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Im Reiche des silbernen Löwen II

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Als wir wieder unten am Lager ankamen, meldete der Bimbaschi, daß die befohlenen Hiebe verabreicht worden seien. Es hätte dieser Meldung gar nicht bedurft, denn das Auge hatte uns schon gesagt, daß es geschehen war.

Nun wurden zunächst die Leichen der elf Perser aus dem verschütteten Kanal geschafft und herbeigebracht. Ihr Anblick war hier am Lichte des Tages ein fast noch gräßlicherer als unten im dunkeln Kanale. Im strengen, unbeweglichen Gesicht des Pascha stand ein unerschütterlicher Entschluß geschrieben. Er trat zum Säfir und fragte ihn wie schon einmal:

»Hast du die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi überfallen?«

»Nein!« fauchte wie ein grimmiges Raubtier der Gefragte.

»Gut! Da du nicht gestehst, so wirst du heut noch aufgehängt!«

»Ich bin Perser! Vergiß das nicht!«

»Ein Mörder bist du, also wirst du gehängt!«

Hierauf richtete er dieselbe Frage auch wieder an die Ghasai. Sie waren durch die Hiebe nicht mürbe geworden und antworteten verneinend.

»So werdet auch ihr gehängt!« bestimmte er. »Ich werde die Mehkeme über euch zusammenrufen.«

»Das wag‘ ja nicht!« erwiderte der alte Geselle. »Wir sind freie Beduinen und müssen nach unsern eigenen Gesetzen behandelt werden!«

»Das ist mir recht. Euch geschehe, wie ihr wollt! Wie lautet euer Gesetz in Beziehung auf den Mord?«

»Blut um Blut, Leben um Leben. Aber wir sind keine Mörder!«

»Was ihr seid, das weiß ich ganz genau; ihr mögt gestehen oder nicht! Blut um Blut! Ihr werdet also erschossen, nicht gehängt!«

»Darüber lachen wir! Unser Stamm würde uns rächen; den fürchtest du!«

»Vor Schurken ist mir nie bange. Und wenn ihr lachen wollt, so lacht bald! In kurzer Zeit ist es dazu zu spät! Bimbaschi, ist ein Muballir[192] unter deinen Leuten?«

»Ja,« antwortete der Gefragte.

»So kann es rasch gehen, und ich brauch nicht erst nach der Stadt zu schicken. Er mag vortreten! Ich gebe diesen blutigen Ghasai-Hunden, obgleich sie es nicht wert sind, eine Viertelstunde Zeit, sich auf den Tod des Erschießens vorzubereiten. Nun mögen sie lachen oder beten; die Wahl steht ihnen frei!«

Nach diesen Worten nahm sein Gesicht einen freundlichern Ausdruck an. Er winkte mir, mit ihm zu kommen, ging zu den abseits liegenden Schmugglern und sprach sie mit gedämpfter Stimme an:

»Ihr habt euch schwer, sehr schwer vergangen und müßtet eigentlich für lange Zeit im Gefängnisse stecken; aber ihr seid wenigstens keine Mörder und habt ein offenes Geständnis abgelegt. Darum will ich milde mit euch verfahren und euch folgendes mitteilen: Es muß gegen den Schmuggel so vorgegangen werden, wie der Padischah es befohlen hat; dazu ist erforderlich, daß jeder Kumrukdschi[193] die Schliche der Schmuggler so genau kennt, wie ihr sie kennt. Ich habe darum die Absicht, jedem von euch die Strafe zu erlassen und ihn zum Kumrukdschi zu machen, wenn ihr darauf eingeht, mir alles, was ihr wißt, mitzuteilen. Doch mache ich euch darauf aufmerksam, daß die Strafe, welche ihn jetzt treffen würde, für jeden von euch, der als Beamter bei einer Unredlichkeit betroffen wird, sofort und in doppelter Höhe anzutreten ist. Sie wird also nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben; dem Ehrlichen ist sie geschenkt, der Unehrliche aber hat sie doppelt zu erleiden. Wer einverstanden ist, der sag ja!«

Ein so frohes ja, wie jetzt einstimmig erschallte, hatte ich wohl selten gehört. Der Pascha nickte, nahm mich am Arm mit fort und fragte:

»Werden Sie über diese Art und Weise, die Kerls zu bestrafen, jetzt lachen?«

»Nein. Ich bin überzeugt, daß Sie zwar gegen die Vorschriften des Gesetzes, aber doch sehr klug gehandelt haben.«

