Za darmo

Im Lande des Mahdi II

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Ich gab dem Kamele den Gnadenschuß; dann gehörten acht Asaker dazu, den mächtigen Körper des Löwen fortzuschleifen. Er wurde nach einem der Feuer gebracht, wo ich ihm den gelbbraunen »Rock« auszog, wie Ben Nil sich ausdrückte. Natürlich sprach man nur von dem Löwen, und alles andere ruhte. Der Fessarah kam in sehr niedergeschlagener Haltung herbei und wurde mit ironischen Lobpreisungen überschüttet. Er ließ sie über sich ergehen, ohne ein Wort zu erwidern, und das war das beste, was er thun konnte. Er legte seine berühmte Flinte weg und sagte:

»Hier liegt sie; geben kann ich sie dir nicht, denn das wäre eine Versündigung an dem Urvater meiner Urahnen. Bist du wirklich so grausam, mich ihrer zu berauben, so nimm sie weg.«

»Ja, ich nehme sie, denn sie ist mein rechtmäßiges und wohlverdientes Eigentum.«

Er hatte auf meine Nachsicht gerechnet; als er sie jetzt in meinen Händen sah, schlug er die seinigen über dem Kopfe zusammen und wehklagte:

»O Allah, o Himmel, o tiefes Herzeleid meiner Seele! Nun bin ich des Ruhmes meiner Ahnen, des Vermächtnisses meiner Vorfahren beraubt und darf mich nie wieder in den Dörfern meines Stammes sehen lassen. Wo ich erscheine, wird man mit Fingern auf mich deuten und über mich rufen: Das ist der Mann, der das Kleinod seines Stammes verspielt und die Ehre seiner Vorfahren verwettet hat; Schande über ihn! Mir bleibt nichts übrig, als in Thränen zu zerlaufen und mich in Zähren aufzulösen. Mein Herz schwimmt in der Flut des Grames, und mein Leben taucht unter in das Wasser des Seelenschmerzes, O Allah, Allah, Allah!«

Es fiel mir nicht ein, die Flinte zu behalten; ich nahm sie nur für einstweilen weg, um ihn für seine Prahlereien ein wenig büßen zu lassen; das konnte ihm nichts schaden. Er streckte sich lang auf den Boden aus, verhüllte mit dem Kopftuche sein Gesicht und verhielt sich von jetzt an vollständig schweigend. Desto lauter und lebhafter waren die Asaker, welche nicht müde werden konnten, das Löwenabenteuer immer von neuem zu besprechen. Sie thaten das in ihrer überschwenglichen orientalischen Weise, und wenn ich nach ihren Ausdrücken beurteilt werden sollte, so war ich nicht nur der größte Held der Erde, sondern überhaupt ein Mann, wie es noch keinen gegeben hatte und auch später niemals einen geben könne. Als dann erst gegen Mitternacht dieses Thema erschöpft zu sein schien, hielt Ben Nil es für an der Zeit, auf das seinige zurückzukommen. Er verlangte die Bestrafung des alten Emirs Abd. Asl. Er war durch den Angriff des Löwen unterbrochen worden und drang nun darauf, daß die Angelegenheit erledigt werde. Als der Fakir el Fukara dies hörte, stand er auf und sagte zu mir:

»Effendi, vorhin trat ich auf, um das Leben dessen, den ihr richten wollt, zu verteidigen, denn er ist mein Freund. Wir kennen uns noch viel näher, als du wissen kannst und ahnst. Ich sehe aber ein, daß ich zu schwach gegen euch bin. Meine Gegenwehr würde ihm nichts nützen. Du bist ja, wie du auch gesagt hast, ganz allein im stande, es mit zehn Fukara el Fukara aufzunehmen. Ferner hast du mich vom Löwen errettet, und ich bin dir Dankbarkeit schuldig. Darum will ich dir nicht widerstehen. Ich mische mich also nicht in diese Angelegenheit; aber meine Augen dürfen nicht den Tod meines Freundes erblicken, und darum werde ich mich zurückziehen, bis es vorüber ist.«

Er ging fort, über den Kreis der Kamele hinaus, und setzte sich dort so nieder, daß er uns den Rücken zukehrte. Ben Nil stand, gerade so wie vorhin, mit dem Messer in der Hand vor mir und fragte:

Also du erlaubst, daß ich jetzt Rache nehme, Effendi?«

»Ja. Ich antworte dir so, wie ich dir bereits geantwortet habe: Wenn du es für deiner würdig hältst, einen schwachen, sogar gefesselten Greis, der sich nicht wehren kann, niederzustechen, so thue es!«

»Ich weiß, was ich meiner Ehre schuldig bin, und werde dir zeigen, daß ich danach handeln werde.«

