Za darmo

Im Reiche des silbernen Löwen II

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Fünftes Kapitel: Frohe Heimkehr

Wir sahen dem alten, braven und jetzt so frohen Manne nach, bis er unten angekommen war. Ich fühlte mich tief bewegt von seinem Gebete und den darauf folgenden Worten. Halef ging es ebenso. Er sagte:

»Das ist wieder einer, den du glücklich gemacht hast, Sihdi! Ich weiß noch viel besser als er, wie gefährlich deine Nächstenliebe jedem Anhänger des Propheten werden kann, der mit dir in Berührung kommt. Anstatt dich, wie es mein fester Wille war, zum Islam zu bekehren, habe ich mich von dir zu Isa Ben Marryam[161] führen lassen und sehe ein, daß ich dadurch geworden bin, was ich früher glaubte zu sein, aber doch nicht war, von ganzem Herzen glücklich nämlich! Du hast mir vorhin gesagt, daß jeder Soldat hundert und jeder Unteroffizier zweihundert Piaster bekommen soll; das sind über sechstausend Piaster. Wo willst du die hernehmen? Aus deinem eigenen Beutel? Da muß er viel tiefer und inhaltsreicher sein, als ich bisher dachte!«

»Wir haben Geld, lieber Halef, viel, viel mehr Geld, als wir brauchen!«

»Wo?«

»Ich werde es dir zeigen.«

»Allah! Ich ahne es! Es steckt welches hier in den Ruinen?«

»Allerdings.«

»Wieviel?«

»Das weiß ich nicht; aber es scheint, daß es nicht wenig ist.«

»Maschallah! Wer wird es bekommen?«

»Meiner Ansicht nach bin ich verpflichtet, es dem Pascha auszuliefern.«

»Dem Pascha? Mir scheint, es giebt nur einen einzigen Pascha, der es zu bekommen hat, und der bist du!«

»Warum?«

»Weil du es entdeckt, gefunden hast.«

»Deine Ansicht vom Finden ist nicht die meinige.«

»So hast du wenigstens einen Finderlohn zu beanspruchen, und den mußt du so hoch wie möglich stellen!«

»Dazu bin ich allerdings entschlossen.«

»Wieviel wirst du verlangen?«

»Ich fordere, daß unser Bimbaschi in Bagdad das wieder bekomme, was ihm der Säfir abgenommen hat.«

»Das ist gut; das freut mich sehr! Weiter!«

»Ferner sind davon die Belohnungen zu bezahlen, welche ich den Soldaten versprochen habe.«

»Auch das hat meine Billigung. Weiter!«

»Weiter nichts.«

»Wie? Weiter nichts? Für dich und auch für mich nichts?«

»Nichts!«

»Höre, Effendi, das ist so eine Stelle deines Ver- standes, welche zugeklebt und ausgebessert werden muß! Bedenke doch, was wir alles unternommen und gewagt haben, und wie es uns dabei ergangen ist, um hinter die Geheimnisse des Birs Nimrud zu kommen! Und dafür sollen wir nichts, gar nichts erhalten? Kein Hamal[162] und kein Schaggal biljomije[163] arbeitet umsonst, und wir, die wir die tapfersten Helden des ganzen türkischen Reiches und auch aller andern Reiche sind, sollen unsere Freiheit und unser Leben wiederholt gewagt haben, ohne einen einzigen Para von dem Gelde zu bekommen, dessen Entdeckung man nur uns allein zu verdanken hat? O, Sihdi, du bist zu nobel, viel zu nobel!«

»Eben weil ich kein Hamal und kein Schaggal biljomije bin, verbietet es mir meine Ehre, für mich persönlich Lohn zu fordern. Ich bin überzeugt, daß auch dein Ehrgefühl dich hindert, dich wie einen Tagelöhner behandeln zu lassen!«

»Tagelöhner? Höre, Effendi, ich bin der oberste Scheik der berühmten Haddedihn vom großen Stamme der Schammar, und wehe dem, der es wagen sollte, mir die Ehrfurcht, welche ich fordere, zu versagen! Ich mag von diesem Gelde nichts, gar nichts! Keinen einzigen Para will ich haben! Ich finde es ganz vortrefflich von dir und stimme dir vollständig bei, daß wir viel zu hoch stehen, als daß uns dieses bißchen Geld verlocken könnte, auch nur einen einzigen Blick darauf zu werfen! Wir brauchen es nicht. Diese Angelegenheit ist also erledigt; die andere ist für mich viel wichtiger.«

»Welche?«

»Das Versprechen, welches du mir gegeben hast. Du willst dem frühern Kol Agasi und jetzigen Bimbaschi und seinen Soldaten dein Wort halten, und so hoffe ich, daß auch ich erlange, was du mir verheißen hast.«

