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Winnetou 3

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Die Stadt liegt auf der äußersten Spitze einer Landzunge, hat das große Weltmeer im Westen, die herrliche Bai im Osten und den Eingang zu dieser Bai im Norden. Der Hafen von San Francisco ist vielleicht der schönste und sicherste der Erde und hat zugleich eine Ausdehnung, welche gestatten würde, die Flotten aller Länder darin zu versammeln. Allüberall sieht man das geschäftigste Treiben, ein unbeschreiblich wirres Durcheinanderlaufen der buntesten Bevölkerung, die man sich nur vorstellen kann. Zu den Europäern aller Nationalitäten gesellen sich die wilden oder halbzivilisierten Rothäute, welche ihr Wild hier zu Markte bringen und dafür vielleicht zum erstenmal einen Preis erhalten, der nicht geradezu ein betrügerischer genannt werden kann. Hier geht der stolze, malerisch gekleidete Mexikaner neben dem schlichten Schwaben, der langweilige Engländer neben dem beweglichen Franzosen; der indische Kuli im weißen Baumwollenkleide begegnet dem schmutzigen polnischen Juden, der elegante Dandy dem rauhen Hinterwäldler, der handelnde Tiroler dem Goldsucher, dessen Haut gebräunt, dessen Haar ungekämmt und unter dessen wirrem Barte alles verschwunden ist, was man gewöhnlich mit dem Ausdruck ›Physiognomie‹ zu bezeichnen pflegt. Hier ist zu treffen der Mongole aus den Hochebenen Asiens, der Parsi aus Kleinasien oder Indien, der Malaie der Sunda-Insel und der Chinese vom Strande des Yang-tse-kiang.

Diese ›Söhne aus dem Reiche der Mitte‹ bilden den hervorragendsten fremdländischen Typus der hiesigen Bevölkerung. Sie scheinen alle samt und sonders über einen Kamm geschoren und über einen Leisten geschlagen zu sein. Bei allen ist die Nase kurz und gestülpt; bei allen ragt der Unterkiefer über den Oberkiefer hervor; alle haben die häßlich aufgeworfenen Lippen, die eckig hervorstehenden Backenknochen, die schief geschlitzten Augen, die nämliche Gesichtsfarbe, bräunlich grün ohne alle Schattierung, ohne eine Spur von dunklerer Färbung der Wangen, hellerer Farbe der Stirne; überall sieht man in den häßlichen, nichtssagenden Zügen den Ausdruck, den man mit dem Worte leer bezeichnen möchte und der infolgedessen nicht einmal ein Ausdruck wäre, wenn nicht aus den zugeblinzten Augen ein Etwas blickte, welches sie alle kennzeichnet: die List.

Die Chinesen sind die fleißigsten, man möchte sagen, die einzigen Arbeiter San Franciscos. Diese kleinen, runden, wohlgenährten und dabei doch außerordentlich beweglichen Gestalten besitzen eine seltene Anlage für alle nur erdenkliche Art von Verrichtung und besonders eine ebenso große Fertigkeit in allen erdenklichen Arbeiten, bei denen es auf Geschicklichkeit der Hände und auf Geduld ankommt. Sie schnitzen in Elfenbein oder Holz, drechseln in Metall, sticken auf Tuch, Leder, Baumwolle, Leinen und Seide; sie stricken und weben, zeichnen und malen, klöppeln und posamentieren; sie flechten die scheinbar unschmiegsamsten Dinge zusammen und bringen seltsame, bewundernswerte Arbeiten hervor, die ihnen die Kundschaft aller Kuriositätensammler sichern.

Dazu kommt, daß sie bescheiden sind und mit dem kleinsten Profit fürlieb nehmen. Sie fordern zwar unverschämt, aber man weiß, daß sie mit sich handeln lassen und zuschlagen werden, wenn man ihnen ein Drittel oder gar ein Viertel ihrer Forderung bietet. Auch der Taglohn, welchen man ihnen zahlt, ist geringer, als derjenige, den man einem Weißen gibt; allein derselbe ist doch noch zehnmal höher, als in ihrem Vaterlande, und da sie wenig ausgeben, weil sie über alle Begriffe genügsam und sparsam leben, so kommen sie sehr gut voran. Die sämtlichen kleinen Handwerke sind in ihren Händen, und sowohl die Wäsche, als auch die Bedienung des Hauses und der Küche wird von ihren Weibern besorgt.

