Za darmo

Im Reiche des silbernen Löwen II

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»Ja, macht im Namen aller Teufel, daß ihr fortkommt, und laßt euch ja nicht wieder vor uns sehen! Ich habe heut abermals einen Christen kennen gelernt, und er ist nicht anders und nicht besser als so viele, die ich schon vor ihm gesehen habe. Es ist wahr, was das alte, persische Sprichwort sagt: Wer einem Isävi[104] begegnet, der stoße ihn mit dem Fuße von sich, sonst hat er die Folgen in diesem und in jenem Leben zu tragen!«

Ich saß schon auf dem Pferde und hatte mich einige Schritte weit entfernt. Als ich diese Worte hörte, lenkte ich wieder um, ritt zu ihm zurück und antwortete.

»Ich könnte dir jetzt die Faust in das Gesicht schlagen, ohne daß du den Mut hättest, dich zu wehren; aber ich werde es nicht thun, eben weil ich ein Isävi bin. Ich fordere dich nur auf, nicht zu vergessen, was du jetzt gesagt hast. Wir sollen uns nicht wieder vor euch sehen lassen? Du bildest dir doch nicht etwa ein, daß wir uns vor euch fürchten? Das würde nach dem, was hier geschehen ist, der reine Wahnsinn sein. Und ich sage dir, daß ihr herzlich froh sein und Allah danken werdet, sobald ihr uns wieder erblickt. Ich weiß schon jetzt genau, daß wir uns sehr bald wieder begegnen werden, und dann werdet ihr euch hüten, uns mit den Füßen von euch zu stoßen, sondern uns von ganzem Herzen und aus voller Seele willkommen heißen. Merke dir diese Vorhersagung; ich werde dich an sie erinnern!«

Jetzt ritten wir fort, ohne auf das zu achten, was uns noch nachgerufen wurde. Der Khandschi war mit seinen Asaker[105] an das Thor gegangen; ich gab ihm und ihnen das erwartete Bakschisch, worauf sie sich tief verneigten und uns Glück auf unserm weitern Wege wünschten.

Der Sicherheit wegen und um die Perser zu täuschen, damit sie erwarteten Falles die von uns beabsichtigte Richtung dem Säfir nicht verraten könnten, folgten wir dem nach Khan Nasrijeh führenden Wege so weit, bis man uns nicht mehr sehen konnte, und wendeten uns dann nach links, um auf geradem Wege durch das wüste Feld den Euphrat zu erreichen.

Halef dachte, wie das so seine Gewohnheit war, zunächst still über unsere letzte Begegnung nach; dann, als er sich alles zurechtgelegt hatte, erkundigte er sich:

»Du hast diesem allerdümmsten der persischen Kammerherren gesagt, daß er uns sehr bald wiedersehen werde. War dies nur eine Redensart, oder denkst du wirklich, daß wir wieder mit ihm zusammentreffen werden?«

»Ich denke es nicht nur, sondern ich bin sogar überzeugt davon.«

»Weißt du schon auch den Ort dieses baldigen Wiedersehens?«

»Nein, denn ich weiß ja nicht, wo der Säfir sich über die Karwan hermachen wird. Auf dem Wege von dem Khan, den wir ebenfalls verlassen haben, bis nach Hilleh kann dies unmöglich geschehen, in der Nähe der heiligen Stätten auch nicht, also höchst wahrscheinlich kurz hinter Hilleh, und da eignet sich kein Ort besser dazu, als das Ruinenfeld von Babylon. Wenn ich mich in alles hineindenke, ist es mir nicht schwer, zu erraten, wie das Ereignis vor sich gehen wird.«

»Du weißt, daß mein Verstand nur lange und schwere Arbeiten gewöhnt ist; mit kürzeren Dingen, wie zum Beispiel das Erraten ist, giebt er sich grundsätzlich niemals ab. Darum bitte ich dich, die Kostbarkeit der Zeit in Betracht zu ziehen und mir gleich zu sagen, was deine Vernunft, welche kürzer als die meinige ist, sich ausgesonnen hat!«

»Es scheint, daß meine Vernunft trotz ihrer Kürze mehr wert ist, als deine so lang ausgestreckte, lieber Halef!«

»Irre dich nicht, Sihdi! Ich mag dir doch nicht zutrauen, der ganz verkehrten Ansicht zu sein, daß eine lang ausgedehnte Klugheit durch diese Ausreckung dünner wird!«

»Diese Frage wollen wir, obgleich sie höchst wichtig ist, doch lieber unerörtert lassen. Du weißt, daß der Säfir sich in Hilleh befindet. Der Pädär-i-Baharat, dem wir begegnet sind, wird ihn dort treffen und ihm mitteilen, daß das Eintreffen der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi in kurzer Zeit zu erwarten ist. Der Säfir, von dem ich vermute, daß die Perser ihn nicht persönlich kennen, wird ein ganz zufällig erscheinendes Zusammentreffen mit dem Kammerherrn herbeiführen und sich bemühen, sein Vertrauen zu erwerben. Ich bezweifle nicht, daß ihm dies gelingen wird, und dann hat er die Karwan in den Händen. Er wird sie verleiten, denjenigen Weg einzuschlagen, welcher seinen Absichten entsprechend ist – — —«

»Sihdi,« fiel da Halef ein, »Jetzt ist deine Kürze mit meiner Länge zusammengetroffen; ich verstehe dich! Der Säfir wird sich sogar an die Spitze der Karwan stellen, um sie in das Verderben zu führen.«

»Nein, das wird er wohl nicht.«

»Warum nicht?«

»Er ist wahrscheinlich zu klug dazu.«

»So hältst du diese meine Ansicht also nicht für eine vortreffliche?«

»Allerdings nicht, trotz der ungeheuren Länge deiner Vernunft. Es muß doch später unbedingt herauskommen, daß die Karwan verunglückt ist. Hätte er sich ihr beigesellt, so würde man ihn zur Verantwortung ziehen, und das hat er zu vermeiden.«

»Höre, Sihdi, die Kürze deines Verstandes ist wirklich nicht ganz übel! Sie hat auch ihre Vorteile, und ich bin, wie du siehst, gerecht genug, dich hiervon zu benachrichtigen.«

»Ich danke dir, und hoffe, daß diese deine Gerechtigkeit sich auch fernerhin bewähren werde! Also ich vermute, daß der Überfall an irgend einer Stelle des Trümmerfeldes vor sich gehen wird, und ich bin der Ansicht, daß diese Stelle nicht weit von derjenigen liegt, wo wir die Schmuggler belauscht haben.«

»Warum dort?«

»Weil sich in der Nähe das Versteck befindet, in welches man die Beute höchst wahrscheinlich schaffen wird. Gleichgültig ist es uns natürlich, durch welche Vorspiegelungen man die Karwan dorthin lockt; Hauptsache ist, daß wir denselben Platz zum heutigen Ziele haben.

Wir werden, wie ich hoffe, noch vor der Karwan dort ankommen und ihr, vorausgesetzt, daß wir sie finden, gegen den Säfir Beistand leisten.«

»Ja, das werden wir, Effendi, das werden wir!« stimmte er begeistert bei. »Das müssen wir ja schon um des Sandschaki willen.«

»Allerdings!«

»Wir bringen ihm den Säfir als überwiesenen und während der That ertappten Räuber. Da muß er einsehen, wie falsch er uns behandelt hat, und uns um Verzeihung bitten. Wie freue ich mich darauf! Das wird ein Sieg sein, auf den wir stolz sein können. Meinst du nicht auch, Sihdi?«

»Wir wollen vom Stolz jetzt noch nichts sagen. Unsere Absicht ist gut, aber zwischen ihr und der Ausführung liegt eine weite Strecke.«

»Sogar der Euphrat liegt dazwischen! Nicht?«

»Ja.«

»Wenn wir nach den Ruinen wollen, müssen wir an das rechte Ufer hinüber; nach Hilleh, wo die Brücke ist, können wir nicht zurück; wie kommen wir auf die andere Seite?«

»Hoffentlich finden wir Schilf oder überhaupt Material, uns ein Floß zusammenzustellen; ist dies nicht der Fall, so müssen wir schwimmen.«

»Weißt du, wie breit der Fluß in dieser Gegend ist?«

»Gewiß über dreihundert Amtahr[106]

»Das ist viel, sehr viel!«

»Du bist doch ein guter Schwimmer!«

»Oh, was das betrifft, so ist es mir gar nicht bange, hinüberzukommen; aber bei so einer Strecke ist es gar nicht zu umgehen, daß alles naß wird, was trocken bleiben soll.«

»Es giebt Mittel, dies zu%vermeid`n. Wollen jetzt schneller reiten, damit wir am Flusse Zeit gewinnen, ein Floß zu bauen, falls wir finden, was wir dazu brauchen.«

»Es wäre wohl am besten, wenn zufällig ein Floß oder Boot gefahren käme, dessen Besitzer uns hinüberschaffte.«

