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Im Reiche des silbernen Löwen II

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Diese Kurden waren durchgängig sehr gut beritten und auch, wenigstens nach dortigen Verhältnissen, zufriedenstellend bewaffnet. Wir hörten, daß sie dem erwarteten Zusammentreffen mit den Dawuhdijehs mit Zuversicht und ohne alle Furcht entgegensahen, denn sie waren überzeugt, daß sie diese Gegner vollständig überraschen würden. Darum fühlten sie sich enttäuscht, als ihnen Adsy mitteilte, was ich gestern abend über diesen Punkt gesagt hatte. Es wurde mit den – wenn ich mich so ausdrücken darf – Chargierten von ihnen eine kurze Besprechung abgehalten, an welcher wir uns auch beteiligten, und das Ergebnis war, daß meine Ansicht als die richtige erklärt und zur Befolgung angenommen wurde. Die Dreihundert blieben hier. Sie hatten vorsichtshalber Posten aufzustellen und jede in ihre Nähe kommende Person bis zu unserer Rückkehr oder bis zum Eintreffen einer Nachricht von uns festzuhalten. Sie selbst aber hatten natürlich sehr strenge Weisung, sich nicht sehen zu lassen. Man wußte, daß die Dawuhdijehs die jetzigen Lagerplätze der Hamawands genau kannten und daß es nach der Gliederung des Gebirges einen bedeutenden Umweg erfordert hätte, eine andere Richtung als die durch das Nebenflußthal, in welchem wir uns befanden, einzuschlagen. Es stand also mit Gewißheit zu erwarten, daß die Dawuhdijehs ihre auf den Angriff oder nur auf die Verteidigung gerichtete Aufmerksamkeit nach dieser Gegend lenken würden, was mich aber nicht abhielt, den Hamawands zu sagen, daß sie trotzdem auch nach rückwärts zu schauen hätten, da die Möglichkeit einer heimlichen Umgehung auch in Betracht zu ziehen sei.

Nach diesen und noch einigen andern nicht besonders zu erwähnenden Vorbereitungen traten wir unsern heutigen Ritt an. Unter diesem Wir sind natürlich die sechs schon gestern von uns getroffenen Kurden, Halef und ich gemeint. Der Hadschi lächelte still vor sich hin; als ich ihn nach der Ursache fragte, sagte er:

»Sihdi, wenn es wirklich ein Kismet giebt, was ich aber, seit ich dich kennen gelernt habe, nicht mehr glaube, so hat nicht nur das deinige, sondern ebenso auch das meinige wenigstens zehntausend Spannfedern im Leibe. Das kommt nie zur Ruhe und läßt auch uns nicht zur Ruhe kommen! Und dieser Leib mit den Spannfedern ist aus Gomelastik[238] gemacht. Das steht nicht fest; das hat keinen Halt; das bleibt nie so, wie es ist. Das hüpft und springt nur immer hin und her; das rollt und kugelt sich bald hierhin und bald dorthin, und wir werden mitgekugelt und mitgerollt. Gesten waren wir überzeugt, direkt nach Bagdad zu reiten; heut suchen wir einen Kulluk, der wo ganz anders liegt. Wohin wird diese Gomelastik uns morgen schicken? Aber ich sage dir, ich hab das gern, sehr gern; es gefällt mir außerordentlich!«

Er hatte nicht ganz so unrecht, wenn auch seine Porträtierung des Kismet etwas idealer hätte sein können!

Es verstand sich ganz von selbst, daß wir nicht beabsichtigten, dem Bache immerfort zu folgen, denn das hätte uns den Dawuhdijehs grad in die Arme geführt. Adsy kannte, wie er versicherte, die Gegend, in welcher der Kulluk lag. Nach seiner Meinung hatten wir bis ungefähr zum Mittag in der jetzigen Richtung zu bleiben und uns dann aber rechts in die Berge zu wenden, über welche die nach dem Turme gehende Luftlinie führte. Was wir da unterwegs für Terrain haben würden, das wußte er freilich nicht; vorauszusehen war, daß es kein bequemes sei.

Unsere Begleiter waren wohl auch gewöhnt, auf solchen Kundschafterwegen, wie unser heutiger war, vorsichtig zu sein, aber die außerordentliche, sozusagen spitzfindige Art der Bedachtsamkeit, welche ich mir bei den Indianern angeeignet hatte, welche jeden Grashalm, jeden Lufthauch in Berechnung zieht, die kannten sie nicht. Selbst Halef, der mich in dieser Beziehung doch unzähligemal beobachtet hatte, war nicht geschickt, eine Späheraufgabe zu übernehmen, deren Lösung jedem erwachsenen Indianer leicht geworden wäre. Der Hadschi hatte das zu unserem Nachteile schon wiederholt bewiesen.

