Za darmo

Im Reiche des silbernen Löwen I

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»Horch, alter Tim!« forderte Jim Snuffle seinen Bruder auf. »Hat dein Ohr es auch vernommen?«

»Was?«

»Wie die Kauwerkzeuge dieses alten, roten Sünders soeben aufeinander gerieten?«

»Yes.«

»Er ärgert sich gewaltig. Es ist aber auch ganz und gar keine Ehre, wenn so ein berühmter Kriegshäuptling eines noch berühmteren Stammes sich immer und immer wieder fangen und mit Riemen umwickeln läßt! Pfui Teufel! Eine dumme Maus, welche einmal in eine Falle geraten und wieder aus derselben entkommen ist, die geht gewiß nie wieder hinein. Sie ist pfiffiger als dieser große Kriegsanführer des Comantschenvolkes.«

»Schweig, Hund!« brauste da, sein bisheriges Schweigen aufgebend, To-kei-chun auf. »Deine Worte sind wie die Losung eines Coyoten auf der Savanne: kein Mensch achtet auf sie! Du wirst sie aber dennoch zu bereuen haben!«

»Wann denn wohl?«

»Wenn du dich in meiner Hand befindest.«

»Wetter! Du glaubst also, mich noch einmal fangen zu können?«

»Ich glaube es nicht, sondern ich weiß es.«

»So? Höchst sonderbar! Weißt du es auch, alter Tim?«

»No.«

»Schön! So wird er sich also wohl irren. Er und mich einmal fangen! Der Kerl ist verrückt! Es liegt in unserer Hand, ihn auszulöschen wie ein Licht, das nicht mehr brennen darf, und da hat er die Frechheit, mir zu drohen! Man sollte – — – — horch!«

Vom Berge scholl ein vielstimmiges Geheul herüber.

»Das sind die Roten,« fuhr Jim fort. »Was mag wohl dieser ihr schöner Gesang zu bedeuten haben, Mr. Shatterhand?«

»Das wißt Ihr nicht?«

»Nein. Es ist mir keine Veranlassung für sie bekannt, jetzt ein solches Lied anzustimmen.«

»Die Antwort ist aber sehr einfach. Wie ich Euch schon sagte, haben sie, obgleich sie durch mich vertrieben wurden, ihre Absicht, uns zu überfallen, nicht aufgegeben, sondern sie doch noch ausgeführt. Sie haben unser Versteck umzingelt und sind auf ein gegebenes Zeichen alle auf einmal in dasselbe eingebrochen.«

»Die Vögel waren aber ausgeflogen!«

»Ein Glück für uns, daß es so ist. Sie aber sind so wütend darüber, daß sie heulen.«

Das konnte der Häuptling nicht ruhig anhören, er zischte mich an:

»Du sagst, sie heulen vor Wut; ich aber sage dir, daß sie noch vor Freude heulen werden!«

»Pshaw!« antwortete ich. »Ihr Geheul ist eine Dummheit und deine jetzigen Worte sind noch viel dümmer.«

»Schweig! Was To-kei-chun sagt, ist niemals dumm; er weiß, was er spricht!«

»Und ich weiß, was du denkst! Ist dir die Mahnung unbekannt, daß man nicht immer sagen soll, was man weiß? Wären deine Krieger jetzt still gewesen, so wüßten wir nicht, daß sie den vergeblichen Ueberfall unternommen haben. Und hättest auch du geschwiegen, so wüßten wir nicht, auf was du wartest.«

»Glaubt Old Shatterhand vielleicht, allwissend zu sein?«

»Nein; aber wenn ein dummer Mensch seine Zunge nicht halten kann, so pflege ich zu sehen, was auf derselben liegt. Soll ich dir deine Gedanken sagen?«

»Du kennst sie nicht!«

»So höre! Du hast uns soeben gedroht. Du glaubst also, freizukommen, ohne zum Frieden verpflichtet zu sein. Das kann aber nur dadurch geschehen, daß deine Krieger dich befreien. Und weil ihnen dies am Tage unmöglich ist, so meinst du, daß sie dich noch in dieser Nacht holen werden.«

»Uff!« höhnte er. »Old Shatterhand scheint in die Haut des großen Geistes gefahren zu sein, der alles weiß!«

»Spotte immerzu! Grad dieser Spott sagt mir, daß ich das Richtige getroffen habe.«

»Wie kann ich denken, daß meine Krieger mich befreien! Sie wissen ja gar nicht, wo ich mich jetzt befinde.«

»Sie wissen es!«

»Nein, denn sie sind nicht so allwissend, wie Old Shatterhand, welcher einem sagen kann, was jeder Wurm und jeder Käfer für vortreffliche Gedanken hat!«

