Za darmo

Im Reiche des silbernen Löwen II

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»Es soll ja auch nicht in den Kopf, sondern eben nur auf die Wangen! Deine Dschanneh giebt sich doch wohl auch alle Mühe, dir zu gefallen?«

»Nein, denn sie weiß, daß sie mir ohne alle Mühe gefällt.«

»Weil ihr Angesicht noch glatt und ohne Knillen ist! Aber trotzdem wird sie sich ganz gewiß verschiedener Mittel zur wonnigen Erhöhung ihrer Schönheit bedienen?«

»Ich weiß von nichts.«

»Sie thut doch wohl Bumada[209] in das Haar?«

»Nein. Ich mag den Geruch der Bumada nicht haben.«

»Und Dakik[210] ins Gesicht?«

»Auch nicht. Die gesunde Wangenröte ist schön, und was schön ist, soll man doch nicht mit einer Schicht von Mehl bedecken.«

»Da hast du freilich recht, denn das Mehl ist zum Backen des Brotes aber nicht zur Verpackung des Gesichts bestimmt. Aber deine Dschanneh bestreicht ihre Lippen doch mit Hennah?«

»Nein. Ihr Mund, mit dem sie zu mir spricht, bedarf der Farbenlüge nicht.«

»Aber schwarze Farbe thut sie an die Augen, um die Eindringlichkeit ihres Blickes zu erhöhen?«

»Auch das nicht. Ihr schönes, klares Auge meidet jedes Dunkel.«

»Welchen Koku[211] pflegt sie anzuwenden, um deiner Nase lieblich zu erscheinen?«

»Keinen.«

»Auch nicht ein wenig Misk[212]? Den man von heut bis nach zwei Wochen riecht!«

»Den nun gar nicht! Mit Misk könnte man mich zur Flucht auf Nimmerwiederkehr verleiten. Ich kann ihn nicht erriechen. Künstliche Düfte unterstützen die Unwahrheit. Es ist in meinen Augen eine Sünde, den leisen, keuschen Duft einer gesunden Frau durch solche Mittel zu verdrängen.«

»Oh, Sihdi, was bist du doch für ein Salym[213]! Wenn an deiner Dschanneh nichts, gar nichts künstlich sein darf, wie soll sie da die schöne Zeit verbringen, welche andere Frauen mit solcher Seligkeit auf die sorgfältige Verschönerung ihres Körpers verwenden?«

»Sie unterrichtet mich.«

»Allah akbar – Gott ist groß! Dich? Dich!!!«

»Ja.«

»Sihdi, das ist unmöglich! Ich kenne dich doch! Dein Geist ist reich und scharf und vielerfahren. Was könntest du von Dschanneh, deiner Seele, lernen!«

»Das ist ja eben der große, der unbegreifliche Fehler der Menschheit, daß sie den Geist nicht zur Seele in die Schule schicken will! Sie kennt das Verhältnis beider nicht und glaubt ganz falscher Weise, daß die Lehrerin vom Schüler zu lernen habe.«

»Das verstehe ich nicht!«

»Laß dich das nicht betrüben. Es geht Unzähligen so wie dir; diese aber meinen, es besser zu verstehen! Sie lassen die Seele verkümmern und putzen, bemalen und parfümieren den Geist, damit er herrschender Eunuche werde!«

»So gelten dir also selbst die herrlichen Haremsdüfte nichts?«

»Welche Frage! Im Ben Schir steht zu lesen. Allah war erst Schöpfer und dann Poet. Als er die Erde geschaffen hatte, schenkte er ihr zur Verherrlichung seiner Schöpfung ein göttliches Gedicht, nämlich das Weib. Was sagst du nun dazu, lieber Halef, daß dieses Gedicht sich mit Bumada und Mehl bestreicht und sich mit dein Geruch aus dem Beutel des Moschustieres umhüllt, daß es sich die Lippen, die Wangen, die Augen und die Hände färbt, und sich überhaupt alle mögliche Mühe giebt, durch künstliche Mittel den göttlichen Wohlklang zu zerstören, der ihm von dem himmlischen Dichter und höchsten Kenner des wahrhaft Schönen verliehen wurde?«

»Was ich dazu sage, Sihdi? Ich verzichte auf dies Alles, doch auf die Schönheitssalbe nicht.«

»Ich habe Hanneh einmal ein Gedicht genannt. Ihre Falten sind die Dankbarkeit und Ehrfurcht erweckenden Zeilen desselben.«

