Za darmo

Im Reiche des silbernen Löwen I

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»Und Kepek?« fragte ich. »Was war mit ihm geschehen? Wo befand er sich?«

Da ergriff der Dicke, seit wir uns oben auf dem Dache befanden, zum erstenmal das Wort, indem er antwortete:

»O Emir, ich lag neben meinem Herrn, denn man hatte mich ganz genau wie ihn behandelt und mich auch in dieses Loch des Verderbens geschleppt. Ich zitterte vor Besorgnis nicht um mich, sondern um ihn, und war hoch erfreut, als ich seine geliebte Stimme hörte. Er fragte nämlich, ob noch jemand da sei, und als ich ihm meinen Namen genannt hatte, besprachen wir die Lage, in welcher wir uns befanden.«

»Ihr beide?«

»Ja.«

»Und eure Spione, die mit euch gekommen waren?«

»Die lagen nicht bei uns.«

»Das glaube ich gern, denn es ist so, wie ich vermutete: Sie waren mit den Schmugglern verbündet, und es verstand sich ganz von selbst, daß ihnen nichts geschah. War es euch denn nicht möglich, von den Fesseln loszukommen?«

»Nein,« antwortete der Bimbaschi. »Ich versuchte es auf alle mögliche Weise aber vergeblich. Wir lagen lange, lange Zeit; es schien ein halber, ja ein ganzer Tag zu sein, und die Glieder schmerzten uns von diesem langen Liegen. Da endlich nahten wieder Schritte; wir hörten, daß mehrere Personen kamen. Die Augen wurden uns freigegeben, und wir sahen drei Männer vor uns stehen und einen vierten, welcher unweit von uns auf einem Steine saß. Dieser wurde von einem der drei gefragt, was er gehört habe, und er berichtete jedes Wort, welches von uns gesprochen worden war. Daraus erkannten wir nun, daß wir nicht allein gewesen waren, denn dieser Mensch hatte uns bewachen und belauschen müssen.«

»Waren Fenster oder sonstige Oeffnungen in dem Raume?«

»Nein.«

»So muß er erleuchtet gewesen sein. Wodurch?«

»Durch irdene Oellämpchen, von denen ich später, als ich mich aufrichten durfte, einen ganzen Vorrat nebst einer großen Oelkanne in einer Nische stehen sah.«

»Kannst du mir sagen, wie der Raum beschaffen war?«

»Ja, denn ich habe mich lange genug in demselben befunden; er ist mir so gegenwärtig, als ob ich noch jetzt darin läge. Er war lang und schmal und nicht viel mehr als mannshoch.«

»Also ursprünglich kein Gemach, sondern ein Gang.«

»Du kannst recht haben, denn die nackten Wände, welche aus Ziegeln bestanden, waren leer und nur in einer Ecke lagen einige Werkzeuge und ein Haufen Stricke.«

»Gab es eine Thür?«

»Nein.«

»Ich kann mir das nicht denken, denn es steht zu vermuten, daß dieses Gelaß nur das Vorgemach zu anderen und größeren Räumlichkeiten war.«

»Das ist allerdings richtig, obwohl ich, im eigentlichen Sinne gemeint, nicht von einer Thür sprechen kann. Ich werde das später erklären; jetzt muß ich dir erzählen, was der Säfir zu mir gesagt hat.«

»Der Säfir? Dieses persische Wort bedeutet Gesandter«. Woher kennst du diese Bezeichnung?«

»Er wurde von den andern so genannt. Sein Aussehen war fast furchterweckend, und zwar wegen einer feuerroten Narbe, welche auf der Stirn begann und über die linke, leere Augenhöhle und die Wange bis herunter zur Spitze des Mundes reichte und dort den langen Schnurrbart in zwei ungleiche Hälften schied. Der Hieb, welcher ihm diese Narbe brachte, hatte ihm das Auge geraubt. Der Anzug, den er trug, war – — – «

»Der thut nichts zur Sache,« unterbrach ich ihn, »denn die Kleidung kann jederzeit gewechselt werden. Wie war seine Gestalt? Und hatte er sonst etwas Auffälliges an sich?«

»Er trug nur Schnurrbart. Seine Gestalt war nicht hoch, aber sehr breit und ungewöhnlich kräftig, und seine Stimme hatte einen schnarrenden Klang. Auch sah ich, daß er die Gewohnheit hatte, die Haare des Schnurrbartes sehr oft über die Lücke desselben zu streichen. Warum fragst du nach solchen Merkmalen?«

»Weil das in meiner Gewohnheit liegt. Ich pflege auf meinen Reisen den geringsten Umstand zu beachten und habe sehr häufig die Erfahrung gemacht, daß Kleinigkeiten, welche andern entgehen würden, mir, wenn ich sie im Gedächtnisse behalten hatte, später großen Nutzen brachten. Dieser Säfir muß mich schon an sich und auch deinetwegen interessieren; aber wir gehen nach Persien, und da auf Erden nichts unmöglich ist, kann es die Schickung fügen, daß ich ihm dort einmal begegne. Auch will ich mit Halef nach dem Birs Nimrud reiten, und da ist es – — —«

»Das wollt ihr? Wirklich, wollt ihr das?« fiel er schnell ein.