Aber nicht bloß die Chinesen sind tätig, sondern fabelhaft ist überhaupt die Geschäftstätigkeit aller Bewohner der Stadt. Die Leute haben alle nur einen Zweck: sie wollen Geld verdienen, und zwar möglichst viel und schnell. Alle wissen, daß Zeit Geld ist, und daß, wer den Andern aufhält, sich selbst hinderlich ist. Aufgehalten aber will Niemand sein, und darum geht stets alles ohne Stockung ab. Jeder bemüht sich so viel wie möglich, dem Andern aus dem Wege zu gehen, um für sich selbst freie Bahn zu haben.

So ist es in den Häusern und Höfen, so ist es auch auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Die blasse, schmächtige Amerikanerin, die stolze, schwarzäugige Spanierin, die blonde Deutsche, die elegante Französin, die farbigen ›Damen‹ alle, sie gehen, schweben, eilen, trippeln hin und her; der reiche Bankier mit Frack, Handschuh und Zylinder trägt in der einen Hand einen Schinken und in der andern einen Gemüsekorb; der Ranchero schwingt ein Netz mit Fischen über die Schulter, um damit den Festtag zu feiern; ein Milizoffizier hält einen gemästeten Kapaun gefangen; ein Quäker hat einige mächtige Hummern in die gleich einer Schürze aufgerafften Schöße seines langen Rockes verpackt – und das alles bewegt sich neben-, vor-, hinter- und durcheinander, ohne sich zu stören.

Wir kamen bei unserem Einzuge in die Metropole des Goldlandes unbehelligt und unbelästigt durch dieses Gewimmel und Getümmel bis in die Sutterstreet, wo wir sehr bald das Hotel Valladolid fanden. Es war ein Hotel im californischen Stile und bestand aus einem langen, tiefen und einstöckigen Brettergebäude, ganz ähnlich den Eintags-Trinkbuden, welche man auf unseren Schützenfesten findet.

Wir übergaben unsere Pferde dem Horsekeeper, welcher sie in einen kleinen Schuppen brachte; wir selbst aber traten in die Gaststube, die trotz ihrer ungeheuren Größe doch so voll war, daß wir kaum einen Tisch für uns zu erobern vermochten. Ein Barkeeper hatte uns bemerkt und kam herbei. Wir bestellten – jeder nach seinem Appetite, und als das Verlangte gebracht wurde, begannen auch sofort meine Erkundigungen:

»Ist Master oder Sennor Henrico Gonzalez zu sprechen?«

»Yes, Sir. Wünscht Ihr ihn?« lautete die Antwort.

»Ja, wenn ich bitten darf!«

Ein hoher, ernster Spanier kam auf uns zu und stellte sich als Sennor Henrico vor.

»Könnt Ihr uns nicht sagen, ob ein gewisser Allan Marshall noch bei Euch boardet?« fragte ich ihn.

»Weiß nicht, Sennor; kenne ihn nicht; kenne keinen; bekümmere mich überhaupt ganz und gar nicht um die Namen meiner Gäste. Das gehört zum Ressort der Sennora.«

»Ist diese zu sprechen?«

»Weiß auch nicht. Müßt einmal eins der Mädchen fragen!«

Damit wandte er sich ab. Er schien zur Sennora in ganz demselben Verhältnisse zu stehen, wie der Ranchero Fernando de Venango zu Donna Eulalia, ihrer Schwester. Ich erhob mich also und steuerte derjenigen Himmelsrichtung zu, aus welcher sich ein höchst einladender Bratenduft über das ganze Etablissement verbreitete. Dabei traf ich wirklich auf eine kleine, schlanke Frauensperson, welche mit irgend etwas in der Hand vorbeihuschen wollte. Ich ergriff sie beim Arm und hielt sie fest.

»Wo ist die Sennora, meine Kleine?«

Ihre dunklen Augen blitzten mich zornig an.

»Vous êtes un âne!«

Aha, eine Französin! Sie riß sich höchst indigniert los und eilte fort. Ich steuerte weiter. An der Ecke eines Tisches traf ich mit einer zweiten Hebe zusammen.

»Mademoiselle, wollen Sie mir wohl sagen, ob die Sennora zu sprechen ist?«

»I am not mademoiselle!«

Weg war sie. Also eine Engländerin oder Amerikanerin!

Aber wenn ich so der Reihe nach alle Nationalitäten durchzugehen hatte, ehe ich zu meiner Sennora gelangen konnte, so kam ich vor abends nicht zu ihr! Doch da drüben stand eine, die mir mit den Augen folgte und – ja wirklich, dieses Gesicht mußte ich schon gesehen haben! Ich stach von neuem in See und hielt direkt auf sie zu; aber noch hatte ich sie nicht ganz erreicht, so schlug sie die Hände zusammen und sprang auf mich los, als ob sie es darauf abgesehen habe, mich in den Sand zu rennen.