»Thue, was du willst! Der Alte ist in deine Hand gegeben; er gehört nur dir; kein anderer darf sich an ihm vergreifen. Darauf sind die Asaker eingegangen. Was du thust, ist endgültig. Das will ich hiermit nochmals in aller Bestimmtheit erwähnt haben. Aber ehe du Rache nimmst, habe ich noch mit ihm zu sprechen.«

Ich ging mit ihm zu Abd. Asl, welcher alles gehört hatte und also wohl wußte, was ihm drohte. Die Züge seines Gesichtes waren starr und unbewegt, so daß man nicht erraten konnte, was in ihm vorging, ob er Angst fühlte oder nicht.

»Du weißt, was dir bevorsteht,« sagte ich. »Mache deine Rechnung mit dem Leben und mit Allah ab!«

»Wer mich tötet, ist ein Mörder,« antwortete er in einem Tone, welcher wie das Zischen einer angegriffenen Schlange klang.

»Denke und sage, was du willst; es kann dich nicht retten, und du wirst in wenigen Augenblicken über Es Siret, die Brücke des Todes, gehen. Erleichtere dein Gewissen; dann wird dir Allah vielleicht gnädig sein.«

»Ich bedarf keiner Gnade; Ungläubige und deren Anhänger auszurotten, ist keine Sünde, sondern ein Verdienst, welches Allah belohnt.«

»Bleibe meinetwegen bei dieser deiner Ansicht! Wenn du den Tod durch das Messer für einen Lohn hältst, so kann ich nichts dagegen haben. Du hast nicht nur mir, dem Christen, sondern auch meinen Gefährten nach dem Leben getrachtet, und diese sind Moslemin. Ferner weißt du, daß der Reïs Effendina vernichtet werden soll. Das kannst du nicht vor Allah verantworten, und ich fordere dich auf, diese Schuld von dir fernzuhalten, indem du mir sagst, in welcher Gefahr er schwebt.«

Da ging ein höhnisches Grinsen über sein Gesicht. Er spuckte aus und antwortete:

»Ich speie dich und den Tod an, denn ich fürchte weder dich noch ihn. Meine Tage sind bei Allah verzeichnet, und ohne seinen Willen kannst du mir nicht eine Minute meines Lebens rauben; hat er bestimmt, daß ich jetzt, hier sterben soll, so kannst du es nicht verhüten. Es wird mir also nicht einfallen, dir ein Wort von dem zu sagen, was du wissen willst.«

»Ich kann dich zum Sprechen zwingen.«

»Versuche es doch! Wie ich dich verlache, werde ich dir beweisen, indem ich eingestehe: ja, der Reïs Effendina befindet sich in einer großen Gefahr. Er ist verloren und mit ihm alle, die sich bei ihm befinden. Nun weißt du genug!«

»Er wird der Gefahr zu entgehen wissen, wie wir euch entgangen sind.«

»Nein. Eine Rettung ist für ihn unmöglich. Er und seine Leute werden dafür vernichtet werden, daß er unsere Gefährten am Brunnen des Wadi el Berd niederschießen ließ. Ja, wenn du wüßtest, was ihm droht, du würdest ihm vielleicht helfen, denn du bist ein frecher Satan, der nur von Gefahren zu leben scheint. Aber du wirst es eben nicht erfahren.«

»Wie nun, wenn ich dich so lange peitschen lasse, bis du redest?«

»Ich werde dennoch schweigen.«

»O, die Schmerzen öffnen selbst den verschlossensten Mund!«

»Diesmal läßt dich deine berühmte Klugheit im Stiche. Lässest du mich schlagen, so werde ich dir irgend eine Antwort geben. Kannst du aber wissen, ob sie wahr ist oder nicht?«

»Ich denke, daß ich dies gar wohl zu beurteilen vermöchte; aber ich werde dennoch darauf verzichten, dich schlagen zu lassen. Ich würde mich schämen, einen alten, gebrechlichen Mann zu peinigen, welcher schon am Rande des Grabes steht.«

»Schmähe mich nicht! Ich bin nicht gebrechlich, und wenn ich nicht dein Gefangener wäre, so würde ich dir das beweisen. Tötet mich, ihr Hunde; aber ich werde schweigen!«

»Gut, er soll seinen Willen haben,« meinte Ben Nil. »Zu erfahren, was dem Reïs Effendina droht, dazu sind wir auch ohne die Mitteilung dieses alten Mörders klug genug. Er mag also zur Hölle fahren.«

