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Winnetou 3

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Ich ebenso nach rechts, und in zehn Minuten hatte ich unsere Gefährten, obgleich sie ebenfalls vorwärts ritten, aus den Augen verloren. Ich mußte mich bereits parallel mit den Verfolgten befinden. Mein Hengst zeigte trotz der Anstrengungen der letzten Tage keine Ermattung; er hatte keinen Flocken Schaum vor seinem Maule und keinen Anflug irgend eines Schweißes auf seiner glatten Haut und fegte dahin, so elastisch, als ob sein schön gebauter Körper aus lauter Gummi bestände.



Nach fünfzehn Minuten bog ich links ein, und nach weiteren fünf Minuten sah ich durch das Rohr die drei Mörder seitwärts hinter mir und den Häuptling der Schlangenindianer, wenn auch ein wenig zurück im Verhältnisse zu mir, gleichfalls vor ihnen. Er hielt jetzt auf sie zu, und ich tat dasselbe.



Da wir uns nun gegenseitig entgegenritten, bemerkten sie uns sehr bald. Sie blickten hinter sich – und sahen sich hier auch verfolgt; es gab für sie nur eine Art des Entkommens, das Durchbrechen. Sie wandten sich hinüber zu dem Shoshonen.



»Jetzt halte aus, mein Rappe!«



Jenen schrillen, scharfen Schrei ausstoßend, der ein indianisch dressiertes Pferd zur Aufbietung seiner ganzen Kraft und Schnelligkeit antreibt, warf ich den Arm empor und stellte mich aufrecht in die Bügel, um dem Tiere die Last und das Atmen zu erleichtern. Es war ein Ritt, wie man ihn nur macht, wenn der Savannenbrand hinter dem Reiter hertobt.



Da hielt der Eine, in dem ich sofort Fred Morgan erkannte, sein Pferd an und legte die Büchse an die Wange. In demselben Augenblick, in welchem es aufblitzte, stürzte der Häuptling, wie vom Wetter getroffen, samt dem Pferde zur Erde. Ich glaubte, daß der Schuß ihn oder sein Pferd getötet habe, und stieß einen Schrei der Wut aus; ich hatte mich aber geirrt, denn schon im nächsten Moment saß er wieder auf und stürmte mit geschwungenem Tomahawk auf die Drei ein. Es war eines jener Kunststücke gewesen, zu welchen die Indianer ihre Pferde jahrelang dressieren. Sein Pferd war abgerichtet, auf ein bestimmtes Wort sich blitzschnell zur Erde zu werfen; dann mußte die Kugel über Beide hinwegfliegen.



Eben schlug er den Einen nieder, als ich auf Fred Morgan einstürmte. Ich mußte ihn lebendig haben und achtete nicht darauf, daß er seine Büchse, deren anderer Lauf noch geladen war, auf mich richtete. Sein Pferd stand nicht ruhig; der Schuß krachte, und die Kugel fuhr durch den Ärmel meines Jagdrockes.



»Hurra, hier ist Old Shatterhand!« rief ich.



Der Lasso sauste; mein Pferd warf sich herum und galoppierte rückwärts; ich fühlte einen starken Ruck, doch lange nicht so stark wie damals bei der Büffelkuh des ehrenwerten Don Fernando de Venango e Colonna de Molynares de Gajalpa y Rostredo, und blickte um mich. Die Schlinge hatte ihm beide Arme an den Leib gezogen und riß ihn hinter mir her. Zu gleicher Zeit sah ich, daß auch Sam mit den beiden Andern den Platz erreicht hatte. Der dritte Räuber schoß auf Bernard, wurde aber in einem und demselben Augenblicke von der Kugel Sams und des Häuptlings niedergestreckt.



Ich sprang ab. Endlich hatten wir Fred Morgan! Er war durch den Sturz vom Pferde betäubt. Ich nahm meinen Lasso von ihm ab und band ihn mit seinem eigenen. Nun waren auch die Andern da. Bob war der Erste, der vom Pferde sprang; er zog das Messer.