»Herr Nachbar, ist‘s möglich? Fast hätte ich Sie gar nicht erkannt, so einen Bart lassen Sie sich hier stehen!«

»Alle Wetter! Gustel, Ebersbachs Gustel! Beinahe hätte auch ich Sie nicht erkannt, so herausgewachsen sind Sie! Aber wie kommen Sie von daheim herüber nach Amerika, nach Californien?«

»Die Mutter starb, kurz nachdem Sie wieder einmal in alle Welt gegangen waren; da kam ein Agent, und der Vater ließ sich bereden. Es ging anders, als er dachte. Er ist jetzt mit den Brüdern da oben, wo so viel Gold liegen soll, und hat mich hier gelassen, wo ich es gut habe und warten werde, bis sie zurückkehren.«

»Wir werden uns noch weiter sprechen; jetzt aber sagen Sie mir einmal, wo die Sennora zu finden ist! Ich habe zwei Ihrer Kolleginnen nach ihr gefragt und nur Grobheiten als Antwort erhalten.«

»Das ist leicht erklärlich, denn die Madame darf nur Donna genannt werden, am liebsten Donna Elvira.«

»Werde es beherzigen! Also, ist sie zu sprechen?«

»Ich will einmal nachsehen. Wo sitzen Sie?«

»Dort am zweiten Tische.«

»Gehen Sie hin; ich werde Sie benachrichtigen, Herr Nachbar!«

Das war wieder eines jener wunderbaren Zusammentreffen, deren ich so viele zu verzeichnen habe. Ihr Vater und der meinige waren Nachbarn und beide hatten sich gegenseitig Gevatter gestanden. Jetzt stak der alte Tischlermeister droben in den Goldminen; seine beiden Söhne, von denen der ältere mein Schulkamerad war, befanden sich bei ihm, und im ersten Wirtshause, welches ich hier in San Francisco betrat, mußte ich seine jüngste finden, die Gustel, die mir, als ich sie noch auf den Armen trug, immer das dicke, dichte Haar zerzauste, daß es kerzengerade in die Höhe stand. Dann lachte sie und pinselte mir mit dem kleinen Näschen im Gesicht herum – ich hätte damals nicht gedacht, daß wir uns einmal in Californien sehen würden!

Sie kam bereits nach kurzer Zeit zu mir.

»Die Sennora will Sie sehen, obgleich sie eigentlich jetzt ihre Sprechstunde nicht hat.«

»Sprechstunde? Eine Wirtin?«

Gustel zuckte die Achsel.

 

»Sie hat sie aber, und zwar täglich zweimal: morgens von elf bis zwölf und nachmittags von sechs bis sieben. Wer außer dieser Zeit kommt, muß warten, wenn er nicht gut empfohlen ist.«

»Aha, danke schön!« lachte ich. »Man glaubt gar nicht, was eine freundliche Nachbarin zu bedeuten hat!«

»Nicht wahr? Na, da kommen Sie!«

Die Sache hatte ganz den Anstrich, als ob ich eine Audienz bei einer hervorragenden politischen oder sonstigen Größe haben sollte. Ich wurde in einen anstoßenden kleinen Raum geführt, welcher ganz à la Vorzimmer ausgestattet war, und in dem ich nach Gustels Weisung so lange warten sollte, bis hinter der daselbst befindlichen Portière eine Klingel ertönen werde.

Das war höchst interessant, zumal ich beinahe eine halbe Stunde warten mußte, bis das Zeichen gegeben wurde. Ich trat ein und befand mich in einem Zimmer, welches mit einer Sammlung von allen möglichen Mobiliar- und Ausstattungsgegenständen förmlich überladen war. Donna Elvira mußte unbedingt ein Zimmer haben, ein schön und reich möbliertes Zimmer, und sie hatte es sich auch möbliert und ausgestattet, daß man von der Wand nicht die Breite eines Zolls zu finden vermochte. Sie saß auf einem Sofa, sich mit der Hand auf eine Landkarte stützend, welche über die Seitenlehne herunter hing; auf ihrem Schoße lag eine Guitarre, neben ihr eine angefangene Stickerei, und vor ihr stand eine Staffelei, nota bene zwischen ihr und dem Fenster, so daß von Licht keine Rede war, und auf dem aufgeklebten weißen Bogen bemerkte ich zwei angefangene Skizzen; die eine sollte, wenn ich nicht irre, den Kopf eines Katers oder einer alten Frau vorstellen, der die Morgenhaube noch fehlte; und die andere war jedenfalls eine zoologische, nur konnte ich den Gegenstand nicht so recht klassifizieren. Entweder sollte diese Zeichnung einen Pottwal in homöopathischer Verdünnung oder einen Bandwurm in hydrooxigengas-mikroskopischer Verdickung darstellen.

