Za darmo

Im Lande des Mahdi II

Tekst
Autor:
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Er hielt den Kahn in seinem Lauf



Und ward nicht mehr gesehn.



Nun treibt die Fanna heimatlos



Auf der bewegten Flut,



Wenn auf dem See gigantisch groß



Der Talha Schatten ruht.«



Anstatt in die Tiefe des Islam versunken zu sein, dachte ich beim Anblicke der hellen Blüten der »heimatlosen Fanna« an dieses Lied und den Schauplatz desselben, wo nächtlicherweile Löwen, Elefanten, Nashörner und Nilpferde, die Riesen der Tierwelt, friedlich einander am Ufer begegnen; friedlich, aber nur aus Furcht, dem gewaltigen Gegner unterliegen zu müssen. Da unterbrach einer der Takaleh die Stille, indem er, hinaus in die Wüste deutend, rief:



»Ein Mann, ein Reiter; wer mag er sein?«



Es kam wirklich jemand geritten, und zwar gerade auf die »Furt des Schattens« zu. Er mußte sie genau kennen. Er schien aus Nordost, also vom Nile herzukommen, während unsere Richtung eine nordwestliche gewesen war. Sein heller Burnus glänzte im Mondesscheine. Unser Feuer brannte; er mußte es sehen. Daraus, daß er trotzdem so unbedenklich näher kam, ließ sich vieles schließen. Erst als er sich ganz nahe befand, hielt er sein Kamel an und grüßte:



»Allah gebe euch hunderttausend solche Nächte! Erlaubt ihr mir, meine Ruhe bei euch zu halten?«



Da ich schwieg und Ben Nil ebenso, antwortete Schedid, der Anführer der Takaleh:



»Steig ab und setze dich! Du bist willkommen.«



Der Mann sprang aus dem Sattel, ließ sein Kamel ans Wasser laufen und trat an unser Feuer, um sich zwischen Schedid und Ben Nil niederzusetzen. Da die Gefangenen nicht so nahe am Feuer, sondern mehr im Schatten lagen, hatte er sie nicht deutlich erkennen können; jetzt aber sah er, daß diese Personen an ein Seil gebunden waren. Sein Gesicht nahm sofort einen merklich befriedigten Ausdruck an, und sein Ton klang wie erleichtert, als er sagte:



»Allah hat mich gerade zur richtigen Zeit nach der Furt des Schattens geführt, denn ich vermute, daß diese Gefangenen zum Volke der Takaleh gehören. Habe ich richtig geraten?«



»Ja,« antwortete der Anführer.



»So muß sich auch Schedid, der oberste Diener des Königs, hier befinden. Welcher von euch ist es?«



»Ich selbst bin es. Wer aber bist du, daß du meinen Namen kennst?«



»Ich bin ein Ben Baqquara und wohne an der Mischrah Omm Oschrin. Ich bin der Freund eines Mannes, den auch du kennst, Ibn Asl.«



»Hat deine Bekanntschaft mit ihm etwas mit deinem jetzigen Ritte zu thun?«



»Ja, denn ich bin als sein Bote an dich gesandt.«



»Er sendet dich zu mir? Nicht dahin, wo ich wohne, sondern hierher an diese Stelle, wo es so sehr zweifelhaft ist, ob und wann ich da angetroffen werden kann? Das muß einen ganz außerordentlichen Grund haben!«



»Den hat es auch. Er war aber gar nicht ungewiß darüber, daß ich dich hier finden würde. Er sagte, daß du jährlich zweimal dein Land verließest, um nach Faschodah zu gehen, und daß diese Reisen zu ganz bestimmten Zeiten von dir unternommen werden.«



»Das ist wahr.«



»Er kennt die Tage deiner Abreise und deiner Ankunft genau und kann also ziemlich leicht berechnen, wo du dich an einem gewissen Tage befindest. Er sagte, daß ich dich ganz sicher morgen oder übermorgen hier an der Furt treffen würde.«



»Er hat sich um einen Tag geirrt, weil ich diesmal um einen Tag eher aufgebrochen bin. Welche Botschaft ist es, die du mir bringen sollst?«



»Es ist eine Warnung. Du sollst dich während des Marsches nicht dem Nile zu weit nähern und die Requiq diesmal nicht direkt nach Faschodah bringen, sondern die Leute in der Nähe verstecken und dann zu Ibn Mulei, dem Sangak der Arnauten, gehen, um ihm zu sagen, wo sie zu finden sind.«