»Oh, ah, da sein Nigger Bob mit Messer, der stechen langsam zu Tode schlecht‘ bös‘ Räuber und Mörder!«



»Stopp!« rief Sam, ihn bei der Hand erfassend. »Dieser Mann ist mein!«



»Sind die Andern tot?« fragte ich.



»Beide!« antwortete Bernard, dem das Blut von seinem rechten Schenkel niederlief.



»Seid Ihr verwundet?«



»Bloß gestreift.«



»Das ist trotzdem schlimm, da wir noch einen weiten Ritt vor uns haben. Wir müssen ja den Maultieren nach! Was tun wir mit Morgan?«



»Er ist mein,« antwortete Sam, »und so habe ich über ihn zu bestimmen. Ich übergebe ihn Master Bernard und Bob, die ihn nach dem Lager der Shoshonen bringen und dort bewachen, bis wir zurückkehren. Bernard ist verwundet und hat zum Beispiel mit seinem Bruder zu schaffen; Bob muß bei ihm sein, und wir Vier sind, wie ich denke, Manns genug für die sechs Männer bei den Maultieren.«



»Der Plan ist gut, also rasch!«



Morgan wurde sorgsam auf sein Pferd gebunden; Bernard und Bob nahmen den Gefangenen in ihre Mitte und kehrten nach dem Lager der Shoshonen zurück. Wir aber blieben, um unsere Pferde zunächst verschnaufen und ein wenig weiden zu lassen.



»Lange dürfen wir nicht verweilen,« meinte ich. »Wir müssen den Tag noch benutzen, um vorwärts zu kommen.«



»Wohin gehen meine Brüder?« fragte Ko-tu-cho.



»Nach dem Wasser des Sacramento zwischen den Bergen von San John und San Josef,« antwortete Sam.



»So mögen sie nicht Sorge haben! Der Häuptling der Shoshonen kennt jeden Schritt des Weges nach diesem Wasser. Sie können ihre Tiere grasen lassen und dann des Nachts reiten.«



»Wir hätten diesen Morgan doch nicht so schnell fortschicken, sondern ihn erst ausfragen sollen,« bemerkte Sam.



»Warum?«



»Wir konnten ihn verhören.«



»Das werden wir später tun, oder vielmehr, das brauchen wir gar nicht zu tun. Seine Schuld ist zehnmal erwiesen.«



»Aber wir konnten von ihm erfahren, wo er mit den Maultieren zusammentreffen wollte!«



»Pshaw! Glaubst du wirklich, daß er uns das gesagt hätte?«



»Möglich!«



»Nein. Er wird uns seinen Sohn und die geraubten Schätze nicht an das Messer liefern, besonders da er sehr genau weiß, daß er damit sein Schicksal nicht zu ändern vermag.«



»Mein Bruder Shar-Iih hat recht!« bestätigte auch Winnetou. »Und die Augen der roten und weißen Jäger sind scharf genug, um zu finden die Spuren der Maultiere.«



Da hatte er allerdings nicht ganz unrecht, doch hätten wir sicher Zeit erspart, wenn wir den Ort erfahren konnten.



»Wen suchen meine Brüder?« fragte der Shoshone, ganz gegen die sonstige Gewohnheit dieser Leute, welche Fremden gegenüber niemals Neugierde verraten. Hier aber befand er sich bei Männern, die er sich ebenbürtig dachte, und konnte also von der sonst gebotenen Zurückhaltung abweichen.



»Die Gefährten der Räuber, welche von den Kriegern der Shoshonen gefangen wurden.«



»Wie viel sind es?«



»Sechs.«



»Die wird ein Einzelner meiner Brüder töten. Wir werden sie finden und zu den Übrigen versammeln.«



Als die Dämmerung hereinbrechen wollte, waren unsere Pferde so frisch, daß wir sie von Neuem anstrengen durften. Wir saßen auf und überließen uns der Führung des Häuptlings, welcher während des Abends und der ganzen Nacht uns voranritt und dabei eine Sicherheit bekundete, die uns die Wahrheit seiner Worte bewies, daß er jeden Schritt des Weges kenne.