»Was?«

»Meine Kurbadsch für den Säfir!«

»Dieser Wunsch wird dir in Erfüllung gehen.«

»Wann?«

»Sobald wir ihn herausgeholt haben. jetzt gehen wir zu ihm, um nachzusehen, wie er sich befindet. Dann nehmen wir die Räume in Augenschein, und wenn wir das gethan haben, schaffen wir ihn heraus. Du wirst leuchten.«

»Ich? Kann das nicht lieber ein Askari thun?«

»Nein. Es soll, bis der Pascha kommt, niemand das Innere des Birs Nimrud sehen, als nur du, ich und der Kammerherr, der ja nun einmal eingeweiht ist.«

»So mag der das Licht tragen!«

»Auch er nicht, denn wir nehmen ihn nicht wieder mit hinab. Er wird ganz froh sein, den finstern Gang verlassen zu dürfen.«

»Soll ich ihn holen?«

»Ja.«

Als er ihn brachte, konnte der Pischkhidmät Baschi nicht verbergen, wie leicht er sich fühlte, dem Schikäm-i-Charabe[164], wie er es nannte, entronnen zu sein. Er holte tief, sehr tief Atem und rief, indem sein Gesicht vor Wonne strahlte, frohlockend aus:

»Allah sei gepriesen, daß er es mir gestattet, das Licht des Tages wiederzusehen! Ich lag in den Banden der Finsternis und des Todes; aber er hat mich errettet durch meine große Zuversicht, mit der ich auf ihn hoffte.

Der Säfir wollte mich töten, aber er wagte sich nicht an mich, denn ich bin der Liebling des Beherrschers, und er fürchtete sich vor meiner Tapferkeit. Ich bin – — —«

»Wie – — wie war das? Was hast du gesagt?« unterbrach ihn Halef schnell.

»Hast du es nicht gehört?«

»Ich hörte dich freilich sprechen, aber ich traue meinen Ohren nicht. Hast du dich wirklich den Liebling des Beherrschers genannt?«

»Ja.«

»Und das hat den Säfir in Angst versetzt?«

»Ja.«

»Und er hat sich vor deiner Tapferkeit, höre es richtig: vor deiner Tapferkeit gefürchtet?«

»Ja.«

»So hast du es also seiner Angst vor dem Beherrscher und deiner Tapferkeit zu verdanken, daß du gerettet worden bist?«

»Ja, das habe ich.«

»Das sagst du mir so ruhig ins Gesicht?«

»Ich sage es nicht bloß dir, sondern jedermann, dem ich begegne, wird es von mir erfahren.«

»So! Dann will ich dir jetzt einen guten Rat erteilen: Sage es ja keinem Menschen in meiner Gegenwart!«

»Warum nicht?«

Der kleine Hadschi nahm seine Peitsche aus dem Gürtel und antwortete mit erhobener Stimme:

»Weil ich dir sofort hier diese Kurbadsch geben würde, welche du bereits kennen gelernt hast! Die Furcht vor dem Beherrscher! Ich sage dir, wenn dieser dein Beherrscher lauter solche Unterthanen hat, wie du bist, so ist er der traurigste Mensch, den es auf Erden geben kann! Und deine Tapferkeit? Kerl, du bist ein solcher Feigling, daß ich der Wahrheit gemäß behaupten kann: Es ist mir in meinem ganzen Leben noch kein so großer und verachtenswerter vorgekommen! Hier, mein Effendi ist‘s, der dich gerettet hat, er allein! Ein Bettler dankt mir für die kleinste Gabe, und selbst ein Hund leckt die Hand, die ihm den härtesten Knochen giebt; du aber, der du dich für so erhaben über tausend Menschen dünkst, stehst tiefer als der Bettler und tiefer als der Hund, denn du hast kein einziges Wort der Erwähnung für den Retter aus der größten Todesnot. Also ich warne dich: Wagst du es, deinen Beherrscher und deine Tapferkeit in meiner Gegenwart zu erwähnen, so gerbe ich dir das Fell, daß es in Stücke platzt! Du bist mir ein verächtlicher Wurm; deine Gegenwart widert mich an. Mach dich augenblicklich fort von uns, sonst fange ich schon jetzt an, zuzuhauen!«

Er holte mit der Peitsche zum Schlage aus; da flog der Perser in einem vor Angst so weiten Sprunge von ihm fort, daß er über den Rand der heraufführenden Böschung hinausgeriet und, anstatt festen Fuß zu fassen, mit dem Rücken auf das lockere Geröll niederkrachte, welches, ihn in eine Lawine hüllend, mit ihm in die Tiefe schoß.

»Da fährt er hin, doch ohne Pferd und Wagen!« lachte Halef. »Nimm mir es nicht übel, Sihdi, aber solche undankbare Halunken könnte ich umbringen! Paß auf, Sihdi, er wird dir zumuten, ihm zur Wiedererlangung seines Eigentums behilflich zu sein; aber ich sage dir, wenn du nur noch eine Lippe oder einen Finger für ihn bewegst, so schreibe ich deiner Dschanneh, welche die Zierde deines Harems ist, einen monatelangen Brief, in welchem ich ihr erkläre und beweise, daß sie im höchsten Grade unglücklich ist, wenn sie sich nicht so schnell wie möglich an einen andern Türken verheiratet. Paß nur auf, das thue ich, das thue ich ganz bestimmt.«

»Wenn du zu solchen Mitteln greifst, lieber Halef, so sehe ich mich freilich gezwungen, deinen Wunsch als einen Befehl zu nehmen, dem ich zu gehorchen habe.«

»Das erwarte ich allerdings von dir! Es giebt keinen größern Lump auf Erden, als einen Menschen, welcher undankbar ist. So! jetzt ist der Zorn heraus, und nun will ich wieder dein alter, stiller Halef sein!«

 

»Still? Hm!«

»Hm? Warum hmst du denn? Hältst du es etwa nicht für wahr, daß ich ein sehr stiller Charakter bin?«

»O, ich halte es für sehr wahr, nur freilich in grad entgegengesetzter Weise, als du es gemeint hast.«

»Wieso?«

»Dein Charakter ist so überwältigend, daß andere ganz still sein müssen.«

»Andere? ja, richtig! Es ist auch wirklich oft sehr notwendig, daß man einen solchen Charakter hat! Du bist zu gut, viel zu gut, und wenn da nicht ich mich zuweilen in deine großen Lücken stellte, so würde das Belad esch Schark[165] wohl wenig Freude an uns erleben. Ich bin auch in dieser Beziehung dein unermüdlicher Führer und Beschützer. Nun aber komm, sonst stirbt der Säfir vor Sehnsucht nach unserer Gegenwart!«

Wir begaben uns also wieder in den Gang, und zwar nach der Nische, in welcher die Lämpchen standen. Als wir da Licht gemacht hatten, gingen wir nach der Ecke, wo die Stufen hinabführten. Den im Gange liegenden Waren schenkten wir zunächst keine Beachtung; sie interessierten uns nicht. Zwar war anzunehmen, daß sich unter ihnen auch die der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi abgenommenen wertvollen Sachen befanden, aber da wir uns vorgenommen hatten, uns mit diesem Menschen nicht mehr zu befassen, so ging uns auch sein Eigentum nichts an.

Im Raume Nummer Eins unten angekommen, verschoben wir die Untersuchung desselben noch für kurze Zeit, um zunächst nach dem Säfir zu sehen, der sich in Nummer Drei befand. Er stand oder vielmehr er hing noch genau in derselben peinlichen Lage, in welcher wir ihn verlassen hatten, an den eisernen Vorhangsstäben. Er war gezwungen, sich nicht zu bewegen und den Kopf unausgesetzt hoch zu halten, denn sobald er ihn senkte, wurde ihm durch den eng um den Hals liegenden Strick der Atem genommen. Er befand sich also in steter Angst vor dem Erstickungstode, und so war es leicht erklärlich, daß er uns bei unserm Eintritte im höchsten Zorn entgegenrief:

»Endlich laßt ihr euch wieder einmal sehen! Ist das die Art der Christen und Sunniten, Menschen zu behandeln! Bindet mich los, und gebt mich frei, wenn euer Leben für euch nicht weniger als einen Pulverschuß Wert besitzt! Ich gehe zum Sandschaki, und wehe euch, wenn er erfährt, was ihr hier zu unternehmen wagtet! Nur meine Fürsprache kann euch vor dem Ärgsten retten!«

Halef stellte sich breitspurig vor ihn hin und fragte:

»Ah! Unser Fürsprecher willst du sein?«

»Ja; aber nur, wenn ihr eurer Feindseligkeit gegen mich sofort ein Ende macht!«

»O, wir sind ganz begierig darauf, dir Freundlichkeiten zu erweisen! Leider aber würden sie uns nichts nützen, weil deine Fürbitte ebenso machtlos wie dein Sandschaki ist. Er steckt im Kerker, und Ketten schmücken seine Hände!«

»Das ist Lüge!«

»Keine Beleidigung, sonst beweise ich dir mit der Peitsche, daß ich die Wahrheit spreche! Grad du darfst dich nicht darüber wundern, daß ich vom Gefängnisse spreche, denn nur du allein trägst die Schuld, daß er eingesperrt worden ist!«

»Ich – — —?!«

»Ja, du! Es war die größte aller Dummheiten, die es giebt und geben kann, daß du den Pädär-i-Baharat mit einer Schrift zu ihm schicktest, welche entdeckt und ihm abgenommen worden ist. Man weiß nun nicht nur, was du hier im Birs zu suchen hast, sondern man kennt auch alle eure andern Heimlichkeiten. – Doch, was habe ich mich mit dir abzugeben! Es giebt hier mehr zu sehen, als dich, einen Menschen, der nicht wert ist, daß man ihn nur mit einem einzigen Blick begnadet!«

Ich hatte nämlich nicht auf ihren Wortwechsel geachtet und war mit dem Lichte nach Nummer Zwei gegangen. Jetzt kam mir Halef dorthin nach. Wir sahen uns in diesem Raume und dann auch in dem andern um. Unser alter Bagdader Gastfreund hatte wirklich nicht zu viel von den hier hoch aufgestapelten Waren erzählt. Es gab da eine so tadellose Ordnung, daß man hätte meinen können, sich in einem wohlgeleiteten kaufmännischen Magazin zu befinden. jeder Pack und jeder Gegenstand hatte eine Etikette, welche sich auf seinen Inhalt bezog. Wir brauchten also nur diese Aufschriften zu lesen, um zu erfahren, was alles hier vorhanden war.

Es gab da Tabak aus Räscht, besten Opium, Haschisch, Tamariskenhonig, Hennah, Krapp aus Täbriz, Safran und Saflor, getrocknete Hallagäh- und Angur-i-Ali-Deresi-Trauben, gedörrte Melletzu- und Gulab-i-Schahi-Birnen, Kischmisch- und Savsa-Rosinen, Gulab[166] und das herrliche teure Atr-i-gul[167]. Das Gegenteil davon, nämlich Asa foetida, war auch vorhanden. Es waren da verzeichnet wohlriechende Seifen aus der Stadt Kum, Demawendi-Schwefel, Arsenik aus Kaswin, ferner kostbare Lammfelle von Bokhara und Kum, große, schwere Ballen Maroquins, in Persien Tscherme hamadahni genannt, und Saghri-Chagrins, welche aus der Rückenhaut des wilden Esels gefertigt werden. Außerordentlich reich war das Lager an den verschiedensten Kleiderstoffen, als Sammet, Seide, Wolle, Baumwolle u. s. w., ebenso an köstlichen Shawls und Teppichen. Der Säfir mußte sich hier vollständig sicher gefühlt haben, denn sonst hätte es ihm nicht einfallen können, solche Werte an dieser Stelle aufzustapeln. Mit welchen Gefühlen mochte er nun Zeuge davon sein, daß wir seine Schätze so ungestört und mit Gemächlichkeit betrachteten! Er verhielt sich ruhig und sagte lange, lange Zeit kein Wort; aber als wir an die schon einmal erwähnte Truhe kamen und ich, um sie zu öffnen, den ihm abgenommenen Schlüssel hervorzog, da schrie er mit hier in diesem Raume schmetternder Stimme auf:

»Halt! Wagt euch nicht an diesen Kasten!«

Ich steckte natürlich den Schlüssel trotzdem an und drehte ihn im Schlosse um. Als er das Geräusch hörte, brüllte er:

»Ich warne euch bei Allahs Namen: Berührt dort nichts! Es liegt ein Sihhr[168] darin verborgen, der jedem, der ihn berührt, Verderben bringt!«

»Das freut mich außerordentlich!« lachte Halef. »Dieser dein Zauber gehört wahrscheinlich in das Gebiet der schwarzen Simijah[169], und da ich mich nun sehr gut auf die weiße Simijah verstehe, so habe ich hier die beste Gelegenheit, zu erfahren, welche mächtiger ist, die schwarze oder die weiße.«

»Die schwarze, die schwarze ist mächtiger! Hüte dich! Rühr nichts an!«

»Wenn das wirklich wahr ist, was du sagst, so brauchen wir uns dennoch nicht zu fürchten, denn mein Effendi ist Meister in der blauen, roten, grünen, und gelben Simijah, und du wirst gleich sehen, daß deine einfache, schwarze gegen diese vierfache und bunte Wissenschaft unmöglich aufkommen kann! Also öffne, Sihdi, öffne getrost!«

Ich hob den Deckel auf.

»Mach zu, mach wieder zu!« warnte der Säfir mit überschnappender Stimme. »Der Zauber bringt dich sonst um dein ewiges Leben, um deine ganze Seligkeit!«

»Mach dich nicht lächerlich!« antwortete ich jetzt. »Glaubst du denn wirklich, daß ein Europäer, ein Christ, so dumm sein kann, eine solche Albernheit zu glauben, über welche dich bei uns jedes Kind verspotten würde? Die Truhe ist geöffnet; nun, wo ist dein Zauber?«

»So sei verflucht im Leben und verdammt in Ewigkeit!«

Da sprang Halef hin zu ihm; der Schein der Lampe reichte nicht so weit. Ich hörte einen klatschenden Hieb und einen Schmerzensschrei; dann war es still. Der Hadschi kehrte zurück und sagte nichts. Selbst wenn er etwas hätte sagen wollen, wären ihm bei dem Anblicke, der sich ihm hier bot, die Worte wohl auf der Zunge liegen geblieben. Wie ein kleiner Knabe, dem eine große, ungeahnte Überraschung wird, spreizte er die Finger aus und starrte auf das flimmernde Gold und Silber und auf die funkelnden Edelsteine, welche vor uns lagen. In holzgeschnitzten Schalen sahen wir, offen, nicht in Rollen gepackt, in- und ausländische Gold- und Silberstücke in Haufen, während eingelassene Fächer eine Menge geschliffene oder ungeschliffene Halb- und Ganzedelsteine enthielten. Auch gab es Ringe, Ketten, Hals- und Armbänder, Haar- und andern Schmuck in Menge. Was dieser Kasten enthielt, das war ein Vermögen, wirklich ein Vermögen! Und als ich einige Fächer herausnahm, erblickte ich kostbare Pistolen und Dolche, welche den untern Teil der Truhe füllten. Dabei lagen zwei Bücher. Ich schlug sie auf. Wer hätte das denken sollen! Es waren die Geschäftsbücher, welche eine ganze Reihe von Jahren zurückreichten und ein genaues Verzeichnis aller Aus- und Eingänge enthielten. Das war ja staunenswert!

»Maschallah!« ließ sich Halef endlich hören. »Mein Verstand steht still! Sihdi, gieb mir einen Stoß in die Rippen, daß er wieder in Bewegung kommt!«

»Steckt er bei dir zwischen den Rippen?« fragte ich.

»Wo er steckt, das kann ich in diesem Augenblick nicht wissen; ich fühle nur, daß er nicht da ist, wohin er gehört. Welch ein Geld! Welch eine Pracht der Steine! Ich bin kein Dschohardschi[170] und weiß also nicht, wie sie heißen. Kennst du vielleicht die Namen?«

»Was nützt es, wenn ich sie dir aufzähle? Die Steine werden dadurch doch nicht unser!«

»Ja, eigentlich betrübt es meine gefühlvolle Seele sehr, daß ich sie nur betrachten, aber nicht in meine Tasche stecken darf! Sieh dieses herrliche Suwahri![171] Was sind das für Steine?«

»Ein Almahs[172], ein Sumrud[173] und ein Jakut[174], woran sich die dreifachen Firuzareihen[175] schließen.«

»O, Sihdi, wie würde meine Hanneh jubeln, die schönste unter den Schönheiten aller erschaffener Frauen, wenn ich ihr diesen Schmuck mitbrächte, um ihn an ihren geliebten Arm zu legen! Stehen wir wirklich gar so hoch, daß wir gar nichts wegnehmen dürfen?«

 

»Ja.«

»Und ist unsere Ehre wirklich von so großer Erhabenheit, daß wir sie durch einige solche Steine beleidigen würden?«

»Ganz gewiß.«

»So denke an Dschanneh, die lieblichbraune Herrin deines Frauenzeltes! Liebt sie es nicht auch, sich zu schmücken?«

»Ihr und mein bester Schmuck ist Ehrlichkeit, und alles, was hier liegt, ist fremdes Eigentum. Bedenke das!«

»Ich bedenke es! Zugleich bedenke ich aber auch, daß es eine wahre Schande ist, diesen Reichtum entdeckt zu haben, ohne ihn behalten zu dürfen. Hoffentlich ist es wenigstens erlaubt, einmal so recht mit allen zehn Fingern hineinzugreifen?«

»Dagegen habe ich nichts. Wenn es dir Vergnügen macht, so thue es!«

»Sogleich, sogleich! Sieh, wie das funkelt, wie es strahlt!«

Mein kleiner Hadschi war ein grundehrliches Kerlchen; aber dieses Metall und diese Steine thaten es ihm doch an. Darum sagte ich ihm, indem er darinnen wühlte und sie aus einer Hand in die andere gleiten ließ:

»Ein freundlicher Strahl aus dem Auge deiner Hanneh ist schöner und tausendmal mehr wert, als diese ganze leblose und künstliche Flimmerei!«

Da zog er die Hände schnell zurück, sah mir mit warmem Blick in das Gesicht und antwortete:

»Das ist sehr wahr, Sihdi! In den Augen, von denen du sprichst, wohnt ein Licht der Liebe, gegen welches dieses Gefunkel hier die reine Finsternis, der unsichtbare Neumond ist. Ich bin reicher, viel reicher, als der arme Teufel, dem dieses Geld und diese Steine da gehören werden. Ich tausche nicht mit ihm! Ein fröhliches Lachen aus dem Munde meiner Hanneh, der herrlichsten aller Frauen, klingt schöner als das Klirren dieser Münzen. In ihren Augen und ihrem Lächeln wohnt die Seele, in diesen toten Schätzen aber ist keine– Allah, was sehe ich!«

Er hatte, wie zur Erklärung, wieder in die Schmucksachen gegriffen und das erste beste Stück herausgenommen. Sein Ausruf lenkte auch meinen Blick auf diesen Gegenstand.

»Ein Bild, Sihdi, ein Bild!« fuhr er fort. »Das muß einem Christen gehört haben, denn einem Moslem ist es ja verboten, sich malen zu lassen. Und doch ist die Kleidung dieses Mannes und dieses Weibes keine fränkische, sondern persisch. Schau es an!«

Er gab mir das kleine, mit Edelsteinen eingefaßte Doppelporträt. Als mein Auge darauf fiel, hätte ich beinahe einen Ruf der Überraschung ausgestoßen. Ich kannte den Perser, dessen Konterfei ich vor mir sah. Es handelte sich nicht um eine zufällige Ähnlichkeit, sondern er war es, war es unbedingt und ohne Zweifel selbst, nämlich Dschafar, mit dem ich damals drüben im Westen der Vereinigten Staaten zusammengetroffen war. Neben ihm sah ich ein wunderschönes, orientalisches Frauenangesicht mit geheimnisvollen Dunkelaugen, aber kalten, unerbittlichen Lippen und rätselhaften Sphinxzügen, ein Gesicht, welches mich sofort, doch nicht etwa den Menschen, sondern den Psychologen in mir, gefangen nahm. Das Original zu diesem weiblichen Porträt war sicher keine im Harem psychisch vernachlässigte, sondern ganz gewiß eine geistig bedeutende Persönlichkeit. Und als ich schärfer hinschaute, bemerkte ich unter den Bildern zwei feine, in das Gold des Rahmens gegrabene Unterschriften. Diejenige, welche unter dem männlichen Porträt stand, lautete »Dschafar Mirza« und die unter dem weiblichen »Schahzadeh Khanum Gul«.

Man muß wissen, daß das Wort Mirza, wenn es vor dem Namen steht, ein allgemeiner Titel ist, welcher jedem gebildeten Manne, besonders aber Gelehrten, Dichtern etc. gegeben wird, z. B. Mirza Schaffy, der bekannte Freund Bodenstedts; steht er aber hinter dem Namen, so bedeutet er den Rang eines Prinzen. Mit dem Schah nahe- und blutsverwandte Prinzen werden Schahzadeh tituliert. Steht das eine Dame bezeichnende Wort Khanum hinter dieser Bezeichnung, so ist eine Prinzessin gemeint. Hieraus folgt, daß mein früherer Reisegenosse Dschafar ein Prinz und das Original des andern Bildes eine mit dem Schah von Persien verwandte Prinzessin war. Durch die Vereinigung der beiden Bilder war ich natürlich veranlaßt, auch die Personen in nahe Beziehung zu einander zu bringen; aber welches das Verhältnis war, in dem sie sich berührten, das konnte ich freilich nicht wissen. Aus dem Umstande, daß sie sich dem Verbote des Islam entgegen hatten abbilden lassen, war zu schließen, daß sie über der gewöhnlichen muselmännischen Denkweise erhaben standen, was bei dem weitgereisten Dschafar Mirza kein Wunder war; in Beziehung auf die Schahzadeh Khanum aber ergab sich daraus die wahrscheinlich berechtigte Folgerung, daß sie eine jener selbständigen Damen sei, vor denen der Orientale ein Grauen hat. Hat es schon bei uns einen eigenen Beigeschmack, wenn wir von einer »emanzipierten Frau« sprechen, so tritt dieser goût hétérogène im Oriente noch viel mehr hervor. Wer es fertig bringt, alle Traditionen und Rücksichten außer acht zu setzen und die Fesseln des so streng abgeschlossenen dortigen Frauenlebens zu sprengen, der ist gewiß mit einem explosiven Temperamente ausgerüstet oder hat – ich bitte, mich eines Lieblingsausdruckes meines kleinen Halef bedienen zu dürfen – verschiedene Schejatin[176] im Leibe sitzen. Daher der Widerwille des Orientalen, den Frieden seines Harems durch eine solche »Teufelin« in das Gegenteil umwandeln zu lassen.

Daß die Prinzessin Gul hieß, war eigentlich gar nichts Auffälliges, und doch dachte ich sonderbarerweise dabei sogleich an die Gul-i-Schiraz. Vielleicht war das eine Folge des Eindruckes, den das Bild auf mich machte. Die sphinxartigen Züge des Gesichtes paßten ja ungemein zu der Rätselhaftigkeit, weiche die geheimnisvolle »Rose von Schiras« für mich hatte.

Alle diese Gedanken gingen mir sehr schnell durch den Kopf, und doch blieb es für Halef nicht unbemerkt, daß die Porträts kein gewöhnliches Interesse für mich hatten.

»Du siehst die Bilder so eigentümlich an, Sihdi,« sagte er. »Kennst du etwa diesen Mann oder das Weib oder wohl gar beide?«

»Sprich leise!« warnte ich mit unterdrückter Stimme, indem ich das Bild in meine Tasche schob. »Der Säfir darf nichts davon hören.«

»Allah! Du steckst es ein!« flüsterte er. »Willst du es behalten?«

»Ja.«

»Aber du hast doch noch soeben gesagt, diese Sachen seien fremdes Eigentum!«

»Ich hatte das Bild noch nicht gesehen.«

»Es scheint dich plötzlich aus der großen Erhabenheit deiner Ehre herabgezogen zu haben. Wie nun, wenn ich mich durch die Schönheit des Armbandes auch herabziehen ließe?«

»Das ist etwas ganz anderes. Es hat mit diesem Bilde eine ganz eigenartige Bewandtnis, die ich dir jetzt nicht erklären kann. Ich darf es nicht hier liegen lassen; ich muß es mitnehmen. Vielleicht treffe ich den rechtmäßigen Eigentümer, dem es wahrscheinlich gestohlen wurde. Auch scheint es mit einem Geheimnisse zusammenzuhängen, dessen Lösung auf unserm Wege liegt. Es ist kein Diebstahl, den ich begehe, nicht einmal eine Unehrlichkeit, sondern ich habe das Recht, und die Klugheit gebietet mir, es zu nehmen. Komm, wir wollen gehen!«

»Wohin?«

»Hinunter zu den Soldaten.«

»Lassen wir den Säfir hier?«

»Nein; wir nehmen ihn mit.«

»Und wie steht es mit den Hieben, die seinen Rücken und meine Seele erfreuen werden?«

»Hat das so große Eile?«

»Ja, sehr große, Sihdi! Ich behalte das, was andere zu bekommen haben, nicht gern auch nur eine Minute länger, als unbedingt nötig ist, also auch die Hiebe, welche schon längst in seinen Besitz hätten übergegangen sein sollen. Ich will und muß sie los werden, denn es stört mich in meinem Wohlbefinden, wenn ich sie noch länger mit mir herumtragen soll!«

So wollen wir uns jetzt sputen, damit du ja so schnell wie möglich von dieser schweren Last befreit wirst!«

Ich schloß die Truhe wieder zu und steckte den Schlüssel wieder ein. Als wir dann zum Säfir traten und der Lichtschein auf ihn fiel, bemerkte ich auf der rechten Seite seines Gesichtes eine beginnende Geschwulst. Das war die Folge des Hiebes, mit welchem sein grasser Fluch vorhin von Halef beantwortet worden war. Wir banden ihn von den Stäben los und gaben seine Füße frei, schnürten ihm aber die Ellbogen so fest auf dem Rücken zusammen, daß er, trotzdem er nun laufen konnte, ganz in unsere Hände gegeben war. Dann stiegen wir hinauf. Er ging mit, ohne sich zu weigern und aber auch ohne ein Wort zu sprechen. Es war, als ob der in ihm kochende Grimm ihn ersticken wolle. Als wir oben in das Freie traten, wirkte sein Gesicht ganz anders als unten bei dem unzureichenden Lichte des kleinen Lämpchens. Zu der schon vorhandenen gewesenen und ihn entstellenden Narbe auf der linken Seite seines Gesichtes war jetzt die schnell wachsende und sich dunkel färbende Geschwulst der andern Seite gekommen; dazu der lange, zerzauste Bart, der drohende Blick der blutunterlaufenen Augen und die weit herabhängende Unterlippe. Es überlief mich ein Grauen, ein körperlicher und geistiger Ekel, als ich dieses mehr als abstoßende Gesicht so vor mir sah!