»Dein Hohn nützt dir nichts. Die Krieger der Comantschen wissen, daß ich das gefangene Bleichgesicht austauschen will und also am Morgen mit ihnen sprechen muß; ich werde mich also nicht weit von ihrem Lager entfernen. Sie fragen sich jetzt, wo ich bleiben und mit ihnen verhandeln werde, und die Antwort wird ganz natürlich lauten: da, wo er schon einmal mit uns verhandelt hat. Wenn deine Krieger sich das nicht sagten, so hätten sie kein Gehirn. Sie werden also die Nacht benutzen, noch einmal einen Ueberfall zu versuchen.«

»Uff!«

Jetzt klang dieser Ausruf nicht mehr höhnisch, sondern wie zornige Enttäuschung.

»Er wird ihnen aber nicht gelingen,« fuhr ich fort, »obgleich du deine ganze Hoffnung auf ihn setzest. Wenn du diese Hoffnung nicht hegtest, würdest du es unterlassen haben, uns zu drohen. Du siehst also ein, daß deine Rede eine ebenso große Albernheit wie vorhin ihr Geheul da drüben war.«

Ich bediente mich mit voller Absicht der beiden sonst verpönten Worte dumm und albern. Er hatte sein Wort gebrochen und mußte nun so tief beschämt werden, wie es mit meiner sonstigen Gesinnung zu vereinbaren war. Er antwortete nur mit einem zornigen Schnaufen, und ich sprach weiter.

»Du bist es eigentlich gar nicht wert, daß ein Krieger mit dir redet, denn du hast das Calumet entweiht und den Frieden nicht gehalten, den du uns versprachst. Du solltest eigentlich die Strafe – — – «

»Mir ist nur mein Calumet heilig, das deinige aber nicht,« fiel er mir in die Rede. »Warum hast du nicht das meinige geraucht? Old Shatterhand ist noch viel dümmer, als er andere Leute schimpft!«

»Ich habe nicht dumm und vertrauensselig gehandelt. Hätte ich aus deiner Friedenspfeife geraucht, so wäre mir das dabei gegebene Versprechen ebenso heilig gewesen, als wenn es aus meinem Calumet gekommen wäre. Ich habe deine Verschlagenheit gar wohl gekannt und sogar meinen Gefährten gesagt, was du im Schilde führtest, und dich dennoch nicht gezwungen, dich deiner Pfeife anstatt der meinigen zu bedienen. Ich unterließ das nicht etwa aus Dummheit, sondern weil ich weiß, daß ich dich nicht zu fürchten brauche; du bist ein kleiner Wurm gegen mich, den ich in jedem Augenblicke zertreten kann. «

»So zertritt mich doch! Kannst du es wirklich?«

»Ja.«

»Was wird dann aus dem Bleichgesichte, welches sich bei uns befindet?«

»Pshaw! Poche ja nicht zu sehr darauf! Ich würde diesen Weißen befreien, auch wenn du dich nicht in unserer Gewalt befändest. Ich will jetzt da weitersprechen, wo du mich vorhin unterbrochen hast. Mit deiner Treulosigkeit hast du eigentlich die Strafe der Lügner verdient, nämlich einen Schlag in das Gesicht, der dich für alle Zeit entehrt, so daß keiner deiner Krieger mehr etwas von dir wissen mag; aber Old Shatterhand weiß, daß Liebe besser ist, als Haß, und so will ich auf eine solche Rache verzichten und noch einmal freundlich mit dir sprechen.«

»Ich mag nichts hören!«

»Ich will dir einen Vorschlag machen, von dem ich erwarte, daß du auf ihn – — – «

»Ich mag von dir nichts hören!« wiederholte er, mich unterbrechend.

»Das ist natürlich nicht dein letztes Wort. Du weißt ja noch gar nicht, was – — – «

»Schweig!« fiel er mir wieder in die Rede. »Ich weiß alles!«

»Gut, so werde ich schweigen; es wird die Zeit kommen, in welcher du gern mit mir sprechen wirst. Ob und wie ich dann reden werde, das wirst du erfahren.«

»Sir, soll ich dem Halunken für seine Frechheit eine Ohrfeige geben?« fragte mich Jim.

»Nein,« antwortete ich. »Einen Wehrlosen schlägt man nicht, und ich habe ihm gesagt, daß er keinen Schlag bekommen soll.«

»Darauf fußt er eben! Ah, ihm so einen tüchtigen Box ins Gesicht oder auf den Magen zu geben, das wäre für mich das höchste der Gefühle! Denkst du nicht auch, alter Tim?«

»Yes!« erklang es im tiefsten Brusttone der Ueberzeugung; mehr als dieses Wort aber sagte er nicht.