Ich konnte mich also nur auf mich selbst verlassen, und indem ich voranritt, hatte ich die Augen überall und ließ mir nicht das geringste, was zu beachten war, entgehen. Dabei fand ich immer auch Zeit, Adsy, welcher neben mir ritt, meine Aufmerksamkeit zu schenken. Gestern, als ich ihn zuerst sah, war es schon nicht mehr ganz hell gewesen, und seine Begleiter hatten meine Augen von ihm abgelenkt, so daß eine genaue Betrachtung nicht möglich gewesen war; dennoch hatte ich schon da einen eigenartigen Eindruck von ihm bekommen. jetzt nun, wo ich ihn an meiner Seite hatte und es heller Tag war, gewann dieser Eindruck an Deutlichkeit. Der Sitz, die Haltung und alle Bewegungen des Kurden deuteten darauf hin, daß er ein gewandter, wohlgeübter Reiter sei. Er machte den Eindruck körperlicher Kraft und geistiger Energie; er war ein Mann. Und doch, wenn ich sein Gesicht zwar heimlich aber scharf betrachtete, wurde es mir schwer, ihm das Prädikat Mann zu lassen. Diese schmale, niedrige Stirn, aus welcher der Turban zurückgeschoben war, diese sanfte Rundung der Wangen und des Kinns, die Bartlosigkeit und Fülle der Lippen und vor allen Dingen der, wenn er sich unbeobachtet wähnte, seelisch weiche Blick des großen Auges, das alles war ganz und gar nicht männlich, sondern ausgesprochen weiblich, trotz aller Thatkraft, welche sich auch auf diesem Gesicht aussprach. Auch die Stimme lag zwar tief und hatte einen sehr bestimmten, befehlenden Ton, klang aber doch nicht so wie eines Mannes Stimme. Dazu kam ein leichter Schatten an den Rändern der Augenlider und die stumpfe, wie gebeizte Färbung der langen Wimperhaare. Das deutete auf die Gewohnheit der morgenländischen Frauen, ihre Wimpern mit Khol[239] dunkel zu färben, um dem Auge mehr Glanz und scheinbare Größe zu verleihen. Jetzt war dieser Farbstoff weggewaschen, wodurch die Wimpern das unbestimmte, stumpfe Aussehen bekamen.

Hierdurch veranlaßt, schenkte ich nun auch dem Körper dieses Kurden mehr Aufmerksamkeit als bisher. Die Hand war eine Frauenhand, und nun sah ich auch im Innern derselben die Spur der Hennahfarbe, welche nicht zu entfernen gewesen war. Nun war ein weiterer Blick auf die Gestalt gar nicht nötig, um überzeugt zu sein, daß es kein Mann, sondern eine Frau war, welche da an meiner Seite ritt.

Und sobald mir dieses klar geworden war, wußte ich auch sofort, wer sie war. Der damals bedeutendste Anführer der Hamawands, berühmter noch als selbst der bekannte Häuptling Hussein Aga, war der Scheik Jamir, welcher zwar von ganz gewöhnlichen Eltern stammte, sich aber durch seine glänzende Tapferkeit und sonstigen kriegerischen Eigenschaften zu solcher Anerkennung und Macht emporgearbeitet hatte, daß eigentlich er der oberste Befehlshaber und die Seele jedes Unternehmens seines Stammes war. In diesem Streben nach oben stand er nicht allein; er hatte in seiner ungewöhnlich begabten Frau eine rastlose Gehilfin und treue, mutige Kameradin, welche ihn in allen seinen Unternehmungen unterstützte und begeisterte und selbst im Kampfe nicht von seiner Seite wich. Nichts ehrt der Kurde mehr als Tapferkeit, und wenn bei ihm schon die Frau im gewöhnlichen Sinne mehr Achtung und größere Freiheit genießt, als bei den andern Orientalen, so ist es wohl begreiflich, daß diese Frau Jamirs in einem für den Orient mehr als ungewöhnlichen Ansehen stand. Kein Hamawandi hätte es gewagt, einem ihrer Befehle den geforderten Gehorsam zu verweigern. Man wußte, daß sie solchen Widerstand noch strenger als ein Mann bestrafen würde.