»Auf so eine Gelegenheit magst du nur verzichten. Wir müssen vermeiden, gesehen zu werden, denn jeder uns begegnende Mensch kann ein Verbündeter des Säfir sein und ihn davon benachrichtigen, daß wir nicht nach Bagdad geritten sind. Du hast ja gehört, daß sein Versteck zwei Stunden oberhalb Hilleh liegt. Das müssen wir wohl in Erwägung ziehen, weil zu bedenken ist, daß die Mitglieder seiner Bande nicht immer dort stecken, sondern sich auch an den Ufern oder auf dem Flusse hin und her bewegen werden. Sobald man uns bemerkt, ist Zehn gegen Eins zu wetten, daß unser Plan mißglückt.«

Der Ritt bis zum Euphrat bot nichts Bemerkenswertes. Das Terrain war eine von keiner Erhöhung, aber desto häufiger von tiefen Rinnen unterbrochene Ebene. Als wir an dem frohen Schnauben unserer Pferde bemerkten, daß wir in der Nähe des Wassers angekommen waren, stiegen wir ab und legten den Rest des Weges, um nicht so leicht gesehen zu werden, gehend zurück. Dann mußte Halef mit den Pferden in eine der erwähnten Rinnen steigen, während ich mich dem Ufer vorsichtig näherte, um nachzusehen, ob wir unbemerkt an das Wasser könnten.

Es war kein Mensch zu sehen; die Sonne stand schon sehr tief, und ihre in spitzem Winkel auf den Strom fallenden Strahlen wurden mir in die Augen gebrochen, daß mich diese schmerzten. Froh überrascht wurde ich von einer Menge Tarfa-Sträucher, welche dicht am Wasser standen und uns erlaubten, wenn nicht uns selbst, so doch diejenigen Gegenstände, welche nicht naß werden durften, trocken hinüberzubringen. Ich holte Halef, und als wir die Pferde versorgt hatten, begannen wir, Zweige zu schneiden und in Bündel zu vereinigen.

 

Leider wuchs die Tarfa[107] hier nur schwach, nicht einmal fingerstark. Von einem Floße, welches uns zu tragen vermochte, war keine Rede. Die Sonne ging unter, und es wurde Abend, ehe wir den leichten, zu einem schwimmenden Haufen vereinigten Bündeln die betreffenden Sachen anvertrauen konnten. Es war Halefs Aufgabe, dieses Floß zu dirigieren, indem er es im Schwimmen vor sich herzustoßen hatte; mir fiel die Führung der Pferde zu. Ich knüpfte Schlingen an die lang entschnallten Zügel und schob je einen Arm in eine dieser Schlingen. In dieser Weise die Hengste führend, stieg ich in das Wasser; sie folgten mir sofort und willig. Das edle Pferd der Dschesireh ist nicht wasserscheu.

In anderer Beziehung konnte es uns nicht so lieb sein, daß es Abend geworden war, aber in Hinsicht auf unsere Sicherheit hätte die Helle des Tages uns leicht gefährlich werden können. Die Kühle des Flusses that uns und den Pferden wohl; wir schwammen mit Bequemlichkeit, und als wir das jenseitige Ufer erreicht hatten, fühlten wir uns so wenig angestrengt, daß Halef sagte:

»Das war keine Arbeit, sondern ein Bad, Sihdi; ich bin wie neugeboren.«

»Hoffentlich ist es für die dir anvertrauten Sachen nicht auch ein Bad gewesen!«

»O nein! Ich habe sie mit meinen Augen behütet, wie ein Kamel sein Füllen bewacht. Wir nehmen alles wieder an uns, und lassen dann dieses Floß schwimmen, wohin es schwimmen will.«

»Nein, sondern wir werden es an das Ufer befestigen.«

»Warum?«

»Weil es uns möglicherweise verraten kann.«

»Verraten? Nimm mir meine Worte nicht übel, Sihdi, aber du treibst die Vorsicht viel zu weit! Selbst wenn dieser Tarfahaufen zufällig von den Leuten des Säfir entdeckt würde, kämen sie gewiß nicht auf den Gedanken, daß wir es sind, die ihn benutzt haben.«

»Gedanken sind unberechenbar. Millionen Menschen haben schon Unmöglichkeiten gedacht, und hier haben wir es mit etwas sehr Möglichem zu thun. In unserer Lage können wir nicht zu vorsichtig sein. Oder hast du vergessen, welche Mahnung ich im Namen deiner Hanneh vorkommendenfalls an dich richten soll?«