Ich war überzeugt, daß wir bald abermals beschlichen würden. Was wir dagegen thaten, das sollte der Häuptling nicht sehen; darum ließ ich ihm eine abgewendete Lage geben und besprach mich leise mit den Gefährten. Die beiden Snuffles, Perkins, die andern beiden Führer und ich wollten uns gegen die etwaigen Späher wenden, während die zwei Diener bei dem Häuptlinge sitzen blieben. Wir sechs krochen, auf der Erde liegend, eine Strecke vor; dann postierte ich sie so, daß sie ungefähr vierzig Schritte auseinander lagen und eine gegen den Berg gerichtete gerade Linie bildeten, deren Mitte in noch weiter vorgerückter Lage ich selbst einnahm. Auf diese Linie mußte der oder mußten die Kundschafter treffen, welchen oder welche man aussandte, um zu erfahren, wo wir lagerten.

Wie so oft, hatte ich mich auch diesesmal nicht getäuscht. Wir lagen noch keine halbe Stunde, so hörte ich Jim Snuffle rufen:

»Da will jemand zwischen uns hindurch. Halte ihn fest, alter Tim!«

»Yes.«

Die beiden Brüder lagen zu meiner rechten Hand hinter mir, erst Tim und dann Jim. Ich blickte mich um und sah Tim auf eine Gestalt zurennen, welche sich soeben vom Boden erhob und schnell zu entkommen trachtete. Sie sprang in weiten Sätzen fast genau auf die Stelle zu, an welcher ich lag, ein Stück vor den anderen, wie bereits gesagt. Es war natürlich ein Roter. Ich ließ ihn bis auf zehn Schritte herankommen und sprang dann plötzlich auf. Er blieb erschrocken stehen, nur einige Augenblicke lang; aber das war Zeit genug für mich, mit zwei Sprüngen bei ihm zu sein und ihn niederzureißen und festzuhalten, bis die Snuffles kamen und mir halfen, ihn zu binden. Er ließ dies lautlos und ohne Widerstand geschehen, so sehr war er erschrocken.

»Den haben wir!« freute sich Jim. »Ob wohl noch andere bei ihm waren?«

»Wie ich die Indsmen kenne, nein, denn sie wären zu gleicher Zeit mit ihm bemerkt worden; er ist allein,« antwortete ich. »Schaffen wir ihn zu seinem Häuptlinge, und machen wir uns dann fort.«

»Fort? Wohin?«

»Nicht sehr weit, an einen andern Ort, wo man uns nicht sucht.«

»Warum?«

»Mir ist soeben ein Plan gekommen. Ich sagte vorhin dem Häuptlinge, daß ich das gefangene Bleichgesicht auch ohne Auswechslung befreien würde; das will ich jetzt thun.«

 

»Wetter! Begebt Euch ja nicht wieder so in Gefahr!«

»Es ist gar keine Gefahr dabei. Ich will bloß nach den Häuptlingsgräbern, wo der Gefangene liegt.«

»Allein?«

»Ja, allein.«

»Da lauft Ihr aber doch den Indsmen in die Hände, denn sie sind dort!«

»Sie sind nicht dort.«

»Wer hat Euch das gesagt?«

»Der Kundschafter hier.«

»Habe kein Wort davon gehört!«

»Ich auch nicht; aber gesehen habe ich es.«

»Gesehen? Wieso?«

»Er floh vor Euch. Es war natürlich seine Absicht, zu seinen Gefährten zu entrinnen, und diese müssen sich da befinden, wohin er seine Richtung nahm. Er kam von Euch auf mich zu, von rechts herüber; sie müssen also links da drüben sein, nicht in ihrem Lager, sondern bei unserm Verstecke, wo sie geblieben sind, seit sie uns nicht dort fanden.«

»Das scheint freilich richtig zu sein.«

»Es ist richtig. Ferner ziehe ich folgenden Schluß: Als ich mich oben auf dem Felsen befand, stellten sich mehr als zehn Rote unten gegen mich auf, und sechs standen bei Mr. Dschafar. Sobald ich mich entfernt hatte, war das nicht mehr nötig. Es werden höchstens nur zwei Wächter bei dem Gefangenen sein, und mit denen werde ich leicht fertig; die übrigen haben sich den andern angeschlossen, die uns überfallen wollen. Ich gehe also nach den Häuptlingsgräbern, und vorher nehmen wir eine andere Stellung ein, damit wir vorkommenden Falles nicht gefunden werden.«

Die Snuffles fuhren fort, mich zu warnen; ich blieb aber bei meinem Vorsatze und zog die andern Posten ein. Als wir bei To-kei-chun ankamen und er den neuen Gefangenen sah, stieß er einen Ruf des Zornes aus, ohne aber weiter etwas zu sagen.