Ich verbeugte mich sehr tief und sehr devot. Sie schien dies nicht zu bemerken, sondern hielt ihr Auge starr auf einen Punkt des Plafond gerichtet, an welchem ich nicht das Mindeste entdecken konnte. Plötzlich aber warf sie den Kopf mit einem schnellen Ruck herum und fragte:

»Wie weit ist der Mond von der Erde entfernt?«

Diese Frage überraschte mich nicht; ich hatte eine solche Extravaganz erwartet. Aber – kommst du mir so, so komme ich dir so:

»Zweiundfünfzigtausend Meilen, nämlich Montags; Sonnabends aber, in der Erdnähe, nur fünfzigtausend.«

»Richtig!«

Sie studierte den betreffenden Punkt von neuem; dann erfolgte derselbe plötzliche Ruck zu mir herum, und sie fragte:

»Woraus werden die Rosinen gemacht?«

»Aus, Weintrauben!«

»Sehr richtig!«

Der unglückliche Punkt mußte zum dritten Mal herhalten, dann schleuderte sie mir die Frage entgegen:

»Was ist Poil de chivre?!«

»Ein Kleiderstoff, fünfzehn Ellen für den Escudo d‘oro, wird aber jetzt nicht mehr viel getragen.«

»Richtig! Und nun seid mir willkommen, Sennor! Augusta bat mich um meine Gunst für Euch; ich bin aber damit nicht sehr verschwenderisch und pflege jeden, der sich um dieselbe bewirbt, einem Examen zu unterwerfen. Ihr Deutschen seid wegen eurer Gelehrtheit bekannt, darum habe ich Euch aus verschiedenen Gebieten des menschlichen Wissens die schwierigsten Fragen hervorgesucht, und Ihr habt trefflich bestanden, obgleich Ihr eher das Aussehen eines Bären als eines Gelehrten habt. Aber Augusta sagte mir, daß Ihr viele Schulen besucht und alle Länder und Völker kennen gelernt habt; setzt Euch nieder, Sennor!«

»Danke, Donna Elvira de Gonzalez,« antwortete ich, sehr bescheiden auf der Ecke eines Stuhles Platz nehmend.

»Ihr wünscht in meinem Hause zu logieren?«

»Ja.«

»Ihr dürft es, denn Ihr seid ein sehr höflicher Mann, wie ich sehe, und auch Euer Äußeres wird ein anständigeres werden, wenn Ihr Euch ein wenig Mühe gebt. Wart Ihr in Spanien?«

»Ja.«

»Was sagt Ihr zu dieser Karte, die ich über mein Vaterland entworfen habe?«

Sie reichte mir das Blatt hin. Es war durch Seidenpapier nachgezeichnet und zwar nach einem schlechten Originale.

»Sehr genau, Donna Elvira de Gonzalez!«

Sie nahm mein Lob als ein höchst selbstverständliches entgegen.

»Ja, wir Damen haben uns endlich emanzipiert, und unser größter Triumph ist es, in die Tiefen der Wissenschaft einzudringen und es auch in den schönen Künsten den Männern zuvorzutun. Seht Euch diese beiden Gemälde an; sie sind unübertrefflich in der Grandiosität des Objektes. Diese Feinheit der Linien, diese Schattierung, dieser Reflex des Lichtes! Ihr seid ein Kenner, aber dennoch muß ich Euch prüfen. Was stellt hier dieses vor?«

Ich hätte eine schmähliche Niederlage erlitten, wenn mir nicht die ›Grandiosität des Objektes‹ einen deutlichen Fingerzeig gegeben hätte. Darum antwortete ich mit kalter Verwegenheit:

»Die Seeschlange natürlich!«

»Richtig! Zwar hat sie noch Niemand deutlich gesehen, aber wenn der Geist des Forschers Räume mißt, in die er niemals eindringen kann, so ist es auch dem Auge des Künstlers gegeben, Gestalten zu erfassen, die er noch nicht erblicken konnte. Und diese Zeichnung?«

»Ist der Gorilla des berühmten Du Chailly.«

»Richtig! Ihr seid der gelehrteste Mann, der mir vorgekommen ist, denn noch keiner hat vor Euch die Seeschlange und den Gorilla sofort erkannt; Ihr seid zu jeder akademischen Würde reif!«

Der gerechte Stolz, den diese Anerkennung in mir erweckte, hatte beinahe dieselbe Wirkung wie der Knoblauch und die Zwiebeln der guten Donna Eulalia. Deren geniale Schwester zeigte auf den Tisch, der am Eingange stand.

»Ich beherrsche auch mein Haus, ohne in nähere Berührung mit den materiellen Dingen der Wirtschaft zu kommen. Dort ist Tinte, Feder und das Buch. Schreibt Euren Namen ein!«

Ich tat es und fragte darauf:

»Darf ich vielleicht auch gleich die Namen meiner Gefährten eintragen?«

»Ihr habt Gefährten?«

»Ja.«

»Wer sind sie?«

Ich fing bei den Farbigen an:

»Bob, mein schwarzer Diener.«

»Natürlich, denn ein Mann, der meine Seeschlange auf den ersten Blick erkennt, kann nur mit Domestiken reisen, Aber diese trägt man nicht ein. Weiter!«

»Winnetou, der Häuptling der Apachen.«

Sie machte eine Bewegung der Überraschung.

»Der berühmte Winnetou?«

»Derselbe!«

»Den muß ich sehen; den stellt Ihr mir vor! Schreibt ihn ein!«

»Sodann ein gewisser Sans-ear, der – – —«

»Der Indianertöter?«

»Ja.«

»Tragt ihn ein, tragt ihn ein! Ihr reist ja in ganz außerordentlicher Gesellschaft. Weiter —«

»Der vierte und letzte ist ein Master Bernard Marshall, Juwelier aus Louisville, Kentucky.«

Jetzt wäre sie beinahe von ihrem Sitze aufgesprungen.

»Was Ihr da sagt! Ein Juwelier Marshall aus Louisville!«

»Er hat einen Bruder, Namens Allan, welcher so glücklich war, bei Euch logieren zu dürfen, Donna Elvira de Gonzalez.«

»So vermutete ich also richtig! Schreibt auch ihn sofort ein Sennor! Ihr sollt den besten Schlafraum haben. Zimmer gibt es natürlich im Hotel Valladolid nicht, aber Ihr sollt dennoch mit meinem Hause vollständig zufrieden sein, und für heute abend seid ihr Alle in mein Privatspeisezimmer zur Tafel geladen!«

»Danke, Donna Elvira! Ich gebe Euch die Versicherung, daß ich eine solche Auszeichnung sehr wohl zu schätzen weiß. Ich pflege die Erfahrungen, welche ich mir auf meinen Reisen sammle, im Drucke der Öffentlichkeit zu übergeben und werde nicht unterlassen, Hotel Valladolid sehr warm zu empfehlen.«

»Tut dies, Sennor, obgleich ich mir Eure Erscheinung nicht gut beim Schreibtische denken kann. Habt Ihr vielleicht eine Bitte? Ich werde sie Euch gern erfüllen!«

»Eine Bitte nicht, aber eine Erkundigung möchte ich mir gestatten.«

»Welche?«

»Allan Marshall wohnt nicht mehr bei Euch?«

»Nein. Er hat mein Haus vor wohl drei Monaten verlassen.«

»Wohin ging er?«

»Nach den Diggins am Sacramento.«

»Erhieltet Ihr einmal Nachricht von ihm?«

»Ja, einmal. Er gab mir den Platz an, wohin ich ihm etwaige Briefe nachsenden sollte.«

»Könnt Ihr Euch desselben entsinnen?«

»Sehr gut, denn der Betreffende ist ein Bekannter meines Hauses. Master Holfey, Yellow-water-ground, ein Kaufmann, bei dem die Goldsucher alles bekommen können.«

»Sind seit seiner Abreise von hier Briefe an Allan angekommen?«

»Einige, die ich ihm stets mit der nächsten Gelegenheit nachgeschickt habe. Und dann – ja, kürzlich waren zwei Männer da, welche nach ihm fragten – Geschäftsfreunde, die notwendig mit ihm zu verhandeln hatten; auch ihnen habe ich seine Adresse gegeben.«

»Winn sind sie fort?«

»Wartet einmal, ja – gestern früh ritten sie fort.«

»Es war ein Älterer und ein Jüngerer?«

»Allerdings. Sie schienen Vater und Sohn zu sein. Sie waren mir von meiner Schwester empfohlen, bei welcher sie Gastfreundschaft genossen hatten.«

Ich nickte und sagte:

»Ihr meint den Rancho von Don Fernando de Venango e Colonna de Molynares de Gajalpa y Rostredo!«

»Was, Ihr kennt diesen Mann?«

»Sehr gut, und ebenso auch Eure Schwester Donna Eulalia, bei welcher wir gewesen sind, ohne daß ich sie gebeten habe, mir einen Brief als Legitimation mitzugeben.«

»Ist das möglich? Erzählt, Sennor, erzählt!«

Ich stattete ihr den gewünschten Bericht ab, wobei ich allerdings nicht an allzu großer Offenherzigkeit litt. Sie hörte mir mit regem Interesse zu und meinte, als ich fertig war.

»Ich danke Euch, Sennor! Ihr seid der erste Deutsche, welcher mit einer spanischen Donna in der rechten Weise zu verkehren versteht. Ich freue mich auf das heutige Souper und werde Euch zeitig benachrichtigen lassen. A dios!«

Ich tat eine ehrfurchtsvolle Verbeugung, welche mit meinem äußeren Habitus gewiß in lebhaftem Zwiespalt gestanden hat, und bewegte mich rückwärts zur Portière hinaus. Als ich in die Gaststube trat, richteten sich die Blicke der bedienenden Geister mit sichtbarer Achtung auf mich. Gustel Ebersbach war gleich vorhanden und kam eilig herbei.

»Nein, Herr Nachbar, sind Sie ein Glückskind! So lange hat noch kein Mensch Audienz bei der Donna gehabt, nicht einmal halb so lang. Sie müssen ihr sehr gefallen haben!«

»Im Gegenteile!« erwiderte ich lachend. »Sie will mich nur unter der Bedingung hier behalten, daß ich mich bessere. Sie meinte, ich sähe leibhaftig wie ein Bär aus.«

»Hm, so ganz unrecht hat sie nicht; aber da kann ich helfen. Ich werde Sie hinauf in meine Kammer führen und Ihnen alles besorgen, was Sie brauchen: Rasierzeug, Wasser, Seife, alles, alles!«

»Das wird nicht nötig sein, denn wir werden bald unser Logis angewiesen bekommen.«

»Glauben Sie das nicht. Die Befehle in Beziehung der Logis habe ich erst Punkt acht zu holen, keine Minute eher.«

»Wir sollen das beste Logis bekommen, sagte die Donna. Wo wird das sein?«

»Die Logiments sind allesamt droben unter dem Dache. Sie werden also denjenigen Verschlag erhalten, welcher sich durch die frischeste Luft auszeichnet.«

In diesem Augenblick ertönte der laute Schall einer Glocke.

»Das ist sie, Herr Nachbar. Ich muß hinein, denn wenn sie zur ungewöhnlichen Zeit ruft, muß etwas passiert sein.«

Sie eilte davon, und ich setzte mich zu den Gefährten, welche, trotzdem hier in San Francisco das Erscheinen eines Westmannes oder Indianers etwas ganz Gewöhnliches ist, dennoch die Blicke auf sich zogen. Besonders war es die majestätische Gestalt und das ganze charaktervolle Äußere Winnetous, welches die Aufmerksamkeit erregte, und daß Sam, dem Kleinen, die Ohren fehlten, mußte einen jeden zu der Überzeugung bringen, daß er Manches erlebt haben müsse, was keinem von ihnen widerfahren war.

»Nun?« fragte Bernard.

»Er ist bereits vor drei Monaten fort und hat nur ein einzigesmal vom Yellow-water-ground Nachricht von sich gegeben. Eure Briefe sind ihm dahin nachgeschickt worden.«

»Wo ist dieser Ort?«

»Es ist, so viel ich mich besinne, ein Nebental des Sacramento, in welchem viel Gold gefunden worden ist. Es soll dort von Diggers förmlich gewimmelt haben, jetzt aber scheinen sie sich noch weiter am Flusse hinaufgezogen zu haben.«

»Hat er hier irgend etwas deponiert?«

»Habe wirklich Donna Elvira nicht danach gefragt.«

»Müssen sie aber dennoch danach fragen!«

»Dazu wird sich bald die Gelegenheit geben. Wir sind nämlich Alle zum Souper geladen.«

»Ah, das ist freundlich! Übrigens werde ich mich bei unserm Bankhause erkundigen, ob er dagewesen ist.«

Jetzt kam meine freundliche Nachbarin auf uns zu.

»Herr Nachbar, ich wurde Ihretwegen gerufen. Das Souper ist um neun, und Ihre Zimmer soll ich Ihnen schon jetzt anweisen.«

 

»Zimmer? Ich denke, solche sind gar nicht da!«

»Es gibt da hinten einen Anbau, welcher einige Räume enthält. Dabei sind zwei Stuben, welche die Donna nur benützt, wenn Besuch von Verwandten kommt.«

»Dort hat wohl auch Donna Alma gewohnt?«

»Ja, ich habe davon gehört, obgleich ich damals noch nicht hier gewesen bin.«

»Haben Sie nicht gehört, ob diese Dame einen gewissen Allan Marshall kannte, der damals hier logiert hat?«

»O ja. Man hat darüber viel gesprochen und gelacht. Sie hat diesem Herrn förmlich nachgestellt, so daß er sich ihrer kaum erwehren konnte. Doch kommen Sie; ich habe bereits die Schlüssel!«

Wir standen auf und folgten ihr. Die beiden Stuben, welche wir erhielten, waren gegen die übrige Ausstattung des ›Hotels‹ kostbar zu nennen; die eine bekam Winnetou mit Sans-ear und die andere ich mit Bernard. Bob erhielt einen eigenen Raum angewiesen.