Es stand bei mir außer allem Zweifel, daß ich diese seltene Frau jetzt an meiner Seite hatte, und nun ich das wußte, erhielt der jetzige Ritt in meinen Augen einen ganz andern Inhalt und einen ganz andern Charakter. Also darum hatte sie sich den Namen Adsy = namenlos, beigelegt! Es verstand sich ganz von selbst, daß Schevin, dessen Bruder sie sich geheißen hatte, kein anderer als Jamir selbst, ihr Mann, war. Und Khudyr, der vergiftete Knabe, war ihr beiderseitiger Sohn. Nun verstand ich auch die Pseudonymität dieses Schevin, der durch diesen Namen, welcher soviel wie Hirte bedeutet, sich als einen einfachen, ungefährlichen und friedfertigen Schäfer hinstellen wollte. Allerdings war dazu unbedingt erforderlich, daß es unter den Dawuhdijehs keinen gab, der ihn persönlich kannte und seinen eigentlichen Namen verraten konnte. Wie es damit stand, wußte ich nicht; nach allem aber, was ich bis jetzt gehört hatte, war viel eher zu vermuten, daß er erkannt und wegen der Verleugnung seines Namens als höchst verdächtig zurückgehalten worden war. Das hatte seine Frau erfahren und war sofort ausgerückt, ihn wieder herauszuholen. Zwar kühn aber auch zugleich echt weiblich dünkte mir das Beginnen, mit ihren Reitern in das Gebiet der Dawuhdijehs einzudringen, ohne vorher genau erfahren zu haben, wo Jamir zu finden sei. Ich interessierte mich ungeheuer für diese Frau und war nun entschlossen, mein möglichstes dazu beizutragen, sie wieder in den Besitz ihres Mannes und Kindes zu bringen. Dabei sollte sie nicht ahnen, daß ich sie erkannt hatte. Auch Halef wollte ich nichts davon sagen, denn dieser kleine, schnellfertige Mann hätte sich sehr leicht in einem Augenblicke des Affektes hinreißen lassen, mit diesem Geheimnisse, welches er nicht kennen sollte, herauszuplatzen. Also, jetzt war mir alles klar, und ich hatte jetzt zu diesem Unternehmen zehnmal mehr Lust als vorher. Es ist ein großer Unterschied, wenn man vor einem Wagnisse steht, ob man weiß oder nicht, für wen man es unternimmt. Diese Mutter sollte ihr Kind wieder haben!

 

Wir waren wohl schon zwei Stunden unterwegs, als wir den vielen und engen Windungen eines Thales folgten, wo ich meine ganze Aufmerksamkeit zusammennehmen mußte, weil hinter jeder dieser Krümmungen eine unerfreuliche Überraschung für uns stecken konnte. Ich konnte diese meine Vorsicht nicht verheimlichen. Adsy lächelte über sie und erklärte es für sehr überflüssig und zeitraubend, bei jeder Wendung anzuhalten und nachzusehen, ob hinter derselben ein Dawuhdijeh versteckt sei. Ich nahm dies ruhig und ohne mein Verhalten zu verteidigen, hin, bis die Windungen aufhörten und das Thal eine bedeutende Strecke in fast schnurgerader Richtung verlief. Es schien am Ende dieser Geraden mit einem Seitenthale zusammenzutreffen, aus weichem wieder ein Wasser geflossen kam, um sich mit dem unserigen zu vereinigen. Da dort unten nichts Verdächtiges zu bemerken war, ritten wir getrost weiter und hatten die Strecke schon beinahe zurückgelegt, als ich etwas sah, was mich bewog, mein Pferd sofort zwischen die an der Seite stehenden Büsche zu lenken.

»Hier herein! Schnell herein, schnell!« forderte ich die andern auf.

Halef, welcher meine Art und Weise kannte, folgte augenblicklich; die Kurden aber zögerten, und Adsy erkundigte sich, indem er draußen halten blieb:

»Warum sollen wir da hinein? Sage es!«

»Da unten kommt jemand, oder es ist schon jemand dort,« antwortete ich. »Versteckt euch rasch hierher, ehe ihr gesehen werdet!«

Nun kamen sie, doch mit nicht allzu großer Eile. Ich vergewisserte mich, daß sie von draußen nicht gesehen werden konnten, und sagte ihnen dann:

»Wenn ich euch so plötzlich auffordere, euch zu verstecken, so müßt ihr es, ohne zu fragen und ohne einen Augenblick zu zögern, thun. Merkt euch das!«

»Hast du denn jemand gesehen?« fragte Adsy.