Die Prairie lag längst hinter uns. Wir hatten bald Berge zu erklimmen, bald Täler zu durchreiten und bald kurze Wald- oder Savannenstrecken zu durchschneiden. Nach einer Rast, welche wir am Morgen hielten, folgten wir der eingeschlagenen Richtung, bis wir das Tal des Sacramento vor uns sahen.



Wir ritten in dasselbe hinab. Grad vor uns lag an einer Stelle, von welcher aus sich links und rechts ein Seitental in die Berge zog, ein aus Erdmauern, die mit Brettern verkleidet waren, aufgeführtes Haus, dessen Türüberschrift es als ›Hotel‹ bezeichnete. Der Besitzer desselben hatte einen sehr günstigen Punkt für seine Niederlassung gewählt; das zeigte die Frequenz, deren er sich zu erfreuen haben mochte, denn vor dem Hause stand eine Menge von Karren, Reit- und Lasttieren, und das Innere desselben mochte wohl nicht alle Gäste fassen, da die im Freien angebrachten Tische und Bänke sehr zahlreich besetzt waren.



»Gehen wir dort hinein, um uns zu erkundigen?« fragte mich Sam.



»Hast du noch Nuggets für Ale aus Burton in Staffordshire?« entgegnete ich ihm lachend.



»Habe noch einiges von dieser Sorte!«



»So gehen wir hinein!«



»Hinein nicht, sondern bloß hin, wenn es dir gefällig ist; denn ich liebe zum Beispiel nichts so sehr wie eine Handvoll freier, frischer Luft.«



Wir ritten hinzu, banden unsere Pferde an und setzten uns in einen Bretterverschlag, über welchem die stolze Inschrift ›Veranda‹ prangte.



»Was trinken die Herren?« fragte der herbeieilende Ganymed.



»Bier. Was kostet es?«



Aha, der gute Sam war heut vorsichtiger, als damals im Yellow-water-ground.



»Porter einen halben Dollar, Ale ebenso.«



»Dann Porter!«



Er brachte vier Flaschen und eben wollte trotz seiner Eilfertigkeit Sam die Erkundigung beginnen, als ich einen Blick durch das Loch warf, welches auf der Straßenseite als Fenster diente, und ihm schleunigst einen Wink gab.



Das eine Seitental herab kamen nämlich sechs Reiter, von denen zwei vier Maultiere am Zügel führten, und der Vorderste war kein Anderer als Patrik Morgan. Sie hielten auf das ›Hotel‹ zu, banden ihre Tiere an und setzten sich dann an einen Tisch, welcher draußen unter unserm Fenster stand. Besser und bequemer konnten wir es uns ja gar nicht wünschen!



Aber warum waren ihre Maultiere nicht mehr beladen? Sicher hatten sie die geraubten Gegenstände in irgend einem Versteck untergebracht und begaben sich nun nach dem Stelldichein, an welchem sie mit ihren Gefährten zusammentreffen wollten.



Sie bestellten Brandy und begannen dann ihre Unterhaltung, von welcher wir jedes Wort verstanden.



»Ob wir Euren Vater und den Kapitän schon treffen werden?« fragte der Eine.



»Möglich,« antwortete Patrik. »Sie konnten rascher reiten als wir, und werden mit diesem Marshall wohl leicht fertig geworden sein. Er hatte ja bloß zwei Begleiter.«



»Ein höchst unvorsichtiger Mensch; solche Schätze bei sich führen und nur zu dreien reisen!«



»Desto besser für uns! Unvorsichtig scheint er überhaupt stets gewesen zu sein, sonst hätte er im Yellow-water-ground nicht seinen geschriebenen Reiseplan weggeworfen. Aber, alle Teufel, was ist denn das!«

 



»Was?«



»Seht Euch einmal dort die Pferde an!«



»Drei prächtige Tiere; aber das vierte ist ja ein wahres Unikum. Welcher vernünftige Mensch setzt sich auf eine solche miserable Kreatur!«



Sam ballte die Faust.