»Die Wünsche meiner Hanneh, welche die Rose unter allen Blüten und Blumen des Erdreiches ist, sind mir stets allgegenwärtig; darauf kannst du dich verlassen. ja, ich bin sogar überzeugt, daß du nicht so oft an deine Dschanneh denkst, wie ich mich der holden Gebieterin meines Frauenzeltes erinnere. Aber sag selbst, was aus unsern hoffentlichen und berühmten Erlebnissen werden soll, wenn du mit deiner übertriebenen Vorsicht alle Begebenheiten zurückscheuchst, welche sich uns nähern wollen! Habe doch einmal die Güte, in die Jahrhunderte und Jahrtausende der Weltgeschichte zurückzuschauen! Wie viele berühmte Sultane, Kaiser, Könige, Kalifen, Scheiks und Helden hat es gegeben! Sie sind gar nicht zu zählen! Aber wenn diese Männer alle so vorsichtig gewesen wären, wie du bist, so hätten wir keine Weltgeschichte, denn da wäre überhaupt gar nichts geschehen, und wo jetzt überall die Berühmtheiten strahlen, würde es so finster sein wie im Magen einer Ziege oder in einem Stiefel, den man am Fuße trägt.«

»Wenn er nicht zerrissen ist!« warf ich ein.

»Ich bitte dich, zu schweigen, Effendi! Wenn ich Beispiele anführe, um etwas zu beweisen, so sind sie tadellos; also ist auch dieser Stiefel kein zerrissener, sondern einer, den selbst ich anzuziehen mich nicht schämen würde!«

»So ziehe ihn schnell an, denn wir müssen weiter! Wir sind nicht über den Euphrat geschwommen, um uns hier über Fußbekleidungen und Ziegenmagen zu unterhalten. Wir müssen uns vielmehr beeilen, an den Birs Nimrud zu kommen.«

»Denkst du nicht, daß wir vorher das hiesige Versteck des Säfir aufsuchen sollten?«

»Ich würde dies allerdings vorschlagen, wenn der Ort uns etwas näher bekannt wäre. Da wir aber das Ufer erst mühsam nach ihm absuchen müßten, würden wir zu viel Zeit verlieren. Wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte, das Versteck zu entdecken, werden wir später nach ihm suchen. jetzt wollen wir fort von hier.«

Wir hatten während dieser halblauten Wechselrede die Pferde wieder gesattelt und alles auf dem Floße Befindliche an uns genommen. Nun stiegen wir auf und ritten in südlicher Richtung fort. Wir durften uns während dieses Rittes nicht so nahe am Ufer halten, daß der Hufschlag unserer Pferde von dort aus gehört werden konnte; darum bogen wir weiter, als sonst wohl nötig gewesen wäre, nach rechts hinaus; ob mehr oder weniger, das wußten wir nicht, weil es noch dunkel war und wir die Krümmungen des Euphrat nicht kannten.

Als wir eine Weile geritten waren, bemerkten wir zu unserer Linken einen zwar nur leisen, aber doch bemerkbaren Schein, welcher nur mit einem Feuer in Verbindung gebracht werden konnte. Wir blieben halten, und Halef sagte:

»Sihdi, ich vermute, daß dort das Versteck liegt. Das Ufer, an welchem das Feuer brennt, liegt tiefer als die Ebene; darum sieht man nur den Schein und nicht das Feuer selbst. Meinst du, daß ich recht habe?«

»Es ist möglich, daß du das Richtige getroffen hast,« antwortete ich.

»Wollen wir hin, um zu erfahren, wer sich dort befindet?«

»Wir? Wenn nachgesehen werden soll, genügt es, daß einer von uns hingeht.«

»Ich oder du?«

»Natürlich ich!«

»Allah! Warum willst nur immer du es sein, auf welchen der Ruhm der Entdeckungen fallen soll! Ich kenne dich zu genau, als daß ich annehmen könnte, daß es Mißgunst von dir sei. Du wirst dich wahrscheinlich wieder in den bekannten Sattel setzen, um mir deine heißgeliebte Vorsicht vorzureiten?«

»Das thue ich allerdings.«

»Und weißt doch, wie tief es mich betrübt! Es mag ja sein, daß ich früher, in der Zeit, als du mich kennen lerntest, ein wenig ungestüm und vielleicht auch unbedächtig gewesen bin; daran war meine Jugend schuld. Das ist nun vorüber. jetzt bin ich Besitzer eines Harems mit der besten Frau des Erdenlebens und habe sogar einen Sohn, der sich nach den Regeln meiner Weisheit und Erziehung richtet. Wenn du mich trotzdem noch für unbedachtsam hältst, so ist das eine Beleidigung, auf welche ich jedem außer dir mit meiner Peitsche antworten würde.«

»Höre, lieber Halef, diese deine Verteidigung spricht nicht für, sondern gegen dich!«

»Wieso?«

»Daß du auch jetzt die Peitsche erwähnst, wo doch außer uns beiden kein Mensch zugegen ist, bildet einen unumstößlichen Beweis, daß du dich auch jetzt noch nicht beherrschen kannst. Wie ist es mir da möglich, dir Aufgaben anzuvertrauen, zu deren Lösung unerschütterliche Ruhe, kaltes Blut und eine Umsicht gehören, die sich auch von der geringsten Aufwallung nicht beeinflussen läßt?«

»Ja, wenn man dich so reden hört, so klingt das allerdings genau so, als ob du das allergrößeste Recht besäßest, in dieser Weise von mir zu sprechen. Aber überzeuge dich doch einmal durch die That!«

»Das habe ich schon oft versucht.«

»Wie, wo und wann?«

»Du kannst noch fragen?«

»Ja.«

»Fordere ja keine Beispiele von mir; sie würden dich doch nur kränken! Wenn ich dir erlaubte, jetzt allein da hinüberzugehen, würdest du uns wahrscheinlich verraten oder gar festgenommen werden.«

Das liebe, kleine Kerlchen fühlte sich durch diese Behauptung so schmerzlich berührt, daß er fast weinend bat:

»Sihdi, du versenkst meine Seele in die tiefste Tiefe der Traurigkeit. Ich will dir nichts vorwerfen und auch nicht aufzählen, wie oft ich für dich gestritten und gelitten habe; ich will auch nicht erwähnen, daß ich noch jetzt bereit bin, mein Leben und alles, was ich besitze, hinzugeben; wie kannst du mich da in dieser Weise betrüben! Willst du die Schuld der Undankbarkeit auf dich laden? Sie ist ein Schmutz, den man durch alles Waschen niemals von sich entfernen kann!«

»Lieber Halef, ich sehe mich gezwungen, jetzt genau so zu sagen, wie du vorhin gesprochen hast: Wenn man dich so hört, klingt das grad so, als ob du das allergrößeste Recht besäßest, in dieser Weise mit mir zu sprechen!«

»Das ist auch richtig, Effendi, sehr richtig!«

»Nein!«

»Ich bitte dich, nicht mit mir darüber zu streiten, sondern mir dein Vertrauen zu schenken! Ich fordere und verlange als Beweis deiner Freundschaft, daß du mich gehen lässest, um nachzuschauen, was für Leute dort das Feuer, welches wir sehen, angezündet haben!«

Was konnte ich einer solchen Dringlichkeit gegenüber thun? Ich fühlte die Verpflichtung, ihm seine Bitte abzuschlagen, denn ich kannte ihn zu gut, als daß ich ihn ohne Sorgen hätte gehen lassen können; aber ich brachte es nicht über das Herz, ihm das Leid anzuthun, seinen Wunsch unerfüllt zu lassen. Er benutzte mein unentschlossenes Zaudern, noch einen stärkeren Trumpf auszuspielen:

»Ich sage dir, Sihdi, daß ich es als eine Beleidigung auffassen muß, wenn du mich jetzt abermals wie so oft wie einen Knaben behandelst, der zu nichts zu gebrauchen ist! Soll ich, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen Stamme der Schammar, dein allezeit bereiter und treuer Freund und Beschützer, stets nur so hinter dir herlaufen, wie ein Hund hinter seinem Herrn herläuft?«

»Nein.«

»Du behandelst mich ganz genau so, als ob dies deine Absicht sei!«

»Bedenke, was dazu gehört, eine Anzahl schlauer Feinde zu belauschen und zu beobachten!«

»Denkst du, daß ich das nicht kann?«

»Ja, das denke ich.«

»So beleidigst du dich selbst, denn du bist im Anschleichen mein Lehrmeister gewesen, und wenn ich nichts gelernt habe, obgleich ich doch sonst kein unanstelliger Mann bin, so kann die Schuld doch nur allein an dir liegen!«

»Ich danke dir, lieber Halef!« lachte ich.

»Lache nicht; ich meine es ernst! Übrigens will ich auf das Belauschen und Beobachten gern verzichten. Ich will nur erfahren, wer die Leute sind. Ich gehe hin, schleiche mich an sie heran, bis ich sie sehen kann, und komme sofort wieder. Das ist doch so leicht, daß ich mich fast schäme, es thun zu wollen, und wenn du auch jetzt noch auf deiner Weigerung beharrst, weiß ich wirklich nicht, was ich von dir denken soll!«

»Gut, ich werde dich also mitnehmen!«

»Mitnehmen?« fuhr er auf. »Davon ist keine Rede gewesen. Du hast gesagt, es genüge, daß nur einer von uns gehe, und nun sprichst du plötzlich vom Mitnehmen! Nein, ich will meiner Hanneh, der unvergleichlichsten Frau unter den Weibern des Erdreiches, erzählen dürfen, daß ich auch einmal etwas ganz allein ausgeführt habe. Darf ich gehen oder nicht, und zwar allein?«

»Du zwingst mich, ja zu sagen, und so mag das Wagnis denn unternommen sein!«

»Es ist kein Wagnis!«

»Doch! Grad der Umstand, daß du es für kein Wagnis hältst, sollte mich bestimmen, dir die Erlaubnis zu versagen. Du sollst aber dennoch gehen, nachdem wir unsere Vorbereitungen getroffen haben.«

»Vorbereitungen?« fragte er verwundert.