»Ja.«

»Wen?«

»Zwei Aßafir[240]

»Zwei Aßafir? Und wegen dieser kleinen Vögel sollen wir uns hier verstecken?«

»Ja.«

»Ich habe sie auch gesehen. Es war ein Finkenpaar, welches uns entgegengeflogen kam, aber als es uns sah, vor uns in die Bäume flüchtete.«

»Diese Finken meine ich.«

»Aber was giebt es da für einen Grund zu deiner großen Besorgnis?«

»Einen sehr triftigen. Die Vögel haben mir gesagt, daß da unten wahrscheinlich Menschen sind.«

»Maschallah! Ich habe nur ein zweimaliges, ängstliches Pinkpink gehört. Verstehst du, was die Vögel sagen?«

Das war im Tone der Ironie gefragt; ich antwortete:

»In diesem Falle verstehe ich es. Du brauchst nicht zu lächeln; dein Spott ist überflüssig!«

»Ja, du lächelst!« warf da Halef zwar leise aber zornig ein. »Ich sage dir, wenn mein Effendi behauptet, daß er die Sprache der Vögel verstehe, so sagt er die Wahrheit. Ihm sind alle Sprachen der Menschen, der Tiere und der Pflanzen offenbar, und wer darüber lächelt, der mag sich wohl vorsehen, daß er nicht dann später dafür laut ausgelacht wird!«

Ich war abgestiegen und an den Rand des Gebüsches getreten, um hinauszusehen. Ich bemerkte noch niemand und. konnte also den Kurden erklären:

»Die Vögel kamen rechts aus dem Seitenthale; ich habe das gesehen, denn meine Augen sind schärfer als die eurigen, auch passe ich besser auf als ihr. Sie wollten geradeaus fliegen, an unserem Thale vorüber, machten aber eine plötzliche, scharfe Schwenkung nach links, zu uns herein. Sag doch einmal, Adsy, sind sie bis zu uns gekommen?«

»Nein,« antwortete er, den ich jetzt noch als Mann bezeichnen will, weil er als solcher vor uns gelten wollte.

»Warum nicht?«

»Weil sie uns sahen und darum zwischen die Bäume flüchteten.«

»Also, weil sie uns gesehen haben, sind sie auf die Seite geflüchtet?«

»Ja,«

»Nun, was folgt aus diesem Grunde daraus, daß sie da unten plötzlich auf die Seite nach uns flüchteten?«

»Daß sie – — – ah, meinst du etwa, daß sie dort auch jemanden gesehen haben?«

»Ja, das meine ich. Wenn ein Vogel seinen geraden Flug so plötzlich unterbricht, daß aus seiner Bahn ein scharfer Winkel wird, so kannst du fast mit Sicherheit daraus schließen, daß er das aus Angst, aus Schreck gethan hat. Die Finken sind auf Menschen getroffen, du magst es glauben, oder nicht!«

»Effendi, wenn das wahr wäre, so hätte man uns von dir nicht zu viel erzählt!«

»Es ist wahr. Übrigens giebt es da gar keinen Grund zur Bewunderung, denn es gehört nichts als ein wenig Nachdenken dazu, von dem Verhalten der Vögel auf die Anwesenheit von Menschen zu schließen. jetzt paßt auf! Steigt ab, und haltet euern Pferden die Mäuler zu! Ich sehe sie; sie kommen hier vorüber!«

Es erschienen jetzt unten an der Mündung zwölf kurdischer Reiter, welche zu zweien oder dreien nebeneinander ritten und am Wasser herauf, also auf uns zu, kamen. Sie sprachen so laut miteinander, daß wir ihre Stimmen schon von weitem hörten.

Nun befolgten unsere Reiter allerdings schnell meine Anweisung. Wir waren draußen auf Steingeröll geritten und hatten also keine bedeutenden Spuren gemacht. Ein Indianer hätte sie freilich sogleich bemerkt; von diesen Kurden brauchte ich das aber nicht zu befürchten. Sie kamen ganz langsam und gemächlich herbei, als ob sie sehr viel Zeit hätten, und ritten ebenso langsam vorüber, ohne uns zu bemerken. Ich horchte aufmerksam auf das, was sie sprachen, hörte aber nichts, was von Bedeutung zu sein schien. Als das Pferd des Voranreitenden einige rasche Schritte machte, rief einer der ihm folgenden halb im Scherze:

»Ahdele mehke!«

Das heißt auf deutsch: »Übereile dich nicht!« Hieraus war, wie überhaupt aus ihrer Langsamkeit zu schließen, daß sie ihren Ritt für keinen hielten, bei dem Schnelligkeit vonnöten war. Dann hörte ich etwas vom Avik eduduahn, vom »zweiten Bach« oder vom »zweiten Wasser« sagen und auch von einem Moda gumgumuk, was eine Stelle bedeutet, wo es Eidechsen giebt. Das waren für mich ganz unwichtige Worte, welche ich aus dem lauten Wortschwalle ihrer in mehreren Gruppen geführten Unterhaltung herausgehört hatte und für vollständig wertlos hielt. Aber als sie vorüber waren und ich Adsy fragte, ob es Dawuhdijeh-Kurden gewesen seien, antwortete er:

»Ja, es waren welche, und, Effendi, sie reiten nach der Stelle, wo wir geschlafen haben und wo sich meine Krieger jetzt befinden.«