»Werde euch bekreaturen, daß euch zum Beispiel die Seele aus der Haut fahren soll!« brummte er.



»Ja, ein Unikum ist es allerdings, dieses Pferd; trotz seines häßlichen Aussehens ist es eines der bekanntesten und berühmtesten Pferde des wilden Westens. Wißt Ihr, wem es gehört?«



»Nun?«



»Sans-ear.«



»Alle Wetter! Der soll allerdings einen solchen Ziegenbock reiten!«



»Dieser Kerl ist also wirklich hier! Trinkt aus! Ich habe einmal ein kleines Zusammentreffen mit ihm gehabt und mag mich nicht von ihm erkennen lassen.«



»Wirst es aber doch nicht umgehen können,« murmelte Sam.



Die Sechs stiegen auf und ritten talabwärts davon.



»Das sind die Männer, welche wir suchen,« erklärte ich dem Shoshonen. »Meine beiden roten Brüder werden sie überholen, und ich folge mit Sam nach. Dann nehmen wir sie zwischen uns.«



»Uff!« antwortete er und stand auf.



Er und Winnetou stiegen zu Pferde. Sam bezahlte das Porterbier, welches gar nicht so übel gewesen war, und dann ritten wir hinterdrein, uns immer so haltend, daß wir vor den Blicken der Verfolgten gedeckt waren.



Die Gegend wurde schnell einsam, und als wir ein Terrain erreichten, wo uns kein Gebüsch und keine Ecke des Weges mehr verbergen konnte, ließen wir unsere Pferde weit ausgreifen. Wir erreichten die Galgenvögel, ehe sie sich nur recht bewußt wurden, daß es ihnen galt. Hart vor ihnen befand sich Winnetou mit Ko-tu-cho.



»Good day, Master Merkroft!« grüßte Sam. »Sind das noch immer die Pferde, die ihr den Comanchen gestohlen habt?«



»s‘ death!« fluchte der Angeredete und raffte die Büchse empor, wurde aber vom Pferde gerissen, ehe er losdrücken konnte.



Die beiden Häuptlinge hatten sich nur wenige Schritte vor den Bravos gehalten, und der Lasso Winnetous war ihm um die Schultern geflogen. Im Nu stoben die andern Fünf auseinander. Sam und der Shoshone schossen ihre Büchsen auf sie ab und wollten ihnen folgen.



»Halt, laßt sie!« rief ich. »Wir haben ja den Hauptspitzbuben!«



Sie gehorchten nicht. Noch zwei Schüsse krachten, und den Letzten schlug der nachsetzende Ko-tu-cho vom Pferde.



»Was tut ihr nur?« schalt ich Sam. »Ihre Spur hätte uns sicherlich erst zum Stelldichein und dann an den Ort geführt, wo sie ihren Raub verborgen haben!«



»Dieser Morgan hier wird ihn uns auch sagen müssen!«



»Wird sich hüten!«



Es zeigte sich bald, daß ich recht hatte, denn er gab trotz aller Drohungen auf keine unserer Fragen eine Antwort. Das Gold, wegen dessen so viele Menschen hatten sterben müssen, war verloren – deadly dust!



Wir banden ihn, wie vorher seinen Vater, auf das Pferd, ritten, um das ›Hotel‹ zu vermeiden, durch den Sacramento, der hier nicht tief war, und erreichten die Berge, ohne von jemand behelligt zu werden.



Auch während unseres ganzen weiteren Rittes war kein Wort aus dem Gefangenen herauszubringen, und nur, als wir das Lager erreichten und er den uns entgegenkommenden Juwelier erkannte, murmelte er einen Fluch in den Bart. Ich schaffte ihn in das Zelt, in welchem sich noch die andern Gefangenen befanden. Auch sein Vater lag da.



»Master Morgan, hier stelle ich Euch Euern Sohn vor, nach dem Ihr wohl eine große Sehnsucht gehabt habt,« sagte ich zu ihm.