Der Jüngling kniete neben ihm nieder, öffnete ihm vorn das Gewand und setzte ihm die Spitze des Messers auf die Brust. Abd. Asl schien nicht erwartet zu haben, daß man doch Ernst machen werde; er schrie jetzt freilich in erschrockenem Tone:

»Halt ein! Bedenke, daß ich ein heiliger Fakir bin, an dem sich niemand vergreifen darf! Allah würde diesen Mord mit den ewigen Qualen der Hölle an dir rächen.«

»Ein Heiliger willst du sein?« antwortete Ben Nil. »Ein Ungeheuer bist du, tausendmal schlimmer als der Löwe, welchen wir erlegt haben! Und wie kann Allah deinen Tod an mir rächen, da du gesagt hast, daß du nur mit seiner Erlaubnis sterben würdest? Wenn ich dich jetzt ersteche, so geschieht es mit seinem Willen und auf seinen Befehl. Also fahre hinab in die Hölle, wo alle Millionen Teufel dich mit Freude erwarten!«

Er stach ihm die Spitze des Messers langsam, langsam – nur durch die Haut, wie ich sah. Der Alte wälzte sich auf die Seite und heulte, nun seine ganze bisher verhaltene Todesangst zeigend:

»Nein, nein! Ich mag nicht sterben; ich will und kann nicht sterben. Verschone mich, verschone mich!«

»Schau, alter Feigling, wie du dich verstellen konntest! Jetzt bricht das Entsetzen über dich herein,« sagte Ben Nil.

»Gnade, Gnade! Laß mich leben!«

»Vielleicht schenke ich dir das Leben. Nenne mir aber die Gefahr, welche dem Reïs Effendina droht!«

»Ich sage es dir – ich sage es!«

»Dann schnell, heraus damit, sonst stoße ich zu!«

»Er wird in Chartum vergiftet.«

»Von wem?«

»Von – von – – von dem Muza‘bir.«

»Von dem Gaukler also, der unserm Effendi wiederholt nach dem Leben trachtete? Wie will er die That ausführen?«

»Er hat einen Askeri, welcher bei den Leuten des Reïs Effendina Farran[13] ist, bestochen. Er giebt ihm Gift, welches der Farran in den Teig thut, wenn er für den Reïs Effendina Kisrah[14] bäckt.«

 

»Willst du schwören, daß du damit die Wahrheit sagst?«

»Bei Allah, beim Propheten und bei dem Leben und Lehren aller Kalifen.«

»Sieh, wie schnell ich erfahren habe, was du uns nicht sagen wolltest! Nun werden wir sofort einen Eilboten absenden, um den Kommandanten zu warnen. Die Todesangst hat dir den verschlossenen Mund geöffnet. Aber ich will dir nun zu deinem Aerger sagen, daß du mir dieses Geständnis eigentlich gar nicht zu machen brauchtest, da es mir nicht einfällt, meine Ehre zu beschmutzen, indem ich einen alten, gefesselten Mann, der noch dazu ein solcher Feigling ist, ersteche. Ja, ich will Rache nehmen, aber den Gegner nicht abschlachten. Allah soll entscheiden zwischen mir und dir. Ich will kämpfen, doch nicht mit dir, denn ich bin jung und kräftig. Suche einen deiner Männer aus. Ich werde ihn losbinden und ihm ein Messer geben. Auch ich bewaffne mich mit dem Messer, dann kämpfen wir auf Leben und Tod. Besiegt er mich, so bist du gerettet; stoße aber ich ihn nieder, so sterbt ihr beide, denn er kämpft für dich und du hast sein Schicksal auch zu erleiden. Effendi, ich hoffe, daß du mir deine Erlaubnis nicht versagst.«

Das war brav, sehr brav von dem wackern Kerl! Aber der Ausgang des Duells! Ben Nil war mutig und für seine Jahre auch ungewöhnlich stark und gewandt; aber ob ich ihm den Sieg zutrauen dürfe, das wußte ich nicht. Es verstand sich von selbst, daß der Alte den besten Krieger auswählen werde. Aber durfte ich mich weigern, meine Zustimmung zu erteilen? Nein. Ben Nil konnte thun, was ihm beliebte. Ich machte ihm zwar eine halblaute Vorstellung, doch antwortete er:

»Sorge dich nicht um mich, Effendi! Ich weiß, was ich thue. Du hast mich noch nicht in einem solchen Kampfe gesehen und magst also für mich fürchten; ich sage dir aber, daß ich nicht eine Spur von Angst empfinde.« »Man wird dir den kräftigsten Mann gegenüberstellen. Bedenke das!«

»Das ist mir lieber, als wenn ich mich mit einem Schwächlinge messen soll. Also, stimmst du bei?«