»Woher weißt du das?«

»Sie sprachen davon; sie nannten den Namen dieser Stelle: Moda gumgumuk. Höchst wahrscheinlich wollen sie sich dort verstecken, um aufzupassen, wenn wir kommen, und dann ihren Scheik davon benachrichtigen!«

»Ah! Siehst du, daß ich ganz richtig vermutet habe? Sie sind überzeugt, daß ihr kommt. Hoffentlich passen deine Leute auf und fangen sie weg!«

»Das werden sie gewiß thun. Ich bin überzeugt davon. Wüßte man nur, wo nun die eigentliche Schar der Dawuhdijehs steht, die ganz gewiß nun auf uns wartet, um über uns herzufallen!«

»Wir würden den betreffenden Ort bald finden, doch kann es nicht unsere Absicht sein, ihn zu suchen, da wir vor allen Dingen nach dem Kulluk wollen.«

»Könntest du den Ort vielleicht erraten?«

»Ja.«

»Ohne daß du schon in dieser Gegend gewesen bist?«

»Ja.«

»Effendi, ich staune!«

»Da brauchst du gar nicht zu staunen!« bemerkte Halef in sehr hohem Tone. »Bei der ungeheuren Länge des Verstandes, den mein Sihdi besitzt, und bei der unendlichen Breite des meinigen müssen uns alle Dinge offenbar werden, welche für andere Leute ein ewiges und unentdeckbares Geheimnis bleiben!«

»Wenn du es auch weißt, so sag es!« forderte ich ihn auf, um ihn für seine Großsprecherei zu strafen.

Da machte er mit den Händen eine wegwerfende Bewegung und antwortete:

»Wer ist gefragt worden, du oder ich? Und wer hat behauptet, daß er es erraten könne, du oder ich? Sprich also du; ich werde es bestätigen!«

Er verdeckte mit dieser Aufforderung seine Verlegenheit. Ich, als der alte, immer gute Kerl, wollte ihn denn doch nicht so offen blamieren und erklärte darum den darauf wartenden Kurden:

»Es unterliegt keinem Zweifel, besonders weil diese zwölf Späher hier vorübergekommen sind, daß die Dawuhdijehs am untern Laufe dieses Flüßchens postiert sind, und zwar muß es an einer Stelle sein, wo mehrere Hundert Reiter nicht nur Platz, sich zu verstecken, sondern auch Raum zum nachherigen Angriffe haben. Vielleicht ist euch ein solcher Ort, eine Verbreiterung oder Ausbuchtung des Thales bekannt?«

»Es giebt deren nur zwei; ich kenne sie,« sagte Adsy. »Aber welche mag es sein?«

»Das wirst du gleich erfahren.«

»Von dir?«

»Ja.«

»Der du hier unbekannt bist?«

»Trotzdem!«

»Effendi, bist du denn allwissend?«

»Nein; ich denke bloß nach, was du ebenso gut wie ich thun könntest. Giebst du zu, daß die zwölf Späher, welche wir jetzt gesehen haben, heut von der Stelle fortgeritten sind, an welcher die eigentliche Schar der Dawuhdijehs auf eure Ankunft wartet?«

»Ja, denn anders ist es nicht.«

»Hast du den El Chilel-Strauß[241] gesehen, den der Voranreitende vorn an seinem Turban stecken hatte?«

»Ja. Kennst du die Bedeutung dieses Straußes?«

»Ich kenne sie. Es ist ein Aberglaube.«

»Nein, es ist kein Aberglaube, sondern es trifft wirklich zu; ich habe es oft selbst erfahren. Wer etwas unternehmen will, der muß einen Strauß von El Chilel bei sich tragen; dann gelingt sein Vorhaben, denn die Geister, welche El Chilel lieben, helfen ihm!«

»So? Dann sag doch einmal, warum er heut so einen Strauß angesteckt hat!«

»Daß sein Spähen gegen uns gelingen möge.«

»Glaubst du, daß es gelingt?«

»Nein; er wird mit seinen Leuten unbedingt von meinen Kriegern gefangen genommen.«

»Wird El Chilel also helfen?«

»Nein. Effendi, mit dir darf man sich nicht streiten!«

»Schön, daß du das einsiehst; merke es dir!«

»Warum sprichst du überhaupt von diesem Strauße?«

»Das wirst du gleich erfahren. Es kommt darauf an, ob ich diesen Aberglauben richtig kenne. Wann muß die Pflanze El Chilel gepflückt werden?«

»Beim Beginn dessen, was man thun will, nicht eher.«

»So habe ich es richtig gewußt. Wann wird dieser Dawuhdijeh also den Strauß gepflückt haben?«