»Wozu diese Umstände?«



»Weil es einen fremden Effendi giebt, welcher sich in dieser Gegend umhertreibt, um die Sklavenhändler zu fangen und an den Reïs Effendina abzuliefern.«



»Allah vernichte diesen Hund!«



»Er ist noch dazu ein Christ!«



»So möge Allah ihn nicht vernichten, sondern ihn in alle Ewigkeit im schrecklichsten Winkel der Hölle aufbewahren! Was hat dieser Christenhund sich um die Sklavenhändler zu kümmern!«



»Ich soll dir sagen, daß er sich jetzt höchst wahrscheinlich mit dem Reïs Effendina auf der Nilfahrt nach Faschodah befinden wird. Da diese Leute öfters an das Land steigen, könnten sie dich leicht entdecken und ergreifen, falls du dich dem Strome zu nahe hältst. Aus diesem Grunde sendet mich Ibn Asl, um dich zu warnen.«



»Das war nicht nötig. Was gehen mich die Gesetze des Vicekönigs an! Ich diene meinem Könige. Unser Gesetz erlaubt es, Menschen zu verkaufen. Wenn ich darnach handle, kann kein Mensch mir etwas thun. Zudem haben wir einen mächtigen Beschützer in Ali Effendi el Kurdi, dem Mudir von Faschodah, welcher dem Reïs Effendina schon manchen Fang vor der Nase weggeschnappt hat. Was hätten wir also zu fürchten? Ich werde meinen gewöhnlichen Weg nicht ändern, eines verfluchten Christen wegen erst recht nicht. Es sollte mich im Gegenteile freuen, auf ihn zu treffen; ich würde ihn hier zwischen meinen Fäusten zermalmen!«



Er rieb die gewaltigen Hände gegeneinander, wobei der Ausdruck seiner sonst nicht unangenehmen Züge ein ganz anderer geworden war. Man kann sich leicht denken, mit welchem Interesse ich Zeuge dieses Gespräches war. Dabei freute es mich, zu hören, daß weder Schedid noch der Bote etwas von der kürzlichen Absetzung des Mudirs Ali Effendi el Kurdi zu wissen schien; ebenso froh war ich, zu erfahren, daß der Sangak der Arnauten wirklich derjenige war, als welchen ihn uns der Oberlieutenant des Sklavenjägers bezeichnet hatte. Ich wußte nun mit Sicherheit, an welche Person ich mich wenden mußte. Die Worte Schedids bewiesen ein großes Selbstvertrauen; dies konnte mir nur lieb sein, denn je sicherer er sich fühlte, desto mehr arbeitete er mir in die Hände. Und doch ahnte ich jetzt noch nicht, was ich alles noch hören würde! Der Bote eiferte gegen dieses Selbstvertrauen, indem er warnte:



»Fühle dich da nicht so sicher! Meinst du, daß Ibn Asl mich zu dir gesandt hätte, wenn er nicht vollständig überzeugt wäre, daß dies notwendig sei? Jener christliche Effendi soll viel gefährlicher sein, als der Reïs Effendina selbst!«



Da stand Schedid auf, reckte seine mächtige Gestalt in die Länge und Breite und rief:



»Schweig lieber davon, und schau mich einmal an! Sehe ich aus, als ob ich mich vor einem Menschen, noch dazu vor einem Christen zu fürchten hätte? Ich schlage fünf oder zehn solche Hunde auf einmal nieder!«



»Ja, du bist stark; das sagte mir Ibn Asl; aber er meinte dennoch, daß dieser Christ ebenso stark, vielleicht noch stärker sei als du.«



»Als ich?! Wie kann Ibn Asl mich auf diese Weise beleidigen wollen! Ich bin noch von keinem Menschen besiegt worden!«



»Er hat dich nicht beleidigen wollen, denn er meinte wohl nicht nur die Körperkraft, sondern auch diejenige Stärke oder denjenigen Vorteil, welchen ein listiger Mann vor seinem Gegner besitzt. Dieser Giaur soll nämlich ein Ausbund von Verschlagenheit sein. Er vermag alles, selbst das Geheimnisvollste, zu erraten, und stets ist derjenige, der ihm eine Falle stellte, selbst hineingefallen. Ibn Asl hat mir einiges erzählt. Er hatte nicht viel Zeit; aber das wenige, was er mir über den Christen berichtete, müßte dich zur größten Vorsicht bewegen.«



»So erzähle einmal! Ich möchte mit meinen eigenen Ohren hören, warum ein gläubiger Moslem sich vor einem ungläubigen Hunde fürchten soll.«