, »Ja, halte dich wacker; sei nicht voreilig, und blicke ja nicht auf das Messer, sondern in das Auge deines Gegners. Suche dich auch so zu stellen, daß das Licht ihn vorn, dich aber hinten trifft!«

Was ich nicht erwartet hatte, der Alte wählte den angeblichen Dschelabi. Es gab unter den Gefangenen welche, die länger und stärker gebaut waren als er; vielleicht besaß er eine größere Gewandtheit und Erfahrung im Einzelkampf. Vielleicht auch hatten sie irgend eine Hinterlist verabredet. Sie lagen nebeneinander, und es war mir nicht entgangen, daß sie heimlich miteinander gesprochen hatten. Ich nahm mir vor, mich auf alle Fälle bereit zu halten.

Als dem Dschelabi die Fesseln abgenommen worden waren, bekam er ein Messer in die Hand. Er reckte und dehnte sich und rieb sich die Beine, um sie, die gebunden gewesen waren, wieder geschmeidig zu machen.

»Wir entkleiden uns und kämpfen nur in der Hose und mit nacktem Oberkörper,« sagte ihm Ben Nil.

»Warum? Bleiben wir doch, wie wir sind!«

»Nein; wie ich sagte, so wird es gemacht.«

Der Dschelabi widersprach noch einigemal, mußte sich aber fügen. Warum wollte er sich des Obergewandes nicht entledigen? Ohne dasselbe war doch leichter zu kämpfen. Wollte er fliehen? Ben Nil fuhr fort:

»Also wenn du mich tötest, erhält Abd Asl das Leben. Töte ich aber dich, so stirbt auch er sofort unter meinem Messer. Du hast also nicht nur dein Leben, sondern auch das seinige in der Hand. Also sage, ob du bereit bist.«

»Ich bin bereit; es kann beginnen.«

Sie standen mitten in unserm Kreise einander gegenüber. Bestimmte Regeln waren nicht gegeben worden, doch erteilte ich dem Dschelabi noch die kurze Warnung:

»Nimm deine Beine in acht!«

»Dies zu sagen, ist überflüssig,« lachte er. »Das Leben wohnt im Herzen; er wird mich also nicht in die Beine stechen wollen.«

Er beachtete es nicht, daß ich meinen Henrystutzen so an mich zog, daß ich ihn augenblicklich anlegen konnte.

»Also jetzt,« meinte Ben Nil. »Komm heran!«

Das fiel dem andern gar nicht ein. Keiner wollte den ersten Stich versuchen. Sie bewegten sich einigemal im Kreise, indem sie sich fest in den Augen behielten. Da sprang der Dschelabi auf Ben Nil ein, und dieser wich zur Seite, um dem Messerstoße zu entgehen; aber der Angriff war nur eine Scheinbewegung gewesen, denn kaum war Ben Nil zur Seite gewichen, so schnellte der Dschelabi an ihm vorüber, sprang über die Köpfe zweier ihm im Wege sitzenden Asaker weg und rannte zwischen den Kamelen hindurch, um den Wald zu erreichen. Meine Vermutung war also ganz richtig gewesen. Aber schon hatte ich das Gewehr angelegt und drückte ab, noch ehe er drei Vierteile des Weges zurückgelegt hatte. Er stürzte vornüber, raffte sich schnell auf, brach aber wieder zusammen. Ich hatte nach dem Beine gezielt und es getroffen. Erschießen wollte ich ihn nicht, weil ich überhaupt nicht töten wollte, und sodann aus einem noch andern, ganz bestimmten Grunde.

Die Asaker, und Ben Nil ihnen voran, waren ihm nachgesprungen, während ich ruhig sitzen blieb. Sie brachten den aus der Wunde Blutenden geschleppt, wobei sie freilich nicht sehr rücksichtsvoll mit ihm verfuhren. Als er vor mir niedersank, sagte ich:

»Du lachtest mich aus, als ich dich warnte. Und doch hatte ich recht, als ich dich aufforderte, auf deine Beine acht zu haben. Du erkennst von neuem, daß es nicht allzu leicht ist, einen christlichen Effendi zu überlisten.«

Ich untersuchte sein Bein. Die Kugel steckte nicht mehr drin; sie hatte das Schienbein zerschmettert. Ich gab ihm einen Notverband.

»Wir müssen den Hund doppelt festbinden und ihn in unserer Mitte behalten,« meinte Ben Nil.