»Nun, wie steht es jetzt mit deiner Zuversicht?« fragte ich ihn. »Werden dich deine Krieger befreien? Ihren Späher haben wir aufgefangen.«

Das war ihm doch zu viel. Er vergaß sich vor Aerger und antwortete: »Sie werden dennoch kommen!«

»Hierher vielleicht, aber nicht dorthin, wo wir sein werden. Du wirst sehen, daß deine Hoffnung dich betrügt, so wie du uns hast betrügen wollen.«

Ihm und dem Späher wurden die Füße freigegeben, daß sie laufen konnten; dann suchten wir einen Ort auf, welcher fast eine englische Meile entfernt lag. Das that ich auch aus dem Grunde, daß ein etwaiger Hilferuf des Häuptlings nicht von den Comantschen gehört werden konnte. Nachdem ich meinen Gefährten sehr ernst gesagt hatte, wie sie sich zu verhalten hatten, verließ ich sie, um meinen neuen Plan in Ausführung zu bringen. Ich nahm die beiden Gewehre mit, von denen ich gegebenen Falles entweder das eine oder das andere gebrauchen konnte. Unsere neue Haltestelle lag etwas weiter als die vorige von den Häuptlingsgräbern entfernt. Ehe ich dort anlangte, mußte also seit der Gefangennahme des Kundschafters ungefähr eine Stunde vergangen sein; dennoch war ich nicht darüber im Zweifel, daß die Roten ihre von mir vermutete Stellung noch immer inne hatten. Daß ihr Späher eine Stunde lang fortblieb, war noch kein Grund, sie mit Besorgnis oder gar Mißtrauen zu erfüllen. Es war also anzunehmen, daß sie noch immer oben bei unserm früheren Verstecke hielten und ich unten bei den Gräbern keinen großen Widerstand finden würde.

Diese Voraussetzung erwies sich als richtig, denn als ich an dem letztgenannten Orte ankam und mich durch die licht stehenden Sträucher gewunden hatte, so daß ich das noch immer brennende Feuer vor mir sah, gewahrte ich nur zwei Wächter, welche bei dem Gefangenen saßen; es kam mir sogar der für mich sehr günstige Umstand zu statten, daß sie Dschafar ihre Gesichter, mir aber die Rücken zukehrten; sie konnten mich also nicht kommen sehen. Wenn ich nun dafür sorgte, daß sie mich auch nicht hörten, so mußte mir mein Vorhaben gelingen.

Ich legte mich nieder und kroch vorsichtig weiter, immer gerade auf sie zu. Das war nicht leicht, denn es gab nun keine Büsche mehr, und das Gras war so niedrig, daß es mir keine Deckung gewährte, Ich mußte mich in dem Schatten halten, welchen die beiden Indianer nach meiner Richtung warfen. Auch in der Person dessen, den ich befreien wollte, lag eine Gefahr für mich. Er war mit dem Leben des wilden Westens unbekannt; ich wußte, daß ihm die Gabe fehlte, sich im Augenblicke der Ueberraschung zu beherrschen. Wenn er mich kommen sah und durch eine Bewegung oder gar einen Ausruf dies verriet, so konnte ich eine Kugel bekommen, ehe ich den Platz ganz erreicht hatte. Ich mußte also meinen Weg so nehmen, daß er mich nicht zu früh bemerkte, was nur dadurch erreicht werden konnte, daß ich stets einen der Indianer in gerader Linie zwischen ihm und mir hatte.

Das war schwierig, aber es ging; ich kam näher und näher und befand mich endlich nur wenige Schritte von ihnen, so daß ich hörte, was sie sprachen. Sie redeten nämlich miteinander. Dschafar verstand englisch genug, und einer der Roten war dieser Sprache so weit mächtig, daß er das, was er sagen wollte, wenigstens einigermaßen zum Ausdrucke bringen konnte.

Der Perser schien guten Mutes zu sein, denn sein Gesicht zeigte keine Spur von Besorgnis, und eben als ich in Hörweite herangekommen war, hörte ich ihn sagen:

»Nein, ihr bekommt ihn nicht wieder!«

»Der Häuptling wird befreit,« behauptete dagegen der Indianer.