»Ja. Zwar habe ich nicht den mindesten Grund, anzunehmen, daß wir den Säfir dort sehen werden, aber er steht in meiner Phantasie nun einmal mit dem Turm zu Babel in Beziehung und darum möchte ich so gut wie möglich über seine Person unterrichtet sein.«

»Habt ihr vielleicht die Absicht, den Turm zu untersuchen?«

»Wenn sie sich nicht noch einstellt, bis jetzt hatten wir sie noch nicht.«

»So laßt euch auch nicht gelüsten, es zu thun, denn dieser Gedanke könnte für euch höchst gefährlich werden! Ich weiß, was mir mein damaliger Besuch des Turmes gebracht hat, und wenn es mir auch unbekannt ist, ob er dergleichen Gesindel jetzt noch birgt, so sagt mir doch eine innere Stimme, daß ich euch warnen soll. Vor allen Dingen hütet euch, aus meiner Erzählung die Veranlassung zu ziehen, dort nachzuspüren, weil mir das den angedrohten Tod bringen könnte! Ich spreche nicht darum zu euch, daß ihr meine Erlebnisse verfolgen sollt, sondern nur um deinen Rat zu holen.«

»Was diese Warnung und diesen Wunsch betrifft, so kann ich dir versichern, daß du keine Veranlassung hast, um dich oder uns beunruhigt zu sein. Wir wissen dein Vertrauen zu schätzen und werden nichts thun, was dir schaden könnte.«

»Das beruhigt mich. Ihr dürft mir meine Besorgnis nicht übelnehmen, denn die Gefahr, welcher wir damals nur mit Not und durch die Ablegung des Eides entgingen, ist für uns ganz in derselben Größe auch noch heut vorhanden.«

»Es kann uns nicht einfallen, deine Worte anders zu nehmen, als sie gemeint sind. Sprich getrost davon weiter, was ihr im Birs Nimrud erlebt habt!«

»Der Säfir sprach eine Weile persisch mit seinen Leuten, wobei er uns von Zeit zu Zeit bald höhnische und bald grimmige Blicke zuwarf oder uns verächtliche Fußtritte versetzte. Meine Frau und ihr Vater hatten mir von dieser Sprache nur soviel beigebracht, daß ich mich ihrer gebrochen bedienen konnte; darum verstand ich auch jetzt nur wenig von dem, was gesprochen wurde, zumal diese Kerle außerordentlich schnell redeten; aber es kam auch dieses Mal sehr häufig der Name Gul-i-Schiraz vor. Erst in diesem Augenblicke kommt mir ein Gedanke: der Orientale drückt sich gern bildlich aus; er legt besonders seinen Frauen oft Blumennamen bei. Sollte etwa nicht eine wirkliche Rose, sondern ein Weib gemeint sein? Dann müßte diese weibliche Person in sehr enger Beziehung zu den Schmugglern stehen. Wen man so oft nennt, der muß Wichtigkeit besitzen und hieraus ist meines Erachtens zu schließen, daß diese Beziehung keine gewöhnliche ist. Ich bin geneigt, die Gul-i-Schiraz« für die Frau eines Anführers zu halten. Was sagst du dazu, Effendi?«

»Ich überlasse in Hinsicht auf die Persönlichkeit die Lösung des Rätsels jetzt noch dir. Wichtiger als die Person ist mir der Ort.«

»Wieso?«

»Ob eine Person oder eine Sache gemeint ist, das hat vorläufig noch keine Wichtigkeit für mich; die Hauptsache ist für mich das Wort Schiraz, aus welchem ich die Vermutung Ziehe, daß die Enthüllung des Geheimnisses nur drüben in der gleichnamigen Hauptstadt der persischen Provinz Farsistan oder deren Nähe zu versuchen ist. Und selbst wenn ich mich mit dieser Annahme in Irrtum befinden Sollte, möchte ich doch behaupten, daß sich ein Zusammenhang zwischen einer dortigen Existenz und der gesuchten Gul-i-Schiraz finden lassen wird. Es ist nicht nötig, uns den Kopf darüber zu zerbrechen. Wenn es sein soll, wird sich uns die Lösung ganz von selbst bieten. Also du erzähltest, daß der Säfir zunächst mit seinen Leuten gesprochen habe?«