Er wollte abwärts schreiten; ich befahl ihm aber, sich niederzusetzen, was er still, aber mit einem Blicke that, der mich vernichtet hätte, wenn es auf den Besitzer des Auges angekommen wäre.

»Wir wollen den Eingang verschließen,« sagte ich zu Halef.

»Womit?«

»Mit den Ziegeln, welche hier liegen.«

Als der Säfir diese Worte hörte, ließ er ein höhnisches Räuspern hören. Ich fuhr als Antwort auf diese Verspottung fort:

»Das ist nämlich ganz leicht, wenn man die Sache kennt. Du kannst dich doch, lieber Halef, auf die Schrift besinnen, welche ich dem Pädär-i-Baharat aus der Tasche genommen und, nachdem ich sie gelesen hatte, wieder hineingesteckt habe?«

»Ja, Sihdi.«

»Sie enthielt eine Zeichnung, welche sich auf diesen Eingang bezog. Es ist kaum glaublich, wie unendlich dumm alle diese Menschen gewesen sind! Durch diese Zeichnung wurde mir das Geheimnis verraten. Es war der Weg von da unten bis hier herauf ganz genau angegeben und auch die Schrift abgebildet, an welcher der letzte Stein, der eigentliche Verschlußziegel, zu erkennen ist. Es war babylonische Keilschrift, die ich lesen kann; darum war es sehr leicht, mir die Zeichen einzuprägen, so daß ich sie nicht wieder vergessen habe. Diese Menschen aber verstehen nichts von dieser Sprache und von dieser Schrift und müssen sich also mit Abbildungen des Steins behelfen. Die betreffenden Zeichen bedeuten die Worte – — – romen ‚a. Illai in tat kabad bad ‚a Illai«[177]. Ich werde jetzt nachsehen, welcher Stein diese Worte enthält.«

Die Ziegel waren so vorsorglich nach der Reihe gelegt, daß es nur eines Blickes bedurfte, den zu finden, welchen er meinte. Ich deutete auf ihn und fuhr fort:

»Hier sehe ich ihn. Er enthält ganz genau die Zeichen, welche mir durch die unverzeihliche und unbegreifliche Unvorsichtigkeit des Pädär-i-Baharat verraten worden sind, und ist also der letzte, welcher eingefügt werden muß. Daraus folgt, daß ich mit den Ziegeln, die auf der ihm entgegengesetzten Seite liegen, beginnen muß.«

»Allah zerreiße diesen leichtsinnigen Halunken!« knirschte der Säfir. »Dich aber verfluche er bis – —«

Er verschlang die übrigen Worte, denn Halef zog die Peitsche und holte zum Hiebe aus.

»Das ist dein Glück, daß du den Zibi[178] den du sprechen wolltest, wieder auf den Unrat, der dein Inneres füllt, zurückgeschlungen hast,« sagte er. »Ich hätte dich durch diese Peitsche gezwungen, es zu thun. Soll ich dir helfen, Effendi, die Steine zusammenzufügen?«

»Nein,« antwortete ich. »Diese Arbeit muß ich alleine thun. Es wird da leichter und auch schneller gehen als mit deiner Hilfe.«

Indem ich die überall sehr scharfen, aber vielfältigen und höchst unregelmäßig verlaufenden Kanten des Einganges betrachtete, welche keine gerade, sondern eine nach allen Richtungen zickzackende Linie bildeten, und von unten herauf diejenigen Steine, welche in die Zickzacke paßten, aufeinander setzte, wurde es mir nicht schwer, das Loch in so kurzer Zeit zuzusetzen, als ob ich diese Arbeit schon oft ausgeführt hätte. Als ich zuletzt den Schlußstein eingefügt hatte, wäre es einem Uneingeweihten wohl nicht möglich gewesen, bei Betrachtung dieser Mauerstelle zu erraten, daß hinter ihr ein Gang verborgen war. Die einzelnen Stücke paßten so genau an- und aufeinander, als ob sie seit dem Bau des babylonischen Turmes nie von einer Hand berührt worden seien. Die Leute, welche den Gang entdeckt und diesen Verschluß desselben hergestellt hatten, waren sehr vorsichtige und sorgsam arbeitende Personen gewesen.

161Jesus, Mariens Sohn.
162Lastträger.
163Tagelöhner.
164Bauch der Ruine.
165Der Orient.
166Rosenwasser.
167Rosenessenz.
168Zauber.
169Magie.
170Juwelier.
171Armband.
172Diamand.
173Smaragd.
174Rubin.
175Türkis.
176Plural von Schejtan = Teufel.
177»– — – darbringen dem höchsten Gott, nur allein um seine Herrlichkeit zu zeigen«.
178Mist.