Der Alte blitzte mich mit wutvollen Augen an, sprach aber kein Wort. Es war gegen Abend, als wir das Lager erreicht hatten; das Gericht über die Gefangenen mußte also bis morgen verschoben werden. Wir hielten als Gäste des Häuptlings in dessen Zelt unser Nachtmahl und rauchten das ›Calumet des Friedens‹. Dann begab sich jeder in das ihm angewiesene Zelt.



Die letzten Tage hatten mich doch ermüdet, und ich schlief außerordentlich fest, was hier mitten im Lager auch der Fall sein durfte, draußen in der Prairie aber sicherlich nicht geschehen wäre. Träumte ich oder war es Wahrheit? Ich befand mich im Kampfe mit wilden Gestalten, welche mich drohend umringten; ich schlug rasend um mich, und doch wuchsen die Feinde zu Dutzenden immer wieder aus dem Boden empor. Der Schweiß lief mir von der Stirn, ich sah meine letzte Stunde kommen und fühlte zum ersten Male die Angst des Todes mich erfassen. Es war ein Traum, und die Beklemmung erweckte mich doch endlich, und kaum halb wach geworden, vernahm ich draußen ein entsetzliches Getümmel.



Ich sprang auf, griff, ohne vollständig bekleidet zu sein, zu den Waffen und eilte hinaus. Die Gefangenen hatten sich auf eine auch später nicht zu erklärende Weise ihrer Fesseln entledigt, waren aus dem Zelte entkommen und hatten die glücklicherweise zahlreich dort aufgestellten Wachen überrumpeln wollen.



Aus allen Zelten sprangen die braunen Gestalten der Indianer hervor, der Eine nur mit dem Messer, der Andere mit dem Schlachtbeile und ein Dritter mit der Büchse bewaffnet. Eben kam auch Winnetou herbei und überflog mit einem raschen Blick die Szene, welche sich im Scheine der Wachtfeuer abspielte.



»Rund um das Lager!« donnerte er in das Getümmel hinein, und sofort huschten sechzig bis achtzig Gestalten zwischen die Zelte.



Ich erkannte, daß meine Teilnahme am Kampfe nicht nötig sei. Die Gefangenen hatten keine Feuerwaffen, und die Indianer waren ihnen an Zahl zehnfach überlegen. Als ich auch Sams Stimme mitten im Knäuel der Ringenden vernahm, konnte ich vollends beruhigt sein. Und in der Tat, es dauerte keine zehn Minuten, so erscholl der Todesschrei des letzten, welcher niedergemacht wurde. Ich sah von weitem sein fahles Gesicht; es war Fred Morgan, den Sams Messer getroffen hatte.



Langsam kam dieser nun zwischen den Zelten heraufgeschritten. Er erblickte mich und fragte:



»Charley! Warum warst du nicht dabei?«



»Ich dachte, ihr wäret euer genug.«



»Well, ist auch so gewesen! Aber wenn ich nicht selbst vor dem Zelte der Gefangenen gesessen hätte, so wären sie zum Beispiel glücklich durchgekommen. Ich lag ganz an der Wand und hörte das Geräusch innen, und weil ich sofort die Wachen warnte, waren sie aufmerksam.«



»Ist jemand entkommen?«



»Keiner! Habe sie gezählt. Hatte mir aber meine Abrechnung mit den Morgans anders gedacht!«



Er kauerte sich vor mir nieder und schnitt die lange ersehnten zwei Kerben in seine Büchse ein.



»So, jetzt sind sie gerächt, die ich lieb hatte, Charley, und nun mag der Tod kommen, heut oder morgen!«



»Sam, wir wollen als Christen hinzufügen: Möge Gott den Verbrechern ein gnädiger Richter sein!«



»Well, Charley; ich hasse sie nicht über das Grab hinaus. Es sei ihnen verziehen!«



Er ging langsam weiter und kroch in sein Zelt.