»Ja; dann wendete er sich zu uns, um seinen Grimm natürlich besonders über mich auszuschütten. Indem er mich mit den niedrigsten Schimpfworten bewarf, zählte er mir vor, welchen ungeheuren Schaden mir die Schmuggler anzurechnen hätten, und drohte, daß man mir dafür nicht nur möglichsten Ersatz, sondern sogar auch das Leben abfordern würde. Seine Rede war sehr lang; ich aber will kurz sein und nur sagen, daß ich sie nicht beantwortete. Auch Kepek sagte kein Wort. Da begann der Perser von neuem, indem er hohnlächelnd alle meine Nachforschungen vorbrachte, welche ich gemacht hatte, um das Versteck der Pascher zu entdecken. Woher wußte er das alles? Befand sich etwa unter meinen Beamten einer, der in seinem Solde stand und ihm alles verraten hatte?«

»Das ist nicht nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich, denn ich schließe aus deiner Erzählung, daß die Verbindung der Schmuggler eine sehr weitreichende und außerordentlich wohlgeordnete ist, und da die Leitung derselben eine ebenso kühne wie auch schlaue zu sein scheint, kann man fast mit Sicherheit annehmen, daß Spione angestellt worden sind, um alles, was du gegen sie zu unternehmen gedachtest, vorher zu erfahren. Und wo gab es Personen, welche darüber unterrichtet waren? Natürlich nur unter deinen eigenen Leuten.«

»Das ist richtig. Hätte ich doch auch in dieser Beziehung meine Augen offen gehalten! Erst jetzt wird es mir klar, warum mir oft Pläne mißglückten, welche so sorgfältig und pfiffig angelegt waren, daß der Erfolg gar nicht ausbleiben zu können schien. Ich sehe ein, daß ich gegen meine Untergebenen zu vertrauensselig gewesen bin, und das ist ein Fehler, den ich schwer, sehr schwer habe büßen müssen.«

»Gleich von der Zeit an, von welcher du erzählst?«

»Ja. Ich habe dir schon gesagt, daß der Anführer nicht nur mein Leben bedrohte, sondern auch Schadenersatz verlangte. Er forderte mein ganzes Vermögen von mir, und als ich sagte, daß ich nicht reich sei, nicht einmal wohlhabend, lachte er mich aus und sagte mir nicht nur die Summe, welche ich besaß, sondern auch die Bank, in welcher sie lag, so genau, als ob ich es ihm selbst anvertraut hätte.«

 

»Auch hieraus mußt du erkennen, daß er vorzügliche Spione hatte, welche nur in deiner Nähe zu suchen waren.«

»Daran dachte ich damals nicht; es wäre auch zu spät gewesen, da er doch nun einmal so genau unterrichtet war. Er verlangte eine Anweisung auf die Bank, und als ich sie ihm verweigerte, erklärte er mir, daß ich dann binnen einer Stunde mit dem Onbaschi getötet werde. Er gab mir drei Viertelstunden Zeit, es mir zu überlegen, und setzte sich dann zu den andern wartend nieder. Da saßen sie und unterbrachen die tiefe Stille nur zuweilen durch einige leise Worte, welche sie einander zuflüsterten. Als die Zeit vorüber war, wurde ich gefragt, ob ich mich eines Bessern besonnen hätte; ich gab eine verneinende Antwort; da schlugen sie zwei Pflöcke in die Mauer und banden mir und Kepek Stricke um die Hälse. Ich konnte nicht bezweifeln, daß sie uns aufhängen würden, und so erklärte ich mich denn mehr aus Rücksicht auf den Onbaschi als auf mich bereit, die Summe zu bezahlen. Vielleicht wirst du sagen, Effendi, daß dies feig von mir gewesen sei?«

»Das fällt mir nicht ein. Es hätte wohl jeder an deiner Stelle genau so wie du gehandelt, denn wenn man die Wahl hat, entweder als armer Mann leben bleiben zu dürfen, oder als reicher aufgehängt zu werden, so wird man wohl das erstere vorziehen. Du hattest ja deine einträgliche Stellung und konntest also wieder wohlhabend werden.«

»Das sagte ich mir auch, mußte aber nur zu bald einsehen, daß diese Hoffnung eine vergebliche war. Man nahm uns die Stricke wieder ab und brachte – — ah, kannst du erraten, was man nun brachte?«

