Im Zeichen des Drachen

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„Ich bin vom Volk der Germani und die anderen gehören zum Volk der Yanki.“

„Die Germani sind gut, ich habe ihr Schiffe gesehen auf den Inseln von Samoa; was sie verkaufen, ist ehrliche Ware, und was sie sagen, das gilt als ein Schwur. Aber die Yanki sind anders, ihre Zunge ist glatt und untreu. Ihre Waren glänzen und haben den Betrug in sich. Wie kommst du zu ihnen und auf diese Insel, die noch nicht einmal einen Namen hat?“

„Ich fuhr mir ihnen, weil ich in das Land der Chinesen wollte, aber das Wetter trieb uns an dies Eiland, sodass unser Schiff zerbrach und unsere Boote zerschellten. Nun können wir nicht fort und müssen warten, bis ein anderes Schiff kommt, das uns mitnimmt. Du kehrst nach Papetee zurück?“

„Ja. Mich verlangt, zu Pareyma, meinem Weib, und zu meiner Mutter zu kommen, die mir lieber sind als alle meine Habe und mein Leben. Die Stimme meines Herzens sagt mir, dass ihnen Gefahr droht von Anoui, meinem Feind.“

„Auf Tahiti findet man immer Schiffe der Ingli, Franki, Ynaki und der Hollandi; vielleicht ist auch eines der Hispani oder gar der Germani da. Willst du sie aufsuchen, wenn du nach Papetee kommst, und eines von ihnen senden, dass uns von hier abholt?“

„Das will ich, Sahib. Aber sie möchten mir nicht glauben, und daher ist es besser, wenn ihr mir einen eurer Männer mitgebt, der selber für euch reden und bitten kann.“

„Fasst dein Boot zwei Männer?“

„Wenn ein anderer rudert, nein; aber wenn ihr einen mutigen Mann wählt, der das Wasser nicht fürchtet, so werde ich ihn glücklich nach Tahiti bringen, denn keiner nimmt es im Fahren mit Potomba, dem Ehri, auf.“

In diesem Augenblick hatte uns der Kapitän erreicht.

„Nun? Wer ist dieser Mann, Charley?“

„Ein Ehri von Tahiti.“

„Ein Ehri? Was ist das?“

„Ein Fürst, Käpt’n.“

„Pshaw! Diese Art von Fürsten kennt man. Der Bursche wird uns sein Boot überlassen müssen, damit wir uns von einer der benachbarten Inseln Hilfe holen.“

„Das wird er nicht tun.“

„Warum nicht, wenn ich fragen darf, he?“

„Weil ich ihm bereits das Gegenteil geraten habe, Käpt’n.“

„Ihr? Ah so, das ist etwas anderes! Ihr habt doch jedenfalls eine gute Meinung dabei gehabt, die auf unseren Vorteil bedacht ist?“

„Das versteht sich! Keiner von uns ist im Stande, ein solches Boot zu lenken, und...“

„Ah, Charley, ist das nicht etwas zu viel behauptet? Sollte ich, Kapitän Roberts aus New York, es nicht fertig bringen, ein solches Ding zu führen, da jedermann weiß, dass ich ganz der Kerl bin, selbst das stärkste Orlogschiff zu befehligen?“

„Könnt Ihr einen Ochsen erschießen, Käpt’n?“

„Welche Frage! Natürlich erschieße ich ihn trotz allem, was ich vorhin sagte, als Ihr mit Euerm Wildbret kamt; vorausgesetzt nämlich, dass die Verhältnisse so sind, dass mir das Viehzeug nicht zu Leib kann und ich so lange schießen darf, bis es tot ist.“

„Schön! Aber könnt Ihr auch eine Schwalbe schießen?“

„Bei allen Winden, nein, das ist ja rein menschenunmöglich, Charley. Ihr seid ein feiner Schütze, wie Ihr schon oft bewiesen habt, aber eine Schwalbe, nein, die holt auch Ihr nicht aus der Luft herab.“

„Ich habe es aber doch getan, und zwar nicht nur einmal; ich habe sogar da drüben in der nordamerikanischen Prärie fünfzehnjährige Indianerbuben gekannt, die das fertig brachten.“

„Ahoi, Charley, ist das nicht eine wilde Ente oder gar eine Seeschlange?“

„Nein, es ist die Wahrheit! Doch dieser Vergleich hatte nur den Zweck, Euch zu beweisen, dass das Große oft leichter ist als das scheinbar Kleine. Ihr versteht es ganz wacker, einen Dreimaster zu befehligen; aber wagt Euch einmal nur mit Euerm Langboot, das Euch doch geläufig ist, hinaus auf die offene See, so werdet Ihr finden, dass zwischen beiden Leistungen ein gewaltiger Unterschied ist. Ich habe mit dem gebrechlichen indianischen Rindenkanu den Missouri und Red River, mit dem Hautkanu der Brasilianer den Orinoko und Marannon und mit dem fürchterlichen Katamorin der Ostinder den Indus und Ganges befahren; aber ich sage Euch offen, Käpt’n, dass ich es mir nicht getraue, mit diesem Boot hier eine Entdeckungsreise im Gebiet der Pomatu-Inseln zu wagen. Es darf das Geringste am Ausleger geschehen, so kentert das Boot, und dann ist man in neunundneunzig von hundert Fällen verloren, da die See hier von Haien wimmelt.“

„Alle Wetter, das ist wahr! Der Hai ist der elendste Kerl, den ich kenne, und wer zwischen seine Zähne kommt, dessen Zeit ist ohne Gnade und Barmherzigkeit abgelaufen. Aber ein Schiff müssen wir suchen, das werdet Ihr doch zugeben, Charley?“

„Natürlich! Aber nicht hier zwischen den Pomatu-Inseln, die wir nicht kennen und wohin sich selten ein größeres Fahrzeug verlaufen wird. Der Ehri hier wird nach Tahiti segeln. Gebt ihm einen zuverlässigen Mann mit, der uns ein Schiff holt, so ist uns geholfen.“

„Hm, das klingt gut. Wie lange wird der Bursche zubringen, bis er Tahiti erreicht?“

Ich wandte mich an Potomba:

„Wie lange fährst du nach Papetee?“

„Wenn ihr mir einen Mann mitgebt, der ein guter Ruderer ist, so brauche ich zwei Tage“, antwortete er.

Ich verdolmetschte diese Worte dem Kapitän.

„Hört, Charley, wie heißt der Bursche?“

„Potomba.“

„Das glaube ich nicht; er wird wohl Münchhausen heißen. In zwei Tagen von hier nach Papetee? Der Mensch lügt ja wie gedruckt! Ich rechne fünf volle Tage, und dann müsste man schon ein scharf auf den Kiel gebautes Schiff mit Schonertakelage haben. Zwei Tage, das ist Humbug.“

„Seht Euch dieses Boot und diesen Mann an, Kapitän! Ich bin geneigt, zu glauben, dass man mit einem so langen, schmalen Wogenschneider unter dem Südostpassat fünfzehn bis sechzehn englische Meilen in der Stunde zurücklegen vermag.“

„Denkt Ihr wirklich? Ein Kunststück wäre es aber doch! Hm, ja, seht die vierzehn Segel da draußen! Es sind noch keine zehn Minuten, seit sie hier wendeten, und ich möchte wetten, dass sie bereits über zwei Meilen zurückgelegt haben. Ihr könnt Recht haben, Charley, und nun ist es mir auch einleuchtend, was ich bisher nicht geglaubt habe, nämlich, dass sich sogar ein gut ausgerüstetes Kriegsschiff mit tüchtiger Mannschaft vor einer Flottille malaiischer Prauen in Acht nehmen muss. Doch da kommt der Maat! Er macht ein vergnügtes Gesicht, weil es ihm gelungen ist, die Kerls dort in die Flucht zu schlagen.“

Wirklich nahte der Steuermann mit einer so siegesbewussten Miene, als hätte er eine große Seeschlacht gewonnen.

„Nun, Sir, wie habe ich meine Sache gemacht?“, fragte er mich.

„Schlecht, sehr schlecht, Maat!“

„Wa-wa-wa-wa-waas? Sie haben uns kein Haar gekrümmt und sind, als sie mich und diese Leute da erblickten, davongesegelt, als sei ihnen der Klabautermann5 auf den Fersen.“

„Aber sie sollten doch in der Bucht eingeschlossen werden! Ihr kamt viel zu früh. Sie hatten die Einfahrt noch gar nicht bewerkstelligt, und es war weder von unserer Seite ein Schuss gefallen, noch hattet Ihr von mir oder dem Käpt’n das verabredete Zeichen erhalten. Ich will Euch nicht tadeln, Maat, denn Ihr habt nur den Fehler begangen, dass Ihr ein wenig zu tapfer wart, und vielleicht ist es besser, dass sie heil davongekommen sind. Aber, wollen wir nicht zum Lager gehen? Wir können ja einen Posten hier lassen für den Fall, dass es den Entkommenen einfallen sollte, zurückzukehren.“

„Ihr habt wieder Recht, Charley!“, nickte der Kapitän. „Wir haben ein rühmliches Treffen gewonnen und so will ich meine Anerkennung dadurch aussprechen, dass ich die Erlaubnis gebe, einen Grog zu brauen, der so steif ist wie das Bugspriet einer niederländischen Kohlenbarke.“

Dieser Ausspruch wurde mit allgemeinem Jubel aufgenommen. Die Leute nahmen einander beim Arm, und im Gleichschritt ging es paarweise nach dem Lagerplatz zurück.

Während der Grog gebraut wurde, unterhielt ich mich mit Potomba. Es zeigte sich wirklich, dass er in Indien gewesen war. Auch die meisten Inselgruppen des australischen Archipels hatte er befahren. Er war in seinen Aussprüchen so klar und bescheiden, dass ich ihn bereits in kurzer Zeit lieb gewann.

„Jetzt, Charley, mag der Mann gewählt werden, der mit Eurem Fürsten nach Tahiti fahren soll“, meinte der Kapitän. „Ich muss natürlich hier bleiben, aber der Maat könnte die Sache übernehmen. Was meint Ihr?“

„Ich habe in solchen Dingen nichts zu sagen, denn Ihr seid der Kapitän, aber ich billige Eure Wahl; der Steuermann ist ein Offizier und wird mehr Gehör finden als ein Matrose, wenn Ihr einen solchen schicken wolltet.“

„Ich?“, fragte der Maat. „Wo denkt Ihr hin, Käpt’n? Ein braver Steuermann darf sein Schiff und, wenn es wrack gegangen ist, seine Leute nicht verlassen.“

„Wenn der Kapitän fehlt und er also an dessen Stelle getreten ist“, entgegnete Roberts. Jetzt aber bin ich noch da und Ihr könntet getrost nach Tahiti gehen, ohne Euch etwas zu Schulden kommen zu lassen. Übrigens wisst Ihr ja, dass mein Befehl Geltung hat. Wen ich sende, der muss gehorchen.“

„Wollt Ihr mir wirklich zumuten, Käpt’n, mich einem Schwimmholz anzuvertrauen, wie das Boot dieses Mannes ist? Übrigens kann ich ja nicht ein einziges Wort mit ihm sprechen, und wie leicht ist es, dass ich mit Leuten zusammenkomme, deren Sprache ich nicht verstehe!“

„Hm, das ist wahr! Charley, wie ist es? Ihr seid der Einzige, der Malaiisch und sogar den Dialekt der Gesellschaftsinseln versteht. Möchtet Ihr mit dem Mann fahren?“

„Wenn Ihr es wollt, so tue ich’s, Käpt’n!“

 

„Schön, so bitte ich Euch darum. Doch, alle Wetter, was ist denn das?“, fragte er plötzlich, mit der Hand nach dem Binnenwasser deutend, das sich beinahe bis an unsere Füße zog.

„Ein Hai, wahrhaftig ein Hai, der zwischen den Klippen Eingang gefunden hat!“, rief der Maat. „Schnell zu den Harpunen, alle Mann!“

Auf der Oberfläche des Wassers zeigte sich die Rückenflosse des Fisches, den unsere Anwesenheit herbeigelockt haben musste. Der Anblick eines Hais bringt jeden Seemann in Aufregung; er kennt keinen größeren Feind als dieses gefräßige Ungeheuer und sucht es zu töten, selbst wenn er sich vor ihm sicher weiß.

Die Leute waren aufgesprungen und griffen nach allen möglichen Waffen. Auch ich langte nach meiner Büchse, um zu versuchen, ob eine Kugel hinreichend sei, das Tier zu erlegen. Da legte Potomba die Hand auf meinen Arm und bat:

„Schießt nicht, Sahib; Potomba ist ein Herr aller Haie und wird auch diesem befehlen zu sterben.“

Er warf die Tebuta und die Marra ab, sodass er nur den Lendenschurz trug, fasste sein Messer und schnellte sich weit vom Ufer hinaus ins Wasser, das zischend über ihm zusammenschlug.

Ein allgemeiner Schrei des Entsetzens ließ sich hören.

„Was tut der Mensch?“, rief der Kapitän. „Er ist verloren.“

„Seht die Flosse!“, schrie der Bootsmann, der mit einer Harpune hart am Wasser stand. „Der Hai hat ihn bemerkt und hält auf ihn zu. In zwei Sekunden hat er ihn gepackt.“

Auch ich war erschrocken, blieb aber ruhig.

„Was wird es nun mit Eurer Fahrt nach Tahiti, Charley?“, fragte der Kapitän. „Der Bursche da kommt nicht wieder aus dem Wasser.“

„Wollen es abwarten, Käpt’n! Ich habe in Westindien Taucher gekannt, die sich nicht fürchteten, bloß mit einem Messer bewaffnet, den Haifisch im Wasser anzugreifen. Der Fisch muss sich, um zuzuschnappen, auf den Rücken legen; das gibt dem kühnen Schwimmer Zeit, ihm das Messer in den Leib zu stoßen und, sich mit einem kräftigen Stoß fortschnellend, den Bauch des Tieres aufzuschlitzen. Da schaut, Käpt’n, der Kampf beginnt!“

Das Wasser schlug an der Stelle, wo sich der Fisch befand, einen schäumenden Strudel; dann tauchte in einer Entfernung davon erst der Kopf und dann der Oberleib Potombas empor. Er schwang das Messer hoch in der Luft und stieß einen lauten Siegesruf aus.

„Bei allen Kreuz- und Bramsegeln, er hat das Viehzeug wahrhaftig getötet!“, rief der Kapitän. „Dort schwimmt das Ungeheuer auf dem Wasser. Der Leib ist ihm aufgeschlitzt vom Kopf bis zum Schwanz.“

Die Umstehenden erhoben ein Freudengeschrei. Nichts konnte geeigneter sein, dem Sieger ihre Anerkennung zu beweisen. Er stieg an Land und trat, ohne das Lob der Leute, die ihn umringen wollten, zu beachten, auf mich zu.

„Der Hai ist tot, Sahib!“, meldete er einfach.

„Ich wusste es schon, als du ins Wasser sprangst“, erwiderte ich, ihm meine Hand entgegenstreckend.

Er erfasste sie und ich sah es ihm an, dass diese Anerkennung ihn mehr freute als das laute Lob der anderen.

„So hast du schon vorher geglaubt, dass Potomba einen starken Arm und ein mutiges Herz besitzt?“

„Ich sah es gleich, als du landetest. Du hast dich vor vierzehn Feinden nicht gefürchtet; ich habe dich lieb, Potomba.“

„Und ich bin dein Freund, Sahib! Sag diesen Yanki hier, dass ich keinen von ihnen in mein Boot nehmen werde, um ihn nach Papetee zu bringen. Du allein sollst mit Potomba fahren!“

„Ich habe es ihnen bereits gesagt. Wann segeln wir ab?“

„Wann du es befiehlst.“

„So halte dich bald fertig; ich bin schon jetzt bereit. Wir müssen einen Umweg machen, um die Boote deiner Feinde zu vermeiden, nicht?“

„Ja, Sahib. Hier hätte ich sie nicht gefürchtet, denn sie wären gefallen, bevor sie das Land betraten; auf der offenen See aber würden sie uns umringen und wir wären verloren. Wollt ihr den Fisch haben, Sahib?“

„Ja.“

„So gib mir eine Schnur!“

Sie wurde gebracht. Er band sie an das Gefieder seines Pfeils, legte sie sorgfältig entrollt zur Erde und schoss ab. Der Pfeil bohrte sich tief in den Leib des Hais, der nun herbeigezogen wurde. Inzwischen legte der Ehri die abgeworfenen Kleidungsstücke wieder an.

„Bist du fertig. Sahib? Potomba ist bereit, dich nach Tahiti zu bringen, und lieber wird er sterben, als dass er dir ein Leid geschehen lässt.“

2. Die Rache des Ehri

Zwischen den bereits von mir angegebenen Längen- und Breitengraden liegt jene Inselgruppe, die im Jahre 1606 von Quiros entdeckt und von dem berühmten Cook, der sie 1769 zuerst gründlich erforschte, zu Ehren der königlichen Gesellschaft der Wissenschaft zu London, ,Gesellschaftsinseln‘ genannt wurde.

Sie zerfallen in zwei Abteilungen: die Windwards- und die Leewardsgruppe6, die durch eine breite Straße getrennt werden. Zu der Ersteren gehören Tahiti oder Otaheiti, das die bedeutendste Insel des Archipels ist, Maitea, auch Mehetia genannt, und Eimeo oder Morea. Die Leewardsinseln sind Huahine, Raiatea, Taha, Borabora und Maurua oder Maupiti.

Diese ganze Inselgruppe ist vulkanischen Ursprungs; doch arbeiten die kleinen, fast mikroskopisch winzigen ,Baumeister des Meeres‘, die Pflanzentiere der Korallen, unausgesetzt an der Vergrößerung, umgeben jede einzelne Insel mit scharfen, spitzen Korallenringen und machen dadurch die Schifffahrt auf den Wasserstraßen, die die Eilande trennen, sehr gefährlich.

Der Gesamtflächenraum der Gesellschaftsinseln beträgt ungefähr vierunddreißig Quadratmeilen. Das Land hat viele schöne Häfen, die aber wegen der Korallenbänke und der dadurch entstehenden Brandung nur schwer zugänglich sind. Der Boden der Inseln ist durchgehend reich und fruchtbar. Die Gebirge sind mit dichten Waldungen bedeckt und die Küstenebenen durch Bäche wohl bewässert, sodass der üppige Pflanzenwuchs eine Fülle von Zucker- und Bambusrohr, Brotfruchtbäumen, Palmen, Bananen, Pisang, Platanen, Bataten, Getreide, Yams- und Arumswurzeln und andere südländischen Gewächsen umfasst.

Die Bewohner sind malaiisch-polynesischen Ursprungs, dunkelkupferfarbig (die Frauen meist etwas heller), gut und kräftig gebaut, gesellig, gastfrei und gutmütig. Sie leben in Einehe, halten ihre Weiber in häuslicher Zurückgezogenheit und lieben Musik, Tanz, Fechten und Wettfahrten auf ihren schnellen Booten.

Ursprünglich hingen sie einer polytheistischen Religionsform an, bei deren Ausübung selbst Menschenopfer nichts Ungewöhnliches waren. Ihre Priester, zugleich ihre Ärzte und Wahrsager, übten einen ungemeinen Einfluss auf sie aus, dem allerdings schon zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts die von den Engländern hier gegründeten Missionen entgegenarbeiteten. Später sandte das katholische Frankreich seine Sendboten herüber, die unter Mühen und Beschwerden mit den Vorurteilen rangen, die der Götzendienst dem sonst hoch begabten Menschenschlag eingeimpft hatte.

Die äußere Mission wird allerdings oft angeklagt, und ihre Sendboten haben tatsächlich nicht immer ihren Auftrag richtig verstanden. Die Gesittung hat ihre Barbarei, das Licht seinen Schatten, die Liebe ihre Selbstsucht, und von dem Ort der ewigen Seligkeit aus kann man, wie das Gleichnis von dem reichen Mann und dem armen Lazarus lehrt, hinunter in die Hölle blicken, um die Qualen der Verdammten zu beobachten. Christi Lehre der Liebe, Milde und Erbarmung ist, vom unduldsamen Eifertum auf den Schild gehoben und von einer schlau berechnenden Eroberungslust in Dienst genommen, über den größten Teil des weiten Erdenkreises gegangen. Ganze Rassen und Völker sind verschwunden oder liegen noch jetzt in den letzten, wilden Todeszuckungen. Die Geschichte hat dadurch für ihre zukünftige Entwicklung eine Reihe wichtiger kulturgeschichtlicher Kräfte und Werte verloren, und der Seelenhirt, der in die wilde Fremde geht, um die so genannten Heiden zu bekehren, beachtet nicht, dass die ,Wilden‘ ihren Bedürfnissen angemessen glücklicher sind als wir und dass unter den entarteten Schichten der heimatlichen Bevölkerung sein Wirken notwendiger wäre als unter den Andersgläubigen, die oft in paradiesischen Verhältnissen leben.

Es ist in diesem Zusammenhang viel über die Gesellschaftsinseln geschrieben worden. Als diese Gruppe entdeckt wurde, fand man in ihren Bewohnern ein kindlich-harmloses und beinahe wunschloses Volk, dem eine reiche Natur alle zu einem zufriedenen und sorgenfreien Leben notwendigen Erfordernisse in verschwenderischer Weise schenkte. Die Fremdlinge wurden mit freudiger Gastlichkeit aufgenommen, fast als Götter verehrt und erhielten alles, was ihr Herz begehrte. Sie brachten die Kunde davon in die Heimat, wo unter den Abenteurern der Wunsch nach dem Paradies der Südsee und seinen mühelos erreichbaren Genüssen rege wurde. Es wurden Schiffe ausgerüstet, die Handelspolitik begann ihre Pläne zu spinnen – – die Tahiter erhielten für ihre Gastfreundlichkeit die Laster und Krankheiten des Abendlandes zugeschickt und haben mehr die schlechten als die guten Eigenschaften derer angenommen, die nun zu ihnen kamen und sich Christen nannten, ohne es ihrer Herzensgesinnung nach zu sein. Dieser Umstand ist sehr beklagenswert. Allerdings muss die betrübende Tatsache zugestanden werden, dass die Tugenden der Tahiter seit ihrer Bekanntschaft mit den Europäern schwer gelitten haben; aber das Christentum der Schuld daran zu zeihen, heißt eine der ärgsten Ungerechtigkeiten begehen. Es ist nicht richtig, die Kirche mit denen gleichzustellen, die sich Christen nennen; die Christenheit zählt ihre größten Feinde in ihrer eigenen Mitte, und es ist tief zu beklagen, dass die Mission neben ihrer eigentlichen Aufgabe noch die traurige Arbeit übernehmen muss, dem unlauteren Einfluss entgegenzuwirken, der sich im Auftreten der bloßen Namenchristen äußert. –

Tahiti, die ,Perle der Südsee‘, lag unter einem herrlichen, tiefblauen Himmel. Die Sonne glühte auf die blitzenden Wogen des Meeres und die bewaldeten Spitzen des Orohenaberges nieder oder funkelte in den Bächen und schmalen Wasserfällen, die von den malerisch aufstrebenden Klippen herabsprangen. Aber ihre Glut erreichte nicht die freundlichen Ansiedlungen, die im Schatten der Palmen und zahllosen Fruchtbäume lagen und von der frischen Seebrise angenehme Kühlung zugefächelt erhielten.

In dem linden, milden Luftzug rauschten die langgefiederten Wedel der Kokospalmen und raschelten die breiten, vom Wind ausgerissenen Blätter der Bananen zur Erde nieder. Die verwelkten Blüten der Orangen, deren Zweige schon mit goldgelben Früchten bedeckt waren, tropften, wonnige Düfte verbreitend, von dem sich wiegenden Geäst herab. Es war einer jener zauberisch schönen, wunderbaren Tage, wie sie in so reicher Pracht und Herrlichkeit nur in den heißen Ländern zu finden sind.

Und während das Land in all seiner paradiesischen Schönheit so jung und frisch, als sei es eben erst aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, dalag, donnerte draußen an den Korallenriffen die Brandung ihr tiefes, nicht endendes und nicht wechselndes Lied. Die Zeiten sind anders geworden und mit ihnen die Menschen; die unendliche See ist noch dieselbe und schleudert noch heute, wie vor Jahrtausenden, ihre bald kristallenen, bald dunkel drohenden und mit weißem Gischt gekrönten Wogenmassen gegen die scharfen Dämme. Die von blitzenden Lichtern durchschossenen Fluten hoben und senkten sich, als blickten Tausende von Wasserjungfrauen hinüber, dahin, wo über dem Schaum der Wellen immergrüne, wehende Wipfel sich erheben, unter denen ein dem Untergang geweihtes Völkchen die letzten Pulsschläge seines eigenpersönlichen Leben zu zählen vermag, ohne dabei die Widerstandskraft zu äußern, die etwa die Todeszuckungen der amerikanischen Rasse dem weißen Mann so furchtbar macht.

Dort am Strand lag Papetee, die Hauptstadt Tahitis, und eine bunt bewegte Schar von Menschen wogte in weißen, roten, blauen, gestreiften, gewürfelten oder geblümten langen Gewändern hin und her. Wie prachtvoll hatten sich die jungen, bildhübschen Mädchen das schwarze, lockige und seidenweiche Haar mit Blumen und dem künstlich geflochtenen, schneeweiß wehenden Bast des Arrowroot geschmückt; wie gewandt und stolz waren die Bewegungen der eingeborenen Stutzer, die den bunten Parau oder die faltige Marra geckenhaft um die Lenden geschlungen und die Tebuta, das Schultertuch, malerisch über die Achsel geworfen hatten und so zwischen den Schönen umherstolzierten! Sie hatten die langen, fettglänzenden Locken mit Streifen ineinandergeflochtener weißer Tapa und roten Flanells umwunden, was ihnen zu ihren bronzefarbenen Gesichtern gar nicht so übel stand.

 

Da auf einmal drängte sich alles zum Ufer hin. Der Insel näherte sich ein Kanu, in dessen weißes Segel sich die Brise voll gelegt hatte, sodass die beiden Darinsitzenden des Ruders nur bedurften, um das Fahrzeug im richtigen Kurs zu halten.

Die beiden Männer im Boot waren Potomba und ich.

Der Ehri hatte wirklich Wort gehalten, denn wir langten nach zwei Tagen in Tahiti an, obgleich wir zu einem unbedeutenden Umweg gezwungen gewesen waren. Der stetig wehende starke Passat hatte uns trefflichen Vorschub geleistet; Potomba verstand es, jede einzelne Woge zu benutzen, und da wir nicht ermüdeten, weil wir uns im Rudern ablösen konnten, so war unsere Fahrt ungewöhnlich rasch vonstatten gegangen.

Jetzt nun lag die herrliche Insel vor uns, über die ich so viel Wahres und so viel Unverständiges gelesen hatte; Papetee hob sich immer mehr hervor, und endlich erkannten wir deutlich jeden Einzelnen unter der Menge des Volkes, das sich an den Strand drängte, um unser Fahrzeug zu beobachten.

Es fiel mir auf, dass sich eine solche Aufmerksamkeit auf unseren kleinen, unbedeutenden Kahn richtete, während es in dem Hafen doch noch ganz andere Gegenstände für die Neugier gab. Ich ließ das Segel fliegen, um von der Brise nicht an die Korallen getrieben zu werden, denen wir uns näherten, und fragte:

„Siehst du die Leute, Potomba?“

„Ja, Sahib“, nickte er.

„Wie kommt es, dass man gerade uns so beobachtet, während es doch viele Boote gibt, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnten?“

„Die Männer und Frauen kennen mein Boot und Potomba ist ein Ehri, berühmt unter den Leuten seines Volkes. Sitz still und halte dich fest, Sahib, denn wir stoßen jetzt in die Brandung!“

Wir näherten uns einer Seitenlücke des Korallenrings, durch die nur so schmale Fahrzeuge wie das unsrige Eingang finden konnten. Ein Ruderschlag brachte uns in die Brandung; ihr kochender Wall riss uns empor, hielt uns einen Augenblick lang fest, sodass es schien, als schwebten wir in freier Luft, und schnellte uns dann in das ruhige Binnenwasser hinab.

Rechts von uns lag eine Reihe von Seeschiffen, die durch die breitere Einfahrt Zugang gefunden hatten. Der Bau des einen kam mir bekannt vor, obgleich der Rumpf allein zu sehen und alles Segelwerk beschlagen war. Droben in den Wanten hing ein Mann, der diesen hohen Punkt gewählt zu haben schien, um besser nach der Stadt lugen zu können. Er trug einen mexikanischen Sombrero auf dem Kopf, und dieser Rohrfaserhut hatte eine Krempe von so außerordentlicher Breite, als ob eine ganze Familie wimmelnder Pekaris darunter Schutz suchen sollte. Eine so ungeheure Krempe wurde sicherlich nur auf besondere Bestellung hergestellt, und zu einer solchen Bestellung war nur ein Einziger fähig, nämlich der sehr wackere und ehrenwerte Kapitän Frick Turnerstick, mit dessen Barke ich vor einiger Zeit von Galveston nach Buenos Aires gefahren war.

„Halte hinüber nach diesem Schiff, Potomba!“

„Warum, Sahib?“

„Sein Kapitän muss ein Bekannter von mir sein.“

„So willst du mich schon jetzt verlassen und zu ihm gehen?“

„Ja, wenn ich den Mann dort nicht etwa verkenne.“

„Sahib, das Schiff gehört den Yanki, die ich nicht liebe. Suche dir lieber ein Schiff der Franki oder der Germani aus.“

„Der Mann ist mein Freund.“

„Aber ich werde dich dennoch nicht zu ihm bringen.“

„Warum?“

„Du hast zu Potomba gesagt: ,Ich habe dich lieb.‘ Hast du die Wahrheit gesprochen?“

„Ich sage dir keine Lüge.“

„So bitte ich dich, mit nach Papetee in mein Haus zu gehen, um bis morgen auszuruhen. Du müsstest eigentlich lange bei mir bleiben, viele Tage, viele Wochen, aber du hast den Deinen versprochen, schnell zurückzukehren, und darum darf ich dich nur bis morgen früh aufhalten.“

„Ich würde bei dir bleiben, solange es mir meine Zeit erlaubt, Potomba; aber wenn sich der Kapitän dort bereit finden lässt, die Meinen zu holen, und gleich absegeln kann, so muss ich mit ihm fahren.“

„Er kann nicht eher fort als morgen. Die Flut hat jetzt begonnen; er muss die Ebbe abwarten, die erst am Abend kommt, dann aber ist es so dunkel, dass er sich nicht durch die Klippen wagen darf.“

„Das ist wahr; er müsste also die zweite Ebbe erwarten, könnte sich aber auch während der Flut von einem Dampfer hinausbringen lassen.“

„Du vergisst, dass ein so großes Schiff vieler Zeit und Arbeit bedarf, um für die See fertig zu werden.“

„Und du weißt nicht, wie flink die Yanki sind, diese Arbeit zu vollbringen.“

„Und doch wird Zeit übrig sein, dass du wenigstens nur eine Stunde mit mir kommen kannst.“

„Das ist allerdings wahrscheinlich.“

„So versprich mir, mich nicht allein nach Papetee zu lassen!“

„Ich verspreche es.“

„Ich danke dir, Sahib! Potai, mein Bruder, wird sich freuen, dass ich einen Freund gefunden habe, der ein Germani ist.“

Wir hielten seitwärts nach dem Stern der Barke zu, und als wir näher kamen, bemerkte ich, dass ich mich nicht geirrt hatte. Ich erkannte die dort in großen, deutlichen Buchstaben angebrachte Inschrift ,The wind‘. Der Mann in den Wanten kehrte uns den Rücken zu und bemerkte also unser Nahen nicht. Als wir das Steuerbord des Schiffes beinahe erreicht hatten, legte ich die Hände an den Mund:

„Schiff ahoi – ich!“

Er drehte sich herum und betrachtete uns.

„Ahoi – ich – – ! Was – wo – – Huzza! Wer ist denn das? Legt an, legt an das Tau!“

Er kletterte zum Deck mit einer Geschwindigkeit nieder, die mich überzeugte, dass er mich erkannt hatte. Wir befestigten das Boot an dem Tau, das an der Seite des Schiffes niederhing. Ich ergriff es und schwang mich empor. Kaum war ich über die Reling7, so warf der Kapitän seine beiden Arme um mich und drückte mich mit einer Gewalt an seine teerduftende Jacke, dass mir der Atem schwinden wollte.

„Charley, old friend, Ihr hier zwischen diesen Inselklecksen? Wie kommt Ihr nach Australien? Wie kommt Ihr nach Tahiti und Papetee? Ich denke, Ihr seid noch immer drüben in Amerika.“

„Zu Schiff, zu Schiff komme ich her“, lachte ich, „anders ist es ja nicht gut möglich, mein lieber Master Turnerstick. Aber bitte, nehmt doch einmal Eure Pranken von meinem Leib, wenn Ihr es nicht geradezu darauf abgesehen habt, mir die Seele aus der Haut zu drücken!“

„Well, ganz wie Ihr wollt, Charley! Der Passat würde sie mit fortnehmen und nach China oder Japan treiben, wo man gar nicht wüsste, was man mit ihr machen sollte. Behaltet sie also lieber und sagt mir nun endlich, was Ihr eigentlich in diesen Breiten wollt!“

„Land und Leute kennenlernen, wie gewöhnlich.“

„Wie gewöhnlich? Hm, mir scheint das doch mehr ungewöhnlich. Da dampft, fährt, reitet, läuft, hetzt und springt dieser Mensch in der Welt herum, weil er Land und Leute kennenlernen will! Land und Leute! Eine freie, offene See ist mir lieber als alles Land, was Ihr zu sehen bekommt, und die Leute, na, meine paar Jungens hier sind mehr wert als alle die Schlingels, die Ihr ,Leute‘ zu nennen beliebt. Bleibt bei mir an Bord und fahrt mit meinem guten ,Wind‘ hinüber nach Hongkong und Kanton!“

„Nach Hongkong geht Ihr? Das ist prächtig! Ich fahre mit.“

„Wirklich? Hier meine Hand; schlagt ein!“

„Topp! Doch ich mache eine Bedingung!“

„Oho! Bei mir an Bord gibt es keine Bedingungen; das wisst Ihr wohl.“

„So steig ich wieder in mein Boot, Käpt’n.“

„Das wäre der albernste Streich, den Ihr in Euerm Leben begangen hättet, und vor dem ich Euch bewahren muss. Sagt also Eure Bedingung! Ich hoffe, dass ich sie erfüllen kann.“