»Nein,« antwortete ich. »Bald wird er das Wundfieber bekommen, und wenn er dann zu schwatzen beginnt, stört er uns im Schlafe. Tragt ihn da hinüber nach den beiden Kafalah-Bäumen[15], setzt ihn an dem einen nieder, und bindet ihn so mit dem Rücken an demselben fest, daß er auch den Kopf nicht bewegen kann! Indessen mag Abd Asl einen andern Mann bestimmen, welcher mit dir kämpfen kann.«

Dieser Befehl kam meinen Leuten wohl sonderbar vor, doch führten sie ihn aus, ohne eine Gegenbemerkung zu machen. Sie wußten, daß ich bei allem, was ich that, selbst wenn es scheinbar unerklärlich war, doch einen bestimmten Zweck verfolgte. Und weil ich einen solchen auch jetzt hatte, war meine Kugel nur in das Bein des Flüchtlings gerichtet gewesen.

Die Flucht dieses Mannes war mir sehr begreiflich. Er hatte Ibn Asl, den Sklavenräuber, den Sohn des Alten, aufsuchen sollen, um ihn zu benachrichtigen, daß der Angriff gegen uns verunglückt sei und er infolgedessen kommen und die Gefangenen befreien sollte. Der Alte war ergrimmt über das Nichtgelingen dieses Planes; das sah ich seinen Augen an. Er wählte einen andern Mann zum Kampfe aus, und dieser schien allerdings mehr zu fürchten zu sein als der Dschelabi, welcher vorhin nur erwählt worden war, weil er höchst wahrscheinlich ein guter Läufer war.

Der jetzige Gegner Ben Nils hatte fast die tiefdunkle Farbe eines Negers; seine Brust war breit und sein Knochenbau sehr kräftig. Trotzdem zeigte sich Ben Nil nicht im geringsten beunruhigt. Sie standen ungefähr fünf Schritte voneinander, ganz still und bewegungslos. Keiner ließ den Blick von dem Auge des andern. Da plötzlich that der Schwarze einen weiten, tigerartigen Sprung auf Ben Nil zu und holte zum Stoße aus. Er hatte ihn überraschen, vollständig überrumpeln wollen. Der Jüngling aber wich blitzschnell zur Seite, that einen kurzen Quersprung, kam dadurch, ehe dieser sich umdrehen konnte, hinter den Schwarzen und stieß ihm das Messer bis an das Heft in den Rücken. Der Getroffene stürzte da, wo er stand, nieder. Die Klinge war ihm, wie sich nachher zeigte, von hinten in das Herz getroffen.

»Afarihm, maschallah aldik – bravo, bravo!« schrieen die Asaker vor Freude laut. »Das war herrlich, das war prächtig!. Gleich der erste Stoß hat ihn gefällt. Wer konnte das dir, Ben Nil, du Sohn der Tapferkeit, zutrauen!«

Dieser wendete sich sehr ruhig an mich:

»Effendi, siehst du nun, daß du keine Angst um mich zu haben brauchtest? Ich hätte diesen Mann erlegt und wenn er doppelt größer und stärker gewesen wäre. Mein Auge ist scharf, meine Hand ist sicher, und mein Herz kennt keine Unruhe, welche den Blick verdunkelt. Gehört mir nun Abd Asl auch?«

»Ja,« antwortete ich, sehr wißbegierig, was er nun machen werde.

Im Falle, daß er ihn wirklich erstechen wollte, mußte ich um Aufschub bitten. Er beugte sich zu dem Schwarzen nieder und zog ihm das Messer aus dem Rücken. Die blutige Klinge betrachtend, schüttelte er leise den Kopf und sagte dann:

»Du hast recht, Effendi, es ist etwas sehr Verantwortliches, einen Menschen zu töten. Dieses Blut ist mir widerwärtig. Glaubst du, daß der Reïs Effendina den Alten, dessen Leben mir gehört, auch streng bestrafen würde?«

»Auf das allerstrengste natürlich!«

»So möchte ich ihm das Leben schenken. Dieser Schwarze hat für den Alten gekämpft und ist für ihn gestorben; darum will ich mich mit dem, was geschehen ist, begnügen. Bist du einverstanden?«

»Ganz und gar! Ich freue mich sehr, solche Worte von dir zu hören. Dein Entschluß macht dir mehr Ehre, als du von dem Tode Abd Asls haben würdest.«

»Aber ich verlange, daß er später auf das strengste bestraft wird!«

»Ich werde dafür sorgen, daß dies geschieht. Und damit er jetzt nicht wieder irgend einen Fluchtversuch veranlassen kann, schafft ihn hinüber zu dem Dschelabi, und bindet ihn an den zweiten Kafalah-Baum!«

Der Alte wurde von einigen Asakern fortgeschafft. Ben Nil aber fragte verwundert:

»Warum läßt du diese beiden Kerls dorthin bringen? Hier hätten wir sie doch sicherer.«