»Ganz kurz vor seinem Aufbruche.«

»So ist das Alter des Straußes also grad so wie die Dauer des Rittes?«

»Ja.«

»So will ich dir sagen, daß diese Pflanzen El Chilel vor ungefähr drei Stunden gepflückt worden sind, nicht viel eher, aber auch wohl nicht später.«

»Woher weißt du das?«

»Ich sehe es. Ich besitze darin Übung, denn ich habe unzähligemal aus der Beschaffenheit eines geknickten Ästchens, eines zertretenen Grases oder einer welkenden Pflanze die Zeit bestimmen müssen, vor welcher diese Pflanze geknickt, gepflückt oder niedergetreten worden ist. Ich weiß gewiß, daß ich mich auch jetzt nicht irre. Diese Dawuhdijehs haben ihren Ritt vor drei Stunden begonnen, und man kann also die Stelle, an welcher eure Gegner lagern, in genau dieser Zeit erreichen, wenn man so langsam, wie sie geritten sind, hier an diesem Wasser immer abwärts reitet.«

»Das stimmt, Effendi, das stimmt zum Verwundern! Dort liegt der erste der beiden Plätze von denen ich sprach. Das Thal macht links einen Bogen, während die rechte Wand desselben geradeaus streicht. Dieser El Chilel hat dir die Wahrheit gesagt. Ich sehe ein, daß es gut ist, dich immer zu fragen, ehe man etwas unternimmt!«

Da rief Halef, schnell fragend:

»Will sich vielleicht wieder jemand räuspern?«

Um den Eindruck dieser Ironie des Kleinen nicht aufkommen zu lassen, fiel ich rasch ein:

»Ihr lachtet vorhin über meine Vorsicht, die ihr für überflüssig hieltet. jetzt aber gebt ihr wohl zu, daß sie notwendig war?«

»Ja, Effendi,« antwortete Adsy. »Ohne dich wären wir diesen zwölf Dawuhdijehs in die Hände geritten, und es wäre ein Kampf unvermeidlich gewesen.«

»Das war mein Beachten des Vogelfluges. Und was mir der Strauß verraten hat, hast du auch gehört. So muß man, wenn man sich auf Kundschaft oder überhaupt unterwegs befindet, auf alles achten. Die geringste Kleinigkeit kann den Tod bringen oder vom Tode erretten. jetzt möchte ich vor allen Dingen wissen, ob du überzeugt bist, daß deine Krieger ihre Pflicht thun und sich die Dawuhdijehs nicht entkommen lassen.«

 

»Sie werden sie ergreifen.«

»Wenn sie aber so unvorsichtig sind, sich vorher von ihnen sehen zu lassen, bekommen sie sie nicht!«

»Sie werden keinen Fehler machen; ich kenne sie. Sie wissen, daß sie jetzt Kara Ben Nemsi Effendi und seinem Hadschi Halef zu beweisen haben, daß sie tüchtige Krieger sind, und werden sich also tadellos verhalten.«

»Gut, so können wir weiter reiten.«

»Aber nicht so weit an diesem Wasser hinab, wie wir erst beabsichtigten!«

»Nein. Wir wollten erst um die Mittagszeit nach rechts abschwenken; aber da die Dawuhdijehs nur drei Stunden von uns entfernt sind, müssen wir das eher thun.«

»Wann und wo?«

»Sobald die Berge es uns erlauben.«

»Vielleicht nehmen wir schon dieses Seitenthal, welches da vor uns liegt?«

»Nein, das wäre zu früh. Auch vermute ich, daß es nicht nach unserer Richtung führt. Reiten wir so lange, bis wir ein passendes haben!«

Wir zogen unsere Pferde aus dem Gebüsch heraus, stiegen auf und setzten unsern unterbrochenen Ritt fort. Da stellte sich denn sogleich heraus, daß das erwähnte Nebenthal nach Nordost anstatt nach Nordwest verlief; wir durften ihm nicht folgen.

Wir konnten natürlich der notwendigen Vorsicht wegen nicht so rasch vorwärts kommen, wie wir es wohl wünschten. Es verging weit über einer Stunde, ohne daß sich uns ein Weg nach rechts öffnen wollte; da gab es wieder eine Begegnung, und zwar eine, welche wir beide, Halef und ich, nicht für möglich gehalten hätten. Es gab eine Stelle, wo der Bach sehr tief durch Felsen schnitt; wir mußten unter Bäumen auf das hohe Ufer hinauf; es waren da meist Eichen. Eben wollten wir jenseits wieder hinunter auf die wieder breitere Sohle des Thales, als wir zwei weibliche Gestalten sahen, welche da unten saßen und Körbe vor sich stehen hatten. Sie schienen auszuruhen. Die Gesichter zu erkennen, dazu waren wir ihnen noch nicht nahe genug, zumal sie die um den Kopf gewundenen Tücher vorgezogen hatten. Natürlich hielten wir an, um über unser Verhalten zu beraten.

»Es sind Frauen, die gehen uns nichts an,« meinte Adsy in wegwerfendem Tone.

»Warum nicht?« antwortete ich. »Hier kann uns jedes Kind gefährlich werden, wenn es uns verrät.«

»Es sind Galläpfelsammlerinnen, welche sich gar nicht um uns bekümmern werden; ganz arme Frauen!«

»Daß sie arm sind, sieht man ihrer Kleidung an. Für Sammlerinnen von Galläpfeln halte ich sie aber nicht.«

Es muß bei dieser Gelegenheit gesagt werden, daß Kurdistan das Hauptproduktionsland für Galläpfel ist.

»Ich bin überzeugt, daß sie Galläpfel in ihren Körben haben!« beharrte Adsy bei seiner Behauptung.

»Ich auch; aber grad das macht sie mir verdächtig!«

»Warum?«

»Welcher vernünftige Mensch sammelt jetzt Galläpfel, wo sie von der Schärfe des Winterschnees vollständig ausgelaugt sind? Wer das thut, der thut es nur zum Scheine und hat einen ganz anderen Zweck dabei. Ich kenne nördliche Kurdenstämme, bei denen die Frauen als Kundschafterinnen gebraucht werden.«

»So denkst du etwa – — –?«

»Ich denke nichts, als daß sie mir höchst verdächtig sind, grad der Galläpfel wegen, und daß wir sie also sehr scharf ins Verhör nehmen müssen.«

»Sie werden fliehen, sobald sie uns kommen sehen!«

»So lassen wir uns nicht eher sehen, als bis wir sie sicher haben. Ich werde mit Halef absteigen. Wir schleichen uns an sie hinan, und erst dann, wenn wir sie festhaben, kommt ihr nach. Vorwärts, Halef! Du bleibst auf dieser Seite des Thales; ich gehe auf die andere.«

»Hamdulillah!« meinte der kleine Hadschi. »Das giebt doch endlich einmal etwas anderes als das ewige fest im Sattel sitzen. Wir gehen auf die Frauenjagd. Sidhi, ich fange sie alle beide! Du brauchst gar nichts dabei zu thun!«

»Nur keine Unvorsichtigkeit, Halef!«

»Was denkst du von mir! Bin ich schon so vorsichtig bei Hanneh, dem lieblichsten Gallapfel auf – — Allah, verzeihe mir! – — wollte sagen, der lieblichsten Blume unter allen Rosen und Blüten des Frühlings, wie werde ich mich da erst bei diesen fremden Weibern in acht nehmen! Du brauchst nicht eine Spur von Sorge um mich zu haben, Effendi!«

Er huschte fort, unter den Bäumen hin. Ich hatte erst wieder zurückzugehen und über das Wasser zu springen. Er konnte also eher dort sein als ich. Anstatt nun zu warten, bis ich käme, sprang er unter den Bäumen hervor und auf die Frauen zu, mit dem hoch erhobenen Messer in der Hand. Ich sah das und beeilte mich möglichst, um die Flucht nach der andern Seite zu verhüten, bemerkte aber bald, daß dies nicht nötig war, denn die Frauen waren aufgesprungen, bewegten sich aber vor Schreck, wie ich dachte, keinen einzigen Schritt vorwärts.

Zu meiner Verwunderung stand Halef ebenso starr wie sie. Die Hand mit dem Messer drohend erhoben, machte er nicht die geringste Bewegung. Dann aber, als er mich kommen sah, rief er mir mit schallender Stimme entgegen:

»Sihdi, komm, komm, komm! Geschwind, rasch schnell!«

Aber gleich darauf winkte er mit beiden Armen ab und schrie mich aus Leibeskräften an:

»Halt, halt, halt! Bleib stehen! Nicht weiter, ja nicht weiter, keinen Schritt mehr, keinen einzigen!«

Da blieb ich also stehen, denn wenn er dies von mir verlangte, mußte er überzeugt sein, daß die beiden Frauen uns gewiß nicht davonlaufen würden. Aber neugierig war ich, weshalb ich erst so schnell kommen und dann aber so plötzlich stehen bleiben sollte. Es handelte sich jedenfalls um eine Überraschung, aber um welche?

»Sihdi«, fuhr er nun fort, indem sein Gesicht glänzte und seine Augen vor Freude strahlten, »du kannst gut raten, weil dein Verstand so in die Länge gezogen ist. Ich fordere dich auf, jetzt einmal nachzudenken!«

»Worüber?« fragte ich.

Anstatt mir gleich zu antworten, schrie er die Frauen an, welche Miene machten, sich nach mir umzusehen:

»Halt! Nicht umdrehen, nicht umdrehen! Er darf eure Gesichter nicht sehen. Schaut ihn nicht an, wenn ihr mir nicht die Wonne dieses Augenblicks ganz und gar verderben wollt! Ich bitte euch, rührt euch ja nicht!«

Und sich mir nun wieder zuwendend, gab er mir lachend die Auskunft:

»Worüber du nachdenken sollst? Natürlich darüber, wer diese beiden Frauen sind!«

»Dieses Nachdenken würde zu gar nichts führen, da ich ja gar keinen Anhalt habe.«

»Keinen Anhalt? O Sihdi, wie du doch nur so reden kannst! Keinen Anhalt! Hier stehe ich, dein berühmter Begleiter und Beschützer. Bin ich kein Anhalt für dich?«

»Bist du es denn, über den ich nachdenken soll?«

»Nein, denn du würdest trotz aller Anstrengung deiner Geisteskräfte doch nicht dazu kommen, die Höhe meines Wertes und die Tiefe meiner Weisheit zu ermessen. Aber über diese beiden Frauen sollst du nachdenken, wie ich dir ja schon ganz deutlich gesagt habe!«

»Ich soll also raten, wer sie sind?«

»Jaja, jaja! Sag es doch nur, schnell, schnell!«

Er hatte gut reden, denn er hatte ihre Gesichter vor sich; ich aber sah von ihnen nur den hintern Teil der ärmlichen Gewänder, welche so weit und faltig waren, daß sie nicht einmal die Umrisse der Gestalten erkennen ließen. Darum konnte ich nichts anderes sagen als:

»Ich kann es nicht erraten, wenn du mir keinen Fingerzeig, keinen Anknüpfungspunkt giebst.«

»Fingerzeig? Allah akbar! Da stehe ich doch und zeige mit allen zehn Fingern auf sie! Ist das etwa noch nicht genug? Und Anknüpfungspunkt? Es stehen dir doch alle möglichen hiesigen Punkte zur Verfügung, daß du sie entweder zusammen-, oder aneinanderknüpfen kannst! Und da behauptest du, daß sie dir fehlen!«

Er wollte noch mehr sagen, wurde aber von der einen Frau unterbrochen. Ich hörte sie sagen:

»Du bist Hadschi Halef Omar, den wir liebgewonnen haben. Ich habe dich sogleich wiedererkannt. Wer aber ist der Sihdi, mit welchem du sprichst und den wir nicht anschauen sollen?«

»Rate du auch einmal!«

»Welche Wonne, welche Seligkeit, wenn es der wäre, an den ich denke!«

»Nun, an wen denkst du?«

»Ist es etwa der gute Effendi aus Dschermanistan, als dessen Begleiter du damals bei uns warst?«

»Ja, der ist‘s. Du hast es erraten.«

»Und da verlangst du von mir, daß ich ihn nicht ansehen soll? Bist du von Sinnen? Bist du denn ganz und gar verrückt? Meine Seele hat sich nach ihm gesehnt ohne Unterlaß, wie das Mehl sich nach dem Wasser sehnt, um mit ihm in Teig verwandelt zu werden, und nun mir dieser heiße Wunsch in Erfüllung geht, soll ich meine Augen nicht aufschlagen zu dem, den meine Seele liebt! Ich drehe mich um!«

Ihre Stimme klang außerordentlich energisch. Ebenso war auch der Ruck, mit welchem sie sich dann zu mir herumschwenkte. Ich erblickte sie; ich sah ihr Gesicht, und in demselben Momente stiegen alle jene Erinnerungen an Marah Durimeh in mir auf. O du liebe, du holde, du süße – — –!

Doch ehe ich den Namen nenne, muß ich ein Wort über sie sagen, die jetzt vor mir stand:

Es war an dem Tage, an welchem ich, wie bereits erwähnt, dann des Nachts hinauf zur Höhle stieg, um den geheimnisvollen »Geist der Höhle« kennenzulernen. Ich war gefangen und wurde nach einer steinernen Hütte geschafft, welche nahe dem Dorfe Schohrd in einer wilden Schlucht gelegen war. Im Innern derselben band man mich an einen Pfahl. Eine alte Frau hatte mich zu bewachen. Sie hieß Madana; ich habe sie in meinem damaligen Berichte folgendermaßen beschrieben:[242]

238Gummi elasticum.
239Antimon, Collyrium.
240Plural von Aßfür = kleiner Vogel.
241Steinklee, Melilotus.
242Siehe Karl May, »Durchs wilde Kurdistan«, Seite 557.