Am andern Tage gab es eine traurige Feier: Allan Marshall wurde begraben. In Ermangelung eines Sarges war er in mehrere Büffelfelle eingeschlagen worden. Die Shoshonen hatten von Steinen ein Viereck aufgebaut, in welches die Leiche gelegt wurde. Dann wurde das Viereck zur Pyramide zugespitzt, um welche man so viele Steine häufte, als zu finden waren. Oben auf die Spitze steckte ich ein Kreuz aus Baumästen – das Siegeszeichen der Erlösung. Bernard bat mich, eine kurze Leichenrede zu sprechen und ein Vaterunser vorzubeten. Ich tat es tief ergriffen und sah mit inniger Rührung, daß sämtliche Shoshonen, welche ernst im Kreise standen, unserm Beispiel folgten und ihre Hände falteten.



Als das Begräbnis beendigt war, ließen die Snakes dem trauernden Bernard keine Zeit, seinem Schmerze nachzuhängen. Wir blieben eine ganze Woche da, welche wir so mit Jagd, Kampfspielen und andern Unterhaltungen verbrachten, daß sie uns wie ein Tag wurde. Dann kehrten wir nach San Francisco zurück.



Die Railtroublers

Der Senat und das Haus der Repräsentanten der Vereinigten Staaten beschließen:



»1. Der Landstrich, in den Territorien Montana und Wyoming liegend, nahe dem Ursprunge des Yellowstone River, ist hierdurch von jeder Besitznahme, Besiedelung und jedem Verkaufe unter den Gesetzen der Vereinigten Staaten ausgenommen und soll als ein öffentlicher Park oder Lustplatz zum Wohle und Vergnügen des Volkes betrachtet werden. Jedermann, der sich diesen Bestimmungen zuwider dort niederläßt oder von irgend einem Teile Besitz ergreift, soll als Übertreter des Gesetzes angesehen und ausgewiesen werden.



2. Der Park soll unter die ausschließliche Kontrolle des Sekretärs des Innern gestellt werden, dessen Aufgabe es sein wird, so bald als tunlich solche Vorschriften und Anordnungen zu erlassen, als er zur Pflege und Erhaltung desselben für notwendig erachtet.«



Als mir die Bekanntmachung dieses Gesetzes in die Hände kam, freute ich mich herzlich über die Hochherzigkeit, mit welcher der Vereinigte-Staaten-Kongreß durch diese Beschlußfassung dem Volke ein Geschenk erhielt, welches zu kostbar war, als daß man es hätte gestatten können, daß die Spekulation und Gewinnsucht sich seiner bemächtige.



Tausende werden diese Bekanntmachung gelesen haben, ohne zu ahnen, was ihnen damit geboten wurde. Viele, sehr viele werden vielleicht gelächelt haben, daß die Regierung der Vereinigten Staaten einen 9500 Quadratkilometer großen Park, eine im wilden, unzugänglichen Felsengebirge liegende Landesfläche als Lust- und Erholungsplatz der Unterthanen reserviert. Die Zukunft aber wird beweisen und hat schon bewiesen, daß diese ganz ohne Beispiel dastehende Handlung einer der dankeswertesten Vorgänge ist, den Millionen seiner Zeit noch segnen werden.



Dieser Park ist nämlich ein Stück Wunderland, wie es auf Erden wohl kaum zum zweitenmal gefunden werden dürfte. Die ersten märchenhaften Nachrichten von demselben erhielt General Warren im Jahre 1856. Er fühlte sich durch dieselben veranlaßt, eine Expedition dahin auszurüsten, welche aber nicht so glücklich war, ihr Ziel zu erreichen. Erst zehn Jahre später gelang es Anderen, den Schleier teilweise zu lüften und die Welt eine reiche, nie geahnte Fülle der großartigsten Naturwunder ahnen zu lassen. Im Sommer des Jahres 1871 drang Professor Hayden erfolgreich vor, und seine Berichte, so sachlich und nüchtern sie auch gehalten waren, begeisterten den Kongreß zu dem Entschlusse, jenes außerordentliche Land nicht dem gemeinen Schacher in die Hände zu liefern.



Jenseits der weiten westlichen Prairien, fern noch hinter dem Höhenzuge der Blackhills, ragen die gigantischen Mauern des Felsengebirges zum Himmel empor. Man möchte sagen, hier habe nicht die Hand, sondern die Faust des Schöpfers gewaltet. Wo sind die Zyklopen, die solche Basteien zu türmen vermögen? Wo sind die Titanen, die solche Lasten bis über die Wolken treiben könnten? Wo ist der Meister, der jene Firnen mit ewigem Schnee und Eise krönte? Hier hat der Schöpfer ›ein Gedächtnis seiner Wunder‹ errichtet, welches nicht imposanter und ergreifender sein könnte.



Und hinter jenen gigantischen Mauern, da wallet und siedet, da dampft und brodelt es noch heut aus den kochenden Tiefen des Erdinnern hervor; da treibt die dünne Erdkruste Blasen, da zischen glühende Schwefeldämpfe empor, und mit einem Getöse, welches dem Kanonendonner gleicht, sprühen riesige Geyser ihre siedenden Wassermassen in die zitternden Lüfte. Plutonische und vulkanische Gewalten kämpfen gegen die Gestaltungen des Lichtes. Die Unterwelt öffnet von Minute zu Minute den Rachen, um die Feuer der Tiefe emporzuspeien und die Gebilde des Tages in den tosenden Schlund hinabzusaugen.



Hier ist oft jeder einzelne Schritt mit Todesgefahren verbunden. Der Fuß kann durch die trügerische Kruste brechen, der dampfende Katarakt den müden Wanderer erfassen, der unterhöhlte Felsen mit dem Ruhenden in den gähnenden Abgrund stürzen. Aber diese Todesfelder werden einst Tausende von Wallfahrern sehen, welche in den heißen Quellen und ozonreichen Lüften Heilung ihrer Leiden suchen, und dann wird man auch jene wunderbaren Schlüfte und Klüfte entdecken, in denen die geizige Einsamkeit Schätze an Steinen und anderen Werten aufgespeichert hat, welche man an anderen Orten mit Gold aufwiegen würde. – – —



Es rief mich eine kleine geschäftliche Angelegenheit nach Hamburg, wo ich einen Bekannten traf, dessen Anblick alle Erinnerungen plötzlich aufleben ließ. Er war aus St. Louis, und wir hatten in den Sümpfen des Mississippi gar manches Stück Wild miteinander geschossen. Er war reich, sehr reich und bot mir freie Passage an, wenn ich ihm die Freude machen wolle, ihn nach St. Louis zu begleiten. Da ergriff mich die Prairiekrankheit mit voller, siegreicher Gewalt; ich sagte zu, telegraphierte nach Hause, um mir meine Gewehre und sonstigen Ausrüstungsstücke schleunigst kommen zu lassen, und nur fünf Tage nach unserem Wiedersehen schwammen wir bereits auf dem dienstfertigen Rücken der Elbe dem deutschen Meere und dem Ozean entgegen.

 



Drüben angekommen, vertieften wir uns für einige Wochen in die Wälder des untern Missouri; dann mußte er zurückkehren, während ich stromaufwärts nach Omaha City ging, um von da aus auf der großen Pacific-Bahn weiter nach Westen vorzudringen.



Ich hatte meine guten Gründe, gerade diese Route einzuschlagen. Ich hatte das Felsengebirge von den Quellen des Frazer-Flusses bis zum Hell Gate Paß, vom Nordpark bis hinunter zur Wüste Mapimi kennen gelernt, doch die Strecke vom Hell Gate Paß bis zum Nordpark, also eine Strecke von über sechs Breitegraden, war mir noch fremd geblieben. Und gerade hier sind die interessantesten Punkte des Gebirges zu suchen: die drei Tetons, die Windriverberge, der Südpaß und ganz besonders die Quellgegenden des Yellow Stone, Schlangenflusses und Columbia.



Dorthin war außer dem schleichenden Indianer oder einem flüchtigen Trapper noch kein Mensch gekommen, und es zog mich förmlich, mich an dem Wagnisse zu versuchen, in jene unwirtlichen, nach der Sage der Rothäute von bösen Geistern belebten Schluchten und Canons einzudringen.



Freilich war dies nicht so leicht, wie es sich erzählen läßt. Welche umständlichen und umfangreichen Vorbereitungen trifft der Schweizreisende, ehe er sich anschickt, einen der Alpenberge zu besteigen! Und was ist sein Unternehmen gegen dasjenige eines einsamen Westmannes, der es wagt, im Vertrauen nur auf sich allein und seine gute Büchse Gefahren entgegen zu gehen, von denen der zahme europäische Tourist gar keine Ahnung hat! Aber gerade diese Gefahren sind es, die ihn locken und bezaubern. Seine Muskeln sind von Eisen und seine Sehnen von Stahl; sein Körper kennt keine Anstrengungen und Entbehrungen, und alle Tätigkeiten seines Geistes haben durch unausgesetzte Übung eine Energie und Schärfe erlangt, die ihn selbst noch in der größten Not ein Rettungsmittel finden lassen. Daher ist seines Bleibens nicht in zivilisierten Distrikten, wo er seine Fähigkeiten nicht üben und betätigen kann; er muß hinaus in die wilde Savanne, hinein in die todbringenden Abgründe des Gebirges, und je drohender die Gefahren auf ihn einstürmen, desto mehr fühlt er sich in seinem Elemente, desto höher wächst sein Mut, desto größer wird sein Selbstvertrauen, und desto inniger hält er die Überzeugung fest, daß er selbst in der tiefsten Einsamkeit von einer Hand geleitet wird, die stärker ist als alle irdische Gewalt.



Was mich betrifft, so war ich zu einem solchen Unternehmen wohl vorbereitet. Nur eins fehlte mir, ohne das es geradezu unmöglich ist, in den dark and bloody grounds zu bestehen – ein gutes, zuverlässiges Pferd; doch verursachte mir dieser Mangel keine Kopfschmerzen. Den alten Wallach, der mich bis Omaha getragen hatte, verkaufte ich dort und setzte mich mit der festen Überzeugung in den Bahnwagen, daß ich ein gutes Pferd, sobald ich es brauchte, auch wohl bekommen würde.



Es gab damals auf dieser Bahn noch immer Strecken, welche nur interimistisch befahrbar waren. Daher erblickte man während der Fahrt an vielen Stellen noch Arbeiter, welche beschäftigt waren, den Bau von Brücken und Viadukten nachzuholen oder solche Punkte, welche bereits schadhaft geworden waren, wieder auszubessern. Diese Leute hatten, wenn sie nicht in der Nähe einer der damals wie Pilze aus der Erde schießenden Ansiedelungen arbeiteten, sich gewöhnlich ein Camp, ein Lager errichtet, welches mit einigen Befestigungen versehen war. Dieses letztere war notwendig der Indianer wegen, welche den Bau der Eisenbahn als einen Eingriff in ihre Rechte betrachteten und ihn auf alle Weise zu verhindern und zu erschweren suchten.



Aber auch noch andere Feinde gab es, Feinde, welche fast noch furchtbarer als die Rothäute waren.



Es treibt sich nämlich in der Prairie eine Menge Gesindels umher, welches sich aus denjenigen Elementen rekrutiert, welche der zivilisierte Osten ausgestoßen hat, Existenzen, welche auf alle Weise bankerott geworden sind und nun vom Leben nichts weiter zu erwarten haben, als was sie durch ein verbrecherisches Durchschweifen des Westens zu erreichen vermögen. Diese Menschen rotten sich bald zu diesem, bald zu jenem verderblichen Zwecke zusammen und sind mehr zu fürchten, als selbst die wildesten Indianerhorden. Zur Zeit des Eisenbahnbaues hatten sie es ganz besonders auf die jungen Ansiedelungen und auf die Camps abgesehen, welche entlang der Bahnstrecke entstanden, und es war daher nicht zu verwundern, daß diese Camps Befestigungen erhielten und die Bewohner derselben selbst während der Arbeit bewaffnet gingen.



Wegen der Angriffe, welche diese Räuber auf die