»Das ist wahr. Wir werden sie auch wieder holen; aber vorher will ich erfahren, was man gegen den Reïs Effendina vor hat.«

»Das weißt du doch!«

»Nein, denn das mit dem Gifte und dem Bäcker war eine Lüge. Gehe jetzt hin, und setze dich als Wächter zu ihnen. Ich werde mich hinter sie schleichen, und wenn ich dann in ihrem Rücken liege, entfernst du dich hierher. Dann glauben sie, allein zu sein, und werden miteinander sprechen.«

Er ging und setzte sich bei den beiden nieder. Die Kafalah-Bäume standen seitwärts von unserm Lager eng nebeneinander, und die zwei Gefangenen waren in der Weise, daß sie nach uns blickten, an die Stämme gebunden. Sie konnten jeden, der aufstand, deutlich sehen, nicht aber, wenn wir saßen, entscheiden, ob einer von uns fehlte oder nicht. Darauf baute ich meinen Plan.

Mehrere Asaker mußten um die Leiche des Schwarzen eine dichte Gruppe bilden und so thun, als ob sie sich über denselben unterhielten. Diese Gruppe bot mir Deckung zu meiner unbemerkten Entfernung. Als sich die Leute aufgestellt hatten, ging ich fort. Die beiden Gefangenen saßen rechts unter den Bäumen; ich entfernte mich nach links, und gerade in der Mitte standen die Asaker, so daß die ersteren mich unmöglich sehen konnten. Erst als ich den Wald erreicht hatte, setzten sich die Soldaten nieder, um bei meiner Rückkehr dasselbe Experiment zu wiederholen.«

Ich ging, gedeckt von Bäumen und Sträuchern, am Waldesrande hin, bis ich einen Halbkreis beschrieben hatte und den beiden Gefangenen also in den Rücken gekommen war. Dann schlich ich auf sie zu, erreichte sie und legte mich hinter ihnen nieder. Ben Nil hatte mich natürlich kommen sehen, denn er saß mit dem Gesichte mir entgegen. Als er sah, daß ich auf meinem Lauscherposten lag, stand er auf, ging einigemale hin und her und entfernte sich dann langsam wie einer, welcher aus Langweile einen kurzen Gang unternehmen will. Das fiel nicht auf und brachte die von mir beabsichtigte Wirkung hervor, denn der Dschelabi sagte zu Abd, Asl:

»Schnell, schnell, ehe er wiederkommt! Was haben wir zu besprechen?«

»Nichts, gar nichts,« knurrte der Alte ingrimmig.

»Aber wir müssen doch einen Plan fassen!«

»Ich weiß keinen. Allah verdamme diesen siebenmal verruchten Effendi in den tiefsten Abgrund der Hölle hinab! Wenn du nur entkommen wärst! Wie schnell konntest du bei der Dschesireh[16] Hassaniah sein und meinen Sohn benachrichtigen. Er wäre mit seinen Leuten nilabwärts gefahren und uns von Makaui oder Katena aus, wo er das Schiff zurückgelassen hätte, entgegengekommen, um uns zu befreien. Jetzt ist das vorüber.«

 

»Sollte es denn keine andere Rettung geben? Denke doch an den Fakir el Fukara! Wie oft hat er Geschäfte mit uns gemacht und großen Gewinn dabei gehabt. Daß er zufällig hier am Wasser eintraf, ist vielleicht ein Glück für uns. Er wird alles mögliche thun, um uns zu retten.«

»Das ist vorbei. Der Christenhund hat ihm das Leben gerettet, und so wird er ihn in Ruhe lassen.«

»Persönlich und direkt wird er ihm nichts thun, aber auf mittelbare Weise kann er uns helfen. Wenn er wüßte, daß dein Sohn sich auf der Dschesireh befindet, ist zu erwarten, daß er ihn benachrichtigen würde. Du solltest mit ihm sprechen!«

»Man wird es nicht erlauben, und wenn es erlaubt wird, steht der Effendi jedenfalls dabei, um alles zu hören.«

»Was thut das? Zwei oder drei Worte in der Schilluksprache sind schnell gesagt. Der Effendi kennt diese Sprache jedenfalls nicht; der Fakir el Fukara aber kennt sie und weiß dann jedenfalls, woran er ist.«

»Das ist richtig, und ich werde also den Versuch machen. Gelingt derselbe, so ist Rettung möglich, aber der Reïs Effendina wird meinem Sohne entgehen.«

»Wieso?«

»Dieser hat ihn nach der Dschesireh gelockt. In der Nähe derselben giebt es tiefe, dunkle Sunutwälder, welche der Reïs Effendina nicht wieder verlassen soll. Gelingt dieser Anschlag, und wäre uns der Ueberfall geglückt, so würden wir diese beiden Menschen los sein und ebenso frei und ungestört wie früher jagen und handeln können. Die Anführer sind es, nicht aber die Asaker, die wir zu fürchten haben.«