»Du hältst also die Marham ed Dschamahl, die ich holen will, für überflüssig?«

»Ja.«

»So scheinen die Falten des Abendlandes nicht so betrübend zu sein wie die des Morgenlandes. Nach unserm Geschmacke ist ein faltenloses Gesicht viel schöner als eines, welches Runzeln hat, und wenn ich meiner Hanneh die Glätte der Wangen verschaffen kann, so will ich sehr gern auf die vielen Ehrfurcht erweckenden Zeilen verzichten. Ich reite also trotz der holden Natürlichkeit deiner Dschanneh hinauf nach Kirmanschah. Nun entscheide, ob ich diesen Ritt allein unternehmen werde oder nicht! Ich hoffe, daß deine Liebe zu mir nicht geringer ist, als die meinige zu dir!«

»Diese Hoffnung soll nicht betrogen werden, lieber Halef. Ich reite mit.«

Er hatte sich im Schmollen halb von mir abgewendet; jetzt drehte er sich schnell wieder herum und sagte, indem seine Augen leuchteten:

»Wirklich? Ist es wahr?«

»Ja.«

»Du scherzest nicht?«

»Nein.«

»Hamdulillah! Ich habe gesiegt, gesiegt über Kara Ben Nemsi Effendi, den noch kein Mensch überwunden hat! Sihdi, ich danke dir; ich danke dir von ganzem Herzen! Wir werden nicht nur die Salbe der Schönheit holen, sondern dabei Heldenthaten verrichten, deren Ruhm sich auf unsere Kinder, Kindeskinder und Urenkelstöchter vererbt!«

»Die Salbe auch mit?«

»Schweig, Sihdi! Ich meine natürlich unsere Heldenthaten nur! Komm, laß uns heimkehren zu unserm Bimbaschi, der jetzt zum Mir Alai erhoben worden ist. Wir müssen ihm sagen, daß wir morgen nach Kirmanschah aufbrechen werden. Er wird sich schon im voraus auf die Thaten der Tapferkeit freuen, die wir vollbringen werden, und auf die Werke der Kühnheit und des Sieges, die er nach unserer Rückkehr zu hören bekommt. Wie bin ich froh und glücklich, deinen Widerstand überwunden zu haben! Denn« – — fügte er mit listigem Augenblinzeln hinzu – — »ich muß dir nur sagen, daß ich ohne dich den Ritt gewiß nicht unternommen hätte.«

»Pfiffikus!«

»Ja, pfiffig bin ich; das weiß ich nur zu wohl. Das ist mir angeboren und wurde« – fuhr er in vertraulichem Tone fort —»seit ich einen Harem habe, noch weiter ausgeübt.«

Jetzt war der kleine Hadschi ja wieder der Alte. Daß er unsern Ritt nach Kirmanschah gleich mit »Werken der Kühnheit und des Sieges« in Verbindung brachte, verstand sich bei ihm ganz von selbst.

Wir verließen das Kaffeehaus und gingen nach unserer Wohnung. Dort angekommen, teilten wir unsern Entschluß dem »früheren Bimbaschi und jetzigen Mir Alai« mit. Er frug nach dem Zwecke dieses Abstechers hinauf in die persisch-kurdischen Berge. Halef teilte ihm denselben in aller Aufrichtigkeit mit, und ich hörte dann zu meiner Verwunderung, daß ihm der Alte beistimmte. Auch dieser kannte den Ruf, in welchem die Umm ed Dschamahl stand, und versicherte mir, daß er vollständig begründet sei; er habe unzähligemal gehört, daß das Mittel wahre Wunder wirke, und Kepek, der Diener, welcher das hörte, fügte, indem er seine Worte mit schweren, gewichtigen Gesten begleitete, in bestätigendem Tone hinzu:

»Ja, die Umm ed Dschamahl führt diesen ihren Namen mit vollstem Rechte. Ihre Salbe verschönt das häßlichste Gesicht, und ich habe in den Kaffeestuben, die ich besuche, schon oft erzählen hören, daß sogar auch Männer die Wohlthätigkeit der Salbe an sich erfahren haben. Ich aber kaufe sie nicht!«

Ja, für ihn war sie freilich vollständig überflüssig, denn das ihm wohlgeneigte Fatum hatte ihm die Haut mit Fett – es sei gesagt – so fürsorglich ausgestopft, daß die Existenz einer Falte oder gar Runzel in dieser Rundung zu den absoluten Unmöglichkeiten gehörte.