Er setzte sich wieder nieder, und der Bote erzählte unsere Abenteuer. Obgleich dies nur in kurzen Umrissen geschah, meinte, als er geendet hatte, doch der Takaleh:



»Dieser Hund scheint wirklich äußerst gefährlich zu sein. Man hat sich vor ihm in acht zu nehmen. Da er mich aber nicht kennt und auch ganz und gar nichts von mir weiß, so habe ich ihn nicht zu fürchten.«



»Kannst du behaupten, daß er nichts von dir weiß? Er hat die Leute Ibn Asls gefangen. Wenn es ihm nun gelungen ist, einen dieser Leute zum Sprechen zu bewegen!«



»Das ist wahr!«



»Und selbst wenn er nichts von dir erfahren hätte, er würde dich doch anhalten, wenn du ihm mit deinen Requiq begegnetest.«



»Ich würde ihn besiegen!«



»Vielleicht, ja, wenn es ihm einfiele, dich offen anzugreifen; aber du hast ja gehört, wie vorsichtig und listig er ist. Weiche ihm also aus, so sehr du kannst!«



»Gut, ich werde dies thun, aber nicht, weil ich mich fürchte, sondern weil Ibn Asl es wünscht. Wo befindet sich dieser jetzt?«



»Es war gestern mittag, als er auf seiner Kamelstute nach der Mischrah Omm Oschrin kam. Ich bin dann sofort aufgebrochen und jetzt hier angekommen. Da kannst du rechnen, daß er heute abend schon weit über Makhadat el Kelb hinaus ist.«



»Will er ganz bis Faschodah reiten?«



»Ja.«



»Und, da alle seine Leute gefangen sind, wo will er neue Männer für den Sklavenfang hernehmen?«



»Er will Schilluks und Nuehrs anwerben, vielleicht auch Dinkas, ganz wie er die Gelegenheit findet. Das muß aber bald geschehen, denn der Reïs Effendina ist hinter ihm her. Er muß sich in Faschodah verstecken, weil er auf dich warten will. Und da fällt mir ein, daß er mich beauftragt hat, dir besonders einen dieser Sklaven an das Herz zu legen. Ich soll dir sagen, es sei derjenige, den er vor sechs Monaten bei deiner letzten Reise bestellt hat.«



»Also Hafid Sichar! Dort liegt er. Er ist der erste am Seile.«



»Es war Ibn Asl ganz besonders darum zu thun, diesen Mann wieder zu bekommen. Du sollst ihn auf das strengste beaufsichtigen lassen.«



»Ich werde auf ihn achten und nicht unvorsichtig sein. Aber gerade die Hauptsache hat Ibn Asl vergessen. Das, worauf es am meisten ankommt, hat er mir nicht sagen lassen. Wie nun, wenn ich diesem christlichen Effendi begegne?! Ich kenne ihn nicht und kann also sehr leicht, wenn nicht seiner Stärke, so doch seiner List verfallen. Ibn Asl hat ihn gesehen und sogar mit ihm gesprochen. Wie konnte er vergessen, mir durch dich eine Beschreibung dieses Hundes zu senden!«

 



»Allah! Was bin ich für ein Bote!« rief der Mann, indem er sich mit der Hand gegen die Stirn schlug. »Nicht er hat, sondern ich habe es vergessen. Er gab mir sogar eine sehr genaue Beschreibung und fügte auch noch einen Namen bei, welcher Ben Nil lautet.«



O wehe! Ich griff unwillkürlich mit der Hand nach dem Revolver, denn das Gespräch begann eine für mich unerquickliche Wendung zu nehmen. Wenn dieser Mann unser Signalement genau behalten hatte, so war ich verraten. Ben Nil hatte ganz denselben Gedanken und warf mir einen besorgt forschenden Blick zu.



»Ben Nil?« fragte Schedid. »Wer ist das?«



»Ein junger Mensch, welcher, obgleich er Moslem ist, sich stets an der Seite dieses Effendi befindet. Allah zerreiße ihn! Nie ist der eine ohne den andern zu sehen. Darum hat Ibn Asl mir eine Beschreibung von beiden gegeben.«



»So gieb sie nun mir!«



»Dieser Ben Nil ist ungefähr achtzehn Jahre alt und ohne Bart, von schmächtiger Gestalt, besitzt aber bedeutende Körperkraft. Haare und Augen sind dunkel, die Wangen voll. Die Kleidung, welche er zuletzt trug, bestand aus – —«



Er hielt inne, musterte Ben Nil mit erstaunten Augen und rief dann aus:



»Welch ein Wunder! Die Beschreibung, welche ich von diesem abtrünnigen jungen Moslem erhalten habe, paßt ganz und genau auf diesen Jüngling, welcher da an meiner Seite sitzt!«



»Du irrst, oder es ist ein Zufall.«



»Ich sage dir aber, es stimmt genau, sehr genau.«



»Das ist möglich, da du jenen Ben Nil nicht gesehen hast. Dunkle Haare und Augen, schmächtige Gestalt und volle Wangen besitzen tausend junge Leute. Dieser Jüngling aber ist über jeden Zweifel erhaben, denn er ist ein berühmter Chatib, vom heiligen Orden des Sihdi Senussi.«



Der Bote kreuzte die Arme über die Brust, verneigte sich gegen Ben Nil und sagte:



»Dann irre ich mich allerdings; aber ich habe diesen frommen Chatib, den Allah segnen wird, nicht beleidigen wollen.«



Gott sei Dank! Die kleinere Hälfte der Gefahr war überstanden! Wie würde es aber mit der anderen, größeren Hälfte werden! Um dies zu erfahren, hatte ich gar nicht lange zu warten, denn Schedid sagte:



»Dieser Ben Nil ist überhaupt eine Nebenperson für mich. Die Hauptsache ist doch die Beschreibung des Effendi. Du wirst sie mir so genau wie möglich geben.«



Ich wünschte im stillen, daß sie so ungenau wie möglich ausfallen möge; aber leider war dies keineswegs der Fall. Ibn Asl hatte seinem Boten meinen »Steckbrief« auf das sorgfältigste eingeprägt. Kaum war meine Gestalt, mein Gesicht und ein Teil meiner Kleidung beschrieben, so erging es dem Sprecher wie vorhin bei der Beschreibung Ben Nils: Er hielt inne, fixierte mich betroffen und fuhr dann fort:



»Allah ist groß! Sollte man es für möglich halten! Da sitzt ja derjenige, den ich beschreiben soll, in eigener Person! Er ist‘s, er ist‘s! Da ist gar kein Zweifel möglich!« – Man kann sich denken, welches Aufsehen diese Worte erregten. Alle blickten auf mich; sogar die Gefangenen erhoben ihre Köpfe, und einer von ihnen rief.



»Hamdulillah! Vielleicht bin ich nun gerettet!«



Glücklicherweise schenkte niemand diesen Worten Aufmerksamkeit, weil die letztere ausschließlich auf mich gerichtet war. Nur ich allein achtete auf sie, weil ich mich mit dem, der sie gesprochen hatte, schon seit einiger Zeit eingehend beschäftigt hatte. Er war nämlich von Schedid Hafid Sichar genannt worden, und so hieß der, den ich eifrig suchte, nämlich der verschollene Bruder des Führers von Maabdah. Sollte es dieser sein? Ibn Asl hatte durch seinen Boten sagen lassen, daß man auf ihn ganz besonders aufmerksam sein sollte. Er mußte ihm also wichtig sein. Ich neigte mich sehr der Ansicht zu, daß ich, so vieles auch dagegen sprach, den Gesuchten hier gefunden hatte. Und in dieser Ansicht wurde ich durch den Ausruf bestärkt, den ich jetzt von ihm gehört hatte. Die Erzählung des Boten war von ihm verstanden worden; er mußte mich für einen unternehmenden und unerschrockenen Menschen halten; er glaubte, wenn ich der gefürchtete fremde Effendi sei, könne mich nur die Absicht, die Gefangenen zu befreien, hierher geführt haben, und darum entführen seinen unvorsichtigen Lippen die Worte, daß er nun vielleicht gerettet sei. Ich hatte jetzt natürlich nicht mehr Zeit, auf ihn zu achten, sondern ich mußte meinen äußern und innern Menschen ausschließlich der Gefahr widmen, in welche ich selbst geraten war.



Ein kurzer Blick auf Ben Nil beruhigte mich. Dieser zeigte sich keineswegs erschrocken, sondern auf seinem Gesichte lag ein so überlegen lächelndes Staunen, als sei er ganz gewiß und sicher derjenige, für den ich ihn ausgegeben hatte, und wundere sich nun über die Möglichkeit, für einen andern gehalten zu werden. Ich konnte mich auf ihn verlassen und in Beziehung auf sein Verhalten vollständig ruhig sein.