»Wenn uns kein Rettungsweg offen bleibt, was meinst du, was uns dann in Chartum erwartet?«

»Nun, sehr schlimm wird es wohl nicht werden. Wir sollen dem Reïs Effendina ausgeliefert werden; dieser aber wird sich nicht dort befinden, sondern unter den Streichen meines Sohnes gefallen sein. Allzu strenge Richter haben wir also nicht zu erwarten, zumal unser Hauptankläger ein Franke, ein Christ ist. Wenn wir alles ableugnen, wird man uns hoffentlich mehr glauben als ihm.«

Die beiden sprachen noch weiter; aber ich nahm an, daß ihre ferneren Worte für mich von keiner Bedeutung sein würden, und zog mich also zurück. Als Ben Nil, welcher aufgepaßt hatte, dies sah, kehrte er nach den Kafalah-Bäumen zurück und die Asaker stellten sich wieder in eine Gruppe zusammen, um mir Deckung zu geben. Ich erreichte meinen Platz, ohne daß die beiden Belauschten ahnten, daß ich in ihr Geheimnis eingedrungen war. Kurze Zeit darauf kam Ben Nil, um mir zu melden, daß Abd Asl mit mir zu sprechen verlange. Der Versuch, mich zu hintergehen, sollte also schon jetzt gemacht werden. Ich ging hinüber zu den beiden und fragte den Alten, was er mir mitzuteilen habe.

»Du hattest mein Leben in die Hand deines Ben Nil gegeben,« sagte er; »dieser hat es mir geschenkt. Wird es mir nun erhalten bleiben?«

»Unsererseits hast du jetzt nichts mehr zu befürchten. Für später aber liegt die Entscheidung in den Händen des Reïs Effendina.«

»Und du wirst uns nach Chartum transportieren?«

»Ja. Warum fragst du?«

»Einer Angelegenheit wegen, welche mir sehr am Herzen liegt. Wenn du mich dem Reïs Effendina auslieferst, bin ich verloren. Du hast dir Mühe gegeben, mir wenigstens das Leben zu retten; er aber ist streng und unerbittlich, und ich weiß, daß er mich ohne Gnade und Barmherzigkeit erschießen oder aufhängen lassen wird.«

»Das ist allerdings sehr wahrscheinlich,« bestätigte ich.

»Du sagst es selbst, und so ist es auch sicher. Ich habe mich also auf den Tod vorzubereiten, und du wirst mir dazu behilflich sein, denn ich weiß, daß euer christlicher Glaube lehrt, von dieser Vorbereitung hänge die ewige Seligkeit ab.«

»Das ist richtig. Wer ohne Reue und Buße und gute Werke in seinen Sünden von hinnen fährt, der ist für ewig verloren.«

»Ich bereue und möchte besonders eine That, welche mir schwer auf dem Gewissen liegt, von meiner Seele wälzen. Du bist nicht ein Diener der Rache. Willst du mir dazu behilflich sein?«

»Gern,« antwortete ich, sehr neugierig darauf, was er vorbringen werde, um mich zu übertölpeln. Er fing die Sache sehr fromm und scheinbar in sein Schicksal ergeben an, was meinen Widerwillen gegen ihn nur verstärken konnte. Er machte ein höchst betrübtes Gesicht und fuhr im weichsten Tone, dessen seine Stimme fähig war, fort:

»Ja, eine große, schwere Sünde lastet auf meinem Gewissen. Ich möchte sie gern abwerfen und bin doch überzeugt, daß der Reïs Effendina mir die Gelegenheit dazu nicht geben wird. Darum wende ich mich an dich. Es ist ein Glück, daß der Fakir el Fukara gerade jetzt anwesend ist, denn nur er allein kennt die Verhältnisse so genau, wie es nötig ist, und darum ist er es allein, an den ich mich wenden kann. Würdest du mir erlauben, jetzt einmal mit ihm zu sprechen?«

»Hm!« machte ich mit bedenklichem Gesichte. »Du verlangst da etwas, was ich eigentlich nicht gestatten darf.«

»Es sind ja nur wenige Warte!«

»Ob viel oder wenig, das bleibt sich gleich. Du weißt selbst, wie gering mein Vertrauen zu dir sein kann.«

»Du kannst ja dabeistehen und alles hören!«

»Das beruhigt mich nicht. Wie nun, wenn du mich täuschen und dem Fakir el Fukara gewisse Winke geben Willst, welche darauf hinzielen, daß er dich befreien soll?«