Der Ritt, zu welchem ich mich so ungern entschlossen hatte, wurde ein höchst interessanter. Was wir dabei erlebten, ist bereits an anderer Stelle erzählt worden, so daß es genügt, hier kurz zu sagen, daß wir die Umm ed Dschamahl viel schneller fanden, als wir gedacht hatten, und zwar als Nezaneh[214] der Unterabteilung ihres Stammes. Eine günstige Fügung wollte es, daß wir Gelegenheit fanden, ihr einen Dienst zu erweisen, den sie uns sehr hoch anrechnete; wir wurden Gäste des Stammes, dessen Gebieterin mich mit ihrer ganz besonderen Zuneigung erfreute. Noch ehe wir von diesen Leuten schieden, bekam Halef von der Nezaneh nicht nur einen mehr als genügenden Vorrat von Salbe geschenkt, sondern auch einen Boten gestellt, welcher dieses Geschenk zu Hanneh zu bringen hatte. Mir aber wurde noch eine viel größere Gunst zu teil, indem die Umm ed Dschamahl mir, natürlich unter vier Augen, das Rezept des Geheimmittels mitteilte, von dem sie behauptete, daß ein Vorfahre von ihr, der ein berühmter Hekim[215] war, es einst von Scheheresade, dem Liebling Harun al Raschids, aus Dankbarkeit dafür erhalten hatte, daß es seiner Kunst gelungen war, sie, die berühmte Erzählerin von »Tausend und einer Nacht«, von einer tödlichen Krankheit zu erretten.

 

Als wir dann von ihr und ihren Leuten Abschied nahmen und ihr sagten, daß wir nicht über Kirmanschah, Kerind und Khanekin nach Bagdad zurückkehren würden, weil dies ein zu bedeutender Umweg für uns sei, riet sie uns, nach dem Tschaifu, einem Zuflusse des Djala, zu reiten, warnte uns aber von einem Zusammentreffen mit den räuberischen Hamawands und Dawuhdijehs, zwei ebenso »unternehmenden« wie »ruchlosen« Kurdenstämmen, die grad jetzt in Feindschaft miteinander lebten, weshalb die betreffende Gegend doppelt unsicher sei. Diese Warnung war gut gemeint, konnte uns aber nicht abhalten, die angegebene Richtung einzuschlagen, weil wir dies auch ohne den Rat der Umm ed Dschamahl gethan hätten, Wir hatten in Beziehung darauf, daß man die Kurden Räuber nennt, unsere eigenen, persönlichen Ansichten, welche sich aus unsern Erfahrungen und dem aus diesen entspringenden objektiven und unparteiischen Urteile ergaben.

Diese viel verleumdeten und auch von abendländischen Zeitungen oft angegriffenen Stämme üben an Reisenden, welche ihnen freundlich gesinnt sind, eine Gastlichkeit, welche die größte Anerkennung verdient; selbst der Todfeind steht so lange und so weit unter dem kräftigen Schutze des Zeltes oder des Lagers des gegnerischen Stammes, in dessen Hut er sich vertrauensvoll begeben hat, wie die Zusage und Macht desselben reicht. Freilich, wer mit zweifelhaften Absichten kommt oder, wie manche, besonders europäische Reisende es thun, sie wie minderwertige, tief unter ihm stehende Menschen behandelt, die seine Suprematie bescheiden anerkennen und seine Nichtbeachtung ihrer Sitten und Gewohnheiten ruhig hinnehmen sollen, der darf von ihnen nicht erwarten, daß sie ihm Ursache bieten, sich lobend über sie auszusprechen. Wenn sie für die Erlaubnis, durch ihre Gebiete zu reisen, von solchen Leuten eine entsprechende Gegenleistung fordern, ist das zum Tadel ganz gewiß kein Grund. Und wenn sie, falls man ihnen diese Leistung verweigert, sich mit Gewalt in den Besitz der Forderungen setzen und dann auch wohl mehr als das vorher Verlangte nehmen, so wird ein Kenner der dortigen Verhältnisse sie trotzdem noch nicht als Räuber bezeichnen. Der Begriff des Wortes Raub und die Ansichten darüber sind bei diesen Leuten eben andere als bei uns. Wenn unsere darauf bezüglichen Anschauungen für den größten Theil des Orientes keine Geltung haben, dürfen wir nicht grad und speziell von den Kurden verlangen, daß sie sich ihnen zu ihrem materiellen Schaden fügen. Als ich mich einst mit einem dortigen hohen Beamten über diesen Punkt unterhielt, antwortete er mir, indem ich ein beinahe zweideutiges Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen sah:

»Raub? Räuber? Allah bewahre dich vor Ungerechtigkeit! Ich kenne einen Mann, der in eurem Lande gewesen ist; außerdem hat er viel über euch gelesen und mir davon erzählt; ich weiß also, wie es steht: Bei uns giebt es den geraden, offenen, ehrlichen Raub, bei euch den höflichen, den heimlichen, den versteckten. Ihr nennt das Bankerott, Ruin, Krach, Trust, Gründung und Spekulation, womit ihr nicht etwa nur Fremde, sondern eure eigenen Stammesangehörigen schädigt. Ihr setzt den Leuten eure Messer in versteckter Weise auf die Brust; die, welche ihr hier Räuber nennt, thun das, indem sie es aufrichtig sagen, und nur gegen Fremde, gegen Feinde, niemals gegen einen, der zu ihrem Volke gehört. Welche Räuber sind da mehr zu tadeln, die unserigen oder die eurigen?«

Konnte oder mußte ich ihm unrecht geben? Man hat grad in der Jetztzeit die Kurden so oft und mit solcher Erbitterung als Räubervolk verschrieen und ihnen die ganze Schuld an den vielbesprochenen armenischen Wirren zugeschrieben. Ich habe es schon gesagt und sage es hier wieder, natürlich im allgemeinen gesprochen und den Durchschnitt gemeint, daß mir ein Kurde zehnmal lieber ist als ein Armenier, obgleich der letztere ein Christ ist. Wenn und wo auch im Oriente irgend eine Niederträchtigkeit geschieht, da hat gewiß ein Levantiner, ein Grieche oder, was noch viel leichter denkbar ist, ein habichtsnäsiger Armenier die Hand im Spiele. Und was die erwähnten Wirren betrifft, so weiß man ja, wie und wozu sie entstanden sind oder, richtiger gesagt – »entstanden wurden!« Ich habe nicht nötig, meine Ansichten zu wiederholen, sondern füge einen kurzen Zeitungsartikel bei, welcher, während ich dieses schreibe, mir zu Händen liegt. Er stammt aus der Feder eines geistlichen Herrn, welcher während der »Kaiserreise« in Konstantinopel war und folgendes schreibt:

»Am letzten Abend, den wir in Konstantinopel verbrachten, waren wir im deutschen Handwerkerkasino. Es war ein unvergeßlich schöner Abend. Gott grüße euch, ihr deutschen und österreichischen Brüder am Bosporus! Welcher Handwerkerverein hat einen solchen Musikdirigenten, wie ihr? Und wo ist so viel Anhänglichkeit ans Vaterland, als bei diesen Männern, die theilweise 30 oder 40 Jahre unter Türken, Griechen, Juden und Armeniern ihr deutsches Gewerbe hochhielten? Die ältesten von ihnen haben die Zeit noch erlebt, wo kein starkes geeintes Deutschland hinter ihnen stand. Aus verlorenen Söhnen der deutschen Erde sind Pioniere der deutschen Zukunftsmacht geworden. Unter dem Schutze der deutschen Botschaft leben sie ein gesichertes Leben, und eben, während wir bei ihnen sitzen, üben sie die deutschen Lieder für die Ankunft Wilhelms II. Gemeinsam sangen die Jerusalemfahrer und der Konstantinopeler Handwerkerverein ein lautes »Deutschland, Deutschland über alles« … Es war im Handwerkerverein, wo wir über die Armenier redeten. Uns gegenüber saß ein deutscher Töpfermeister, der 19 Jahre in Konstantinopel lebt und auch Anatolien kennt. Er sagte etwa folgendes: »Ich bin ein Christ und halte die Nächstenliebe für das erste Gebot, und ich sage, die Türken haben recht gethan, als sie die Armenier totschlugen. Anders kann sich der Türke vor dem Armenier nicht schützen, von dem seine Noblesse, Trägheit und Oberflächlichkeit auf das unverantwortlichste ausgenutzt wird. Der Armenier ist der schlechteste Kerl von der Welt. Er verkauft seine Frau, seine noch unreife Tochter, er bestiehlt seinen Bruder. Ganz Konstantinopel wird von den Armeniern moralisch verpestet. Nicht die Türken haben angegriffen, sondern die Armenier. Wir sind am Tage des Angriffs auf die Ottomanische Bank auf der Straße gewesen und wissen, wie es zuging. Den unierten Armeniern hat man nichts gethan, sondern nur den orthodoxen, denn diese sind die unverbesserlichen. Daß die Armenier in Kleinasien besser seien, ist eine englische Lüge. Ich bin auf den Dörfern gewesen und kenne die Dinge. Auch dort ist es der Armenier, der allein Wucher treibt. Daß die deutschen Christen Armenierkinder erziehen, hilft gar nichts. Diese werden später ebenso schlecht, wie die übrigen. Ein geordnetes Mittel, um sich gegen die Armenier zu schützen, giebt es nicht. Der Türke handelt in Notwehr!« —