Was nun mich selbst betraf, so blickte ich dem Boten wie fragend in sein erregtes Gesicht und sagte kein Wort. Ich that so, als ob ich nicht imstande sei, das, was er gesagt hatte, zu verstehen. Schedid sah bald ihn und bald mich an. Er war überzeugt worden, daß meine Person genau mit dem Signalement stimme; aber die würdevolle Ruhe, welche ich bewahrte, machte ihn irre.



»Was sagst du?« fragte er den Boten. »Dieser Mann, welcher hier an meiner rechten Seite sitzt, soll jener ungläubige Effendi sein?«



»Ja, er ist‘s! Er kann kein anderer sein.«



»Du irrst dich abermals. Dieser heilige Mann ist der Mudir von Dscharabub, der Vertraute und beste Freund des Sihdi Senussi.«



»Ist das wahr? Kannst du das beweisen?« fragte der Bote.



»Ich weiß es von ihm selbst.«



»Von ihm selbst, von ihm selbst!« lachte der Baqquara-Araber. »Wenn du es von keinem andern, von keinem sicherern Manne weißt, so ist es um deinen Beweis sehr schlecht bestellt. Habe ich dir nicht erzählt, daß der Giaur sich schon öfters einen falschen Namen gegeben hat?«



»Allah! Ich habe es gehört. Sollte – —!«



Er sah mich mit Augen an, in denen das Vertrauen mit dem Mißtrauen um den Sieg rang. Ich antwortete mit einem festen, verwunderten Blicke und fragte:



»Was sagt dieser Mann? Spricht er von mir?«



»Natürlich meint er dich!« antwortete Schedid. »Hast du denn nicht verstanden?«



»Hätte ich ihn verstanden, so müßte ich ihn für toll halten; lieber will ich annehmen, daß ich falsch gehört habe.«



»Er behauptet, du seist der christliche Effendi, von welchem er gesprochen hat.«



»Allah sei ihm gnädig! Also hat er es wirklich gesagt! Sein Geist ist krank. Er mag Tücher ins Wasser tauchen und sie sich um die Stirne legen, dann wird ihn das Fieber verlassen.«



»Ich bin nicht krank; ich weiß, was ich sage!« rief der Baqquara. »In einer einzelnen Person mag man sich irren, aber in zwei Menschen zugleich, das ist unmöglich. Der junge Mann stimmt ganz genau auf Ben Nil und der andere genau auf den Effendi. Sie sind es! Was haben sie für Kamele? Ihn Asl sagte, daß sie auf grauen Hedschihn reiten.«



»Das ist richtig,« antwortete Schedid.



»Richtig? Also ein neuer Beweis, daß ich mich nicht irre! Laß dich nicht betrügen, o Schedid! Untersuche den Fall genau!«



Schedid war jetzt doppelt bedenklich geworden. Er meinte zu mir:



»Du hörst, was er sagt. Ich hege alle Ehrerbietung für deine Heiligkeit; aber ich habe keinen Beweis, daß sie richtig ist. Also bitte ich dich, mir dazu zu verhelfen, daß ich dir vertrauen kann.«



»Also du mißtraust mir wirklich?« fragte ich in scheinbar maßlosem Erstaunen. »Ich soll beweisen, daß ich der bin, der ich bin! Sage mir doch, wo wir uns befinden!«



»Nun, hier an der Machada ed Dill.«



»Und wo ist jener Effendi, wie Ibn Asl selbst gesagt hat?«



»Unterwegs auf dem Nil.«



»Kann ich also er sein?«



»Das, was Ibn Asl gesagt hat, ist ja nur eine Vermutung. Wenn nur einer von euch mit der Beschreibung übereinstimmte, so wäre ein Irrtum denkbar, da aber euere beiden Personen stimmen, so steht es sehr schlimm um dich. Wenn du jener Effendi bist, muß ich dich töten.«



»Aber ich bin es nicht!«



»Das ist nicht erwiesen. Hast du einen Beweis bei dir, daß du die Wahrheit sagst?«



»Der einzige und beste Beweis bin ich selbst.«



»Dann muß ich dich festnehmen und bei mir behalten, um dich Ibn Asl zu zeigen!«



»Das wirst du nicht thun, denn dadurch würde unser heiliges Werk gestört werden.«



»Wenn du mich nicht in den Stand setzest, an dieses heilige Werk glauben zu können, kann ich es nicht berücksichtigen.«



»Du wirst es berücksichtigen, denn ich bin überzeugt, daß du weißt, im Besitze welcher Mächte und Geheimnisse mein Orden sich befindet. Ich würde dieselben gegen dich in Anwendung bringen.«