»Old Shatterhand giebt ihn nicht wieder her!«

»Hat er ihn nicht schon gefangen gehabt und doch wieder hergeben müssen?«

»Müssen? Kein Mensch hat ihn gezwungen; er hat es freiwillig gethan.«

»Er war dazu gezwungen, denn er wollte die weißen Gefangenen freihaben.«

»Dabei ist er ehrlich mit euch verfahren; ihr aber habt hinterlistig gehandelt.«

»Die roten Krieger sind klüger als die weißen.«

»Was du meinst, das war keine Klugheit, sondern Unehrlichkeit. Ihr werdet das entgelten müssen, denn Old Shatterhand wird euern Häuptling ganz gewiß dafür bestrafen.«

»Das kann er nicht, denn wir werden To-kei-chun befreien.«

»Wann?«

»Jetzt.«

»Glaube das ja nicht! Ihr werdet ihn nicht wieder losmachen können.«

»Alle unsere Krieger sind fort, dies zu thun!«

»Wenn es ihnen überhaupt gelingen könnte, wären sie jetzt schon damit fertig. Sie müßten längst wieder hier sein.«

»Sie warten, um Old Shatterhand sicher zu machen; dann fallen sie über die Bleichgesichter her.«

»Pshaw! Old Shatterhand ist nicht der Mann, der so leicht überfallen werden kann. Zumal nach dem, was in der letzten Zeit geschehen ist, wird er doppelt vorsichtig sein.«

»Und wenn er vorsichtig wäre, was würde er dadurch erreichen? Er müßte unsern Häuptling doch wieder freilassen!«

»Wer soll ihn zwingen?«

»Wir. Wenn er ihn nicht freigibt, wirst du getötet.«

»Gut! Also wieder eine Auswechslung! Du giebst also zu, daß ich mich in keiner Gefahr befinde. Ihr könnt mir nichts thun.«

Der Indianer wollte sich nicht als geschlagen bekennen und behauptete:

»Wir werden den Häuptling holen und dich doch nicht losgeben!«

Dschafar antwortete nun seinerseits auch mehr, als er eigentlich behaupten konnte:

»Und Old Shatterhand wird mich holen und den Häuptling nicht loslassen.«

»Uff! Wir bewachen dich!«

»Das kann einen Mann, wie Old Shatterhand ist, nicht abhalten!«

»Er mag es nur wagen, zu kommen!«

»Er ist schon da,« antwortete ich, indem ich hinter ihm aufsprang und die beiden Revolver zog.

Er und sein Kamerad drehten sich nach mir um; sie brachten vor Ueberraschung kein Wort hervor, hatten aber die Geistesgegenwart, nach ihren Messern zu greifen und auch aufstehen zu wollen.

»Bleibt sitzen, und rührt euch nicht, sonst erschieße ich euch!« gebot ich ihnen.

»Uff, uff!« stieß da der eine von ihnen, der bisher gesprochen hatte, hervor.

»Ja, uff, uff!« antwortete ich. »Dieses Bleichgesicht hier hat sehr recht gehabt: Old Shatterhand ist nicht der Mann, der sich vor euch fürchtet. Wenn ihr mir nicht Wort für Wort gehorcht, seid ihr des Todes und auch Euer Häuptling ist verloren. Legt die Messer weg!«

Sie thaten es.

Ich ging zu Dschafar und durchschnitt seine Fesseln, während ich mit der andern Hand die Wächter durch die Revolver in Schach hielt. Als dies geschehen war, forderte ich Dschafar auf:

»Nehmt diese Riemen und bindet damit den beiden roten Gentlemen die Hände und die Füße zusammen!«

Er stand auf, um diese Weisung auszuführen; da aber erklärte der eine Rote:

»Wir lassen uns nicht binden!«

»Was wollt ihr dagegen thun?« fragte ich. »Ihr befindet euch in meiner Gewalt!«

»Lieber sterben wir! Eine solche Schande kann kein Krieger ertragen.«

»Es ist keine Schande. Ich selbst bin auch oft gefesselt gewesen.«

»Aber wir hatten dieses Bleichgesicht zu bewachen und haben uns überraschen lassen. Das ist eine Schande.«

»Pshaw! Wißt ihr, was für einen roten Krieger die größte Schande ist?«

»Was meint Old Shatterhand?«

»Wenn er seine Medizin oder seine Skalplocke verliert. Ihr habt eure Medizinen am Gürtel hängen, und auf euern Häuptern sehe ich die Büschel eurer Haare. Wenn ihr nicht gehorcht, so erschieße ich euch nicht nur, sondern nehme euch die Medizinen und die Skalplocken, und werfe sie in das Feuer hier. Dann seht zu, ob ihr nach dem Tode in die ewigen Jagdgründe eingelassen werdet!«

»Uff!«, rief er erschrocken.

»Also gehorcht! Gebt eure Hände und Füße her, haltet still!«

jetzt weigerten sie sich nicht mehr. Meine Drohung hatte ihren Widerstand vollständig gebrochen. Während ich sie mit den Revolvern bedrohte, wurden sie von Dschafar gebunden.