Es verdient Beachtung, daß diese Darstellung unseres Landsmannes die Zustimmung seiner Freunde hatte. Wir haben keine Stimme gehört, die sich anders äußerte. Teilweise war die Wut über die Armenier eine brennende. Der Armenier ist der Revolutionär, den die Engländer benutzen, um den Sultan zu stürzen. Das war der Refrain von rechts und links. Wir geben diesen Auszug unseres Gespräches ohne weitere Bemerkungen, da unsre grundsätzliche Haltung in dieser Sache den Freunden in Deutschland hinreichend bekannt ist. Allseitig wird anerkannt, daß die Türkenherrschaft trotz unleugbarer persönlicher Vorzüge, die der Türke neben seiner Bummelei hat, nicht für alle Zeiten haltbar ist. Der Fremdkörper im Leibe Europas wird einmal ausgestoßen werden. Wann das geschieht, hängt von vielen Dingen ab, keineswegs bloß von Mittelmeerfragen.«

Wenn ich hier eine Art von Ehrenrettung für den Kurden versuche, so geschieht dies in rein menschlicher Absicht, weil ich meine, daß man jedermann nach den Verhältnissen beurteilen soll, die ihn erzogen haben und ihn noch jetzt beherrschen. Es sind das in Beziehung auf den Bewohner Kurdistans so ungefähr unsere mittelalterlichen Verhältnisse, die Zeiten des Faustrechtes, wo gar mancher auf hoher Burg thronende Herr aus einfachen Existenzrücksichten nach unsern heutigen Begriffen zum Räuber werden mußte. Ob ihn deshalb seine Nachkommen wohl vom Stammbaume gestrichen haben? Grad so ein ritterlicher Balduin von Eulenhorst oder Kuno von Felsenstein ist auch der Kurde, der sein Thun für vollständig gesetzmäßig hält und den Vorwurf, daß er kein Ehrenmann, sondern ein gemeiner Dieb und Wegelagerer sei, mit unerbitterlicher, blutiger Rache beantworten würde. Ich bin von Kurden als Feind behandelt, nie aber von ihnen nach armenischem Muster hinterrücks bestohlen oder übervorteilt und betrogen worden. Ganz dieser meiner Ansicht war auch Hadschi Halef Omar, der trotz seiner lustigen Eigenheiten von jeder niedrigen Gesinnung abgestoßen wurde, und zwar bei mancher Gelegenheit sehr wacker auf die Kurden räsonniert, doch nie von ihnen als von gemeinen, ehrlosen Menschen gesprochen hatte. Darum sagte er auch jetzt, als wir vor den Dawuhdijehs und Hamawands gewarnt worden waren, zu mir:

»Das klingt, als ob wir uns vor ihnen fürchten sollen, Sihdi. Vor Leuten, die uns offen mit den Waffen in der Hand entgegenkommen, brauchen wir beide keine Angst zu haben, und hinterlistige Feigheit giebt‘s bei ihnen nicht. Ich würde mich sogar auf einen kleinen Zusammenstoß mit ihnen freuen. Du weißt, daß ich einem fröhlichen Kampf nie aus dem Wege gehe.«

»Und solltest es aber doch!« antwortete ich.

»Warum?«

»Muß ich dich wirklich an den letzten Wunsch deiner Hanneh erinnern, Halef?«

»Den letzten? Effendi, ich sage dir, daß dies nicht der letzte ist, denn sie wird nach meiner Heimkehr noch sehr viele, viele haben! Und was diesen, den du meinst, betrifft, so ist er nicht gegen mein berühmtes Heldentum gerichtet, sondern nur gegen Unbedachtsamkeiten, vor denen wir uns hüten sollen.«

»Wir?«

»Ja, wir! Wer sonst.«

»Unter diesen Wir habe ich doch wohl dich und mich zu verstehen?«

»Natürlich!«

»So muß ich dir sagen, daß Hanneh von einer Unbedachtsamkeit meinerseits nicht gesprochen hat!«

»Gesprochen? Nein, das thut sie nicht. Dazu ist die Wonne meines Daseins viel zu höflich. Aber gemeint hat sie dich doch, und du bist klug genug, dies einzusehen, ohne daß ich es dir zu sagen brauche.«

»So will ich dir in aller Demut gestehen, daß ich diese Klugheit leider nicht besitze.«

»Wirklich nicht? So muß ich wieder einmal sehr tief beklagen, daß ich nur die Länge deines Verstandes anerkennen kann; aber in die Breite, in die so notwendige Breite, welche doch die Hauptsache ist, geht er leider nicht. Ich glaube, du meinst gar vielleicht, daß sich der Wunsch meiner Hanneh, welche die lieblichste unter allen Lieblichkeiten der Erde ist, nur ganz allein auf mich bezogen hat!«