In der Bevölkerung jener Gegend herrscht der finsterste Aberglaube; darum riefen diese Worte den heilsamen Schreck hervor, den ich beabsichtigt hatte. Schedid befand sich in einer schlimmen Lage. War ich der Effendi, so mußte er mich töten oder wenigstens festnehmen; war ich aber wirklich der Senussi, für den ich mich ausgab, so war ich nicht nur ein heiliger Mann, sondern auch ein Zauberer, welcher, um sich zu rächen, alle guten und alle bösen Geister auf die Beine bringen konnte. Vor diesen meinen Zauberkräften hatte er eine heillose Angst, doch hetzte ihn der Bote durch weitere Bemerkungen immer mehr gegen mich auf, daß er endlich zu mir sagte:



»Ich weiß nicht, was ich thun soll. Ich möchte dir nicht Mißtrauen, und du kannst dich doch nicht legitimieren. Aber du kannst auf zweierlei Art meine Zweifel beseitigen. Wirst du darauf eingehen?«



»Sprich zuerst!«



»Du hast gehört, daß dieser Effendi ein sehr starker Mann sein soll. Kämpfe mit mir, damit ich erfahre, ob du die Kraft besitzest, welche er haben soll.«



Das war nun freilich eine Pfiffigkeit und Findigkeit von ihm, die ihm keine Prämie eintragen konnte. Der gute Mann schien es gar nicht für möglich zu halten, daß ein Starker sich verstellen könne. Ich wäre sofort auf seine Forderung eingegangen, wenn ich nicht die Ehre meines angenommenen geistlichen Standes zu wahren gehabt hätte; darum antwortete ich:



»Du sagst, ich könne mich doppelt legitimieren, zunächst durch den Zweikampf mit dir. Wir sind ausgezogen, um zu predigen, nicht aber um zu kämpfen. Vergleiche deine Gestalt mit der meinigen! Wollte ich mit dir kämpfen, so müßte ich unterliegen; das ist sicher.«



»Es kommt nicht immer nur auf die Gestalt an.«



»Ja,« stimmte der Bote des Sklavenjägers bei. »Der fremde Effendi besitzt, wie ich von Ibn Asl vernommen habe, auch nicht die Figur eines Riesen, und doch hat er eine Körperkraft, welcher kein anderer, kein einzelner gewachsen ist. Bist du dieser Giaur, so kannst du Schedid hier wohl überwinden. Besiegst du ihn nicht, so ist dies dann ein Beweis, daß du der Effendi nicht bist.«



»So ist es,« nickte Schedid. »Hast du ein gutes Gewissen, so ringe mit mir. Thust du dies nicht, so nehme ich an, daß du befürchtest, dich durch deine Körperstärke zu verraten. Also entscheide dich!«



Der Rolle, welche ich spielen mußte, getreu, stand ich zwar auf, als ob ich bereit sei, sagte aber in bedenklichem Tone:



»Wenn man in Dscharabub erführe, daß ich mit dir gerungen habe und besiegt worden sei, würde die Achtung, welche ich zu fordern habe, zum größten Teile verloren sein.«



Da kam mir mein pfiffiger Ben Nil sehr klug zu Hilfe, indem er meinte:



»Wer soll es verraten, o Mudir? Von diesen Männern hier wird wohl keiner jemals in unsere Heimat kommen, und meiner Verschwiegenheit kannst du, wie du weißt, vollständig sicher sein.«



»Du hörst es,« sagte jetzt Schedid. »Falls ich dich überwinde, wird deine Würde keinen Schaden nehmen. Dieses dein Bedenken ist also gegenstandslos geworden, und ich fordere dich noch einmal auf, dich zu entscheiden.«



»Nun wohl, es mag geschehen. Unter welchen Bedingungen soll der Kampf vor sich gehen?«



»Wir legen die Oberkleider ab und umarmen uns. Derjenige, welcher den andern in dieser Stellung emporhebt und dann niederwirft, ist der Sieger. Bist du einverstanden?«



»Ja, ich habe nichts dagegen,« antwortete ich, indem ich ebenso wie er den seinigen, meinen Haïk auszog.



Natürlich nahm ich mir vor, mich von ihm werfen zu lassen. Doch durfte ich ihm auch nicht zu wenig Widerstand entgegensetzen, da dies seinen Verdacht hätte erregen müssen. Aufrichtig gestanden, hätte ich mich sehr gern im Ernste mit diesem Goliath gemessen, um zu erfahren, ob es mir möglich sei, ihn niederzuringen; leider aber durfte ich nicht.