»Nein.«

»Man brachte mein Diwit jazy takym[167], ja, mein eigenes Diwit jazy takym nebst Mürekkeb[168], Kalem und Kiahat[169], und erstaunlicherweise war dieses Kiahat auch von mir, von meinem eigenen Schreibtische genommen! Man hatte das alles in ein Päckchen gepackt, in welchem auch Lök[170] und mein Mühür[171] war. Was sagst du dazu?«

»Daß dieser Streich, den man dir spielte, seit langer Zeit und sehr eingehend vorbereitet gewesen ist. Man brauchte alle diese deine eigenen Sachen, die man auf der Bank wahrscheinlich kannte, um dort zu überzeugen, daß die Anweisung wirklich von dir und von keinem andern komme. Du hast sie natürlich geschrieben?«

»Ja, doch nicht wie ich wollte, sondern der Säfir diktierte sie. Er mußte ein gewandter Geschäftsmann sein, denn er verfaßte sie so, daß ich, wenn ich Kassierer der betreffenden Bank gewesen wäre, das Geld ohne alles Bedenken sofort aufgezählt hätte. Es stand übrigens ohne Kündigung, da ich in meinen Verhältnissen und als türkischer Beamter unter einem übelwollenden Pascha in einer von Stambul so entfernten Stadt unter allerlei Scherereien zu leiden hatte und sogar gezwungen war, mit einer plötzlichen Entlassung zu rechnen. Da war es geraten gewesen, mein Geld so anzulegen, daß ich es zu jeder Stunde bekommen konnte. Als der Säfir die Anweisung in den Händen hatte, verglich er sie mit einigen andern Papieren und sagte mir:

»Hier sind Schriftstücke, welche du verfaßt hast, und ich habe dein jetziges Schreiben mit ihnen verglichen. Hättest du deine Hand verstellt, so wäret ihr doch noch aufgehängt worden. Jetzt habe ich euch etwas zu zeigen und werde dann eine Frage an dich stellen. Ueberlege sie dir wohl, ehe du sie beantwortest, denn von deiner Entscheidung hängt wahrscheinlich euer Leben ab!«

»Man band uns die Stricke von den Füßen los, so daß wir aufstehen und gehen konnten; die Hände aber blieben gefesselt, um es uns unmöglich zu machen, uns zu wehren. Er trat, während die andern mit Lämpchen leuchteten, in die Ecke, wo die Stricke lagen und den Boden bedeckten; sie wurden weggeräumt, worauf man auch den darunter liegenden Sand eine Hand hoch entfernte. Da kamen einige Bretterstücke, und unter ihnen, als man sie weggenommen hatte, ein Loch mit abwärts führenden Stufen zum Vorschein. Wir stiegen ab und gelangten in einen großen, weiten Raum, welcher von einer solchen Menge von Schmuggelwaren angefüllt war, daß ich mich vor Erstaunen fast kaum zu fassen wußte. Da hingen, lagen oder standen – — – «

»Bitte, erlaube mir!« unterbrach ich ihn. »Wie hoch war dieser Raum?«

»Vielleicht vier Fuß über Mannes hoch,« antwortete er.

»Du wirst es nicht mehr wissen, aber es wäre mir interessant zu erfahren, wieviel Stufen hinabgeführt haben.«

»Das weiß ich zufällig noch ganz genau. Als ich in das Loch steigen mußte und die dunkle Tiefe unter mir sah, dachte ich, daß da unten unser Gefängnis liege, in welchem man uns umkommen lassen wolle. Ich war entschlossen, in diesem Falle alles mögliche zu unserer Rettung zu unternehmen, und weil die Treppe dabei von Bedeutung war, zählte ich die Stufen. Es waren achtzehn.«

»Waren sie von gewöhnlicher Höhe?«

»Ja. Ich glaube, es werden in den hiesigen Häusern sechs Treppenstufen auf eine Zär-i-Schahi[172] gerechnet.«

»Richtig! Die Zär-i-Schahi hat hundertzwölf Centimeter. Wenn der Raum vier Fuß über Mannes hoch gewesen ist, muß die Decke neunzig bis hundert Centimeter dick gewesen sein. Der Abstand zwischen den beiden Fußböden oben im Gange und unten in dem Vorratsraume hat also wohl ungefähr dreihundertfünfzig Centimeter oder nach persischem Maße drei königliche Ellen und eine halbe Väjab[173] betragen.«

Er sah mich nachdenklich an und sagte:

»Ich muß dich immer wieder fragen, warum du dich so eingehend erkundigst und nun gar eine so genaue Berechnung anstellst?«

