauf könnt Ihr Euch verlassen!«

»Keine unnützen Redereien!« rief Santer. Und mir befahl er: »Laß das Papier fallen, und gib ihm die Hände hin!«

Er war überzeugt, mich vollständig sicher zu haben; nun aber wußte ich, daß ich nicht ihm, sondern er mir gehören würde; es galt nur, die Situation schnell und kräftig auszunutzen.

»Nun, wird‘s? Schnell, sonst schieße ich!« gebot mir Santer. »Fort mit dem Papiere!«

Ich ließ es fallen.

»Her mit den Händen!«

Ich hielt, scheinbar gehorsam, Gates die Hände hin, doch so, daß er, als er sie zusammenbinden wollte, zwischen mich und Santer zu stehen kam.

»Weg dort, weg! Ihr steht ja meinem Gewehre im Wege!« rief dieser ihm zu. »Wenn ich schießen will, so —«

Er kam nicht weiter in seiner Rede, denn er wurde auf eine sehr unzarte Weise von mir unterbrochen. Anstatt mich binden zu lassen, faßte ich Gates beim Leibe, hob ihn empor und schleuderte ihn auf Santer, der zwar zur Seite springen wollte, doch zu spät; er wurde niedergerissen und das Gewehr ihm aus der Hand geschleudert. Im Nu war ich auch dort und kniete auf ihm. Ein Fausthieb betäubte ihn für kurze Zeit. Dann erhob ich mich ebenso schnell und donnerte die Drei an:

»Da der Beweis, daß ich wirklich Old Shatterhand bin! Ihr habt euch an mir vergreifen wollen. Augenblicklich fort mit euern Waffen, sonst schieße ich! Laßt sie fallen! Auch bei mir ist es Ernst!«

Ich hatte Santer seinen Revolver aus dem Gürtel gerissen und richtete ihn auf die drei ›richtigen Westmänner‹, die sofort gehorchten.

»Setzt euch nieder, dort an das Grab der Häuptlingstochter – schnell, schnell!«

Sie gingen und setzten sich. Ich hatte ihnen grad diesen Platz angewiesen, weil ihnen da keine Waffe nahe lag.

»Nun bleibt ruhig sitzen! Es soll euch nichts geschehen, denn ihr seid getäuscht worden. Aber ein Versuch zur Flucht oder Gegenwehr kostet euch augenblicklich das Leben!«

»Das ist ja schrecklich, ganz entsetzlich!« klagte Gates, indem er sich die Glieder rieb. »Das war ja grad, als ob ein Ball durch alle Lüfte flöge. Ich glaube, ich habe verschiedenes gebrochen!«

»Ist Eure eigene Schuld. Sorgt nun dafür, daß es nicht gar noch schlimmer kommt! Woher hattet Ihr den Riemen?«

»Von Mr. Santer!«

»Habt Ihr noch mehr?«

»Yes.«

»Gebt sie her!«

Er zog sie aus der Tasche und gab sie mir. Ich band mit ihnen Santers Füße zusammen und die Hände auf den Rücken.

»So, der liegt fest,« lachte ich vergnügt. »Soll ich etwa Euch auch fesseln?«

»Danke, Sir!« antwortete Gates. »Habe genug, vollständig genug. Werde hier ganz ruhig sitzen bleiben, so lange es Euch gefällt!«

»Daran tut Ihr sehr wohl, denn wie Ihr seht, verstehe ich keinen Spaß!«

»Danke überhaupt für allen Spaß! Und da hat man Euch für einen Fallensteller gehalten!«

»Dieser Irrtum war gar nicht groß, denn zu einem tüchtigen Trapper gehört viel mehr, als ihr zu ahnen scheint. Wie steht es denn mit eurer Jagd? Habt ihr etwas geschossen?«

»Nicht die sauere Bohne!«

»Da seht euch die zwei Hennen an; die habe ich gebracht. Wenn ihr euch gut betragt, könnt ihr sie nachher braten und mitessen. Hoffentlich werdet ihr bald einsehen, daß ihr diesen Santer für einen ganz andern Menschen gehalten habt, als er ist. Es gibt keinen größern Schuft unter der Sonne als ihn. Ihr werdet es gleich hören, denn ich sehe, daß er erwacht.«

Santer bewegte sich; er kam zu sich und schlug die Augen auf. Er sah, daß ich vor ihm stand und meinen Gürtel umschnallte. Er sah auch seine drei Gefährten, welche waffenlos am Grabmale der Indianerin saßen, und rief erschrocken:

»Was ist das? Ich – – ich – – bin gefesselt!«

»Ja, Ihr seid gefesselt,« nickte ich. »Die Lage ist auf ganz gemütliche Weise eine andere geworden. Ich hoffe, daß Ihr nichts dagegen habt.«

»Hund!« knirschte er wütend.

»Pst! Verschlimmert Euer Schicksal nicht!«

»Hol dich der Teufel, Schuft!«

»Ich warne Euch noch einmal! Vorhin habe ich mir Euer Du ruhig gefallen lassen, denn die Klugheit gebot mir das. Es wäre auch klug von Euch, höflicher zu sein.«

Er sah forschend zu seinen Kameraden hinüber und rief ihnen zu:

»Habt ihr etwa geplaudert?«

»Nein,« antwortete Gates.

»Das will ich euch auch raten!«

»Was ist‘s? Was sollen sie nicht plaudern?«

»Nichts!«

»Oho! Heraus mit der Sprache, sonst öffne ich Euch den Mund! Also?«

»Es ist wegen dem Golde,« antwortete er gezwungenerweise, wie es schien.

»Wieso wegen dem Golde?«

»Wo ich denke, daß es liegt; ich habe es ihnen vorhin gesagt. Ich dachte, sie hätten es ausgeplaudert.«

»Ist das wahr?« fragte ich Gates.

»Ja,« war seine Antwort.

»Er meint wirklich nichts anderes?«

»Nein.«

»Seid aufrichtig! Ich mache Euch darauf aufmerksam, daß Ihr durch eine etwaige Unwahrheit oder Hinterlist nicht mich, sondern Euch selbst in Schaden bringt.«

Er zögerte einige Augenblicke und versicherte dann im Tone der Aufrichtigkeit:

»Ihr könnt es glauben, Sir, daß es keine Lüge ist. Er meinte nur das Gold.«

»Ich glaube es trotzdem nicht. Eure Aufrichtigkeit ist eine falsche, und in seinem Gesichte lauert die Hinterlist. Ihr werdet aber dadurch nichts erreichen. Ich fordere Euch nochmals auf, mir die Wahrheit zu sagen, Mr. Gates. Hat Santer mit euch von den Kiowas gesprochen, als er euch unten im Tale traf?«

»Ja.«

»War er allein?«

»Ja.«

»Hat er die Roten wirklich getroffen?«

»Ja.«

»Und ist infolgedessen nicht am Saltfork gewesen?«

»Er war nicht dort.«

»Ist es eine bedeutende Schar gewesen?«

»Sechzig Krieger.«

»Wer führte sie an?«

»Pida, der Sohn vom Häuptling Tangua.«

»Wo sind sie jetzt?«

»Heim in ihr Dorf.«

»Das ist keine Lüge?«

»Es ist so, wie ich sage, Sir!«

»Ganz wir Ihr wollt, Mr. Gates. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, oft aber auch seine Hölle. Wenn Ihr mich anlügt, werdet Ihr es später sehr bereuen. Was das Gold anbetrifft, so ist Euer Ritt hierher ein vergeblicher gewesen. Ihr findet nichts, denn es liegt nichts da.«

Ich hob das Testament Winnetous auf, welches noch an der Erde lag, legte es in die beiden Lederumschläge und steckte es ein.

»Es scheint, Mr. Santer weiß das doch besser als Ihr,« entgegnete Gates.

»Er weiß noch weniger als nichts.«

»Wißt Ihr denn, wo es liegt?«

»Vielleicht.«

»So sagt es uns!«

»Das ist mir verboten.«

»Da habt Ihr es, Sir! Ihr seid zu unserm Schaden und nicht zu unserm Nutzen.«

»Das Gold gehört euch nicht.«

»Es wird uns aber gehören, denn Mr. Santer wird es uns zeigen und es mit uns teilen.«

»Er, der jetzt mein Gefangener ist?«

»Was könnt Ihr ihm tun? Er wird seine Freiheit wieder erlangen.«

»Schwerlich. Er wird vielmehr seine Taten mit dem Leben bezahlen müssen.«

Da ließ Santer ein höhnisches Gelächter hören; darum wandte ich mich ihm zu und sagte:

»Es wird Euch später nicht so sehr zum Lachen sein wie jetzt! Was meint Ihr wohl, daß ich mit Euch tue?«

»Nichts,« grinste er mich an.

»Wer hindert mich, Euch eine Kugel in den Kopf zu jagen!«

»Ihr selbst. Man weiß ja, daß Old Shatterhand sich fürchtet, einen Menschen zu töten!«

»Ich bin allerdings kein Mörder, das ist richtig. Ihr habt den Tod vielfach verdient. Noch vor wenig Wochen hätte ich Euch unbedingt erschossen, falls ich auf Euch getroffen wäre; aber Winnetou ist tot, ist als Christ gestorben; mit ihm soll auch die Rache begraben sein.«

»Führt keine solche schönen Reden! Ihr könnt nicht, wie Ihr wollt, das ist‘s!«

Das war eine Unverschämtheit, welche geradezu ins Grenzenlose ging! Ich konnte sie nur mit seiner Verstocktheit erklären, denn ich wußte nicht, was er wußte. Demnach sagte ich ihm im ruhigsten Tone:

»Lästert mich immerhin! Ein Mensch Euern Schlages kann mich nicht in Zorn bringen. Ich habe allerdings gesagt, daß die Rache mit Winnetou begraben sein soll; aber zwischen Rache und Strafe ist ein Unterschied. Das Christentum kennt zwar keine Rache, doch um so strenger verlangt es die Bestrafung jeder Schuld. Auf jedes Verbrechen soll die Sühne folgen. Ich werde mich also nicht an Euch rächen, aber Eurer Strafe dürft Ihr dennoch nicht entgehen.«

»Pshaw! Nennt es Strafe oder Rache; es ist ganz dasselbe. Lächerlich! Ihr wollt Euch nicht rächen, aber Ihr wollt mich bestrafen, wahrscheinlich mich ermorden. Mord ist Mord. Brüstet Euch doch nicht mit Eurem Christentum!«

»Ihr irrt. Es fällt mir nicht ein, mich an Euerm Leben zu vergreifen. Ich werde Euch nach dem nächsten Fort transportieren und dort dem Richter übergeben.«

»Ah, wollt Ihr das? Wirklich?«

»Ja.«

»Wie wollt Ihr das denn anfangen, Sir?«

»Das ist meine Sache!«

»Wohl auch die meinige, denn ich denke, daß ich auch dabei sein muß. Wahrscheinlich wird es umgekehrt, nämlich so, daß ich Euch transportiere und nicht Ihr mich. Und weil ich kein so frommer Christ bin, wie Ihr seid, wird es mir dann nicht einfallen, auf meine Rache zu verzichten. Sie ist schon da, schon da! Seht, wie sie kommt!«

Er stieß diese Worte überlaut frohlockend aus, und dieser sein Jubel war nicht unbegründet, denn er wurde noch übertäubt von einem Geheule, welches in diesem Augenblicke ringsum, auf allen Seiten erscholl, und zu gleicher Zeit tauchten von rechts und links, von vom und hinten zahlreiche rote, mit den Kriegsfarben der Kiowas bemalte Gestalten auf, welche schlangengleich herbeigeschnellt kamen und mich in ihre Mitte nahmen.

Ich war von Gates belogen worden; Santer hatte die Kiowas nach dem Nugget-tsil gebracht. Sie hatten, als sie von ihm die Nachricht vom Tode Winnetous vernahmen, sich sofort entschlossen, die Feier dieses ihnen so willkommenen Ereignisses da vorzunehmen, wo sein Vater und seine Schwester begraben lagen. Das war so recht indianisch und paßte genau zur Denkweise des Mörders, dem noch die Freude widerfahren sollte, mich, den Freund Winnetous, hier in den Mugworthills in seine Hand zu bekommen.

Der Überfall brachte mich, so plötzlich er kam, keineswegs aus der Fassung. Im ersten Augenblicke war ich entschlossen, mich zu verteidigen, und zog die Revolver; aber als ich mich von sechzig Kriegern eingeschlossen sah, steckte ich sie wieder in den Gürtel. Flucht war unmöglich und Widerstand vergeblich; er konnte meine Lage nur verschlimmern. Das einzige, was ich tat, bestand darin, daß ich diejenigen, welche mir am nächsten standen und ihre Hände nach mir ausstreckten, zurückstieß und mit lauter Stimme erklärte:

 

»Old Shatterhand gibt sich den Kriegern der Kiowas gefangen. Ist ihr junger Häuptling da? Ihm, aber auch nur ihm, werde ich mich freiwillig ausliefern.«

Die Roten ließen von mir ab und sahen sich nach Pida um, welcher an dem Angriffe auf mich nicht teilgenommen hatte und abwartend unter den nächsten Bäumen stand.

»Freiwillig?« höhnte Santer. »Dieser Kerl, der sich so hochtönend Old Shatterhand nennt, braucht gar nicht von freiem Willen zu reden. Er muß sich ergeben, sonst wird er niedergeschlagen. Immer drauf auf ihn!«

Er hütete sich aber sehr, mich selbst anzugreifen. Die Kiowas gehorchten seinem Rufe und drangen wieder auf mich ein, doch nicht mit den Waffen, sondern mit den Händen, denn sie wollten mich nicht tot, sondern lebendig in ihre Gewalt bekommen. Ich wehrte mich nach Kräften gegen sie und schlug mehrere nieder, hätte aber der großen Übermacht natürlich nicht standhalten können, wenn Pida nicht jetzt befohlen hätte:

»Halt, laßt von ihm ab! Er will sich mir ergeben, und euer Angriff ist also ohne Nutzen!«

Sie wichen von mir zurück; da rief Santer in zornigem Tone:

»Warum soll er geschont werden? Er mag so viele Hiebe und Stöße bekommen, wie Arme und Fäuste da sind. Immer drauf! Ich befehle es!«

Da trat der junge Häuptling auf ihn zu und sagte unter einer nicht sehr achtungsvollen Handbewegung gegen ihn:

»Du willst hier befehlen. Weißt du denn nicht, wer der Anführer dieser Krieger ist?«

»Du.«

»Und was bist denn du?«

»Der Freund der Kiowas, dessen Wille doch hoffentlich etwas zu gelten hat!«

»Ein Freund? Wer hat dir das gesagt?«

»Dein Vater.«

»Das ist nicht wahr; Tangua, der Häuptling der Kiowas, hat gegen dich nie das Wort Freund gebraucht. Du bist weiter nichts als ein Bleichgesicht, welches bei uns nur geduldet wird.«

Gern hätte ich die kurze Zeit dieses Wortwechsels dazu benutzt, mich plötzlich durchzuschlagen und zu entspringen; es wäre mir vielleicht auch gelungen, denn die Roten richteten ihre Aufmerksamkeit mehr auf Santer und Pida, als auf mich, aber ich hätte meine Gewehre zurücklassen müssen, und das wollte ich nicht. Nun kam Pida auf mich zu und sagte:

»Old Shatterhand will mein Gefangener sein. Wird er freiwillig alles hergeben, was er bei sich hat?«

»Ja,« antwortete ich.

»Und sich binden lassen?«

»Ja.«

»So gib mir deine Waffen!«

Es war mir im stillen eine Genugtuung, daß er mich so fragte, denn dies war ein Zeichen, daß er Angst vor mir hatte. Ich gab ihm die Revolver und das Messer. Santer nahm den Henrystutzen und den Bärentöter zu sich. Pida sah dies und fragte ihn:

»Warum vergreifst du dich an diesen Gewehren? Leg sie wieder hin!«

»Kann mir nicht einfallen! Sie sind mein.«

»Sie gehören mir!«

»Nein, sondern mir!« behauptete er.

»Sie sind das Eigentum Old Shatterhands gewesen, der sich mir ergeben hat; also sind sie mit ihm mein Eigentum geworden!«

»Wem hast du es zu verdanken, daß du ihn gefangen hast? Nur mir. Er befand sich schon in meiner Gewalt; er gehört mir und mit ihm alles, was er besitzt. Ich verzichte weder auf ihn noch auf diesen berühmten Henrystutzen.«

Da erhob Pida drohend die Hand und befahl:

»Leg sie wieder hin, augenblicklich!«

»Nein!«

»Nehmt sie ihm!« gebot der junge Häuptling seinen Leuten.

»Wollt ihr euch etwa an mir vergreifen?« fragte Santer, indem er die Haltung eines Mannes annahm, der sich verteidigen will.

»Nehmt sie ihm!« wiederholte Pida.

Da warf Santer, als er sah, wie viele Hände sich nach ihm ausstreckten, die Waffen weg und erklärte:

»Da sind sie! Da habt ihr sie, doch nicht für immer! Ich werde mich bei Tangua beschweren.«

»Tu das!« antwortete Pida mit hörbarer Verachtung.

Die beiden Gewehre wurden ihm gebracht, und ich mußte meine Hände herhalten, um sie mir zusammenbinden zu lassen. Während dies geschah, kam Santer herbei und sagte:

»So behaltet in Teufels Namen die Gewehre, aber alles andere, was in seinen Taschen steckt, ist mein, besonders was er hier – – – —!«

Er streckte die Hand nach der Tasche aus, in welche ich den letzten Willen Winnetous gesteckt hatte.

»Zurück!« herrschte ich ihn an.

Er fuhr bei diesem meinem Tone allerdings erschrocken zurück, faßte sich aber schnell und grinste mir in höhnischem Tone zu:

»Alle Wetter, ist das eine Dreistigkeit von dem Kerl! Ist gefangen und weiß, daß er auf dem letzten Loche pfeift, und fährt mich doch an, wie ein Kettenhund! Das hilft dir nichts. Ich will wissen, was du da ausgegraben und vorhin gelesen hast.«

»Versuche, es mir zu nehmen!«

»Das werde ich freilich tun! Ich gebe gern zu, daß es dich außerordentlich kränken muß, wenn ich diesen Schatz in meine Hand bekomme, aber du wirst dich darein ergeben müssen.«

Er trat wieder näher und griff mit beiden Händen zu. Noch waren mir die Hände nicht vollständig zusammengebunden; der Riemen war mir erst um das eine Handgelenk geknotet worden und sollte nun noch um das andere geschlungen werden. Ich machte mir mit einem schnellen, kräftigen Rucke die Arme frei, nahm mit der linken Santer bei der Brust und schlug ihm die rechte Faust auf den Kopf, daß er zusammenbrach und regungslos wie ein Klotz liegen blieb.

»Uff, uff, uff!« riefen die Roten ringsum.

»Nun bindet mich wieder,« sagte ich, indem ich die Hände wieder hinhielt.

»Old Shatterhand hat seinen Namen in der Tat,« lobte mich der junge Häuptling. »Was ist es, was dieser Santer von dir haben will?«

»Ein beschriebenes Papier,« antwortete ich; was es eigentlich war, durfte ich nicht sagen.

»Er sprach doch von einem Schatze!«

»Pshaw! Er weiß ja noch gar nicht, was auf dem Papiere steht. Wessen Gefangener bin ich denn eigentlich, der deinige oder der seinige?«

»Du bist mein.«

»Warum duldest du da, daß er sich an mir vergreift, um mich zu berauben?«

»Die roten Krieger wollen nur deine Waffen haben; alles andere können sie nicht brauchen.«

»Ist das ein Grund, es diesem Kerl zu geben? Ist Old Shatterhand ein Knabe, dem jeder Lump die Taschen leeren darf? Ich habe mich dir übergeben und dich dadurch als Krieger und Häuptling geehrt; willst du nun vergessen, daß ich auch ein Krieger bin, von dem sich dieser Santer nur Fußtritte holen kann?«

Der Indianer ehrt den Mut und den Stolz selbst an seinem ärgsten Feinde; ich war nicht als eine Memme bekannt und hatte Pida damals, als ich ihn aus seinem Dorfe entführte, um Sam zu retten, schonungsvoll behandelt; darauf rechnete ich, und es zeigte sich gleich, daß ich mich nicht in ihm getäuscht hatte, denn er antwortete, indem sein Blick gar nicht feindlich an mir niederglitt:

»Old Shatterhand ist der tapferste unter allen weißen Jägern; der aber, den du niedergeschlagen hast, besitzt zwei Zungen, von denen jede anders redet, und zwei Gesichter, welche bald so und bald anders aussehen: er soll nicht in deine Taschen greifen dürfen.«

»Ich danke dir! Du bist wert, ein Häuptling zu sein, und wirst dereinst zu den berühmtesten Kriegern der Kiowas gehören. Ein edler Krieger tötet den Feind, aber er erniedrigt ihn nicht.«

Ich sah, wie stolz ihn diese meine Worte machten, und es klang beinahe in bedauerndem Tone, als er sagte:

»Ja, er tötet den Feind. Old Shatterhand wird sterben müssen, und nicht bloß sterben; er wird sehr gemartert werden.«

»Martert mich, und tötet mich; ihr werdet keine Klage aus meinem Munde hören; aber diesen Kerl, den haltet fern von mir!«

Als mir die Hände zusammengebunden waren, mußte ich mich niederlegen, worauf man mir auch um die Fußgelenke einen Riemen schlang. Unterdessen erholte sich Santer aus seiner Betäubung; er stand auf, kam zu mir heran, versetzte mir einen Fußtritt und schrie dabei:

»Du hast mich geschlagen, Hund! Das sollst du büßen; ich erwürge dich!«

Er bückte sich nieder, um mir mit beiden Händen nach dem Halse zu greifen.

»Halt, rühre ihn nicht an!« rief Pida ihm zu. »Ich verbiete es dir!«

»Du hast mir nichts zu verbieten! Dieser Hund ist mein Todfeind und hat es gewagt, mich zu schlagen; dafür soll er jetzt erfahren, wie – – – —«