Wir standen bereit. Er trat auf mich zu und legte seine gewaltigen Arme um mich, ich die meinigen um ihn. Nun versuchte er, mich emporzuheben. Ich setzte ihm den Widerstand eines kräftigen Mannes entgegen. Zweimal hob er mir die Füße aus, doch wurde es mir nicht schwer, den Boden wieder zu gewinnen. Beim drittenmale aber nahm er alle seine Kraft zusammen, hob mich empor, griff, während er den linken Arm an meinem Oberkörper ließ, mit der Rechten nach meinen Schenkeln, so daß er mich nun wagrecht an sich hatte, und legte mich dann auf die Erde nieder. Indem ich dies geschehen ließ, hegte ich die Ueberzeugung, daß ich, wenn ich nur wollte, ganz dasselbe mit ihm thun konnte.

 



»Er ist nicht schwach,« sagte er; »sondern er hat ganz gute Kräfte; aber außergewöhnlich sind sie nicht.«



»Ich wußte, daß ich besiegt werden würde,« meinte ich, indem ich aufstand. »Einem Manne wie dir kann ich unmöglich gewachsen sein. Ich habe verspielt.«



Dabei that ich, als ob ich vor Anstrengung außer Atem sei.



»Ja, zweimal gelang es dir, die Erde wieder zu erreichen; aber dafür geht nun auch deine Brust auf und nieder, als ob du lange Zeit Galopp gelaufen seist. Du bist kein Riese. Die erste Probe hast du bestanden. Jetzt werden wir die zweite vornehmen.«



»Welche?«



»Es soll Christen geben, welche den Kuran kennen, so vollständig auswendig aber wie ein Moslem kann kein Giaur ihn lernen. Ich bin überzeugt, daß wenn man einem Ungläubigen die Sure EI Kuiffar vorbetet, er sie nicht richtig nachsprechen kann. Kennst du sie?«



»Ja.«



»Kannst du sie auch ohne Fehler hersagen?«



»Vielleicht, wenn du sie mir richtig und deutlich vorsprichst.«



Ich brauchte sie mir nicht vorsagen zu lassen, denn ich konnte und kann sie auswendig. Sie ist die hundertneunte Sure und soll Muhammed geoffenbart worden sein, als einige Araber von ihm verlangten, er solle ein Jahr lang ihre Götter verehren, dann wollten sie ebensolang seinen Gott anbeten. Sie ist sehr kurz, nur einige Zeilen lang, aber ihrer eigenartigen Wortstellung wegen selbst für einen Araber nicht leicht fehlerfrei zu recitieren. Darum wird sie besonders dann angewendet, wenn man einen im Verdacht hat, betrunken zu sein, da es einem Betrunkenen geradezu unmöglich ist, sie ohne Anstoß zu Ende zu bringen. Ganz dasselbe setzte Schedid auch bei einem Christen voraus.



»Wollen sehen!« meinte er mit einem überlegenen Lächeln. »Ich werde sie dir also vorbeten. Uebrigens hast du dich schon verraten, indem du verlangst, daß ich sie vorsagen soll. Ein guter Senussi, und noch dazu ein Mudir, ein hervorragendes Glied dieser heiligen Bruderschaft, muß diese Sure unbedingt, ohne sie vorher zu hören, aufsagen können.«



Er stellte sich in Positur, neigte den Kopf, faltete die Hände und begann:



»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: O ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehret, und ihr verehret nicht, was ich nicht verehre, und ich werde auch nie verehren das, was ihr nicht verehret, und ihr werdet verehren – – nicht verehren das, was ich nicht – – was ich verehre, denn ihr habt meine Religion, und ich – ich – ich habe – – ich habe nicht – nicht – – nicht – – —«



Er hielt inne, denn er sah jetzt ein, daß er sich verfahren hatte. Die falsche Satzstellung abgerechnet, hatte er schon zweimal das Wort »nicht« und einmal das Wort »meine« gebraucht, ohne daß sie in der Sure enthalten sind.