»Und ich antworte dir immer wieder, daß ich das nur aus alter Gewohnheit thue. Wenn man weiß, wie tief der Vorratsraum unter dem Gange liegt, dessen Lage man kennt, kann man, ohne das Innere zu betreten, auch von außen angeben, in welcher Höhe oder Tiefe des Birs Nimrud man diesen Raum zu suchen hat. Welche Ecke des Ganges war es, in welcher die Stricke lagen?«

»Hinten rechts. Aber mir kommt es vor, als ob du Absichten hegtest, die du mir verheimlichen willst!«

»Ich habe keine; aber ich werde dir später eine Mitteilung machen, welche dich an die Harmlosigkeit meiner Fragen glauben lassen wird. Also der Raum, von welchem du sprachst, war mit Schmuggelwaren angefüllt?«

»Vollständig angefüllt, und zwar so, daß kaum genug Platz blieb, sich zwischen ihnen zu bewegen. Der Säfir befahl, rundum zu leuchten, und da sahen wir eine Menge der sehr mühselig und kostspielig herzustellenden Kalämkar-Gewebe[174], deren Farben mit Sakkes-Harz fixiert werden. Ferner kostbare Shawls aus Murgus-Wolle[175] und herrliche Färschha[176] aus Farahan bei Kirmanschah, geflammte Seide und wellige Charah[177] und palmendurchwebte Shawls abrischum. Auch sah ich große Ballen von Saghri[178], Tscherme hamadani[179] und Puste buchara[180]. Hierauf wurden wir durch noch drei andere Räume geführt, in denen ähnliche Waren aufbewahrt wurden, auch andere Dinge wie Haschisch, Opium, Gewürze, Rosenöl und Arsenik aus Kaswin, für Konstantinopel bestimmt. Es wurde uns auch Lapis lazuli aus Turkestan gezeigt und Diamanten, welche in Ispahan und Schiras geschliffen worden waren, und eine ganze Menge Baras, Schirbam und Maden-i-Nau[181], welche an sich ein Vermögen ausmachten.«

»Wozu hat man dir, dem obersten Zollbeamten, dem man es doch hätte verheimlichen sollen, das alles gezeigt?

Es giebt nur einen Grund, nämlich den, daß man dich in Versuchung führen und ins heimliche Einvernehmen mit den Schmugglern bringen wollte. Wenn du dich verlocken ließest, darauf einzugehen, konnten sie natürlich noch weit bessere Geschäfte machen als bisher.«

»Ja, das war der Zweck. Der Säfir machte mir den Vorschlag, seine Gesellschaft zu begünstigen, und bot mir dafür eine jährlich zu zahlende Summe an, welche so beträchtlich war, daß ein anderer sich sehr wahrscheinlich hätte verleiten lassen; ich aber sagte ihm kurz, daß ich weder ein Verbrecher sei noch einer werden wolle. Hierauf zeigte er mir Geld, sehr viel Geld und sagte, er werde mir die erste Jahressumme gleich heut auszahlen und mir auch meine Anweisung zurückgeben, da er mich als seinen Verbündeten dann doch nicht berauben könne. Ich blieb aber fest. Da ergrimmte er und sagte:

 

»Du hältst die Gefahr, in welcher du dich befindest, wahrscheinlich nicht für so groß, wie sie in Wirklichkeit ist. Es handelt sich um euer Leben. Ihr kennt unser Versteck und habt alles gesehen, was sich darin befindet; folglich kann nur euer Tod uns die Sicherheit bieten, auf welche wir nicht verzichten dürfen. Ich gebe dir noch Zeit zum Ueberlegen. Ich schicke jetzt einen Boten mit deiner Anweisung nach Bagdad. Wird sie nicht bezahlt, bist du auf alle Fälle verloren; bekommen wir das Geld, so werde ich noch einmal mit dir reden.«

»Als er diese Drohung ausgesprochen hatte, wurden wir wieder gebunden wie vorher und dann eingesperrt, ohne daß man uns mit Wasser oder einer Speise versah.«

»Du vergissest, den Ort zu sagen, an welchen man euch brachte. Auch hast du von noch drei Räumen gesprochen, ohne zu erwähnen, in welcher Weise sie zusammenhingen und wie ihr aus dem einen in den andern gelangt seid.«

»Durch Thüröffnungen, welche mit Teppichen verhängt waren.«

»Es gab also keinen verborgenen Mechanismus, durch welchen etwaigen Eindringlingen der Zugang unmöglich gemacht wurde?«

»Nein.«

»So handelt es sich also nur um zwei verborgene Stellen, nämlich um den äußern Eingang und um die unter den Stricken versteckte Treppenöffnung. Wie lagen die drei Räume zu dem ersten?«

»Von ihm aus kam man in den mittleren, neben welchem rechts und links die beiden andern lagen. Dem ersten gegenüber stieß an das mittlere das Gefängnis, in welches wir eingesperrt wurden.«

»War dies klein?«

»Nein, sondern ebenso groß, wie die andern vier Uwad[182] waren.«

»Also bildeten diese fünf Uwad eine ganz regelmäßige Figur von gleichgroßen Vierecken, welche in Form eines Kreuzes aneinander stießen?«

»Ja; ich will es dir zeigen.«

Er nahm den Tschibuk wieder in die Hand und zeichnete mit der Spitze desselben die nebenstehende Figur vor sich hin.

5

2 3 4

1

Dann fuhr er fort:

»Zu Nummer Eins führt die Treppe hinab; von da gingen wir nach Drei, Vier und Zwei, und dann wurden wir wieder gebunden und nach Fünf geschafft, wo wir bewegungslos wie Warenballen liegen mußten.«

»Im Finstern natürlich?«

»Ja; doch so lange sie mit den Lampen bei uns waren, konnten wir uns umschauen, sahen aber nichts als kahle Mauern, auch aus Ziegelstein, und auf dem Boden unten einen kleinen Haufen Erde in der Ecke links.«

»Bestand denn der Boden aus Erde?«

»Nein, sondern aus Ziegeln.«

»So ist dieses Häufchen Erde merkwürdig, oder wenigstens will ich sagen, daß es, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, meine Aufmerksamkeit erregt hätte.«

»Etwa wegen der Kanafid[183], welche später kamen? Das sind ja ganz friedliche Tiere, welche keinem Menschen etwas thun.«

»Kanafid? Ah, ihr habt Stachelschweine in diesem Raume gehabt?«

»Ja. Als wir, wie uns deuchte, wohl eine ganze Ewigkeit gelegen hatten, hörten wir ein leises Geräusch; dann rasselte es, wie wenn dünne Stäbe zusammenklingen, und dann jagten sich einige Tiere hin und her. Wir wußten erst nicht, was für welche es waren, aber als wir dann die eigentümlichen grunzenden Töne hörten, welche das Kumfud im Zorne auszustoßen pflegt, da erkannten wir, daß es Kanafid seien.«

»Merkwürdig, höchst merkwürdig!«

»Warum?«

»Siehst du das nicht ein? Zunächst ist es seltsam, daß sich diese sonst so scheuen Tiere in eure unmittelbare Nähe gewagt haben; das erklärt sich aber dadurch, daß vielleicht Frühling war, ihre Paarungszeit, in welcher ihr Gesellungstrieb jawohl einmal stärker als ihre angeborene Furchtsamkeit sein kann. Viel auffälliger aber ist der Umstand, daß sie sich in dieser aus Ziegeln gemauerten Kammer befunden haben. Die Stachelschweine graben oft sehr lange Gänge; aber durch feste Ziegel können sie wohl kaum. Entweder handelt es sich da um eine Lage zerfallener Luftziegel in der Mauer oder gar um einen verschütteten Ausgang in das Freie, der euch freilich nichts nützen konnte, weil ihr gefesselt waret. Wichtiger für mich, wenigstens jetzt, ist die Frage, in welcher Weise eure Kammer von Nummer Drei abgeschlossen wurde. Gefangene pflegt man doch nicht durch eine Teppichthür zu verwahren!«

»Was das betrifft, so war den Schmugglern eine solche Unvorsichtigkeit auch gar nicht in den Sinn gekommen. Sie hatten einen Vorhang herabgelassen, welcher aus starken Drahtstäben bestand und nach Belieben auf- und niedergerollt und gut befestigt werden konnte. Selbst wenn wir nicht gebunden gewesen wären, und unsere Messer bei uns gehabt hätten, wäre es uns nicht gelungen, diese Stäbe zu zerschneiden.«

»Das Vorhandensein dieses festen Rollenvorhanges läßt darauf schließen, daß die Kammer schon vor euch Gefangene aufgenommen hat. Erzähle weiter!«

»Es schien uns, wie gesagt, fast eine Ewigkeit zu sein,« fuhr er fort, »bis wir die Drahtstäbe rasseln hörten, und wieder Licht sahen. Der Säfir kam, mit ihm dieselben Männer, welche schon vorher dagewesen waren. Er hatte, wie er uns mitteilte, das Geld bekommen. Dies schien ihn zur Milde gestimmt zu haben, denn er trat viel weniger barsch als früher auf. Er fragte zwar, ob ich mich eines Bessern besonnen hätte, nahm aber meine abweisende Antwort ohne den frühern Zorn ruhig hin und sagte in gelassenem, wenn auch trotzdem sehr entschiedenem Tone:

»Mit dieser Weigerung hast du dein Urteil selbst gefällt. Ich muß dafür sorgen, daß du uns nicht schaden kannst. Wir ahnten, daß du den Vorschlag zurückweisen würdest, der Unserige zu werden, und in diesem Falle war dein Tod beschlossen. Man hat aber für dich gebeten; wer das gewesen ist, das brauchst du nicht zu wissen; ich habe dem Betreffenden Schonung deines Lebens zugesagt, falls du bereit bist, uns in anderer Weise sicher zu stellen. Höre also, was ich dir jetzt sage! Gehst du darauf ein, so erhaltet ihr die Freiheit wieder; wenn nicht, so werdet ihr schon die nächste Stunde nicht überleben. Also: ihr schwört mit einem Eide, den ich euch vorsagen werde, daß ihr diesen Ort hier keinem Menschen verraten werdet, und du giebst, sobald du nach Bagdad zurückgekehrt bist, deine Stellung auf. Thust du dies nicht sofort, so verfallt ihr in kürzester Zeit unserer Rache. Und wird dieses Versteck hier früher oder später einmal in irgend einer Weise entdeckt, die uns auch bloß nur ahnen läßt, daß ihr nicht schweigsam wie das Grab gewesen seid, sondern euern Eid gebrochen habt, so steht euch der martervollste, grauenhafteste Tod bevor. Auch darfst du, solange du lebst, Bagdad niemals verlassen, damit du unserer Rache nicht entrinnen kannst. Wir werden dich stets beobachten und dich, selbst wenn du noch hundert Jahre lebtest, niemals aus den Augen lassen. Du würdest bei der geringsten Vorkehrung zur Abreise verloren sein! – Das war es, was der Säfir von mir verlangte, Effendi. Was hättest du an meiner Stelle gethan?«

»Jedenfalls nicht, was du gethan hast,« antwortete ich. »Er hätte mich wahrscheinlich gar nicht mehr im Gefängnisse vorgefunden. Doch darauf kommt es jetzt auch gar nicht an. Ihr habt den Eid geschworen und seid entlassen worden, worauf du dann nach Bagdad zurückgekehrt bist und dein Amt niedergelegt hast.«

»Ja, so ist es. Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst hätte thun sollen oder thun können. Wenn wir uns weigerten, das zu thun, was man von uns verlangte, so war uns der Tod gewiß. Zwar hatte das Leben schon längst keinen eigentlichen Wert mehr für mich; aber es handelte sich nicht allein um mich, sondern auch um Kepek, den Treuen, und da das Leben doch immerhin etwas ist, so ging ich auf die Bedingungen des Säfir ein. Wir mußten schwören und wurden dann gleich von den Fesseln befreit und hinauf in den Gang und hinaus vor den Turm geschafft.«

»Des Nachts natürlich?«

»O nein; es war am hellen Tage.«

»Wirklich? Welche Unvorsichtigkeit von dem Säfir!«

»Warum Unvorsichtigkeit?«

»Weil ihr da sehen konntet, was man euch bisher verheimlicht hatte, nämlich den Eingang, seine Lage und wie er geöffnet und verschlossen werden konnte.«

»Das haben wir freilich alles gesehen. Der Säfir stand dabei und sagte:

»Daß ich das nicht als ein Geheimnis für euch betrachte, mag euch zeigen, wie fest und sicher ich euch in meinen Händen halte. Ja, ich habe sogar eine ganz besondere Absicht dabei. Nun ihr alles wißt, ist für euch die Versuchung, euern Eid zu brechen, um so größer und also euer Tod um so sicherer.«

»Uebrigens, was den heimlichen Eingang betrifft, so würden wir ihn jedenfalls nicht finden, und wenn wir noch solange suchten, denn wir haben uns die Striche nicht gemerkt, mit denen der kleine Ziegel gezeichnet war, den man erst entfernen muß, ehe sich die größeren bewegen lassen.«

Ich horchte auf, als der Bimbaschi dies sagte. Er hatte geschworen, nichts zu verraten, und ahnte nicht, daß er mir mit diesen Worten alles offenbart hatte. Die Ziegel des Birs Nimrud tragen Keilinschriften; er hatte aber nicht von Keilen, sondern von Strichen« gesprochen, und dieser Ausdruck lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen Umstand, dem ich bisher keine Beachtung geschenkt hatte, weil ich ihn für nur zufällig und also ganz bedeutungslos hielt. Nämlich das Pergament des Pädär-i-Baharat hatte, wie man weiß, eine Zeichnung enthalten, deren Bedeutung ich damals nicht verstand; aber als der Bimbaschi den Weg zur Höhe des Birs Nimrud beschrieb, trat sie mir ganz plötzlich wieder klar vor die Augen, und ich erkannte zu meinem Erstaunen, daß die Striche, aus denen sie bestand, den Pfad nach dem Verstecke der Schmuggler verdeutlichen sollten. Und nun er jetzt Striche« anstatt Keile« sagte, fiel mir ein, daß ich unter der Zeichnung Striche bemerkt hatte, die mir aber nicht sehr aufgefallen waren. Sie sahen aus wie Kommata, wie man sie macht, wenn man eine Schreibfeder probiert oder ihren Schnabel auf das Papier drückt, um ihn elastischer zu machen oder auch um ein Härchen, welches dazwischen geraten ist, zu entfernen. Ich hatte die Zeichnung kopiert, aber diese Striche nicht, doch besitze ich glücklicherweise ein außerordentliches Gedächtnis, welches oft, als ob es von meinem Willen ganz unabhängig sei, Gegenstände und Vorgänge festhält, die mir unendlich gleichgültig waren, und sie mir plötzlich ganz deutlich wiederzeigt, sobald meine Gedanken durch die Association der Ideen zu dem betreffenen Orts- oder Zeitpunkt zurückgeführt werden. Ganz so geschah es auch jetzt. Kaum hatte der Bimbaschi das Wort Striche« ausgesprochen, so standen diese Striche, die vermeintlichen Kommata auf jenem Pergamente, so deutlich und bestimmt vor meinem geistigen Auge, daß ich nicht nur ihre Zahl, sondern sogar ihre verschiedene Größe und gegenseitige Lage klar vor mir hatte. Das waren nicht Kommata, sondern Keile, also Worte in Keilschrift, und zwar in einfacher babylonischer Keilschrift, und während ich auf das, was der Bimbaschi weiter sagte, gar nicht hörte, übersetzte ich die Keile in folgende Worte: »romen ‚a. Illai in tat kabad bad ‚a. Illai – — «.Das heißt wörtlich zu deutsch: »darbringen dem höchsten Gotte mit der Absicht allein zur Pracht des höchsten Gottes – — «

Es war das also nur das Bruchstück eines Satzes, jedenfalls der noch erkennbare Teil der Inschrift des betreffenden Steines, während die andern Zeichen unlesbar geworden waren. Aber hier kam es ja auch gar nicht auf die Entzifferung der ganzen, ursprünglich vorhandenen Inschrift an, sondern darauf, dieses übriggebliebene Bruchstück festzuhalten, weil nur mit dessen Hilfe der betreffende Stein zu erkennen war. Und selbst wenn man die Inschrift genau kannte, hatte es, falls man noch nicht dort gewesen war, seine Schwierigkeiten, ihn zu entdecken, denn diese Steine haben nur die Größe eines alten babylonischen Fußes im Quadrat. Diesem Gedanken, ohne auf den noch sprechenden Bimbaschi zu achten, weiter folgend, fragte ich ihn plötzlich:

»Giebt es in der Nähe des Steines mit den Strichen auch noch andere Steine, welche so gezeichnet sind?«

»Das weiß ich nicht mehr,« antwortete er. »Aber wie kommst du zu dieser Frage? Ich rede von etwas ganz anderem, und du unterbrichst mich mit diesem Steine! Ich glaube, du hast gar nicht gehört, was ich sagte!«

»Wahrscheinlich. Ich dachte nämlich darüber nach, ob man vielleicht doch einen – — – «

»Denke nicht nach; ich bitte dich!« fiel er mir nun seinerseits in die Rede. »Ich habe dir erzählt, was ich erzählen durfte, weil ich weiß, du bist verschwiegen; mehr aber darf ich nicht sagen. Du weißt, daß ich das Geheimnis nicht verraten darf, denn der Tod würde die unausbleibliche Strafe sein.«

167Schreibzeug.
168Tinte.
169Feder und Papier.
170Siegellack.
171Petschaft.
172»Königliche Elle«.
173Spanne, persisches Vulgär-Maß.
174Wörtlich: »Federzeichnung«.
175Angoraziege.
176Teppiche.
177Moiré.
178Chagrin.
179Maroquins
180Schwarze Lammfelle aus Buchara.
181Drei nach ihrer Qualität verschiedende Türkisarten.
182Plural von Oda = Stube, Kammer
183Plural von Kumfud = Stachelschwein.