Die gefällige Nachbarstochter versorgte uns mit Allem, was nötig war, unserem äußeren Menschen ein mehr zivilisiertes Aussehen zu geben, und so waren wir bald in der Lage, ausgehen zu können. Winnetou blieb zurück; er war zu stolz, um den Menschen auf den Straßen und Plätzen der Stadt als Gegenstand der Schaulust zu dienen. Auch Sam streckte sich auf sein Lager.

»Was soll ich mit?« meinte er. »Laufen kann ich; das brauche ich hier zum Beispiel nicht erst zu üben, und Häuser und Menschen habe ich bereits genug gesehen. Macht, daß wir aus diesem unruhigen Neste bald wieder hinauskommen in die Savanne, sonst wachsen mir vor lauter Langweile die Ohren wieder, und dann hat es mit Sans-ear ein Ende!«

Der gute Sam befand sich erst einige Viertelstunden hier und empfand doch bereits Sehnsucht nach der freien Prairie. Wie muß es den ›Wilden‹ zu Mute sein, wenn sie, um ›gebessert‹ zu werden, in die enge einsame Zelle einer Philädelphischen oder Auburnschen Zwingburg gesteckt werden, weil sie sich wehren, hinausgeworfen zu werden aus den Gründen, die ihre Heimat sind, ihnen Nahrung geben und die Grabhügel ihrer Väter und Brüder bergen!

Wir gingen, nämlich ich und Marshall, zu dem Bankier, mit welchem dieser in Geschäftsbeziehung gestanden hatte, und erfuhren nur, daß Allan einige Male vorgesprochen habe und dann nach einem kurzen Abschiede in die Minen gezogen sei. Er hatte alle Geldmittel flüssig gemacht und mitgenommen, um damit Nuggets zu kaufen.

Nach diesem erfolglosen Besuche schlenderten wir durch die Stadt, bis mich Bernard plötzlich in einen Store zog, in welchem alle möglichen Arten und Größen von Kleidungsstücken zum Verkaufe hingen. Hier konnte man sich die feinste mexikanische Tracht auswählen, ebenso wie den leinenen Arbeitskittel des Kuli. Jede Tracht dieser verschiedenen Gewänder hatte ihren besonderen Platz, und jeder einzelne Anzug war vollständig.

Die Absicht Bernards war sehr leicht zu erraten. Unsere Anzüge, aus so festem Stoffe sie auch bestanden, hatten während der langen Reise so gelitten, daß wir wirklich nicht nur ein wenig, sondern sogar recht sehr schäbig aussahen. Rasiert waren wir; das Haar hatten wir einander auch geschnitten, aber das Habit, mit dem sah es gewaltig schlimm aus. Ich merkte beim Einkaufe, daß der gute Bernard Geschmack besaß. Er kaufte sich einen halb Indianer- und halb Trapperanzug, der ihm ganz nett stand; nur war der Preis auch den Verhältnissen San Franciscos angemessen.

»Nun kommt, Charley; auch für Euch einen!« meinte er, als er vollständig ausstaffiert war. »Ich werde Euch aussuchen helfen.«

Hm, ich brauchte allerdings so Etwas höchst notwendig, aber für diese Art von Preis war meine Kasse nicht ganz eingerichtet. Ich habe niemals zu denjenigen unglücklichen Leuten gehört, welche überall, wo sie hingreifen, einen Hundertmarkschein zwischen die Finger bekommen und überall, wo sie hingehen, über einen Sack mit Sovereigns stolpern; sondern ich gehöre zu jenen beneidenswerten Menschen, welche das süße Bewußtsein haben, heut zu verdienen, was sie morgen brauchen, und darum mag ich wohl ein etwas resigniertes Gesicht gemacht haben, als sich Marshall gleich nach seinen Worten auch sofort an das ›Aussuchen‹ machte.