»Das ist doch ganz unmöglich, wenn du dabei bist!«

»O, es ist sehr leicht möglich. Du brauchst ja nur die Worte so zu setzen, daß ich sie nicht verstehe, er aber den Sinn derselben doch begreift.«

»Ein solcher Wortkünstler bin ich nicht, Effendi. Laß dich erweichen! Du bist ein Christ!«

»Ja, jetzt berufst du dich auf meinen Glauben, früher aber hast du ihn verspottet. Ein Moslem würde sich freilich nicht erweichen lassen.«

»Aber du! Ich werde so langsam und deutlich sprechen, daß du jedes einzelne Wort wie auf einer Wage wiegen und abmessen kannst. Denke doch, daß es wie ein Testament ist, daß ich wie ein Sterbender bin, dem der sichere Tod die Arme entgegenstreckt! Was ich von dir erbitte, ist etwas so Einfaches und Leichtes. Du bist streng und unerschrocken, aber grausam nicht. Willst du es zum erstenmale sein? In Beziehung auf List, Klugheit und Umsicht kommt dir niemand gleich. Meinst du, daß du dich gerade heute und jetzt auf diese Vorzüge nicht verlassen kannst? Hätte ich Hintergedanken, so würdest du sie viel eher merken als der Fakir el Fukara, dem du an Scharfsinn ja weit überlegen bist.«

Er schmeichelte mir, um meine scheinbaren Bedenken zu besiegen. Ich erwies ihm nicht den Gefallen, so zu thun, als ob dieses Lob Eindruck auf mich mache, sondern antwortete:

»Was du da redest, ist überflüssig, denn ich kenne mich und meine Eigenschaften selbst am allerbesten. Es würde allerdings weder dir noch dem Fakir el Fukara gelingen, mich zu betrügen; dazu seid ihr beide viel zu dumm. Ich will dir also deinen Wunsch, der für mich ein vollständig ungefährlicher ist, erfüllen.«

»Ich danke dir!« meinte er ruhig und bescheiden, obgleich ich ihn dumm genannt hatte. »Du hast recht; es ist für euch gar keine Gefahr dabei, denn du wirst alles hören.«

»Ich werde nichts hören. Ich werde die gewünschte Unterredung nicht durch meine Gegenwart entweihen.«

»So darf ich ohne Zeugen und ohne Aufsicht mit ihm sprechen?« fragte er, indem er seine Freude nicht vollständig zu verbergen vermochte.

»Ja, wenigstens wird keiner von uns euch stören. Ob dieser sogenannte Dschelabi hier mit zuhören darf, das ist deine Sache. Ich werde dir jetzt den Fakir el Fukara senden und gebe dir volle zehn Minuten Zeit, mit ihm zu sprechen. Du siehst, wie rücksichtsvoll ich bin. Mißbrauche dies nicht, denn es würde dir schlecht bekommen. Ich würde ganz sicher bemerken, daß du mich hintergehen willst.«

»Sorge dich nicht, Effendi! Ich meine es ehrlich, und deine Güte rührt mich so, daß ich, wenn ich wirklich eine Heimtücke geplant hätte, jetzt von derselben absehen würde.«

»Gut, wenn es wirklich so ist. Hast du einmal von dem frommen und berühmten Marabut gehört, welchem ein Geist die Zungen von zwölf sprechenden Raben und die Ohren von zwölf jungen Adlern brachte?«

»Ja. Er mußte sie essen und redete dann die Sprachen aller Menschen und Tiere und hörte bis in die weiteste Entfernung alles, was seine Feinde gegen ihn berieten.«

»Nun wohl; ich sage dir, daß auch ich solche Zungen und Ohren gegessen habe. Nimm dich also in acht; ich höre alles!«

Ich ging und bekam dabei den Beweis, daß ich gar keine bezauberten Adlerohren zu essen brauchte, denn die meinigen waren scharf genug, noch zu verstehen, daß der Alte seinem Genossen schadenfroh zuraunte:

»Welch ein Glück; es wird gehen!«

Der Fakir el Fukara war nicht wenig verwundert, als ich ihm sagte, daß der Alte mit ihm reden wolle und ganz ohne Beaufsichtigung mit ihm sprechen dürfe. Er ging hinüber und setzte sich bei den beiden nieder. Auch die Asaker konnten sich mein Verhalten nicht erklären, und Ben Nil machte mir Vorstellungen. Ich wies dieselben mit dem Bemerken zurück, daß ich sehr wohl wisse, was ich thue.

13Bäcker.
14Brötchen aus Negerhirsenmehl.
15Boswellia papyfera.
16Insel.