»Man hat Euch ausgeraubt, Sir?« fragte ich diesen dann.

»Ja,« antwortete er.

»Wer hat die Sachen?«

»Der Häuptling.«

»Alles?«

»Alles. Aber es sind nur die Kleinigkeiten. Was Wert hatte, habe ich in den Packsattel gethan.«

»Den haben wir; der Häuptling wird aber dennoch alles herausgeben müssen.«

Und mich wieder zu den beiden Wächtern wendend, sagte ich:

»Ihr seht, was eure Hinterlist und Wortbrüchigkeit euch für Früchte bringt. Euer Gefangener ist wieder frei, und dafür habe ich To-kei-chun abermals in meine Gewalt gebracht; er wird nicht so leicht wieder loskommen. Wir verlassen jetzt diesen Ort. Einer von euch wird uns begleiten, um Zeuge dessen zu sein, was ich mit dein Häuptlinge verabrede, und dann als sein Bote nach hier zurückzukehren. To-kei-chun wird mit uns reiten, bis wir uns in Sicherheit befinden. Darum nehme ich sein Pferd jetzt mit. Ob wir ihn später töten oder nicht, das wird ganz auf sein Verhalten ankommen.«

Dschafar holte sein Pferd und auch dasjenige des Häuptlings herbei, dazu die Waffen und sonstigen Gegenstände, welche an der Stelle lagen, wo To-kei-chun gelegen hatte. Ich gab einem der Wächter die Füße frei und band ihn mit den Händen an den Steigbügel fest; seinen Gefährten knebelte ich, daß er nicht rufen konnte; dann trat ich das Feuer aus. Als das geschehen war, ritten wir fort.

Sobald der Lagerplatz und das hindernde Gebüsch hinter uns lagen und wir uns draußen auf der freien Ebene befanden, machte der Perser seinem Herzen Luft.

»Sir, was habe ich Euch nicht alles zu danken! Meine Schuld gegen Euch ist von Tag zu Tag größer geworden. Jetzt habt Ihr mich wieder befreit.«

»Aber zum letztenmal!« sagte ich ernst.

»Gewiß! Ich denke doch, daß ich nicht wieder in die Hände dieser Teufel fallen werde!«

»Wenn Ihr so unvorsichtig bleibt, wie Ihr bisher gewesen seid, so wird das sicher geschehen. Dann laß ich Euch aber stecken; darauf könnt Ihr Euch heilig verlassen!«

»Ihr scheint zornig zu sein, Mr. Shatterhand?«

»Ist auch kein Wunder! Ich scheine nur zu dem Zwecke mit Euch zusammengetroffen zu sein, die fortgesetzten Fehler anderer Leute immer wieder gutmachen zu müssen. Das geschah vom ersten Augenblicke bis jetzt und scheint gar nicht anders werden zu wollen.«

»Was mich betrifft, so soll so etwas gewiß nicht wieder vorkommen.«

»Das hoffe ich. Horcht!«

Es ertönte hinter uns ein lautes Geheul.

»Warum brüllen sie so?« fragte der Perser. »Sie haben doch nicht etwa unsere Gefährten gefangen?«

»Nein. Diese befinden sich nicht hinter, sondern da vor uns. Es ist das Wutgeheul der Comantschen, welche eingesehen haben, daß sie ihren Häuptling nicht befreien können. Sie sind nach dein Lager zurückgekehrt und haben da zu ihrem Schreck bemerkt, daß Ihr noch obendrein gerettet worden seid und dazu auch noch ein Krieger von ihnen mit fortgeführt worden ist. Da ist es kein Wunder, wenn sie so schreien.«

»Sie werden uns nachkommen!«

»Mögen es versuchen! Ihr könnt übrigens froh sein, daß mir mein Streich gelungen ist; denn wenn dies nicht gelungen wäre, so hättet Ihr heut Euern letzten Tag erlebt.«

 

»Glaubt Ihr denn wirklich, daß sie mich getötet hätten?«

»Ohne alle Gnade und Barmherzigkeit.«

»Sind das schreckliche Menschen! Bei uns wohnen doch auch halbwilde Völker, vor denen man sich in acht zu nehmen hat; aber so blutgierig wie die Indianer sind sie doch nicht!«

»Da irrt Ihr Euch!«

»Irren? Schwerlich!«

»Ich kann Euch mit meinen eigenen Erfahrungen das Gegentheil beweisen. Wir oft ist mir im Oriente nur deshalb nach dem Leben getrachtet worden, weil ich kein Moslem war, Ich hatte diesen Leuten nicht das mindeste gethan, sie mit keinem Worte beleidigt. Der Indianer aber kennt gar keinen Religionshaß und ist nur deshalb der Feind der Weißen, weil diese mit unversöhnlicher Feindschaft an seinem Untergange arbeiten. Er wehrt sich seines Lebens; das ist alles.«