»Das habe ich allerdings angenommen.«

»So glaubst du also, daß Hanneh nur bei mir eine That der Unbedachtsamkeit für möglich gehalten habe?«

»Ja.«

»Sihdi, nimm es mir nicht übel, daß ich nun endlich einmal ganz aufrichtig und ohne dir etwas zu verbergen, mit dir spreche. Ich bin so lange still gewesen, kann es nun aber nicht länger zurückhalten, daß du mich mit dir und dich mit mir verwechselst.«

»Wieso thue ich das?«

»Um dir dies klar und deutlich zu machen, muß ich dir einige Fragen vorlegen. Wirst du sie mir so beantworten, wie es die Wahrheit erfordert?«

»Ja.«

»Gut! Also: Wenn du jemanden etwas zu sagen hast, und er ist bei dir, wirst du es ihm da direkt sagen oder dich eines dritten als Boten bedienen, der es ihm ausrichten soll?«

Ich erriet, was er wollte, antwortete aber doch:

»Wenn er bei mir ist, sage ich es ihm direkt.«

»Schön! War ich abwesend, als du dich bei uns im Lager der Haddedihn befandest?«

»Nein.«

»Ich war da, war bei meiner Hanneh?«

»Ja.«

»Konnte sie mit mir sprechen?«

»Ja.«

»Kann also das, was sie dir gesagt hat, an mich gerichtet sein?«

»Du mußt dich anders ausdrücken, lieber Halef. Gerichtet war es an mich, gesagt aber für dich.«

»Damit widersprichst du dir selbst, denn du hast soeben geäußert, daß man das, was man jemandem direkt sagen kann, nicht durch einen dritten sagt. Ich war ja da! Wollte Hanneh mich vor Unvorsichtigkeiten warnen, so hätte sie das zu mir selbst gethan. Sie hat es aber zu dir gesagt; folglich gilt es dir, nicht mir!«

 

»Sie hat aber doch extra deinen Namen genannt und nicht von meiner sondern von deiner allzu großen Schnellfertigkeit gesprochen.«

»Das ist zwar wahr, aber siehst du denn nicht ein, warum sie grad so und nicht anders gesprochen hat?«

»Um dich zu schonen, dich nicht zu betrüben. Sie war zu zart, um es dir selbst zu sagen.«

»Zu zart! Effendi, das ist das richtige, das einzig richtige Wort; aber deine Auslegung ist nicht richtig, sondern falsch, denn nicht gegen mich, sondern gegen dich ist Hanneh zart gewesen, diese unvergleichlichste Frau aller Weiber der Erdenrunde. Begreifst du das?«

»Ich begreife nur, was du sagst, und auch den Grund dazu.«

»Du hast nicht meinen Grund, sondern den Grund meiner Hanneh zu begreifen, denn nicht ich bin es, sondern sie ist es gewesen, die mit dir gesprochen und dich gewarnt hat!«

»Das ist richtig. Mich hat sie gewarnt, aber nicht vor mir sondern vor dir.«

»Sihdi, das ist ja eben die große, die fast unverzeihliche Verwechslung der Personen, die du dir zu schulden kommen lässest! Mich hat sie genannt, aber dich gemeint. Das ist die hohe, die unvergleichliche Zartheit, mit welcher sie dich in mich und mich in dich verändert und dadurch die Personen umgedreht und der Unbedachtsamkeit, welche sie meinte, eine rücksichtsvolle Vertauschung der bestehenden Verhältnisse gegeben hat. Sie ist wegen deines großen Wagemutes in banger Sorge gewesen; sie hat dich bitten wollen, vorsichtiger zu sein, als du gewöhnlich bist; weil sie aber geglaubt hat, dich mit dieser Bitte zu betrüben, hat sie dich hinübergeschoben und mich dafür herübergeholt. Darum sprach sie mit dir allein und nicht in meiner Gegenwart, weil diese Betrübnis, die keinen treffen sollte, sonst auf mich gefallen wäre.«

»Glaubst du wirklich, was du sagst, Halef?«

»Ich glaube daran, wie ich an meine Hanneh glaube, deren Zartgefühl über die Feingefühle überhaupt aller irdischen Gefühlsarten steigt.«

»Auch ich erkenne ihr Zartgefühl an. Sie hat es dadurch bewiesen, daß sie die Bitte, welche dich geärgert hätte, nicht an dich, sondern an mich richtete.«