»Ja.«

»Warum, wozu?«

»Um Unvorsichtigkeiten und Irrtümern zu begegnen. Du nimmst nur dein Messer mit und lässest die andern Waffen und auch die Peitsche hier, welche leicht größeres Unheil anzurichten vermag als Pulver und Blei.«

»Sihdi, was thust du mir an!«

»Nichts, gar nichts.«

»Doch, viel, sehr viel! Wenn ich in die Lage komme, mich wehren zu müssen, so brauche ich doch Waffen!«

»Du sollst eben vermeiden, in diese Lage zu kommen. Du hast gesagt, daß du nur hingehen und dann gleich wieder zurückkehren willst; dazu brauchst du keine Schußwaffen und auch keine Peitsche. Um aber in einem unvorhergesehenen und außerordentlich dringlichen Fall zur Abwehr geschickt zu sein, darfst du dein Messer mitnehmen; das ist genug.«

»Genug! Wenn vielleicht zwanzig oder dreißig Kerle auf mich einspringen!« lamentierte er.

»Das darf nicht geschehen!«

»Wenn es aber doch geschieht?«

»Gut! Ich sehe ein, daß ich dich nicht gehen lassen darf, da du schon jetzt, ehe du noch einen Schritt gethan hast, von zwanzig oder dreißig Personen sprichst, mit denen du dich herumbalgen willst!«

»Halt! Sei still! Ich füge mich! Ich lasse sogar mein Messer hier, wenn du dies von mir verlangst!«

»Du magst es behalten. Und sodann wollen wir uns nach einem Orte für unsere Pferde umsehen.«

»Warum?«

»Damit sie niemand findet, wenn nach uns gesucht wird.«

»Du bleibst doch hier bei ihnen!«

»So sollte es eigentlich sein; aber es liegt die Ahnung in mir, daß ich sie verlassen muß, um mich nach dir um zuschauen.«

 

»Diese Ahnung trügt dich, Sihdi!«

»Wollen es hoffen! Ich bin aber vorsichtig, obgleich du mir diese Eigenschaft zum Vorwurfe machst, und bedenke jeden möglichen Fall. Wenn dir etwas Unerwartetes geschieht, was dich verhindert, zurückzukehren, muß ich mich um dich bekümmern – — —«

»Das hast du nicht nötig!« fiel er ein.

»Warte es ab! Und wenn ich in diesem Falle die Pferde verlassen muß, müssen sie sich an einem Orte befinden, wo sie wenigstens nicht schon von weitem zu entdecken sind.«

»Ich will nicht mit dir streiten, denn ich sehe ein, daß es doch nutzlos sein würde. Was du einmal willst, das thust du auch!«

»Leider nicht! Ich wollte dich nicht fortlassen, und nun gehst du doch!«

»Darüber freue ich mich! Aber wie sollen wir bei dieser Dunkelheit nach einem Orte suchen, an welchem wir sie verstecken können?«

»Ich weiß schon einen.«

»Wo?«

»Die letzte, tiefe Rinne, über welche wir quer geritten sind. Wenn sie sich da unten befinden, können sie selbst am Tage nur dann entdeckt werden, wenn ein ungünstiger Zufall jemand in die Nähe führt. Dorthin kehren wir zurück. Komm!«

Wir lenkten um und hatten ungefähr fünf Minuten zu reiten, bis wir die betreffende Vertiefung erreichten. Der Schein der Sterne hatte sie uns vorhin deutlich gezeigt, und er war uns auch behilflich, jetzt wieder bequem hinabzukommen. Als Halef alles, was er nicht mitnehmen Sollte, da niedergelegt hatte, stiegen wir wieder hinauf. Der Schein des Feuers war auch von hier aus zu erkennen, aber nur, weil wir schon von ihm wußten.