»Das genügt. Es wird meinem Gewissen nicht schwer werden, sich mit dem Gesetze abzufinden. Sie haben ja selbst gesagt, daß wir hier nicht in Stambul oder Paris sind. Andre Gegend, andre Menschen, andre Behandlung derselben! Darum, grad darum werden die Ghasai ohne alle vorherige, gerichtliche Verhandlung nach der von mir angegebenen kurzen Frist erschossen. Wollen Sie Zeuge dieser Exekution sein?«

»Ich bitte, mich zu beurlauben. Wir kamen hierher, um einige Orte, welche wir früher kennen lernten, zu besuchen, und haben bis jetzt keine Zeit dazu gehabt. Heut abend möchten wir wieder in Hilleh sein, und so wird es jetzt Zeit für uns, diesen Ritt zu unternehmen.«

Halef hätte der Erschießung der Mörder wohl gern beigewohnt, fügte sich mir aber doch. Wir ritten nach der Straße von Kerbela und dann auf derselben langsam weiter, um uns in die Erinnerung an den damaligen, für uns so schicksalsschweren Tag zu versenken. An derselben Stelle, wo wir damals Kehrt gemacht hatten, kehrten wir auch jetzt wieder um und verfolgten überhaupt ganz genau denselben Weg, den wir an jenem Tage geritten waren, ich mit der Pest im Leibe. So kamen wir auch an den Ort, an welchem wir die Leichen der uns so teuren Ermordeten gefunden hatten, und blieben längere Zeit da halten.

Hierauf nahmen wir wieder die Richtung nach dem Turm, doch nicht direkt, sondern wir umritten ihn an seiner südlichen Seite und kamen grad zur Zeit der größten Tageshitze an das kleine Wasser, dessen Rand längere Zeit unser Krankenlager gewesen war, da die Pest nach mir auch Halef gepackt hatte. Weil es hier ein, wenn auch spärliches Grün gab, stiegen wir ab, um die Pferde fressen zu lassen, und unterhielten uns über die traurigen Tage, welche wir hier verlebt hatten. Dann ritten wir nach der Ruinenstelle, an welcher den Toten von uns die letzte irdische Ruhestätte bereitet worden war[194]. Daß mein kleiner, lebhafter Halef während dieses Rittes und an diesen Erinnerungsstellen seine Gefühle in den vielfältigsten Farben und Redewendungen ausmalte und sich für unsere jetzige Reise in den kühnsten Hoffnungen erging, brauche ich wohl kaum zu sagen. Als wir dann zur heutigen Lagerstätte zurückkehrten, erfuhren wir, daß der Pascha sich mit den Offizieren im Innern des Birs befinde, um ein Verzeichnis der dortigen Gegenstände, welche fortgeschafft werden sollten, aufzunehmen. Er hatte nach der Stadt um Lastkamele und auch Soldaten geschickt, letztere zur Ablösung Amuhd Mahulis und seiner Mannschaften; sie sollten alles zum Begräbnisse der Perser und ihrer Mörder, welche während unserer Abwesenheit erschossen worden waren, Erforderliche mitbringen. Der Säfir lag still und zusammengekrümmt auf seinem Platze; ich kümmerte mich nicht um ihn. Der Pischkhidmät Baschi fragte mich, wie es mit seinem Eigentume stehe, welches er zurückverlange; ich wies ihn kurz angebunden an den General. Was die Schmuggler betrifft, so waren sie von ihren Fesseln befreit worden und arbeiteten mit Eifer daran, die Waren, welche sie während ihrer nächtlichen Züge mit herbeigebracht hatten, aus der unterirdischen Niederlage herauszuschaffen.

Der Bimbaschi teilte mir mit, daß die Ablösung bald eintreffen und er dann nach Hilleh zurückkehren werde; ich versprach, mich ihm anzuschließen und dann bis morgen früh sein Gast zu sein. Wir hatten das Geldpaket mit den fünftausend Tuman oben im Raume Nummer Drei gelassen, weil es dort sicher lag, und gingen nun hinauf, es zu holen. Es ging dort sehr lebhaft zu. Als der Pascha erfuhr, daß ich bald nach der Stadt wolle, lud er mich ein, mit im Regierungspalais« zu wohnen, was ich ihm aber infolge meines dem Bimbaschi gegebenen Wortes abschlagen mußte. Um meine Befürchtung zu zerstreuen, erklärte er mir, daß ihn dies nicht beleidige; bei seiner Überhäufung mit Arbeit hätte er sich mir doch nicht während des Abends widmen können. Bei dieser Gelegenheit holte ich nach, was ich bisher vergessen hatte. Ich gestand ihm, daß ich, um die Aufmerksamkeit der Soldaten zu verschärfen, damit uns niemand entkommen möge, jedem hundert, den Unteroffizieren aber zweihundert Piaster versprochen hätte. Er lobte das und zählte mir von dem vorhandenen Silbergelde den Betrag sofort zusammen. Durch diese Bereitwilligkeit kühn gemacht, trug ich ihm nun auch vor, wie lange Zeit der arme Bimbaschi keinen Sold erhalten habe. Er antwortete mir mit der scherzhaft klingen sollenden, aber ernst gemeinten Bemerkung:

»Sie scheinen den Segen des babylonischen Turmes auf alle Welt ausgießen zu wollen. Halten Sie ein damit, denn die Quelle, die Sie hier geöffnet haben, könnte sonst versiegen! Geben Sie ihm dieses hier, als Anerkennung, nicht als rückständige Gage, für deren Auszahlung ich morgen sorgen werde!«

Er gab mir eine große Handvoll Goldstücke aus der Truhe. Ich bedankte mich herzlich und verabschiedete mich für heute von ihm. Halef trug das schwere Paket mit dem Gelde unsers alten Bagdader Gastfreundes mit großem Stolze vom Birs Nimrud herab.

Wie freute sich Amuhd Mahuli über die goldenen Tumans, die ich ihm brachte! Und als ich dann mit der Austeilung der versprochenen Prämien begann, war auch der Jubel seiner Leute groß!

Kurze Zeit später kam die Ablösung, worauf wir mit unseren Kavalleristen »die alte Babel« verließen, die es auch dieses Mal mit uns so schlimm gemeint hatte. Der Kammerherr blieb da, um sich wegen seiner Forderung an den Pascha zu halten. Mir war das lieb, denn ich mochte von diesem Menschen nichts mehr wissen.

 

Unser nächtlicher Ritt nach dem Birs, der Zweck und auch der Erfolg desselben, hatte sich in der Stadt herumgesprochen; wir wurden also, als wir ankamen, von einer zahlreichen Menschenmenge förmlich angestaunt, doch nicht etwa mit Hurra empfangen. Daß ein verfluchter Christ, der erst vor der Mehkeme angeklagt und ihr entflohen war, solche Erfolge errungen hatte, das hatte keinesfalls den Beifall dieser Schiiten, zumal jedenfalls viele von ihnen zu den heimlichen Verbündeten der Pascher gehörten. Ich sah die meisten Augen nicht freundlich, sondern finster auf mir ruhen.

Der Bimbaschi bewohnte ein altes, kleines Häuschen, in dessen Hofe wir die Pferde unterbrachten. Das Gastzimmer, welches er uns bieten konnte, war eigentlich nur ein Winkel, und doch fühlten wir uns außerordentlich wohl bei ihm, weil wir nicht in diesem Winkel, sondern in seinem Herzen wohnten. Er war wegen der gehässigen Bevölkerung so vorsichtig, für den Abend und die ganze Nacht einen Posten auszustellen, und wir hatten Glück, nicht nur sein Haus, sondern auch seinen Harem« kennen zu lernen, Frau und Kinder, einfache aber gute Menschen, denen die jetzige Verbesserung ihrer Verhältnisse gern zu gönnen war.

Wir verlebten zusammen einen Abend, den ich mit vollstem Rechte einen Bibelabend nennen möchte, und ich bin überzeugt, daß die auf ein so empfängliches und fruchtbares Land gestreuten Samen aufgegangen sind.

Als wir uns früh von dem dürftigen Lager erhoben, war der Hausherr schon beim Pascha gewesen, um von diesem zu erfahren, daß er nach Bagdad zu reiten habe, um dem dortigen Pascha einen sich auf die gestrigen Vorkommnisse beziehenden schriftlichen Bericht zu überbringen, dem er den mündlichen hinzufügen könne. Hierbei hatte es der General natürlich auch auf eine freundliche Überraschung für mich abgesehen, denn es freute mich ungemein, den Bimbaschi als Begleiter zu haben.

Vor dem Aufbruche verfügte ich mich selbstverständlich nach dem »Regierungspalast«, um mich von Osman Pascha zu verabschieden und ihm meinen Dank zu sagen. Er hoffte, mich auf dem Rückwege nach Persien in Stambul bei sich zu sehen, und teilte mir alles mit, was er gestern noch von den auf Bedingung begnadigten Paschern erfahren hatte. Es war für ihn viel, für mich aber nichts, was mir in Beziehung auf die Sillan und auf die »Rose von Schiras« hätte aufklärend oder sonstwie dienlich sein können.

Unsern Ritt nach Bagdad kann ich übergehen; er brachte uns nichts Interessantes. Aber als wir uns von Amuhd Mahuli, der zunächst zum Pascha mußte, getrennt hatten und dann an unserer gastlichen Pforte hielten und die schlürfenden Pantoffelschritte des alten Bimbaschi jenseits derselben hörten, sagte Halef.

»Jetzt gehen die Überraschungen los! Laß du mich sprechen, mich, mich, mich, du aber schweig, Sihdi! Ich bitte dich herzlich, ganz herzlich darum!«

Die spitze Nase und das alte, fahle, aber liebe Gesicht erschienen.

»Wir sind es, wir!« meldete der Hadschi.

Ein mir unverständlicher, polnischer Ausdruck der Freude kam zwischen den dünnen, blutleeren Lippen hervor; dann wurde das Thor geöffnet. Halef ritt sofort und direkt bis an die Hausthür, stieg dort ab, band das Geldpaket vom Sattel los und rief:

»Kommt in das Zimmer! Eher wird kein Wort gesprochen!«

Er ging in das Wohnzimmer des Bimbaschi; dieser folgte ihm, ohne etwas zu sagen. Kaum waren wir eingetreten, so pustete es hinter uns wie aus der Lunge eines Menschen, der zwei Stunden lang Galopp gelaufen ist; dieses Pusten war auch ganz selbstverständlich, denn der dicke Kepek kam. Da fragte Halef den Bimbaschi:

»Kannst du dich noch auf alles besinnen, was wir gesprochen haben?«

»Ja,« nickte dieser.

»Ich habe dir gesagt, daß ich niemals ohne Peitsche in den Birs Nimrud steigen würde. Auch habe ich gesagt, ich wünschte, wir würden einmal von dem Säfir in den Birs gesperrt; da würdest du bald sehen, wie schnell wir uns freimachen und dafür diesen Halunken fangen würden. Kannst du dich darauf besinnen?«

»Ja.«

»Wie hoch war die Summe, welche der Säfir dir damals abgepreßt hat?«

»Grad zweimalhunderttausend Piaster,« antwortete der Alte, der sich noch immer nicht in das vor Freude strahlende Gesicht des Hadschi finden konnte.

»Sind das fünftausend persische Tumans?«

»Ja, wahrscheinlich!«

»Nun, so höre, wir waren die Gefangenen des Säfir –Ich habe meine Peitsche mit in den Turm genommen –Wir haben uns frei gemacht – — —! Der Säfir wurde von uns gefangen, gebunden und geprügelt – — —! Und hier sind deine zweimalhunderttausend Piaster – — —! Der Säfir hat sie wieder hergeben müssen und wird aufgehängt – — —! So, das ist es, was ich dir zunächst sagen will. Wir sind wieder da und bringen dir deinen Schwur, zu schweigen und Bagdad niemals zu verlassen, auch zurück; er gilt nicht mehr, denn die Bande ist aufgelöst und kann dir nichts mehr schaden!«

Da that es hinter mir einen großen, quatschig klingenden Plumps. Ich drehte mich um, und sah den dicken Diener, mit Händen und Füßen wie eine umgestürzte Schildkröte zappelnd, am Boden liegen. Er war vor freudigem Schreck umgefallen. Ich hob ihn auf, wozu ich alle meine Kräfte nötig hatte. Kaum war er wieder auf, so schwappte er zu Halef hin, riß ihm das Paket aus der Hand und watschelte, ohne ein einziges Wort zu sagen, in größter Eile damit zur Thür hinaus. Der fette Praktikus wollte zunächst und vor allen Dingen den Nervus rerum gerendarum in Sicherheit bringen, worin er auch von niemandem, nicht einmal von seinem Herrn, gehindert wurde.

Dieser stand wie eine Bildsäule vor uns. Die Augen weit offen, sah er bald mich, bald Halef an.

»Ihr – — ihr seid also in – — – in – — —?« fragte er endlich, doch ohne den Satz vollständig hervorzubringen.

»Ja,« bestätigte ich. »Es ist alles so, wie Halef sagte. Du hast dein Geld wieder, und der Säfir ist für immer unschädlich gemacht.«

Da sank er auf die Kniee nieder, faltete die Hände und betete so laut und inbrünstig, daß uns die Thränen in die Augen traten. Er dankte Gott für die unerwartete Errettung von der immerwährenden Pein, die ihm der abgezwungene Schwur bereitet hatte. Als er diesem ersten und mächtigsten Triebe seines Herzens nachgekommen war, stand er wieder auf und fragte, nein, er wollte fragen, kam aber nicht dazu, denn die Thür wurde aufgemacht, Kepek steckte den Kopf herein und sagte: »Das Geld war sehr schwer; ich habe es versteckt, sehr gut versteckt.«

»Wohin?« fragte sein Herr.

»In die Küche. Da habe ich es unter das Bahar[195] versteckt, wo kein Spitzbube es sucht und findet. Gieb mir fünfzig Piaster, Herr!«

»Fünfzig Piaster? Welche Summe! Die habe ich heut nicht! Wozu brauchst du sie?«

»Ich muß Kaffee holen und Tabak, auch Fleisch, Mehl und viele andere Sachen.«

»Allah w‘Allah! Schon wieder? Du bist doch erst gestern einkaufen gewesen! Da gingst du nach dem Mittagessen fort und kamst erst abends wieder, als es dunkel geworden war!«

»O Effendi, o Emir, willst du mich schon wieder mit so ganz unbegründeten Vorwürfen kränken? Es giebt wohl keinen einzigen Sajis[196] hier in der Stadt, der so schnell rennt, wie ich zu hetzen pflege. Da geht der Atem verloren; die Beine zittern vor innerer Aufregung, und das angegriffene Herz verlangt nach einem Sitze der Erholung und der Ruhe.«

»Und des Plauderns; das ist die Hauptsache!«

»Betrübe doch dieses müde Herz nicht schon wieder. Ich pflege so stumm im Kaffeehause zu sitzen wie ein Verstorbener im Grabe. Gestern habe ich für dich und für mich eingekauft; du weißt, für uns genügen die gewöhnlichen Sorten; wenn man aber teure Gäste bei sich hat, so werden auch die Einkäufe teurer! Dir das zu erklären, sollte doch wenigstens in ihrer Gegenwart nicht nötig sein! Wir haben ihre glückliche Wiederkehr zu feiern; darum muß ich fünfzig Piaster ausgeben, weniger nicht.«

»Die habe ich aber heut nicht!«

»O Unglück meines Lebens; o Reichtum meiner Sorgen! Was wird der Kahwedschi[197] sagen, wenn ich mit leeren Händen zu ihm komme! Meine Ehre ist hin, und das Vertrauen aller meiner Nebenmenschen geht mir verloren!«

»Warum?«

»Weil ich ihm zwanzig Piaster schuldig bin, die ich von ihm geliehen habe, weil ich einen neuen, irdenen Topf brauchte, zu dessen Ankauf mein Vermögen nicht mehr reichte.«

»Kostet denn ein irdener Topf zwanzig Piaster?«

»Nein. Ich habe fünfzig Para dafür gegeben; aber er zerbrach mir unterwegs; da mußte ich einen zweiten kaufen, den mir ein vorbeigaloppierender Esel aus der Hand riß und zerschmetterte. Ich kaufte einen dritten und ging in das Kaffeehaus, um diese Aufregung zu vergessen. Beim Niedersetzen kam ich auf den Topf, und bei dem Gewichte meines Körpers wirst du einsehen, daß er da in Scherben ging, welche außerordentlich schmerzlich für mich waren, sodaß ich einstweilen nicht wieder aufstehen konnte, sondern sitzen bleiben mußte, um über die Rücksichtslosigkeit der Trümmer dieses unglücklichen Topfes eifrig nachzudenken. Da that mir mein Freund, der Kahwedschi, den Gefallen, selbst zu gehen, um einen vierten einzuhandeln; dieser war größer und kostete siebzig Para. Die versammelten Freunde und Bekannten erbarmten sich meines Unglückes und machten mir den mildthätigen Vorschlag, auf die unerschütterliche Haltbarkeit dieses vierten Topfes einen Kaffee und eine Limonade zu trinken, worauf ich dankbar eingegangen bin. Aus einem Kaffee und einer Limonade wurden bei dem großen und aufrichtigen Mitgefühle dieser guten Leute mehrere, und so wirst du als einsichtsvoller Mann es für ganz selbstverständlich halten, daß ich dem Kahwedschi zwanzig Piaster schuldig geworden bin, welche ich ihm baldigst geben muß, wenn meine und auch deine Ehre nicht für alle Zeit abhanden kommen soll.«

Ich hätte über diese interessante Topfgeschichte gerne laut aufgelacht, unterdrückte aber meine Heiterkeit, als ich die betrübte Miene sah, mit welcher der Bimbaschi seufzte:

»Zwanzig Piaster für drei zerbrochene und einen ganzen Topf! Was kann es denn einem Topfe nützen, wenn man auf seine Unzerbrechlichkeit auf meine Rechnung Kaffee und Limonade trinkt! Onbaschi, ich bin gar nicht mehr mit dir zufrieden! Und nun soll ich dir fünfzig Piaster geben, die ich gar nicht besitze! Was ist da zu thun?«

»Du hast sie ja!«

»Wo denn?«

»In der Küche, unter dem Gewürz! Da liegt jetzt mehr, viel mehr; da stecken jetzt volle zweimalhunderttausend Piaster! Ich hoffe, daß du das nicht schon vergessen hast!«

»Dieses Geld wird nicht angegriffen!«

»So erweise mir die Güte, nachzusuchen, ob du nicht irgendwo einige Piaster liegen hast, welche sich aus der Öffentlichkeit deines Gedächtnisses zurückgezogen haben!«

Der wichtige und würdevolle Ernst, mit welchem diese Angelegenheit verhandelt wurde, war zum Platzen. Auch Halef gab sich alle Mühe, nicht zu lachen; er blinzelte mich fragend an, und als ich zustimmend nickte, sagte er zum Bimbaschi:

»Ich habe während des ganzen Tages im Sattel gesessen, und so ist es für mich eine wahre Wohlthat, eine Strecke gehen zu können. Wenn du es erlaubst, so begebe ich mich sogleich in die Stadt, um einzukaufen, was der Onbaschi braucht.«

Da fiel der Dicke, ohne abzuwarten, was sein Herr sagen werde, schnell und eifrig ein:

»Ja, das erlauben wir; wir erlauben es sogar sehr gern! Du wirst gehen und bezahlen, und ich gehe mit!«

»Nein, du bleibst,« entgegnete Hadschi. »Nähme ich dich mit, so würden wir vielleicht erst morgen wieder kommen; ich würde an dir festgebunden sein, wie ein kleines, schnelles Vöglein an einer langsamen Riesenschnecke.«

»Aber mein Kahwedschi muß bezahlt werden, und du kennst ihn nicht und weißt nicht, wo er wohnt!«

»Der kann warten!« bestimmte der Bimbaschi. »Dich treiben nicht die zwanzig Piaster, welche du ihm schuldest, zu ihm.«

 

»Was sonst, Effendi?« fragte der Dicke mit der unschuldigsten Miene.

»Du willst erzählen; du willst von den zweimalhunderttausend Piastern sprechen; du willst, um die Größe deiner Klugheit und Vorsicht zu beweisen, sogar sagen, wo sie stecken. Ich kenne dich!«

»Welch eine fürchterliche Beschuldigung! Wenn du es wünschest, werde ich weniger, viel weniger sagen. Ist es dir recht, daß ich bloß von hundertfünfzigtausend spreche oder gar von hunderttausend? Ich will ja gern bescheiden sein!«

»Du wirst gar nicht von diesem Gelde sprechen; Hadschi Halef Omar geht allein!«

»Das sagst du so bestimmt! Ist‘s ein Kommando, dem ich gehorchen muß?«

»Ja.«

Da watschelte der Onbaschi nach der Wand, legte beide Hände an, ließ sich in der schon beschriebenen Weise mühevoll in die sitzende Stellung niedergleiten und seufzte dann:

»So setze ich mich und stehe gar nicht wieder auf. Wenn er die Sachen holt, ohne mich mitzunehmen, mag er sie auch braten und kochen ohne mich! Ich muß mich fügen, weil ich dazu gezwungen werde. Da sitze ich! Nun bin ich aber sehr gespannt darauf, zu erfahren, was ihr während eurer Abwesenheit erlebt habt, und bitte dich, Hadschi Kara Ben Nemsi Effendi, es uns jetzt zu erzählen!«

Da fiel Halef schnell und energisch ein:

»Nein, nein! Effendi, versprich mir, zu schweigen und kein Wort zu sagen, bis ich wiederkomme! Du weißt, daß nur ich die Gabe der Rede und den Beruf der entzückenden Erzählung habe. Du würdest mich um einen der schönsten aller irdischen Genüsse bringen, wenn du mir das Recht entzögest, der einzige oder doch wenigstens der erste zu sein, der von den Ereignissen am Birs Nimrud sprechen darf. Ich bitte dich also dringend, zu warten, bis ich wiederkomme! Willst du, lieber Sihdi?«

»Ja,« antwortete ich.

»Du wirst kein Wort, aber ja kein einziges, sagen?«

»Ich will dir die Freude nicht verderben; aber wenn du jetzt in der Stadt herumlaufen und dich dann lange in der Küche beschäftigen mußt, wird die Geduld des Bimbaschi zu sehr auf die Probe gestellt.«

»Ich werde eilen; ja, ich werde förmlich springen. Zu braten oder zu kochen, fällt mir gar nicht ein, sondern ich werde nur solche Speisen kaufen, die wir gleich so, wie ich sie bringe, essen können. Du wirst also warten und schweigen?«

»Eine halbe Stunde, länger nicht!«

»Das ist mir genug; ich komme noch eher, noch viel eher wieder. Leb also einstweilen wohl, und halte deinen Mund!«

Mit dem letzten Worte war er schon zur Thür hinaus, und als er nachher wieder hereintrat, war erst die Hälfte der zweiten Viertelstunde vorüber; er schwitzte, so sehr hatte er sich beeilt.

»Es liegt alles in der Küche,« meldete er. »Was soll erst geschehen, das Erzählen oder das Essen?«

»Das Erzählen,« antwortete der Bimbaschi.

»Das Essen,« rief der Dicke.

»Oder beides zugleich?« fragte ich.

»Nicht zugleich!« bat Halef. »Mein Mund ist doch kein Thor, durch welches man zu gleicher Zeit hinein- und herausgehen kann! Wandert ein Stück Fleisch hinein, so kann nicht in demselben Augenblicke der Schönheitsglanz meiner Sprache auf den Lippen erscheinen. Ich bitte dich, nicht zuzugeben, daß die hinreißende Kraft der Ausdrucksweise durch das Verlangen des Magens und die Arbeit der Zähne nicht bloß in den Schatten gestellt, sondern ganz und gar verdunkelt werde!«

»So erzähle jetzt, und später essen wir. Kepek wird inzwischen wohl nicht vor Hunger sterben!«

Der Dicke antwortete nur mit einem ebenso tiefen und langen wie entsagungsvollen Seufzer, wobei er die gefalteten Hände auf diejenige Stelle legte, wo bei ihm unter der schützenden Fettschicht der edle Vorgang der Verdauung stattzufinden pflegte. Halef aber setzte sich in Positur und begann seinen Vortrag mit einer Miene, aus welcher zu schließen war, daß wir ein Meisterstück orientalischer Beredsamkeit zu hören bekommen würden.

Und wir bekamen es! Damit mag alles gesagt sein. Ich habe seine Art und Weise, sich auszudrücken, schon oft erwähnt und brauche also nur zu konstatieren, daß er die beabsichtigte Wirkung vollständig erreichte. Oft aufspringend, um seine Worte mit energischen Gestikulationen zu begleiten, riß er den Bimbaschi förmlich hin, und selbst Kepek war so ganz bei der Sache, daß er von der Wand, an welcher er lehnte, vor lauter Aufmerksamkeit immer tiefer rutschte und, als Halef mit einem bombastischen Satze schloß, mit dem Kopfe auf dem Boden lag.

»Welch ein gefährliches, wunderbares Ereignis!« rief der Bimbaschi aus. »Es war ganz unmöglich, zu ahnen, daß ihr so etwas erleben würdet!«

»Ich bin weg; ich bin nicht mehr da!« klagte der Dicke. »Die Aufmerksamkeit hat mich umgebracht; es thun mir vor Entzücken alle meine Glieder wehe! Hilfe, Hilfe! Hadschi Halef, heb mich auf!«

Halef gab sich alle Mühe, dieser Aufforderung nachzukommen. Als er den vor Anstrengung krebsrot gewordenen Diener endlich auf hatte, schlug dieser die feisten Hände zusammen und gestand, indem er vor Bewunderung die kleinen, kaum sichtbaren Augen verdrehte:

»Ihr seid wirklich wahre Helden! Euch ist nichts zu viel und schwer! Also dieser brüllende Löwe, der Säfir, ist gefangen, wirklich gefangen?«

»Ja,« antwortete Halef stolz. »Es ist alles genau so, wie ich erzählt habe. Dieser brüllende Löwe, wie du ihn nennst, ist jetzt ein zertretener Wurm, der euch nichts mehr schaden kann.«

»Vielleicht doch!« entgegnete der Bimbaschi. »Er ist ein so gefährlicher Mensch, daß man sich nur dann, wenn er gestorben ist, nicht mehr vor ihm zu ängstigen braucht. Daß ihr trotz meiner Warnung mit ihm angebunden habt, war kühn, war sogar verwegen von euch. Ich bewundere, Effendi, deinen Mut, deine Umsicht, deine Kaltblütigkeit, deine Klugheit und List; ich bin dir stete Dankbarkeit dafür schuldig, daß du dabei in dieser Weise an mich gedacht hast; ihr habt vollbracht, was kein anderer fertig brächte; aber ich kann nur dann erst ruhig sein, wenn ich weiß, ganz gewiß weiß, daß er nicht mehr lebt!«

Als ich ihm hierauf antworten wollte, ertönte draußen an der Pforte ein starkes Klopfen.

»Es kommt jemand, Emir,« sagte Kepek zu seinem Herrn.

»Geh du, um nachzusehen! Ich bin so ermüdet vom Zuhören, daß ich mich wieder setzen muß!«

Er rutschte sich wieder an der Wand auf den Boden nieder, und der gehorsame Bimbaschi schlürfte zur Thür hinaus. Es dauerte eine längere Zeit, bis er zurückkehrte; er kam nicht allein, sondern brachte – — – Amuhd Mahuli mit, dem ich unsere Wohnung allerdings genau beschrieben hatte.

»Verzeih, Effendi, daß ich dich schon heut belästige!« begrüßte er mich. »Ich wollte dich erst morgen besuchen; aber der Pascha vertraute mir diese zwei Briefe an, welche ich noch heut abzugeben habe.«

Er zog zwei Schreiben aus der Tasche, von denen er das eine dem Bimbaschi und das andere mir überreichte. An mich war adressiert: »Emir Kara Ben Nemsi Effendi aus Dschermanistan«; unser Gastfreund wurde auf seinem Briefe nicht Bimbaschi[198], sondern Mir Alai[199] tituliert.

»Das ist entweder ein Versehen, oder der Brief ist nicht an mich«, sagte er.

»Es ist kein Versehen, und der Brief gehört dir,« antwortete Amuhd Mahuli lächelnd. »Ich hatte einen langen, ausführlichen Bericht Osman Paschas zu überbringen, der unser sehr warm gedacht zu haben scheint, denn als der hiesige Pascha das Schreiben gelesen hatte, war er von doppelter Freundlichkeit als vorher, reichte mir die Hand und bestätigte meine Ernennung zum Bimbaschi. Er ließ Kaffee und Pfeifen bringen, und ich mußte mich zu ihm setzen und erzählen. Dann schrieb er diese Briefe und schickte mich hierher. Ich las die Adresse und erlaubte mir, darauf aufmerksam zu machen, daß Mir Alai anstatt Bimbaschi geschrieben worden sei; da sagte er mir, daß Osman Pascha es so wolle; morgen abend werde er das übrige sagen.«

Wir öffneten die Briefe; sie enthielten die außerordentlich höfliche Einladung zum Ascha[200] beim Pascha für morgen, weiter nichts, aber doch genug!

»Zum Ascha eingeladen! Beim Pascha! Und dieser höhere Rang!« rief der alte Pole erregt. »Was hat das zu bedeuten?«

»Daß Osman Pascha mir Wort gehalten hat,« antwortete ich. »Du bist, was wir bei uns rehabilitiert nennen, und noch mehr, denn mir schwant, daß du morgen deine Ernennung zum Oberst erfährst.«

Da ließ er den Brief aus den Händen fallen und sprach:

»Wäre das wirklich möglich!? Dann fehlt nur noch die Hinrichtung des Säfir, um mir wenigstens in dieser Beziehung meine Ruhe, meinen Frieden zurückzugeben!«

»Die Hinrichtung des Säfir?« fragte Amuhd Mahuli. »Der ist ja tot!«

»Tot?« ließ da ich mich hören. »Davon weiß ich ja nichts!«

Da richtete Amuhd Mahuli einen sehr bezeichnenden, verständnisinnigen Blick auf mich und antwortete mir:

»Er ist so gestorben, wie du ihm vorhergesagt hast.«

»Wann und wo?«

»Wann – — – noch am Abend desselben Tages. Wo – — – im Gefängnisse; er hat sich selbst aufgehängt.«

»Sich – — – selbst?«

»Ja, sich selbst. Osman Pascha war in seinem Gefängnisse, ihn zu vernehmen, und schloß ihn dann wieder ein. Als eine halbe Stunde später der Wärter kam, um ihm Wasser zu bringen, hatte er sich aufgehängt.«

»Wann und von wem hast du das erfahren?«

»Als du früh noch bei mir schliefest und Osman Pascha mich zu sich kommen ließ, um mich mit euch nach Bagdad reiten zu lassen, da erzählte er es mir.«

»Warum hast du gegen mich geschwiegen?«

»Weil Osman Pascha mir das Versprechen abnahm, dir den Tod des Säfir erst hier in Bagdad mitzuteilen. Vielleicht kannst du dir seine Gründe denken.«

Natürlich konnte ich sie mir denken! Osman hatte dem Säfir gesagt, daß er heut noch aufgehängt werde, und sein Wort war in Erfüllung gegangen. Um mich über das Wie aufzuklären, brauchte ich nicht erst wieder nach Hilleh zu reiten und mich bei dem strengen Richter zu erkundigen; er hätte mir es doch nicht gesagt; ich konnte mir diese Frage schon selbst beantworten.

192Vorbeter.
193Zollbeamte.
194Siehe Karl May »Von Bagdad nach Stambul« Seite 336.
195Gewürz.
196Diener, Läufer.
197Kaffeewirt.
198Major.
199Oberst.
200Abendessen, Hauptmahlzeit im Orient.