»Was höre ich! O Mangelhaftigkeit des Verstandes! 0 Fehlerhaftigkeit der Einsicht! O Unbegreiflichkeit des Nichtbegriffenwerdens! Effendi, wie schmerzlich ist mir das! Du bist sonst ein so außerordentlich kluger Mann, aber ich habe dir schon einmal sagen müssen, daß es in deinem Kopfe eine Stelle giebt, welche ausgebessert werden muß. Wie kannst du die Zartheit meiner Hanneh auf mich und nicht auf dich beziehen!«

»Weil sie nicht meine, sondern deine Frau ist. Sie hat also zart nur gegen dich, nicht aber gegen einen andern Mann zu sein. Verstanden?«

»Allah! Dagegen kann ich freilich kein Wort sagen, denn es ist wahr, daß ihr feiner Ton, ihr Anstand, ihre gute Lebensart und ihre lieblichen Umgangsformen nur mir gehören. Wollte sie gegen andere ebenso lieblich sein wie gegen mich, so würde ich mir das sehr verbitten! Der rechtmäßige Besitzer aller ihrer Vorzüge und erquickenden Eigenschaften bin nur ich allein!«

»Gut, so sind wir also einig. Ihre Zartheit galt nicht mir, sondern dir, also war nicht von meiner, sondern von deiner Unbedachtsamkeit die Rede.«

»Ich schweige; aber ehe ich mich in dieses Schweigen ganz und vollständig einhülle, muß ich dir sagen, daß es mir vorkommt, als ob die betreffende Stelle deines Verstandes ganz plötzlich ausgebessert worden sei, lieber Effendi. Du hast mich mit der Zartheit meiner Hanneh so vollständig besiegt und überwältigt, daß ich jetzt selbst an meine Unbedachtsamkeit glauben würde, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß Hanneh sich da im größten Irrtum, den es geben kann, befindet. Wir haben ihr ja oft von unsern Heldenthaten erzählt, bei denen du zuweilen wohl allzu kühn gehandelt hast. Das ist schon lange her, und so darf es uns nicht wundernehmen, daß sie mich an deine Stelle gesetzt und die Personen dadurch vertauscht und umgewendet hat, daß sie meinen anstatt deinen Namen nennt. Sie ist es also, welche sich diese unverzeihliche Verwechslung hat zu schulden kommen lassen, und ich nehme hier den Vorwurf zurück, den ich vorhin dir gemacht habe.«

»Lieber Halef, ich denke, daß du es bist, welchem diese Verwechslung vorgeworfen werden muß, nicht sie und auch nicht ich. Hoffentlich giebst du das zu?«

»Nein, niemals! Wenn du noch immer nicht einsiehst, daß ich recht habe, so sehe ich mich gezwungen, dir ganz ausführlich zu erklären, daß – — —«

»Wolltest du dich nicht vorhin ganz und vollständig in Schweigen hüllen?« unterbrach ich ihn.

»Ja, das sagte ich,« antwortete er.

»So bitte, hülle dich hinein! In dieser Angelegenheit ist das Schweigen für dich ein Mantel, welcher dich am besten kleidet. Ich fordere dich also hiermit ernstlich auf, ihn umzuhängen!«

»Gut, Sihdi! Er hängt schon; ich stecke schon drin. Nun siehe aber auch zu, wie du mich wieder herausbekommst!«

Er schlug, um seinen Worten eine äußere Bekräftigung zu geben, die vorher offenstehenden Vorderteile seines Burnus eng und fest um sich herum, senkte mißmutig den Kopf und blieb von jetzt an für lange Zeit im Burnus und im Schweigen tief verwickelt. Aber als wir dann an ein schmales, kleines Wasser kamen, wo ich halten blieb, um aus der Gestaltung des vor uns liegenden Terrains auf den mutmaßlichen Lauf dieses Baches zu schließen, vermochte er doch nicht, länger zu schweigen. Er fragte:

»Denkst du, daß dieses Wasser schon zu dem Tschaisu gehört, von welchem die Frau gesprochen hat?«

»Ich denke, du willst schweigen!« antwortete ich.

»Das war vorhin, wo es sich um eine Verwechslung der Personen handelte. jetzt aber, wo sich eine Verwechslung der Gegenden ereignen könnte, muß ich reden. Übrigens frage ich dich: Wozu hat man die Augen?«

»Zum Sehen.«

»Und die Ohren?«

»Zum Hören.«

»Wirst du die Augen und die Ohren schließen, wenn und wo es etwas zu sehen und zu hören giebt?«

»Nein.«

»So hat man den Mund zum Sprechen, und ich sehe nicht ein, weshalb ich schweigen Soll, wenn die Notwendigkeit zum Reden so vorhanden ist wie hier. Ich will dir nämlich gestehen, daß ich den Namen Tschaisu nicht kenne; ich habe ihn noch nie gehört.«