Seine Wahl fiel auf einen Anzug, welcher aus folgenden Stücken bestand: – ein Jagdhemd von schneeweiß gegerbtem Hirschkalbleder, von Indianerinnenhänden zierlich mit Rot gestickt; Leggins aus Hirschrücken, an den Seiten ausgefranst; einen Jagdrock von Büffelhaut, aber doch geschmeidig wie ein Eichhörnchenfell; Stiefel von Bärenseite, deren Schäfte ich weit über die Lenden heraufziehen konnte; die Sohlen aus dem besten Stoffe, den es für diesen Zweck nur geben kann, nämlich aus der Haut vom Schwanze eines ausgewachsenen Alligators – und endlich eine Bibermütze, deren oberer Rand und Deckel mit einer künstlich dauerhaft gemachten Klapperschlangenhaut verziert war. Bernard tat es nicht anders, ich mußte in einer kleinen Nebenkabine den Anzug anprobieren, und als ich heraustrat, hatte er ihn bereits bezahlt. Ich wäre ihm gern ein wenig bös darüber geworden, brachte dies aber, offen gestanden, nicht recht fertig.

»Laßt das gut sein, Charley; ich bin Euch noch sehr viel schuldig, und wenn Ihr das nicht zugeben wollt, so werde ich diese Sachen auf Euer Konto schreiben, welches wir schon einmal begleichen werden!«

Auch für Sam wollte er Einiges mitnehmen; ich riet ihm aber davon ab, weil ich die Anhänglichkeit des Kleinen an seinen uralten Habitus sehr genau kannte und überdies unser Sans-ear eine Statur besaß, die ganz unberechenbar war.

Die größte Freude über meine Umwandlung verriet Bob, als wir in das ›Hotel Valladolid‹ zurückkehrten.

»Oh, Massa, nun sehen sehr viel gut schön aus, so schön wie Bob, wenn hätten bekommen auch neu Rock und Mütze!«

Ich konnte nicht anders, ich mußte ihn mit einem dankbaren Blick für diesen gütigen Vergleich belohnen, denn ich wußte, daß der Neger damit das Höchste geleistet hatte, was er im Lobe zu leisten vermochte.

Sam Hawerfield war es in seinem Zimmer doch etwas zu enge geworden. Er saß an einem der Tische ganz allein, und winkte mir, als er uns eintreten sah, uns zu ihm zu setzen.

»Hört!« meinte er halblaut. »Da neben uns gibt es ein Gespräch, welches zum Beispiel auch uns interessieren wird.«

»Worüber?«

»Es sind da oben in den Minen und Diggins Dinge vorgegangen, die man nicht gutheißen kann. Es gibt dort eine Menge Bravos, aber keine Indianos, sondern Weiße, wie es scheint, die sich über die heimkehrenden Digger hermachen und ihnen das Leben nehmen und noch einiges dazu. Da sitzt Einer, der ihnen nur mit genauer Not entgangen ist. Er erzählt eben sein Abenteuer. Hört!«

An dem Tische hinter uns saßen mehrere Männer, denen man es ansah, daß sie des Lebens Gefahren und Drangsale kennen gelernt hatten, und einer von ihnen hielt einen Vortrag, dem alle Umsitzenden mit der größten Spannung zuhörten.

»Well,« meinte er soeben, »ich bin ein Ohiomann, und das soll heißen, daß ich etwas erfahren habe, auf dem Strome und in der Savanne, zu Wasser und zu Lande, auf den Bergen und unten in den Tälern des Westens. Ich habe die Flußpiraten des Mississippi und die Buschklepper der Woodlands kennen gelernt und gar manchen Strauß mit ihnen ausgefochten; ich halte manchen Streich für möglich, den ein Anderer grün und weiß bezweifeln würde; aber daß solche Dinge auf einer so belebten Straße vorkommen können, und noch dazu am hellen Tage, das geht doch über das alte Gun, mit welchem man um die Ecke zu schießen vermag.«

»Und dennoch klingt es nicht ganz nach Wahrheit,« meinte ein Anderer. »Ihr waret doch eine ganze Karawane von fünfzehn Mann gegen acht Leute; wäre das nicht eine Schande, wenn es so ist, wie Ihr erzählt?«

»Ihr sprecht sehr klug und weise, Mann; aber macht es nur erst einmal mit! Wir waren allerdings fünfzehn Männer, das heißt nämlich sechs Tropeiros und neun Miners. Wenn Ihr Euch auf diese Tropeiros verlassen wollt, so seid Ihr verloren, und von den neun Miners hatten drei das Fieber; sie konnten sich kaum auf den Maultieren halten und wurden von der Krankheit bald hin, bald her geworfen, so daß sie weder einen sichern Schuß, noch einen guten Messerstoß abgeben konnten. Nun, waren wir also wirklich fünfzehn volle Männer, he?«