»Nun!« lächelte ich. »Bist du kein Moslem oder bist du betrunken?«



»Keins von beiden!« rief er ärgerlich. »Diese Sure ist wirklich die schwierigste, welche es giebt. Du aber als Senussi mußt sie unbedingt ohne Anstoß sagen können!«



»Wenn ich mich nur ein einziges Mal verspreche, sollst du alles erhalten, was ich besitze!«



»Wirklich? Ich nehme dich beim Wort. Uebrigens brauchst du mir dieses Versprechen gar nicht zu machen, denn wenn du nur den geringsten Fehler begehst, nehme ich an, daß du ein Christ oder gar jener Effendi bist. Dann hast du das Leben verwirkt, und alles, was du bei dir hast, ist mein Eigentum.«



»Wirst du denn beurteilen können, ob ich Fehler mache oder nicht? Du hast es ja selbst nicht fertig gebracht, und was man begutachten will, muß man doch wohl auch selbst können und verstehen.«



»Ich kenne die Sure, wenn ich sie auch nicht ohne Anstoß aufsagen konnte. Also sprich!«



Ich kam dieser Aufforderung nach, indem ich so schnell, daß sein Ohr wohl kaum zu folgen vermochte, recitierte:



»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: O ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehret, und ihr verehret nicht, was ich verehre, und ich werde auch nie verehren das, was ihr verehret, und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre. Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige.«



In der deutschen Uebersetzung klingt diese Sure nur schwülstig; im Arabischen aber ist es noch ganz anders. Die Beugung des Wortes »ihtaram« = verehren, ist da eine so eigenartige, daß es wirklich schwierig ist, die Affirmation nicht mit der Negation und die erste Person der Einzahl nicht mit der zweiten Person der Mehrzahl zu verwechseln. Als ich geendet hatte, sagte Schedid:



»Wahrhaftig, er kann es, so schnell und ohne den geringsten Anstoß! Er kann kein Ungläubiger sein!«



»Aber,« fiel der Bote ein, »ich erinnere mich, von Ibn Asl gehört zu haben, daß der ungläubige Effendi die arabische Sprache und den Kuran so genau kennt, als ob er hier bei uns geboren sei und beim besten Muderri

45


  Professor an einer muhammedanischen Universität.



 in Kahira studiert habe. Nimm dich in acht! Fälle dein Urteil nicht zu früh, denn du könntest dich leicht irren!«



»Meinst du? Wie sollte ich ihn denn noch auf die Probe stellen?«



Das klang für mich gefährlich. Dieser Bote war wirklich der festen Meinung, daß ich der Effendi sei; unter seinem Einflusse konnte die gute Ansicht, welche Schedid jetzt von mir zu haben schien, sich leicht in ihr Gegenteil verwandeln.



Es war geraten, dies nicht abzuwarten; darum sagte ich, indem ich mich stellte, als ob ich zornig sei:



»Noch mehr auf Probe? Das fällt mir nicht ein! Weißt du, was ein Mudir von Dscharabub zu bedeuten hat? Dennoch habe ich mich herbeigelassen, nicht nur mit dir zu ringen, sondern auch die Sure EI Kuiffar herzusagen. Das war mehr als genug. Soll ich mich noch weiter vor euch demütigen? Nein! Wer einen Mudir der Senussi und einen Chatib dieser frommen Brüderschaft in solcher Weise beleidigt, der darf nicht erwarten, längere Zeit in die Angesichter solcher Leute schauen zu dürfen. Wir sind gastfreundlich gegen euch gewesen und haben euch erlaubt, in unserer Nähe zu sein; nun aber verlassen wir diesen Ort und kehren euch den Rücken, um – —«



»Nein, das dürft ihr nicht!« rief der Bote, indem er mich unterbrach. »Wir lassen euch nicht fort!«



»Nicht?« fragte ich, indem ich ihn stolz und von oben herab fixierte. »Wie willst du uns hindern, von hier zu gehen?«



»Ich halte euch mit Gewalt zurück!«



»Du willst dich an uns, an den Männern Allahs vergreifen?«



»Ja; setze dich!«



Er streckte die Hand nach mir aus, um mich niederzudrücken; ich trat einen Schritt zurück und donnerte ihn an:



»Halt, Unvorsichtiger! Soll ich dir den Fluch entgegenschleudern, unter welchem dein Körper vertrocknen und deine Seele verschmachten würde? Wenn du versuchen willst, ob der Lani Allah

46


  Allahs Fluch.



 in unsere Hände gegeben ist oder nicht, so habe ich nichts dagegen; aber ich sage dir, daß dein Leben dann ein entsetzliches und dein Ende voller Schrecken sein wird. Wer uns zurückhalten will, der halte uns! Wessen Hand wagt es, uns zu berühren?!«



Ich blickte rundum. Alle schwiegen; sie standen oder saßen unbeweglich, erschrocken nicht nur über meine Worte, sondern wohl noch mehr über den Ton, in welchem ich sie gesprochen hatte. Ich ging an das Gesträuch und band mein Kamel los. Ben Nil that dasselbe mit dem seinigen. Wir stiegen auf und trieben die Tiere in das Wasser, ohne daß es nur einem einfiel,