»Ich auch nicht.«

»Und da wollen wir ihn suchen und auch finden?«

»Warum nicht? Der Name ist für uns Nebensache. Tschaisu ist ein türkisch-kurdisches Wort. Tschai bedeutet Fluß; Su heißt sowohl Wasser im allgemeinen als auch Fluß. Der Name ist also eigentlich ein sehr unbestimmter. Wahrscheinlich haben wir es hier mit der oft vorkommenden Gewohnheit zu thun, einem Gegenstande eine beliebige Bezeichnung zu geben. Für die Umm ed Dschamahl war der betreffende Fluß eben nur der Fluß«; wie er eigentlich heißt, das ging sie nichts an. jedenfalls handelt es sich um einen rechtsseitigen Zufluß der Djalah, und da wir uns auf dieser Seite befinden, werden wir gewiß auf ihn treffen. Ich hielt nur an, um zu überlegen, ob wir diesem Bache folgen sollen oder nicht. Er führt links tief hinab in das Thal, welches einen weiten Bogen schlägt, während die Höhe in gerader Richtung weiterstreicht. Bleiben wir oben, so stoßen wir sehr wahrscheinlich wieder auf ihn, und zwar heute abend, wenn wir lagern und also Wasser brauchen. Ihm zu folgen, würde ein Umweg sein.«

»Den wir nicht machen werden. Wir bleiben also oben.«

Wir hatten die Bachtijaren nämlich früh am Morgen verlassen, und jetzt war der Mittag schon vorüber. Wir befanden uns auf der Höhe des kurdischen Gebirges. Die Berge lagen wie mitten im Seesturme erstarrte, grün bekleidete Meereswogen um uns her. Vor uns strich in ziemlich gerader Richtung eine lange Höhenlinie hin, welche zwar nicht mit Hochwald aber mit ziemlich reichlichem Buschwerk bestanden war; ihr folgten wir, weil sie nach Südwest verlief, der Richtung, welche unser Ritt zu nehmen hatte.

Was den Bach betrifft, so zeigte es sich, daß ich seinen Lauf ganz richtig erraten hatte. Der Thalbogen, auf dessen Grunde er floß, hatte erst sehr weit nach links ausgeholt, kam aber dann, je weiter wir ritten, desto näher zu uns zurück, und als wir gegen Abend das Ende unseres Höhenzuges erreicht hatten, sahen wir ihn unten quer vorüberfließen, um sich mit einem Wasser zu vereinigen, welches rechts aus einem Seitenthale kam. Beide bildeten in dieser ihrer Vereinigung sehr wahrscheinlich eine Gabel des Nebenflusses, welchen wir zu finden hofften.

Wir ritten in das Thal hinab und suchten nach einem als Lagerplatz geeigneten Orte. Wir fanden einen solchen ganz in der Nähe des Zusammenflusses. Dort stiegen wir ab, ließen die Pferde trinken und wuschen sie dann, was wir überhaupt, falls es Wasser gab, nach einem solchen Ritte stets zu thun pflegten. Während man ein Pferd niemals mit warmem Wasser waschen soll, ist kaltes zu seiner Gesundheit so unbedingt erforderlich, daß man keine Gelegenheit, es ihm zu bieten, versäumen darf. Der Naturtrieb macht darauf aufmerksam. Ich habe im Westen der Vereinigten Staaten sehr oft wilde Mustangs sogar während ungewöhnlich kalter Tage in das Wasser gehen sehen.

Während unsere Hengste dann weideten, machten wir es uns unter einer Gruppe von Nadelbäumen bequem, deren dichte Wipfel versprachen, den Tau der Nacht von uns abzuhalten. Wir hatten den Platz so gewählt, daß wir die ganze Krümmung des Hauptthales übersehen und auch einen Blick in die Mündung des Seitenthales werfen konnten. Ein Feuer anzuzünden, hielten wir nicht für nötig; unser Abendessen bestand aus kaltem Fleische, welches uns die Umm ed Dschamahl mitgegeben hatte; Stechmücken, welche man durch Rauch von sich abzuhalten pflegt, gab es nicht; die Temperatur war mild, so daß wir keine künstliche Wärme brauchten, und so hätte ein Feuer nur die eine mögliche Wirkung gehabt, daß wir durch sein Licht und seinen Geruch verraten werden konnten. Es fiel uns zwar nicht ein, Angst vor irgend einer Begegnung zu haben, aber wenn man sich in einer solchen Gegend befindet, fühlt man sich in der Gesellschaft mit sich selbst am sichersten.

209Pomade.
210Puder.
211Parfüm.
212Moschus.
213Barbar.
214Häuptlingin.
215Arzt.