»So sagt, was habe denn grad ich diesen Comantschen gethan?«

»Wohl nichts?«

»Nein!«

»Das denkt Ihr nur. Erstens seid Ihr ein Weißer, also ein Feind von ihnen. Wie Ihr persönlich zu ihnen steht, darnach fragen sie nicht. Sodann reist Ihr jetzt durch ihr Gebiet, ohne zu fragen, ob es ihnen recht ist oder nicht.«

»Was können sie dagegen haben?«

»Etwa nichts? Darf ich zum Beispiel in Persien so reisen, wie Ihr es hier thut?«

»Natürlich!«

»Wirklich? Lagern und schlafen, wo ich will? Mich ernähren, wie ich will? Rinder, Hirsche und dergleichen schießen, wie es mir beliebt? Den rechtmäßigen Besitzern des Landes die Nahrung wegnehmen, ohne daß sie etwas dagegen thun oder sagen dürfen?«

»Hm!«

»Ja, hm! Hat nicht schon an Eurer Grenze jeder Scheik das Recht, von jedem Fremden, der durch sein Gebiet will, eine Abgabe, einen Tribut zu verlangen?«

»Das ist richtig.«

»Wenn hier ein Häuptling so etwas forderte, bekäme er anstatt der Zahlung eine Kugel. Die Roten zählten einst nach vielen, vielen Millionen, und das ganze weite Land, der ganze Kontinent war ihr Eigentum. Aus diesen Millionen ist ein armseliges Häuflein geworden, welches nur nach Tausenden zählt und ohne alles Erbarmen von Stelle zu Stelle gejagt und verjagt wird. Wer ist da der Grausame, der Blutdürstige – der Rote oder der Weiße?«

Der Perser schwieg, aber der an meinem Steigbügel hängende Comantsche, welcher meine Rede leidlich verstanden haben mochte, rief aus:

»Uff, uff! Das sagt Old Shatterhand, obgleich er ein Bleichgesicht ist!«

»Ich habe es stets gesagt.«

»So bist du ein wahrer Freund aller roten Männer!«

»Ja, das bin ich, und ihr thätet besser, mich und diejenigen, die bei mir sind, mit eurer Verfolgung und euern Wortbrüchen zu verschonen.«

»Ich möchte das meinen Kriegern sagen; aber ich weiß nicht, ob ich zu ihnen zurückkehren darf. Wird Old Shatterhand mich töten?«

»Nein.«

»Mich freilassen?«

»Ja. Du sollst dabei sein, wenn ich nachher mit euerm Häuptling rede. Ist das geschehen, so gebe ich dich frei, damit du den Kriegern der Comantschen sagen kannst, was ich zu To-kei-chun gesprochen habe.«

Wir waren indessen in der Nähe der Stelle angekommen, an welcher ich die Gefährten zurückgelassen hatte. Da es hier bei Nacht und auf der offenen Prairie keinen Punkt gab, nach dem ich mich richten konnte, so pfiff ich laut; es wurde mir geantwortet; ich hatte die Richtung genau eingehalten. Die Stimme Jims schallte mir entgegen:

»Halloo, Sir! Pfeift ihr, oder pfeift etwa ein anderer?«

»Ich bin es. Wer sollte sonst hier pfeifen?«

»Die Patti nicht; das ist wohl wahr. Habt Ihr – — – ah, das sind ja drei Personen anstatt einer! Ist – ist – ist die Sache – — – «

»Ich bin frei!« unterbrach ihn Dschafar, indem er vom Pferde sprang. »Mr. Shatterhand hat mich herausgeholt!«

»Alle Wetter! Das ist nun wieder so ein Streich! Und wer ist der dritte Gentleman? Ein Roter? Ein Comantsche? Das ist ja weit mehr, als man erwarten konnte! Meinst du nicht auch, alter Tim?«

»Yes,« antwortete sein Bruder. Aber ganz entgegen seiner sonstigen lakonischen Weise fügte er dieses Mal hinzu: »So ein Streich ist großartig zu nennen, rein großartig. Ich gestehe, daß mir der Verstand darüber still stehen will!«

»Stillstehen? Well, das ist gut; das ist viel besser, als wenn er dir davonlaufen wollte. Das müßte ich mir verbitten, denn einen Bruder Snuffle ohne Verstand, das wäre für mich keineswegs das höchste der Gefühle.«

