Karl May
Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten
Karl May war einer der produktivsten Autoren von Abenteuerromanen
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Von Bagdad nach Stambul
Unter Dieben.
Ein Ueberfall.
Im Kampfe gefallen.
In Bagdad.
Die Todeskarawane.
In Damaskus.
In Stambul.
In Edreneh.
Impressum neobooks
Über den Autor
Karl May wurde am 25.2.1842 in Hohenstein-Ernstthal als Sohn
eines armen Webers geboren und war bis zum 5. Lebensjahr
blind. Als Volksschullehrer wurde May wegen Diebstahls
entlassen und verbrachte insgesamt 7 1/2 Jahre wegen
Eigentumsvergehen und Betrügereien aus finanzieller Notlage im
Gefängnis.
Zunächst schrieb er erzgebirgische Dorfgeschichten und
Humoresken für Zeitschriften in Dresden, später
Kolportageromane. Mit seinen Reiseerzählungen, die in
Nordamerika oder im Orient spielten, wurde May berühmt. Karl
May starb am 30.3.1912 in Radebeul bei Dresden.
Der Orientzyklus
Der Orientzyklus entstand mit größeren Unterbrechungen
zwischen 1881 und 1888 und wurde in der Zeitschrift
»Deutscher Hausschatz in Wort und Bild« als Fortsetzungsroman
bei Friedrich Pustet in Regensburg publiziert. Ab 1892 brachte
der Freiburger Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld eine
Buchreihe mit Mays Reiseerzählungen heraus, wovon der
Orientzyklus die ersten sechs Bände ausmachte. Karl May
überarbeitete dazu die Texte. Weitere Überarbeitungen führte
der Karl-May-Verlag, Radebul in den Buchausgaben ab 1913
und nach dem zweiten Weltkrieg durch. In der hier vorliegenden
»Ausgabe letzter Hand«, welche 1908/1909 erschien, wurden
gegenüber der Fehsenfeld-Buchreihe lediglich eindeutige
Druckfehler korrigiert. Interessierte Leser, denen die vom Karl-
May-Verlag herausgegebenen Bände vorliegen, dürften deshalb
beim Textvergleich auf größere Abweichungen stoßen.
Inhaltsverzeichnis
1. Unter Dieben.
2. Ein Ueberfall.
3. Im Kampfe gefallen.
4. In Bagdad.
5. Die Todeskarawane.
6. In Damaskus.
7. In Stambul.
8. In Edreneh.
Herausgegeben vom Palmtop Magazin.
Textquelle: Karl-May-Gesellschaft (http://www.karl-maygesellschaft.
de) Konvertierung: Rainer Gievers
Weitere eBooks finden Sie beim Palmtop Magazin
(http://www.palmtop-magazin.de/ebook/) Die Wiedergabe
erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Karl-May-
Gesellschaft ERSTES KAPITEL.
Gesellschaft ERSTES KAPITEL.
[Frontispiz: Auf fremder Erde. (Zu S. 150.)] Im Süden von den
großen syrischen und mesopotamischen Wüsteneinöden liegt,
vom roten Meere und von dem persischen Golfe umgeben, die
Halbinsel Arabien, welche ihre äußerste Kante weit in das
stürmereiche arabisch-indische Meer hinein erstreckt.
An drei Seiten ist dieses Land von einem zwar schmalen, aber
außerordentlich fruchtbaren Küstensaume eingefaßt, welcher
nach innen zu einer weiten, wüsten Hochebene emporsteigt,
deren teils trübselige, teils groteske Landschaftsbilder besonders
im Osten durch hohe, unwegsame Gebirgsstöcke abgeschlossen
werden, zu denen ganz hauptsächlich die öden Berge von
Schammar zu zählen sind.
Dieses Land, dessen Quadratmeilenzahl man heute noch nicht
genau anzugeben vermag, wurde im Altertum eingeteilt in Arabia
peträa, in Arabia deserta und in Arabia felix, zu deutsch: in das
peträische, wüste und glückliche Arabien. Wenn noch öfters jetzt
gewisse Geographen der Ansicht sind, daß der Ausdruck peträa
abzuleiten sei von dem griechisch-lateinischen Worte, das "Stein,
Fels" bedeutet, und deshalb diesen Teil des Landes das
"steinigte" Arabien nennen, so beruht das auf einer irrtümlichen
Auffassung; dieser Name ist vielmehr zurückzuführen auf das alte
Petra, das die Hauptstadt dieser nördlichsten Provinz des
Petra, das die Hauptstadt dieser nördlichsten Provinz des
Landes war. Der Araber nennt seine Heimat Dschesirat el Arab
(* Inselland, arabisches.), während sie bei den Türken und
Persern Arabistan geheißen wird. Die jetzige Einteilung wird
verschieden angegeben; die nomadisierenden Einwohner lassen
jedoch nur den einzigen Unterschied der Stämme gelten.
Ueber diesem Lande wölbt sich ein ewig heiterer Himmel, von
welchem des Nachts die Sterne rein und klar herniederblicken;
durch die Bergschluchten und über die zum großen Teile noch
unerforschten Wüsten-Ebenen schweift der halbwilde Sohn der
Steppe auf prachtvollem Pferde oder auf unermüdlichem
Kamele. Sein Auge ist überall, denn er lebt mit aller Welt in
Streit und Unfrieden, nur mit den Angehörigen seines Stammes
nicht. Von einer Grenze bis zur anderen zieht bald der sanfte
Hauch einer reinen, milden, bald der rauschende Odem einer
trüben, wilden Poesie, welcher den Wanderer überall umweht,
wo er nur immer weilen mag. So kommt es, daß man bereits vor
langen Jahrhunderten Hunderte von arabischen Dichtern und
Dichterinnen kannte, deren Lieder im Munde des Volkes lebten
und die mit Hilfe des Griffels für spätere Zeiten festgehalten
wurden.
Als Stammvater der echten Araber oder Joktaniden gilt Joktan,
der Sohn Huts, welcher ein Abkömmling Sems im fünften Gliede
war, und dessen Nachkommen das glückliche Arabien und die
Küste Tehama bis hinab zum persischen Meerbusen bewohnten.
Jetzt suchen viele Stämme eine Ehre darin, von Ismaël, dem
Jetzt suchen viele Stämme eine Ehre darin, von Ismaël, dem
Sohne Hagars, abzustammen.
Dieser Ismaël soll, wie die Sage berichtet, mit seinem Vater
Abraham nach Mekka gekommen sein und dort die heilige
Kaaba errichtet haben. Das Wahre aber ist, daß die Kaaba von
dem Stamme der Koreïschiten gestiftet oder wenigstens
ausgebaut wurde. Unter den Heiligtümern, die sie besaß, waren
der Brunnen Zem-Zem und der angeblich vom Himmel gefallene
schwarze Stein die berühmtesten.
Hierher pilgerten die verschiedenen Stämme der Araber, um da
ihre Stamm- oder auch wohl Haus-Götzen aufzustellen und ihnen
ihre Opfer und Gebete darzubringen. Daher war Mekka den
Arabern das, was Delphi den Griechen und Jerusalem den Juden
gewesen ist; es bildete den Mittelpunkt für die weithin zerstreuten
Nomaden, die sich ohne denselben in allen Richtungen verloren
hätten.
Da sich dieser hochwichtige Punkt im Besitze der Koreïschiten
befand, so war dieser Stamm der mächtigste und angesehenste
Arabiens und infolgedessen auch der reichste, weil die von allen
Seiten herbeikommenden Pilger nie ohne Geschenke oder
wertvolle Handelswaren anzulangen pflegten.
Ein armer Angehöriger dieses Stammes, Namens Abd Allah (*
"Diener Gottes."), starb im Jahre 570 nach Christus, und einige
Monate später, am 20. April 571, der auf einen Montag fiel,
Monate später, am 20. April 571, der auf einen Montag fiel,
gebar seine Witwe Amina einen Knaben, welcher später
Mohammed (** "Der Vielgepriesene.") genannt wurde. Es ist
sehr wahrscheinlich, daß der Knabe vorher einen andern Namen
getragen hat und erst dann, als seine prophetische Wirksamkeit
ihn zu einem hervorragenden Manne machte, den Ehrennamen
Mohammed erhielt. Dieser Name wird auch Muhammed,
Mohammad und Muhammad geschrieben, und aus Ehrfurcht vor
dem Propheten wagt es nie ein Gläubiger, ihn in dieser Fassung
zu tragen; das Wort wird dann meist in Mehemmed verwandelt.
Dem Knaben waren von seinem Vater nur zwei Kamele, fünf
Schafe und eine abyssinische Sklavin hinterlassen worden,
weshalb er sich zunächst auf den Schutz seines Großvaters Abdal-
Muttalib und nach dessen Tode auf die Unterstützung seiner
beiden Oheime Zuheir und Abu Taleb angewiesen sah. Da diese
Männer aber nicht viel für ihn tun konnten, so mußte er sich sein
Brot als Schafhirtenjunge verdienen.
Später wurde er Kameltreiber und Bogen- und Köcherträger,
wobei sich wahrscheinlich sein kriegerischer Sinn entwickelt hat.
Als er fünfundzwanzig Jahre zählte, trat er in den Dienst der
reichen Kaufmannswitwe Chadidscha, der er mit solcher Treue
und Aufopferung diente, daß sie ihn lieb gewann und ihn zu ihrem
Gemahl machte. Das große Vermögen seiner Frau ging ihm aber
später verloren. Er lebte nun bis zu seinem vierzigsten Jahre als
Kaufmann und Händler. Er kam auf seinen weiten Reisen mit
Juden und Christen, mit Bramahnen und Feueranbetern
Juden und Christen, mit Bramahnen und Feueranbetern
zusammen und gab sich Mühe, ihre Religionen kennen zu lernen.
Er litt an Epilepsie und infolgedessen an einer Verstimmung des
Nervensystems, die ihn sehr zu Halluzinationen geneigt machte.
Seine religiösen Grübeleien waren der Heilung dieser Krankheit
nicht sehr förderlich. Er zog sich schließlich gar in eine Höhle
zurück, die in der Nähe von Mekka auf dem Berge Hara lag.
Hier hatte er seine ersten Visionen.
Der Kreis der Gläubigen, der sich um ihn versammelte, bestand
zunächst nur aus seiner Frau Chadidscha, aus seinem Sklaven
Zaïd, aus den beiden Mekkanern Othman und Abu Bekr und
aus seinem jungen Vetter Ali, der später den Ehrennamen Areth-
Allah (* Löwe Gottes; auch Assad Allah el Ahalib, Löwe des
siegreichen Gottes.) erhielt und zu den unglücklichsten Helden
des Islam gehört.
Dieser Ali, dessen Name auf deutsch "der Hohe, der Erhabene"
bedeutet, war im Jahre 602 geboren und stand bei Muhammed
in solchem Ansehen, daß er dessen Tochter Fatime zur Gemahlin
erhielt. Als der Prophet im Kreise seiner Familie zum ersten
Male seine neuen Glaubenssatzungen vortrug und dann fragte:
"Wer unter euch will mein Anhänger sein?" da schwiegen alle;
nur der junge Ali, begeistert von der gewaltigen Poesie des
soeben gehörten Vortrages, rief in lautem, entschlossenem Tone:
"Ich will es sein und nimmer von dir lassen!" Das hat ihm
"Ich will es sein und nimmer von dir lassen!" Das hat ihm
Mohammed niemals vergessen.
Er war ein tapferer, verwegener Kämpfer und hatte großen Teil
an der so ungemein schnellen Ausbreitung des Islam. Dennoch
wurde er, als Mohammed ohne letztwillige Verfügung starb,
übergangen, und man wählte Abu Bekr, den Schwiegervater
Mohammeds, zum Kalifen (** Kalif heißt Stellvertreter). Diesem
folgte im Jahre 634 ein zweiter Schwiegervater des Propheten,
namens Omar, welchem wieder Othman, ein Schwiegersohn
Mohammeds, nachfolgte. Dieser wurde im Jahre 656 von einem
Sohne Abu Bekrs erstochen. Man beschuldigte Ali der
Anstiftung dieses Mordes, und als er von seiner Partei erwählt
wurde, verweigerten ihm viele von den Statthaltern die
Huldigung. Er kämpfte vier Jahre lang um das Kalifat und wurde
im Jahre 660 von Abd-er-Rahmann erstochen. Er liegt in Kufa
begraben, wo ihm auch ein Denkmal errichtet worden ist.
Von hier an datiert sich die Spaltung, die die Mohammedaner in
zwei gegnerische Heerlager, in die Sunniten und die Schiiten,
teilt. Diese Spaltung bezieht sich weniger auf die islamitischen
Grundsätze als vielmehr auf die Personalfrage der
Nachfolgerschaft. Die Anhänger der Schia behaupten nämlich,
daß nicht Abu Bekr, Omar und Othman, sondern nur allein Ali
das Recht gehabt hätte, der erste Stellvertreter des Propheten zu
sein. Die zwischen den beiden Parteien dann ausgebrochenen
Streitigkeiten über die Attribute Gottes, das Fatum, die Ewigkeit
des Kuran und die einstige Vergeltung sind nicht als so
des Kuran und die einstige Vergeltung sind nicht als so
wesentlich zu betrachten.
Ali hinterließ zwei Söhne, Hassan und Hosseïn. Der erstere
wurde von den Schiiten zum Kalifen erwählt, während die
Anhänger der Sunna Muawijah I¨, den Gründer der
Ommajjaden-Dynastie, erkoren. Dieser letztere verlegte seine
Residenz nach Damaskus, machte das Kalifat erblich und
erzwang bereits zu seinen Lebzeiten die Anerkennung seines
Sohnes Dschezid, der sich später als ein solcher Wüterich zeigte,
daß sein Andenken selbst von den Sunniten mit Fluch belegt
wird. Hassan konnte sich gegen Muawijah nicht behaupten und
starb im Jahre 670 in Medinah an Gift.
Sein Bruder Hosseïn widersetzte sich der Anerkennung
Dschezids. Er ist der Held einer der tragischsten Episoden aus
der Geschichte des Islam.
Die Hand des Kalifen Muawijah ruhte schwer auf den Provinzen,
und seine Statthalter unterstützten ihn dabei aus allen Kräften. So
befahl zum Beispiel Zijad, der Statthalter zu Basra, daß nach
Sonnenuntergang sich bei Todesstrafe niemand auf der Straße
sehen lassen dürfe. Am Abend nach der Bekanntmachung dieses
Befehls wurden über zweihundert Personen außerhalb ihrer
Wohnungen angetroffen und unverzüglich geköpft; am nächsten
Tage war die Ziffer schon weit geringer, und am dritten Abend
war kein einziger Mensch zu sehen. Der grimmigste aller
Ommajjaden war Hadjasch, der Statthalter von Kufa, dessen
Tyrannei 120 000 Menschen das Leben kostete.
Tyrannei 120 000 Menschen das Leben kostete.
Noch schlimmer als Muawijah zeigte sich sein Sohn Dschezid.
Zur Zeit dieses Scheusales hielt sich Hosseïn in Mekka auf, wo
er aus Kufa Boten empfing, die ihn aufforderten, zu ihnen zu
kommen, da sie ihn als Kalifen anerkennen wollten. Er folgte
dem Rufe - zu seinem Verderben.
Mit kaum hundert Getreuen langte er vor Kufa an, fand aber die
Stadt bereits von seinen Feinden besetzt.
Er verlegte sich auf erfolgloses Unterhandeln. Die Lebensmittel
gingen ihm aus; das Wasser vertrocknete in dem Sonnenbrande;
seine Tiere stürzten, und seinen Begleitern schaute der blasse
Tod aus den eingesunkenen fieberfunkelnden Augen. Er rief
vergebens Allah und den Propheten um Hilfe und Rettung an;
sein Untergang stand "im Buch verzeichnet". Obeïd 'Allah, ein
Heerführer Dschezids, drang bei Kerbela auf ihn ein,
massakrierte seine ganze Begleitung und ließ auch ihn selbst
umbringen. Man fand ihn aus Mangel an Wasser bereits dem
Tode nahe; aber man hatte kein Mitleid mit ihm, und er wehrte
sich vergebens mit der letzten Kraft seines schwindenden Lebens
- man schnitt ihm den Kopf ab, der auf eine Lanze gesteckt und
im Triumphe herumgetragen wurde.
Dies geschah am 10¨ Muharrem, und bis auf heute ist dieser Tag
bei den Schiiten ein Tag der Trauer. In Hindostan trägt man ein
Bild von Hosseïns Kopf auf einer Lanze herum, wie es nach
Bild von Hosseïns Kopf auf einer Lanze herum, wie es nach
seinem Tode geschah, und ahmt mit einem aus edlen Metallen
gefertigten Hufeisen den Lauf seines Renners nach. Am 10¨
Muharrem ertönt ein Wehegeschrei von Borneo und Celebes
über Indien und Persien bis zum Mogreb (*
Westen.) Asiens, wo die Schia nur noch zerstreute Anhänger
hat, und dann gibt es in Kerbela eine dramatische Vorstellung,
welche an Szenen der wildesten Verzweiflung ihresgleichen
sucht. Wehe dem Sunniten, wehe dem Giaur, welcher an diesem
Tage sich in Kerbela unter der bis zur Tobsucht aufgeregten
Rotte der Schiiten sehen lassen wollte! Er würde in Stücke
zerrissen! - -
Diese historische Einleitung mag zum besseren Verständnis des
Nachfolgenden dienen.
Wir hatten am Zab den Entschluß gefaßt, den Fluß entlang bis zu
den Schirban- und dann den Zibar-Kurden zu reiten. Bis zu den
Schirbani hatten wir Empfehlungen vom Bey zu Gumri und von
dem Melek in Lizan erhalten, und von da aus hofften wir auf
weitere Unterstützung. Die Schirbani nahmen uns gastfreundlich
auf, von den Zibari aber wurden wir sehr feindselig empfangen;
doch gelang es mir später, mich ihrer Teilnahme zu versichern.
Wir kamen glücklich bis zum Akrafluß, stießen aber hier bei der
wilden Bergbevölkerung auf eine so große Böswilligkeit, daß wir
nach verschiedenen schlimmen Erfahrungen uns nach Südost
wenden mußten. Wir überschritten den Zab östlich des Ghara
wenden mußten. Wir überschritten den Zab östlich des Ghara
Surgh, ließen Pir Hasan links liegen und sahen uns genötigt, da
wir den dortigen Kurden keineswegs trauen durften, längs des
Dschebel Pir Mam nach Südost zu halten, um dann nach rechts
umzubiegen und irgendwo zwischen dem Diyaleh und kleinen
Zab den Tigris zu erreichen. Wir hofften, bei den Dscherboa-
Arabern gastlich aufgenommen zu werden und sichere
Wegweiser zu finden, erfuhren aber zu unserem Leidwesen, daß
dieselben sich mit den Obeïde und Beni-Lam verbündet hatten,
um alle Stämme zwischen dem Tigris und Thathar die Spitzen
ihrer Speere fühlen zu lassen. Nun waren die Schammar zwar mit
dem einen Ferkah der Obeïde, dessen Scheik Eslah el Mahem
war, befreundet, aber dieser Mann konnte seine Gesinnung
geändert haben, und von den andern Ferkah wußte Mohammed
Emin genau, daß sie den Haddedihn feindlich gesinnt seien. Unter
diesen Umständen war es am geratensten, unsere Richtung zuerst
nach Sulimania zu nehmen und uns dann weiter zu entscheiden.
Hatten wir Amad el Ghandur befreit und glücklich bis hierher
gebracht, so wollten wir nun lieber einen Umweg einschlagen, als
uns wieder in neue Gefahren begeben.
So gelangten wir nach längerer Zeit und mancherlei
Anstrengungen und Entbehrungen glücklich an das nördliche
Zagrosgebirge.
Es war Abend, und wir lagerten am Rande eines
Tschimarwaldes (Orientalische Platane.). Ueber uns wölbte sich
ein Firmament, dessen Glanz nur in diesen Gegenden in solcher
ein Firmament, dessen Glanz nur in diesen Gegenden in solcher
Reinheit und Kraft zu beobachten ist. Wir befanden uns in der
Nähe der persischen Grenze, und die Luft Persiens ist ja wegen
ihrer Klarheit berühmt. Das Licht der Sterne war so stark, daß
ich, trotzdem der Mond weder im Kalender noch am Himmel
stand, die Zeiger meiner Taschenuhr auf drei Schritte Entfernung
ganz deutlich erkennen konnte. Lesen hätte ich, selbst bei kleiner
Schrift, ganz gut vermocht. Die Strahlen des Jupiter waren so
hell, daß seine Trabanten selbst dann mit einem Fernrohre mit
ausgeschraubten Gläsern wohl schwerlich zu entdecken gewesen
wären, wenn man den Körper des Planeten mit dem Rande des
Rohres zu bedecken versucht hätte. Sogar teleskopische
Gestirne kamen zum Vorscheine. Der siebente Stern des
Siebengestirns war ohne bedeutende Anstrengung des Auges zu
erkennen. Die Klarheit eines solchen Firmamentes macht einen
tiefen Eindruck auf das Gemüt, und ich lernte einsehen, warum
Persien die Heimat der Astrologie ist, dieser unfrei geborenen
Mutter der edlen Tochter, welche uns die leuchtenden Welten
des Himmels kennen lehrt.
Unsere Lage ließ uns vorziehen, im Freien zu übernachten. Wir
hatten uns im Laufe des Tages von einem Hirten ein Lamm
gekauft und brannten uns jetzt ein Feuer an, um das Lamm gleich
in der Haut zu braten, nachdem wir es ausgenommen und mit
dem Messer geschoren hatten.
Unsere Pferde grasten in der Nähe. Sie waren in der letzten Zeit
ganz ungewöhnlich angestrengt worden, und es wäre ihnen eine
ganz ungewöhnlich angestrengt worden, und es wäre ihnen eine
mehrtägige Ruhe zu gönnen gewesen, was sich leider aber nicht
ermöglichen ließ.
Wir selbst befanden uns alle wohl, mit Ausnahme eines Einzigen.
Dies war Sir David, welcher unter einem großen Aerger zu
leiden hatte.
Er war nämlich vor einigen Tagen von einem Fieber befallen
worden, welches ungefähr vierundzwanzig Stunden lang anhielt.
Dann war es wieder verschwunden, aber mit diesem
Verschwinden hatte sich bei ihm jenes schaudervolle Geschenk
des Orientes entwickelt, welches der Lateiner Febris Aleppensis,
der Franzose aber Mal d'Aleppo oder Bouton d'Alep nennt.
Diese "Aleppobeule", welche nicht nur Menschen, sondern auch
gewisse Tiere z¨B¨ Hunde und Katzen heimsucht, wird stets von
einem kurzen Fieber eingeleitet, nach welchem sich entweder im
Gesicht oder auch auf der Brust, an den Armen und Beinen eine
große Beule bildet, welche unter Aus- sickern [Aussickern] einer
Feuchtigkeit fast ein ganzes Jahr steht und beim Verschwinden
eine tiefe, nie wieder verschwindende Narbe hinterläßt. Der
Name dieser Beule ist übrigens nicht zutreffend, da die Krankheit
nicht nur in Aleppo, sondern auch in der Gegend von Antiochia,
Mossul, Diarbekr, Bagdad und in einigen Gegenden Persiens
auftritt.
Ich hatte diese verunstaltende Beule schon öfters gesehen, noch
niemals aber in der ungewöhnlichen Größe wie bei unserm
niemals aber in der ungewöhnlichen Größe wie bei unserm
[Illustration Nr. 1] guten Master Lindsay. Nicht genug, daß bei
ihm die außerordentliche Anschwellung im dunkelsten Rot
erglänzte, war sie auch so impertinent gewesen, sich just die
Nase zu ihrem Sitze auszuwählen - diese arme Nase, welche so
schon an einer ganz abnormen Dimension zu leiden hatte. Unser
Englishman trug das Uebel nicht etwa mit Ergebenheit, wie es
seine Pflicht als Gentleman und Vertreter der very great and
excellent nation gewesen wäre, sondern er verriet einen Aerger
und eine Ungeduld, deren Ausbrüche oft das Zwerchfell der
Zuhörer in Mitleidenschaft zog.
Auch jetzt saß er am Feuer und befühlte fortwährend mit beiden
Händen die unverschämte Pustel.
"Master!" sagte er zu mir. "Hersehen!"
"Wohin?"
"Hm! Dumme Frage! Auf mein Gesicht natürlich! Yes! Ist wieder
gewachsen?"
"Was? Wer?"
"'s death! Diese Beule hier! Viel gewachsen?"
"Sehr! Sieht grad wie eine Gurke aus."
"All devils! Schauderhaft! Entsetzlich! Yes!"
"All devils! Schauderhaft! Entsetzlich! Yes!"
"Vielleicht wird's mit der Zeit ein Fowling-bull, Sir!"
"Wollt Ihr eine Ohrfeige haben, Master? Stehe sofort zu
Diensten! Wollte, Ihr selbst hättet dieses armselige Swelling (*
Englisch: Geschwulst.) auf Eurer Nase!"
"Habt Ihr Schmerzen?"
"Nein."
"So seid froh!"
"Froh? Zounds! Wie kann ich froh sein, wenn die Leute denken,
meine Nase hätte die Snuff-box gleich mit auf die Welt gebracht!
Wie lange werde ich dieses Ding haben?"
"Ziemlich ein Jahr, Sir!"
Er machte ein Paar Augen, daß ich vor Schreck beinahe
zurückgewichen wäre, zumal das Entsetzen ihm den Mund so
weit aufriß, daß die Nase mitsamt der Snuff-box
(Schnupftabaksdose) geradewegs hätte hineinspazieren können.
"Ein Jahr? Ein ganzes Jahr? Zwölf ganze Monate?"
"So ungefähr."
"Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel?
"Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel?
Pflaster? Salbe? Brei auflegen?
Wegschneiden?"
"Nichts, gar nichts."
"Aber jede Krankheit hat ihr Mittel!"
"Diese nicht, Sir. Diese Beule ist nicht im mindesten gefährlich;
aber wenn man sie zu zerteilen sucht oder gar ritzt und schneidet,
dann kann sie sehr schlimm werden."
"Hm! Was dann, wenn sie fort ist? Sieht man es noch?"
"Das ist verschieden. Je größer die Beule, desto größer auch das
Loch, welches zurückbleibt."
"My sky! Ein Loch?"
"Leider!"
"O weh! Schauderhaftes Land hier! Miserable Gegend! Werde
machen, daß ich nach Old England komme!
Well!"
"Nehmt Euch Zeit, Sir!"
"Warum?"
"Warum?"
"Was würde man in Altengland sagen, wenn Sir David Lindsay
seiner Nase erlaubt, sich eine Filiale anzulegen!"
"Hm! Habt recht, Master! Die Straßenjungen würden mir
nachtrollen. Werde also hier bleiben und mich - -
"
"Sihdi!" unterbrach ihn Halef. "Blicke nicht um!"
Ich saß mit dem Rücken gegen den Waldesrand und dachte mir
natürlich sofort, daß der kleine Hadschi hinter mir etwas
Verdächtiges bemerkt habe.
"Was siehst du?" fragte ich ihn darum.
"Ein Paar Augen. Grad hinter dir stehen zwei Tschimars, und
zwischen ihnen gibt es einen wilden Birnbusch. Dort steckt der
Mann, dessen Augen ich gesehen habe."
"Siehst du sie noch?"
"Warte!"
Er beobachtete so unauffällig wie möglich den Busch, und ich
instruierte unterdessen die anderen, sich ganz so unbefangen wie
vorher zu verhalten.
"Jetzt!" sagte Halef.
Ich erhob mich und gab mir den Anschein, als ob ich dürres Holz
für das Feuer suchen wolle. Dabei entfernte ich mich so weit von
dem Lager, daß ich nicht mehr gesehen werden konnte. Dann
drang ich in den Waldsaum ein und schlich mich zwischen den
Bäumen wieder zurück. Es waren nicht fünf Minuten vergangen,
so befand ich mich hinter den beiden Tschimarbäumen und fand
da allerdings Gelegenheit, das scharfe Auge Halefs zu
bewundern. Zwischen den Bäumen und dem Busche kauerte
eine menschliche Gestalt, welche unser Treiben am Lagerfeuer
beobachtete.
Weshalb geschah dies? Wir befanden uns hier in einer Gegend,
wo in meilenweitem Umkreise kein Dorf zu finden war.
Allerdings gab es rund umher verschiedene kleine kurdische
Stämme, welche sich bekämpften, und es mochte wohl auch
zuweilen geschehen, daß irgend ein persischer Nomadenstamm
über die Grenze kam, um einen Raub auszuführen. Dabei gab es
genug Umhertreiber, Ueberreste von vernichteten Stämmen, die
Gelegenheit suchten, sich einem andern Stamm anzuschließen.
Ich durfte nicht trauen; daher schob ich mich ganz leise an den
Mann heran und faßte ihn dann rasch bei der Kehle. Er erschrak
so sehr, daß er ganz steif wurde und sich auch gar nicht wehrte,
als ich ihn in die Höhe nahm und an das Feuer trug.
Dort legte ich ihn nieder und zog den Dolch.
Dort legte ich ihn nieder und zog den Dolch.
"Mann, rühre dich nicht, sonst ersteche ich dich!" drohte ich.
Es war mir gar nicht so grimmig um das Herz, aber der Fremde
nahm meine Drohung ernst auf und faltete bittend die Hände.
"Herr, Gnade!"
"Das soll auf dich ankommen. Belügst du mich, so bist du
verloren. Wer bist du?"
"Ich bin ein Turkomane vom Stamme der Bejat."
Ein Turkomane? Hier? Seiner Kleidung nach konnte er allerdings
die Wahrheit gesagt haben. Auch wußte ich, daß es früher
Turkomanen zwischen dem Tigris und der persischen Grenze
gegeben hatte, und es stimmte, daß es der Stamm Bejat gewesen
war. Die lurische Wüste und die Ebene Tapespi waren der
Schauplatz ihrer Umherschweifereien gewesen. Aber als Nadir-
Schah in das Ejalet Bagdad einfiel, schleppte er die Bejat nach
Khorassan. Er nannte diese Provinz wegen ihrer Lage und
Beschaffenheit "das Schwert Persiens" und bemühte sich, sie mit
tapferen, kriegerischen Bewohnern zu bevölkern.
"Ein Bejat?" fragte ich. "Du lügst!"
"Ich sage die Wahrheit, Herr."
"Die Bejat wohnen nicht hier, sondern im fernen Khorassan."
"Du hast recht; aber als sie einst diese Gegend verlassen mußten,
so blieben doch einige zurück, deren Nachkommen sich jetzt so
vermehrt haben, daß sie über tausend Krieger zählen. Wir haben
unsere Sommerplätze in der Gegend von den Ruinen von Kizzel-
Karaba und an den Ufern des Kuru-Tschai."
Es fiel mir ein, davon gehört zu haben.
"Jetzt befindet ihr euch hier in der Nähe?"
"Ja, Herr."
"Wie viele Zelte zählt ihr?"
"Wir haben keine Zelte."
Das mußte mir auffallen. Wenn ein Nomadenstamm sein Lager
verläßt, ohne seine Zelte mitzunehmen, so deutet dies gewöhnlich
auf einen Raub- oder Kriegszug. Ich fragte weiter:
"Wie viele Männer seid ihr heute?"
"Zweihundert!"
"Und Frauen?"
"Wir haben sie nicht bei uns."
"Wir haben sie nicht bei uns."
"Wo lagert ihr?"
"Nicht weit von hier. Wenn du dort um die Ecke des Waldes
gehest, so bist du bei uns."
"So habt ihr hier unser Feuer bemerkt?"
"Wir haben es gesehen, und der Khan schickte mich ab, um zu
erfahren, was für Männer sich hier befinden."
"Wohin gehet ihr?"
"Wir gehen nach dem Süden."
"Welcher Ort ist euer Ziel?"
"Wir wollen in die Gegend von Sinna."
"Das ist ja persisch!"
"Ja. Unsere Freunde dort geben ein großes Fest, zu welchem wir
geladen sind."
Das fiel mir auf. Diese Bejat hatten ihren Wohnsitz an den Ufern
des Kuru-Tschai und bei den Ruinen von Kizzel-Karaba, also in
der Nähe von Kifri; diese Stadt aber lag weit im Südwesten von
unserem heutigen Lagerplatz, während Sinna zwei Dritteile
derselben Entfernung im Südosten von uns lag. Warum waren
derselben Entfernung im Südosten von uns lag. Warum waren
die Bejat nicht direkt von Kifri nach Sinna gegangen? Warum
hatten sie einen so bedeutenden Umweg gemacht?
"Was tut ihr hier oben?" fragte ich daher. "Warum habt ihr euren
Weg um das Doppelte verlängert?"
"Weil wir durch das Gebiet des Pascha von Sulimania hätten
ziehen müssen, und er ist unser Feind."
"Aber ihr befindet euch hier doch ebenso auf seinem Gebiete!"
"Hier oben sucht er uns nicht. Er weiß, daß wir aus- gezogen
[ausgezogen] sind, und glaubt, uns im Süden von seiner Residenz
zu finden."
Dies klang wahrscheinlich, obgleich ich noch immer kein rechtes
Vertrauen zu dem Manne hatte. Ich sagte mir jedoch, daß die
Anwesenheit dieser Bejat uns nur von Vorteil sein könne. Unter
ihrem Schutze konnten wir unangefochten bis nach Sinna
kommen, und dann war für uns keine Gefahr mehr zu befürchten.
Der Turkomane kam meiner darauf bezüglichen Frage entgegen:
"Herr, du wirst mich wieder freilassen? Ich habe euch ja nichts
getan!"
"Du hast nur getan, was dir befohlen war; du bist frei."
Er atmete erleichtert auf.
Er atmete erleichtert auf.
"Ich danke dir, Herr! Wohin sind die Köpfe eurer Pferde
gerichtet?"
"Nach Süden."
"Ihr kommt von Mitternacht herunter?"
"Ja. Wir kommen aus dem Lande der Tijari, Berwari und
Chaldani."
"So seid ihr sehr mutige und tapfere Männer. Welchem Stamme
gehört ihr an?"
"Dieser Mann und ich, wir sind Emire aus Frankhistan, und die
andern sind unsere Freunde."
"Aus Frankhistan! - Herr, wollt ihr mit uns ziehen?"
"Wird dein Khan mir seine Hand öffnen?"
"Er wird es. Wir wissen, daß die Franken große Krieger sind.
Soll ich gehen und ihm von euch sagen?"
"Geh, und frag ihn, ob er uns empfangen will!"
Er stand auf und eilte davon. Die Andern zeigten sich mit dem,
was ich getan hatte, einverstanden, und besonders Mohammed
Emin freute sich darüber.
Emin freute sich darüber.
"Effendi," sagte er, "ich habe von den Bejat oft gehört. Sie leben
mit den Dscherboa, Obeïde und Beni-Lam in immerwährendem
Unfrieden, und darum werden sie uns nützlich sein. Dennoch
aber wollen wir nicht sagen, daß wir Haddedihn sind; es ist
besser, sie wissen es nicht."
"Auch jetzt müssen wir vorsichtig sein, denn noch wissen wir
nicht, ob der Khan uns freundlich aufnehmen wird. Holt die
Pferde herbei, und legt euch die Waffen bereit, um für alle Fälle
gerüstet zu sein!"
Die Bejat schienen unsertwegen eine ungewöhnlich lange
Beratung zu halten, denn ehe sie ein Lebenszeichen von sich
gaben, war unser Lamm gebraten und auch verzehrt. Endlich
hörten wir Schritte.
Der Turkomane, welcher bei uns gewesen war, erschien mit
noch drei Kameraden.
"Herr," sagte er, "der Khan sendet mich. Ihr sollt zu ihm kommen
und uns willkommen sein."
"So geht voran, und führt uns!"
Wir stiegen zu Pferde und folgten ihnen, die Gewehre in der
Hand. Als wir die Waldecke hinter uns hatten, war von keinem
Lagerplatze etwas zu bemerken; nachdem wir aber einen dichten
Lagerplatze etwas zu bemerken; nachdem wir aber einen dichten
Gebüschstreifen durchschnitten hatten, erreichten wir einen rings