»Du wirst vielleicht eine halbe Stunde brauchen, um hinzukommen,« sagte ich; »auf dem Rückweg kannst du schneller sein. Ich rechne also anderthalb Stunden, aber allerhöchstens! Hörst du es? Wir müssen noch vor der Ankunft der Perser bei den Ruinen sein, und so ist diese Zeit eine wahre Ewigkeit. Mehr kann ich dir nicht geben.«

»Ich brauche nicht so viel.«

»Doch! Du mußt beim Anschleichen vorsichtig sein; das erfordert Zeit. Und eine Weile mußt du doch dort bleiben, wenn ich dir auch geradezu verbiete, so weit an die Leute heranzugehen, daß du sie belauschen kannst. Das ist für dich allein zu gefährlich.«

»Warum für mich? Ich bin überzeugt, daß ich es ebensogut mache wie du.«

»Höre, veranlasse mich nicht noch im letzten Augenblicke, dich zurückzuhalten! Du kennst meine Bedenken und zeigst mir dennoch ein Selbstvertrauen, welches mich wieder wankend macht!«

»O, Sihdi, wie ist es doch so schwer, mit dir zu verkehren! Was wirst du noch alles von mir verlangen!«

»Gar nicht viel. Versprichst du mir, so vorsichtig zu sein, wie ich es wünsche?«

»Ja.«

»Nur so weit an die Leute heranzugehen, daß du sie zählen kannst?«

»Ja.«

»Sie nicht etwa zu belauschen?«

»Ja.«

»Dann sofort zurückzukommen?«

»Ja.«

»Dich auf keinen Kampf und Streit einzulassen, sondern sofort zu fliehen, falls man dich bemerken sollte?«

»Ja.«

»Wirst du diese Stelle hier schnell wiederfinden?«

»Effendi, ich habe bereits gesagt, daß ich kein Knabe bin! Hoffentlich kann ich nun gehen?«

»Das kannst du. Vorher aber will ich dir noch kurz folgendes sagen: Du hast mich förmlich gezwungen, dir diese Kundschaft anzuvertrauen; ich thue es ungern, weil mir nichts Gutes ahnt und wir grad jetzt eine höchst wichtige Angelegenheit auszuführen haben. Wenn du dich nicht in acht nimmst und durch deine Schuld in eine üble Lage gerätst, welche die Ausführung deiner Absichten verzögert oder gar unmöglich macht, so hast du dich für immer um mein Vertrauen gebracht und ich übertrage dir niemals wieder eine Aufgabe, wie die gegenwärtige ist!«

»Sihdi, was mußt du von mir denken, daß du in dieser Weise zu mir sprechen kannst! Wenn das Hanneh gehört hätte, die Perle aller Kostbarkeiten der Erde und des Meeres, so müßte sie mich für einen Taugenichts halten, obwohl sie überzeugt ist, daß ich nicht weniger leiste, als jeder Mensch und Held zu leisten vermag. Ich entferne mich jetzt und kehre sicher glücklich wieder. Allah sei mit dir!«

»Ich wünsche, daß er lieber mit dir gehe!« antwortete ich; dann hörte ich seine Schritte schon nicht mehr.

Es giebt Dummheiten, welche der Mensch erst später und auch solche, die er sofort einsieht. Zu der letzteren Art gehörte diejenige, welche ich jetzt begangen hatte.

Kaum war Halef verschwunden, so hätte ich ihn zurückholen mögen, und es wäre gut für ihn und mich gewesen, wenn ich dies gethan hätte. Aber ich hatte ihn zu lieb, als daß ich ihm diese Kränkung hätte anthun mögen, welche um so größer gewesen wäre, als er den Kundschafterweg schon angetreten hatte. Ich stieg wieder in die Vertiefung hinab und setzte mich bei den Pferden nieder.

Hat man etwas gethan, was man lieber hätte unterlassen sollen, so giebt das ein Gefühl des Unbehagens, welches nicht nur die Seele belastet, sondern auch den Körper ergreift; so wenigstens ist es bei mir. Indem ich jetzt so still auf dem Grunde der Rinne saß, war es mir, als ob ich etwas Schädliches gegessen hätte. Ich kenne Leute, welche behaupten, daß die Seele des Menschen den Körper beim Tode in der Gegend des Plexus solaris verlasse und daß dieser Plexus überhaupt in inniger Beziehung zu dem Seelenleben stehe. Ich habe weder Gelegenheit noch Zeit gefunden, mich mit irgend jemandem eines Plexus wegen herumzustreiten; aber das muß ich als ehrlicher Mann zugeben, daß ich jenes unangenehme Gefühl, welches die Folge jeder begangenen Unklugheit ist, stets an derjenigen Körperstelle empfinde, welche der Sitz meines Plexus solaris ist. Er gab mir auch jetzt seine Unzufriedenheit kund, und es war mir leider nicht möglich, ihm zu beweisen, daß er unrecht habe. Ich war, mit einem Worte, mit mir selbst höchst unzufrieden.

Ich saß eine viertel, eine halbe, eine ganze Stunde.

Dann stieg ich wieder hinauf und setzte mich oben nieder. Das Feuer brannte noch, denn ich erkannte den Schein. Wäre Halef entdeckt worden, so hätte man es wahrscheinlich ausgelöscht. Dieser Gedanke beruhigte mich. Aber es verging wieder eine halbe Stunde und dann noch eine viertel Stunde, ohne daß er zurückkehrte. Hatte er etwa seine Beobachtungen glücklich gemacht und dann aber die Stelle, an welcher ich ihn erwartete, nicht wiedergefunden? Ich wußte doch, daß er einen ganz guten Ortssinn besaß!

Als abermals eine halbe Stunde verstrichen war, wurde mir bange um ihn, und ich hielt es für meine Pflicht, mich nach ihm umzusehen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als nach dem Feuer zu gehen. Ihn anderswo zu suchen, oder gar nach ihm zu rufen, wäre eine Fortsetzung des bereits begangenen Fehlers gewesen. Freilich mußte die Vorsicht, mit welcher ich nun zu verfahren hatte, wo möglich eine noch größere sein, als diejenige, die ich ihm angeraten hatte, denn wenn er entdeckt oder gar ergriffen worden war, und zwar wahrscheinlicherweise von den Leuten des Säfir, unter denen es welche gab, die ihn kannten, so mußten diese sich sagen, daß ich wohl auch in der Nähe sei, was sie dann jedenfalls veranlaßte, auch nach mir zu forschen.

Vor allen Dingen mußte ich, soweit dies unter den gegenwärtigen Umständen möglich war, für die Sicherheit unserer Pferde sorgen. Es war zwar anzunehmen, daß sie während der Nacht nicht entdeckt würden; aber es lag im Bereiche der Möglichkeit, daß ich durch irgend einen Umstand bis zum Tage ferngehalten wurde, und dann konnte es leicht um die kostbaren Tiere geschehen sein, und nicht bloß um sie, sondern auch noch um unsere Waffen. Denn daß ich die meinigen jetzt nicht mitnehmen würde, das verstand sich ganz von selbst. War meinem Halef ein Unglück widerfahren, so ging ich jetzt Ungewißheiten entgegen, denen ich meine beste Habe nicht aussetzen durfte. Bei dem großen Werte, den die Tiere und die Gegenstände für uns besaßen, würde mich, so glaubte ich, nichts, aber auch gar nichts, abhalten können, zur rechten Zeit wieder hier zu sein. Ich stieg also wieder hinunter, wickelte alles, was ich nicht mitnehmen wollte, fest in unsere Decken, band die Pferde an die Riemenpflöcke, welche ich fest in die Erde schlug, und behielt nur mein Messer im Gürtel stecken. Nachdem ich die Hengste liebkost und ihnen das bekannte »Schusch!«[108] zugerufen hatte, konnte ich überzeugt sein, daß sie sich bis zu unserer Rückkehr ganz ruhig verhalten, gegen jeden Fremden aber mit Zähnen und Hufen verteidigen würden; dann machte ich mich auf den Weg, welcher, wie ich mir sagen mußte, ein für mich höchst gefährlicher werden konnte.

Eigentlich war es mir unmöglich, mit Bestimmtheit sagen zu können, was für Leute sich dort an dem Feuer befanden; aber es giebt Gedanken, welche, wenn sie kommen, sofort in der Weise überzeugend wirken, daß ein Zweifel an ihrer Richtigkeit gar nicht erst entstehen kann. Mag man sie Eingebungen oder sonstwie nennen, sie werden dem Menschen wie Depeschen über vollendete und nicht anzuzweifelnde Thatsachen übermittelt und von ihm als Wahrheiten aufgenommen und festgehalten. Ich habe das sehr oft an mir selbst erlebt und bin von dem Glauben, den ich solchen, sagen wir einmal Inspirationen, entgegenbrachte, niemals getäuscht worden. So nahm ich auch jetzt so fest, als ob ich die Beweise darüber in den Händen hätte, an, daß ich es mit dem Verstecke des Säfir zu thun hatte und wenn auch nicht grad persönlich ihn, so doch Kumpane von ihm zu sehen bekommen würde. Ich hatte die volle Überzeugung einer vor mir liegenden Gefahr und nahm aber mit ganz derselben Selbstverständlichkeit an, daß sie mich zwar fassen, aber nicht überwältigen könne. Dies war auch der in mir liegende Grund gewesen, daß ich mich von den für uns doch unersetzlichen Pferden und Gewehren mit so verhältnismäßig geringer Besorgnis getrennt hatte.

104Christ.
105Asaker ist Plural; ein einzelner Soldat heißt Askari.
106Meter.
107Tamariske.
108»Sei still!«.