Ich war indessen auch abgestiegen. Als To-kei-chun nun sah, daß ich wirklich seinen Gefangenen und einen Comantschen mitgebracht hatte, ließ er ein grimmiges »Uff!« hören, sagte aber sonst weiter nichts. Die Gefährten wollten wissen, auf welche Weise ich Dschafar losbekommen hatte; ich erklärte ihnen:

»Wartet bis später! Wenn wir mehr Zeit haben, werdet ihr es erfahren. Jetzt habe ich vor allen Dingen mit To-kei-chun zu reden. Ich muß mich gegen einen wiederholten Wortbruch sicher stellen.«

»Sicher stellen?« fragte Perkins. »Ja, das werden wir thun, Das ist das Notwendigste, was geschehen muß. Ich werde da gleich meinen Antrag stellen.«

Er sagte das in einem Tone, als ob alles auf seine Meinung ankäme und wir uns nur so nach seinem Willen zu richten hätten; darum antwortete ich ihm:

»Habe ich einen Antrag von Euch verlangt?«

»Verlangt? Nein.«

»So wartet, bis ich das thue!«

»Aber, Sir, es versteht sich doch ganz von selbst, daß wir uns darüber verständigen müssen, wie wir diesen roten Häuptling endlich unschädlich machen!«

»Was wollt Ihr mit dem Worte verständigen« sagen? Es hat nie einer Verständigung bedurft, denn To-kei-chun ist Euch nur durch Eure Dummheiten schädlich geworden. Hättet Ihr von vornherein mit mehr Klugheit gehandelt, so hätten die Comantschen Euch gar nichts anhaben können.«

»Hm!« brummte er mißvergnügt. »Jeder Mensch begeht einmal einen Fehler.«

»Mag sein; hier aber ist Fehler auf Fehler vorgekommen.«

»Wenn das wahr ist, so können wir uns am besten gegen weitere Fehler dadurch schützen, daß wir den Häuptling einfach niederschießen. Wenn wir das nicht thun, wird er uns wieder nachreiten.«

»Unendlich klug gesprochen, Mr. Perkins! Ihr wollt keine Fehler mehr begehen und schlagt in demselben Atem etwas vor, was ein noch größerer Fehler sein würde als alles, was bisher vorgekommen ist. Der Häuptling bleibt leben!«

»Das ist wieder Eure Humanität, mit der Ihr Euch und uns nur stets – — – «

»Schweigt!« unterbrach ich ihn. »Hier wird überhaupt nicht geschossen! Und ich werde dafür sorgen, daß kein Mord begangen wird, solange ich mich bei euch befinde. Es hat niemand notwendig, Anträge zu stellen, denn ich werde jetzt sagen, was zu geschehen hat, und dann sind wir fertig.«

»All devils! Giebt es hier etwa einen Kaiser, dessen Unterthanen wir sind?«

»Nein. Aber es giebt hier einen Westmann, der nicht noch monatelang mit euch herumreiten will, um bald den einen, bald den andern von euch aus den Händen der Indianer zu holen. Das müßte ich nämlich thun, wenn ich mich nach euch richten wollte.«

»Well! Ich bin hier nicht allein maßgebend. Es giebt noch mehr Personen, welche sich darüber auszusprechen haben, ob wir nach gemeinsamer Vereinbarung handeln oder die gehorsamen Diener eines einzelnen von uns sein wollen.«

»Mir gleich! Ich aber sage euch, daß ich augenblicklich von hier fortreiten werde, wenn ihr etwas anderes thut, als was ich beabsichtige.«

»Das klingt wirklich außerordentlich befehlshaberisch, Sir! Ich möchte wissen, was die beiden Snuffles dazu sagen?«

Jim antwortete verständiger Weise:

»Was wir dazu sagen? Die beiden Snuffles haben eigentlich gar nichts mit Euch zu thun, haben gar keine Verpflichtung gegen Euch. Wir haben Euch getroffen und sind mit Euch geritten, um Euch gegen die Roten beizustehen. Dabei haben wir freilich dieses und das gethan, was Mr. Shatterhand Dummheiten nennt. Ich kann nicht sagen, daß er da unrecht hat. Sollen wir denn hier immer hin und her reiten, um bald diesen und bald jenen aus der Patsche zu befreien, in die er selbst hineinreitet? Nein! Mr. Shatterhand hat uns allen immer wieder herausgeholfen, und so denke ich, er kann verlangen, daß wir uns jetzt nach ihm richten. Was meinst du wohl, alter Tim, habe ich recht oder nicht?«

»Yes.«

»Wir halten zu Mr. Shatterhand?«

»Yes.«

»Well! So mag er uns also sagen, was nun geschehen soll.«

Da niemand widersprach, wendete ich mich an den gefangenen Häuptling: