Za darmo

Durchs wilde Kurdistan

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»So ist es! Aber sage mir, Emir, ob du diesen Garten pachten willst!«

»Wie viel verlangst du dafür?«

»Du bezahlst mir zehn Piaster[57] für die Woche. Dann dürft ihr alle in den Garten gehen und an die Esma Khan denken, so oft ihr wollt!«

Ich zögerte mit der Antwort. Der Garten stieß an die Rückwand eines Gebäudes, in welcher ich zwei Reihen kleiner Löcher bemerkte. Das sah mir recht gefängnismäßig aus. Ich mußte mich erkundigen:

»Ich glaube nicht, daß ich diesen Garten mieten werde.«

»Warum nicht?«

»Weil mich diese Mauer stört.«

»Diese Mauer? Warum, Effendi?«

»Ich liebe es nicht, in der Nähe eines Gefängnisses zu sein.«

»Oh, die Leute, welche da drinnen stecken, können dich nicht stören. Ihre Löcher sind so tief, daß sie diese kleinen Fenster gar nicht erreichen können.«

»Ist dies das einzige Gefängnis in Amadijah?«

»Ja. Das andere ist eingefallen. Mein Tschausch[58] hat die Aufsicht über die Gefangenen.«

»Und du glaubst, daß mich diese nicht stören werden?«

»Du wirst nichts von ihnen sehen und keinen Laut von ihnen hören.«

»So werde ich dir die zehn Piaster geben. Du hast also in Summa für die Woche fünfunddreißig Piaster von uns zu bekommen. Erlaube, daß ich dich für die erste Woche jetzt gleich bezahle!«

Er schmunzelte bei diesem Anerbieten vor Vergnügen im ganzen Gesichte. Der Engländer bemerkte, daß ich in die Tasche griff, um zu bezahlen. Er schüttelte den Kopf, zog seine eigne Börse hervor und reichte sie mir. Er konnte eine kleine Erleichterung derselben recht wohl verschmerzen; darum nahm ich drei Mahbub-Zechinen hervor und gab sie dem Agha.

»Hier nimm! Das übrige ist Bakschisch für dich.«

Das war mehr als das Doppelte von dem, was er zu erhalten hatte; darum machte er ein sehr vergnügtes Gesicht und meinte respektvoll:

»Emir, der Kuran sagt: »Wer doppelt gibt, dem wird es Allah hundertfach segnen.« Allah ist dein Schuldner; er wird es dir reichlich vergelten!«

»Wir brauchen nun Teppiche und Pfeifen für unsere Zimmer. Wo kann man diese geliehen bekommen, Agha?« fragte ich ihn.

»Herr, wenn du noch zwei solche Goldstücke gibst, wirst du alles erhalten, was dein Herz begehrt.«

»Hier hast du sie!«

»Ich eile, um euch zu bringen, was du brauchst.«

Wir verließen den Garten. Im Hofe stand Mersinah, die Seele des Palastes. Ihre Hände waren jetzt von Ruß geschwärzt. Sie rührte mit dem Zeigefinger in einem Gefäße voll zerlassener Butter.

»Emir, wirst du die Zimmer nehmen?« erkundigte sie sich.

Bei dieser Frage mochte ihr einfallen, daß der Finger kein integrierender Teil des Napfes sei; sie zog ihn also heraus und strich ihn sehr behutsam an der herausgestreckten Zunge ab.

»Ich werde sie behalten; auch den Schuppen und den Garten.«

»Er hat bereits alles bezahlt,« bemerkte der Agha nachdrücklich.

»Wie viel?« fragte sie.

»Fünfunddreißig Piaster für die erste Woche.«

Von dem Backschisch sagte der Schalk nichts. Ob er wohl auch in dieser Beziehung unter dem Paputsch[59] seiner »Myrte« stand? Ich nahm noch eine Mahbub-Zechine[60] aus der Börse und gab sie ihr.

»Hier nimm, du Perle der Gastfreundschaft! Das ist das erste Bakschisch für dich. Wenn wir mit dir zufrieden sind, wirst du mehr erhalten.«

Sie griff höchst eilfertig zu und steckte das Geld in ihren Gürtel.

»Ich danke dir, o Herr! Ich werde darüber wachen, daß du dich in meinem Hause so wohl befindest, wie im Schoße des Erzvaters Ibrahim. Ich sehe, daß du der Emir der tapfern Krieger bist, welche die Frauen verehren und Bakschisch geben. Geht hinauf in eure Zimmer! Ich werde euch einen steifen Pirindsch machen, mit sehr viel zerlassener Butter darüber!«

Dabei fuhr sie selbstvergessen und »in der Gewohnheit holder Sitte« mit dem Finger wieder in den Napf und begann von neuem zu rühren. Ihr Anerbieten war ein sehr leutseliges, aber – brrrr!

»Deine Güte ist groß,« antwortete ich, »aber wir haben leider keine Zeit, sie anzunehmen, da wir jetzt ausgehen müssen.«

»Aber du wünschest doch, daß ich die Speisen für euch bereite, Emir?«

»Du sagtest doch, daß du Tag und Nacht zu arbeiten hättest, um nur den Agha zu bedienen; wir dürfen dich also nicht noch mehr belästigen. Uebrigens steht zu erwarten, daß wir oft zu Tische geladen werden, und wenn dies nicht der Fall ist, so werden wir unser Essen beim Jemegidschi[61] holen lassen.«

»Aber das Ehrenmahl darfst du mir doch nicht versagen!«

»Nun wohl, so siede uns einige Eier; etwas anderes dürfen wir heute nicht essen.«

Das war das einzige, was man füglicherweise aus den Händen der zarten »Myrte« genießen konnte.

»Eier? Ja, die sollst du haben, Effendi,« antwortete sie geschäftig; »aber wenn ihr sie esset, so schonet der Schalen, denn Agha Selim gebraucht sie als Becher, und dieser Unvorsichtige ist so unbedachtsam, sie alle zu zerbrechen.«

Wir zogen uns für kurze Zeit in unsere Räume zurück, in denen der Agha bald mit den Decken, Teppichen und Pfeifen erschien, die er sich bei den betreffenden Händlern ausgeliehen hatte. Sie waren neu und darum reinlich, so daß wir zufrieden sein konnten. Dann erschien Mersinah mit dem Deckel einer alten Holzschachtel, welcher als Präsentierteller diente. Auf demselben befanden sich die Eier, welche uns zum Ehrenmahle dienen sollten. Daneben lagen einige halb verbrannte Teigfladen und – auch der berühmte Butternapf stand dabei, umgeben von einigen Eierschalen, in denen sich schmutziges Salz, grob gestoßener Pfeffer und ein sehr zweifelhafter Kümmel befand. Messer oder Eierlöffel gab es natürlich nicht.

Diese lukullische Empfangsgasterei, zu welcher wir die Höflichkeit hatten, auch Mersinah einzuladen, wurde bald und glücklich überwunden. Sie bedankte sich höflichst für die ihr erwiesene, nie geahnte Ehre und ging mit ihrem »Alfenide-geschirr« in die Küche. Auch der Agha erhob sich.

»Weißt du, Herr, wohin ich jetzt gehen werde?« fragte er.

»Ich werde es wohl hören.«

»Zum Mutesselim. Er soll erfahren, was du für ein vornehmer Emir bist, und wie dich der Aufseher seines Palastes behandelt hat.«

Er vollendete sein dienstliches Aeußere dadurch, daß er sich die Reste der zerlassenen Butter, welche er mit Mersinah allein genossen hatte, aus dem Schnurrbart strich, und brach auf. Jetzt waren wir allein.

»Darf ich reden, Sir?« fragte jetzt Lindsay.

»Ja, Master.«

»Kleider kaufen!«

»Jetzt?«

»Ja.«

»Rotkarierte?«

»Natürlich!«

»So wollen wir zum Basar gehen!«

»Aber ich nicht reden! Ihr müßt kaufen, Sir. Hier Geld!«

»Kaufen wir uns nur Kleider?«

»Was noch?«

»Einiges Geschirr, welches wir brauchen und klugerweise dem Agha oder der Haushälterin zum Geschenk machen können. Sodann Tabak, Kaffee und ähnliche Dinge, die sich nicht gut entbehren lassen.«

»Well; bezahle alles!«

»Wir werden uns zunächst Eurer Börse bedienen und sodann miteinander abrechnen.«

»Pshaw! Bezahle alles! Abgemacht!«

»Gehe ich mit?« fragte Mohammed.

»Wie du willst. Nur denke ich, daß du besser tust, dich so wenig wie möglich sehen zu lassen. In Spandareh hat man dich auch als einen Haddedihn erkannt, gar nicht gerechnet, daß du deinem Sohne sehr ähnlich siehst, was mir auch der dortige Dorfälteste versicherte.«

»So bleibe ich zurück!«

Wir brannten unsere Dschibuks an und gingen. Der Hausflur war mit Rauch erfüllt, und in der Küche hustete die »Myrte«. Als sie uns bemerkte, kam sie für einen Augenblick hervor.

»Wo sind unsere Leute?« fragte ich sie.

»Bei den Pferden. Du willst gehen?«

»Wir begeben uns nach dem Basar, um einiges einzukaufen. Laß dich nicht stören, du Hüterin der Küche. Dort läuft dir das Wasser über.«

»Laß es laufen, Herr. Das Essen wird dennoch fertig!«

»Das Essen? Kochst du es in diesem großen Kessel?«

»Ja.«

»So ist es jedenfalls nicht für dich und Selim Agha?«

»Nein. Ich habe für die Gefangenen zu kochen.«

»Ah! Die sich nebenan befinden?«

»Ja.«

»Gibt es viele solche Unglückliche in dem Hause?«

»Noch nicht zwanzig.«

»Die sind alle aus Amadijah?«

»O nein. Es sind mehrere arnautische Soldaten, die sich vergangen haben, einige Chaldäer, ein Kurde, ein paar Einwohner von Amadijah und ein Araber.«

»Ein Araber? Araber gibt es hier ja gar nicht!«

»Er wurde von Mossul gebracht.«

»Was bekommen sie zu essen?«

»Brotfladen, die ich backe, und dann des Mittags oder des Nachmittags, ganz wie es mir paßt und gefällt, dieses warme Essen.«

 

»Worin besteht es?«

»Mehl in Wasser gequirlt.«

»Wer bringt es ihnen?«

»Ich selbst. Der Sergeant öffnet mir die Löcher. Hast du schon einmal ein Gefängnis gesehen, Emir?«

»Nein.«

»Wenn du es sehen willst, so darfst du es mir nur sagen; ich nehme dich mit.«

»Der Sergeant würde es mir nicht erlauben!«

»Er erlaubt es dir, denn ich bin seine Herrin.«

»Du?«

»Ja. Bin ich nicht die Herrin seines Agha?«

»Das ist wahr! Ich werde mir einmal überlegen, ob es sich für die Würde eines Emir schickt, ein Gefängnis zu besuchen und denen, welche dies erlauben, ein gutes Bakschisch zu geben.«

»Es schickt sich, Herr; es schickt sich sehr. Du wirst vielleicht deine Gnade leuchten lassen auch über die Gefangenen, daß sie mir einige Speisen und auch Tabak abkaufen können, was sie sonst nicht haben!«

Nichts konnte mir lieber sein als die Erfahrung, welche ich hier machte; aber ich war so vorsichtig, eingehendere Fragen jetzt noch zu vermeiden, da ich durch dieselben leicht hätte Verdacht erregen können. Halef, der Buluk Emini und der Kurde aus Spandareh wurden gerufen, uns zu begleiten; dann gingen wir.

Die Basars waren wie ausgestorben. Kaum daß wir eine Kaffeeschenke fanden, wo uns ein Trank gereicht wurde, der mir sehr nach gebrannten Gerstenkörnern schmeckte. Dort erfuhren wir auch, was die Ursache der jetzigen Leblosigkeit in Amadijah war. Trotz der hohen und freien Berge dieser Stadt ist sie nämlich außerordentlich ungesund, so daß sich bei Anbruch der wärmeren Jahreszeit schleichende Fieber erzeugen. Dann verlassen die Einwohner den Ort und begeben sich in die benachbarten Wälder, um dort in Sommerwohnungen zu leben, welche Jilaks genannt werden.

Nachdem wir den mysteriösen Trank überwunden und uns die Pfeifen neu gestopft hatten, begaben wir uns auf den Kleiderhandel. Der Kaffeewirt hatte uns einen Ort beschrieben, an dem wir das Gesuchte finden könnten. Der Handel wurde unter der schweigsamen Assistenz des Engländers und zu seiner sichtbaren Befriedigung abgeschlossen. Er erhielt ein vollständiges, rot und schwarz kariertes Gewand für einen verhältnismäßig billigen Preis. Dann wurden auch die übrigen Einkäufe besorgt und die Diener mit denselben nach Hause geschickt. Der Kurde erhielt als Geschenk einen perlengestickten und gefüllten Tabaksbeutel, den er mit stolzer Genugtuung sofort an seinem Gürtel befestigte, damit dieser Beweis seiner männlichen Würde jedermann in die Augen falle.

Nun begann ich mit dem Engländer allein einen Gang durch die Stadt, um dieselbe einigermaßen kennen zu lernen, und erhielt die Ueberzeugung, daß diese einst so wichtige Grenzfestung, auf welche die Türken auch heute noch einen nicht geringen Wert legen, von einigen hundert unternehmenden Kurden leicht überrumpelt werden könne. Die wenigen Soldaten, welche wir trafen, sahen hungrig und fieberkrank aus, und die Verteidigungswerke befanden sich in einem Zustande, der ihnen alles Recht auf diesen Namen raubte.

Als wir heimkehrten, wartete der Agha bereits meiner.

»Emir, ich harre schon lange auf dich.«

»Warum?«

»Ich soll dich zum Mutesselim bringen.«

»Bringen?« fragte ich mit lächelnder Betonung dieses Wortes.

»Nein, sondern begleiten. Ich habe ihm alles erzählt und diesem Aufseher des Palastes die Fäuste unter die Nase gehalten. Allah beschützte ihn, sonst hätte ich ihn vielleicht gar getötet oder erwürgt!«

Dabei rollte er die Augen und bog die zehn Finger wie Zangen zusammen.

»Was sagte der Kommandant?«

»Emir, soll ich die Wahrheit sagen?«

»Ich erwarte das!«

»Er ist nicht erfreut über deinen Besuch.«

»Ah! Warum nicht?«

»Er liebt die Fremden nicht und empfängt überhaupt sehr selten Besuche.«

»Ist er ein Einsiedler?«

»Nein. Aber er bekommt als Kommandant neben freier Wohnung monatlich sechstausendsiebenhundertachtzig Piaster, und es geht ihm, wie uns allen: er hat seit elf Monaten nichts erhalten und weiß nicht, was er essen und trinken soll. Kann er sich da freuen, wenn er wichtige Besuche erhält?«

»Ich will ihn sehen und sprechen, aber nicht bei ihm essen!«

»Das geht nicht. Er muß dich standesgemäß und würdig empfangen, und darum hat er die – die – – —«

Er wurde verlegen.

»Was? Die- die–?«

»Die hiesigen Juden zu sich kommen lassen, um fünfhundert Piaster von ihnen zu leihen. Das braucht er, um zu kaufen, was er zu deinem Empfange nötig hat.«

»Sie haben es ihm gegeben?«

»Allah illa Allah; sie hatten selbst nichts mehr, denn sie haben ihm bereits alles geben müssen. Nun hat er sich einen Hammel geborgt und noch vieles dazu. Das ist sehr schlimm, besonders für mich, Emir!«

»Warum für dich?«

»Weil ich ihm diese fünfhundert Piaster leihen oder – oder – – —«

»Nun, oder – – —«

»Oder dich fragen muß, ob du – du – – —«

»Sprich doch weiter, Agha!«

»Ob du reich bist. Oh, Emir, ich hätte ja selbst auch keinen einzigen Para, wenn du mir heute nichts gegeben hättest! Und davon habe ich an Mersinah fünfunddreißig Piaster geben müssen!«

Zu meinem Empfange dem Mutesselim fünfhundert Piaster borgen, das heißt so viel wie schenken! Das waren ungefähr hundert Mark. Hm, ich war ja durch das Geld, welches ich bei

dem Tiere von Abu Seïf gefunden hatte, nicht ganz mittellos, und für unsern Zweck konnte das Wohlwollen des Mutesselim von großem Vorteile sein. Fünfhundert Piaster konnte ich allenfalls geben, und ebensoviel rechnete ich auf Master Lindsay, der für ein Abenteuer sehr gern diese für ihn so geringfügige Summe verausgabte. Daher begab ich mich in die Stube des Engländers, während der Agha auf mich warten mußte.

Sir David war grad mit dem Umkleiden beschäftigt. Sein langes Angesicht strahlte vor Vergnügen.

»Master, wie sehe ich aus?« fragte er.

»Ganz Kurde!«

»Well; gut, sehr gut! Ausgezeichnet! Aber wie wickeln Turban?«

»Gebt her das Zeug!«

Er hatte in seinem Leben noch kein Turbantuch in der Hand gehabt. Ich setzte ihm die Mütze auf das strahlende Haupt und schlang ihm das rotschwarze Zeug kunstvoll um dieselbe herum. So brachte ich einen jener riesigen Turbane fertig, wie sie hierzulande von Würdenträgern und vornehmen Männern getragen werden. Eine solche Kopfbedeckung hat oft vier Fuß im Durchmesser.

»So, nun ist ein kurdischer Großkhan fertig!«

»Vortrefflich! Herrlich! Schönes Abenteuer! Amad el Ghandur befreien! Alles bezahlen, sehr gut bezahlen!«

»Ist dies Euer Ernst, Sir?«

»Warum nicht Ernst?«

»Ich weiß allerdings, daß Ihr sehr wohlhabend seid und das zur richtigen Zeit auch anzuwenden wißt – – —«

Er blickte mich schnell und forschend an und fragte dann:

»Wollt Geld haben?«

»Ja,« antwortete ich einfach.

»Well; sollt es bekommen! Für Euch?«

»Nein. Ich hoffe, daß Ihr mich nicht von einer solchen Seite kennen gelernt habt!«

»Ist richtig, Sir! Also für wen?«

»Für den Mutesselim.«

»Ah! Warum? Wozu?«

»Dieser Mann ist sehr arm. Der Sultan schuldet ihm seit elf Monaten sein Gehalt. Aus diesem Grunde hat er jedenfalls das bekannte System aller türkischen Beamten angewandt und die hiesige Bewohnerschaft so ziemlich ausgesaugt. Nun hat niemand mehr etwas, und kein Mensch kann ihm borgen. Deshalb bringt ihn mein Besuch in große Verlegenheit. Er muß mich gastlich empfangen und besitzt die dazu nötigen Mittel nicht. Darum hat er sich einen Hammel und verschiedenes andere geborgt und läßt mich unter der Hand fragen, ob ich reich genug bin, ihm fünfhundert Piaster zu leihen. Das ist nun allerdings ganz türkisch gehandelt, und auf das Zurückerstatten darf man nicht rechnen. Da es aber für uns sehr nötig ist, eine freundliche Gesinnung in ihm zu erwecken, so habe ich beschlossen – – —«

Er unterbrach mich mit einer schnellen Handbewegung.

»Gut! Sollt eine Hundertpfundnote haben!«

»Das ist zu viel, Sir! Das wären ja nach dem Kurse von Konstantinopel elftausend Piaster! Ich will ihm fünfhundert Piaster geben und ersuche Euch, dieselbe Summe hinzuzufügen. Er kann damit zufrieden sein.«

»Tausend Piaster! Zu wenig! Habe ja Araber-Scheiks seidenes Gewand geschenkt! Möchte ihn auch sehen. Wenn mit darf, dann alles bezahlen; Ihr nichts geben!«

»Mir soll es recht sein.«

»So sagt Agha, er soll uns machen lassen!«

»Und was werden wir machen?«

»Unterwegs Geschenk kaufen; Geld hinein stecken.«

»Aber nicht zuviel, Sir!«

»Wie viel? Fünftausend Piaster?«

»Zweitausend ist mehr als genug!«

»Well; also zweitausend! Fertig!«

Ich kehrte zu Selim Agha zurück.

»Sage dem Kommandanten, daß ich mit einem von meinen Begleitern kommen werde!«

»Wann?«

»In kurzem.«

»Deinen Namen kennt er bereits; welchen Namen soll ich

ihm noch sagen?«

»Hadschi Lindsay-Bey.«

»Hadschi Lindsay-Bey. Gut! Und die Piaster, Emir?«

»Wir bitten um die Erlaubnis, ihm ein Geschenk mitbringen zu dürfen.«

»Dann muß er Euch auch eins geben!«

»Wir sind nicht arm; wir haben alles, was wir brauchen, und werden uns am meisten freuen, wenn er uns nichts als seine Freundschaft schenkt. Sage ihm das!«

Er ging getröstet und zufriedengestellt davon.

Bereits nach fünf Minuten saß ich mit dem Engländer zu Pferde; ich hatte ihm eingeschärft, ja kein Wort zu sprechen. Halef und der Buluk folgten uns. Den Kurden hatten wir mit dem geliehenen Gewande und vielen Grüßen nach Spandareh zurückgeschickt. Wir ritten durch die Basars, wo wir gesticktes Zeug zu einem Feierkleide und eine hübsche Börse kauften, in welche der Engländer zwanzig goldene Medschidje zu je hundert Piaster legte. In solchen Dingen war mein guter Master Lindsay nie ein Knauser; das hatte ich zu meinem Vorteile sehr oft erfahren.

Nun ritten wir nach dem Palast des Kommandanten. Vor demselben standen etwa zweihundert Albanesen in Parade angeführt von zwei Mulasim unter dem Kommando unsers tapfern Selim Agha. Er zog den Sarras und kommandierte:

»Ajagda duryn dykatli – steht genau!«

Sie gaben sich herzliche Mühe, diesem Verlangen nachzukommen, bildeten aber doch eine Art Schlangenlinie, die am Ende der Aufstellung in einen sehr gebogenen Schwanz auslief.

»Tschalghy! Islik tscharyn! – Musik! Pfeift!«

Drei Flöten begannen zu wimmern, und eine türkische Trommel forcierte einen Wirbel, der wie das Leiern einer Kaffeemühle klang.

»Daha giöre! Kuwetlirek! – lauter, stärker!«

Der gute Agha rollte dabei die Augen nach der geschwindesten Ziffer von Melzels Metronom; die Musikanten taten es ihm nach, und während dieses künstlerischen und für uns sehr schmeichelhaften Empfanges ritten wir vor den Eingang, um abzusteigen. Die beiden Leutnants ritten herbei und hielten uns die Steigbügel. Ich griff in die Tasche und gab jedem von ihnen ein silbernes Zehnpiasterstück. Sie steckten es befriedigt zu sich, ohne im geringsten in ihrer Offiziersehre verletzt zu sein. Der türkische subalterne Offizier ist, besonders in entlegenen Garnisonen, selbst heute noch der Diener seines nächst höheren Vorgesetzten und stets gewohnt, sich als solchen betrachten zu lassen.

Dem Agha gab ich das Zeug und die Börse.

»Melde uns an, und gib dem Kommandanten dieses Geschenk!«

Er ging würdevoll voran, und wir folgten. Unter dem Tore stand der Nazardschi des Palastes. Er empfing uns jetzt ganz anders als beim ersten Male. Er kreuzte die Arme über der Brust, verbeugte sich tief und murmelte demütig:

»Bendeniz el öpir; aghamin atze selami wer – Euer Diener küßt die Hand; mein Herr läßt sich Euch empfehlen!«

Ich schritt an ihm vorüber, ohne ihm zu antworten, und auch Lindsay tat, als habe er ihn gar nicht bemerkt. Ich muß gestehen, daß mein Master Fowling-bull trotz der schreienden Farbe seines Anzuges einen ganz respektablen Eindruck machte. Der Anzug paßte, wie für ihn gemacht, und das Bewußtsein, ein Engländer und dazu auch reich zu sein, gab seiner Haltung eine Sicherheit, die hier ganz am Platze war.

Der Aufseher nahm trotz seiner offenen Mißachtung doch den Vortritt und führte uns eine Treppe empor in einen Raum, der das Vorzimmer zu bilden schien. Dort saßen die Beamten des Kommandanten auf armseligen Teppichen. Sie erhoben sich bei unserm Eintritte und begrüßten uns ehrfurchtsvoll. Es waren meist Türken und einige Kurden dabei. Die letztern machten, wenigstens in Beziehung auf ihr Aeußeres, einen viel besseren Eindruck als die ersteren, die sich in keiner so guten wirtschaftlichen Lage zu befinden schienen. An einer der Fensteröffnungen stand ein Kurde, den man sofort für einen freien Mann der Berge halten mußte. Er schaute mit finsterer, ungeduldiger Miene hinaus ins Freie. Einer der Türken trat auf mich zu:

 

»Du bist der Emir Hadschi Kara Ben Nemsi, den der Mutesselim erwartet?«

»Ich bin es.«

»Und dieser Effendi ist Hadschi Lindsay-Bey, welcher das Gelübde getan hat, nicht zu sprechen?«

»Ja.«

»Ich bin der Basch Kiatib[62] des Kommandanten. Er läßt dich bitten, einige Augenblicke zu warten.«

»Warum? Ich bin nicht gewohnt, zu warten, und er hat gewußt, daß ich komme!«

»Er hat eine wichtige Abhaltung, die nicht lange währen wird.«

Was dies für eine wichtige Abhaltung war, konnte ich bald bemerken. Nämlich ein Diener kam äußerst eilfertig aus dem Zimmer des Mutesselim gestürzt und kehrte nach einiger Zeit mit zwei Büchsen zurück, auf denen die Deckel fehlten. Die größere enthielt Tabak und die kleinere gebrannte Kaffee bohnen. Der Kommandant hatte diese notwendigen Sachen erst nach Empfang unseres Geldes holen lassen können. Vor der Rückkehr seines Dieners trat der Agha aus dem Zimmer des Mutesselim.

»Effendi, verzeihe noch einen Augenblick! Du wirst sofort eintreten können!«

Da wandte sich der am Fenster stehende Kurde zu ihm:

»Und wann endlich werde ich eintreten dürfen?«

»Du wirst noch heute vorgelassen.«

»Noch heute? Ich bin eher dagewesen als dieser Effendi, und auch eher als alle diese andern. Meine Sache ist notwendig, und ich muß noch heute wieder aufbrechen!«

Selim Agha rollte die Augen.

»Diese Effendis sind ein Emir und ein Bey, du aber bist nur ein Kurde. Du kommst erst nach ihnen!«

»Ich habe ein gleiches Recht wie sie, denn ich bin der Abgesandte eines tapfern Mannes, der auch ein Bey ist!«

Das freimütige furchtlose Wesen dieses Kurden gefiel mir ungemein, obgleich seine Beschwerde indirekt gegen mich gerichtet war. Den Agha aber schien sie außerordentlich zu erzürnen, denn er begann seinen Augenwirbel von neuem und antwortete:

»Du kommst erst später daran, und vielleicht auch gar nicht. Wenn dir das nicht gefällt, so kannst du gehen! Dir ist ja nicht einmal das Notwendigste bekannt, um vor einem großen, einflußreichen Manne erscheinen zu dürfen!«

Ah, der Kurde hatte also das »Notwendigste«, nämlich das Bakschisch, vergessen. Er ließ sich aber nicht einschüchtern, sondern antwortete:

»Weißt du, was das Notwendigste für einen Berwarikurden ist? Dieser Säbel ist es!« Dabei schlug er an den Griff der genannten Waffe. »Willst du eine Probe davon versuchen? Mich sendet der Bey von Gumri; es ist eine Beleidigung für ihn, wenn ich immer von neuem wieder zurückgesetzt werde und warten muß, und er wird wissen, was er darauf zu erwidern hat. Ich gehe!«

»Halt!« rief ich.

Er befand sich bereits an der Türe. Der Bey von Gumri, an den mich der Aelteste von Spandareh adressiert hatte? Das war eine vortreffliche Gelegenheit, mich vorteilhaft bei ihm anzumelden.

»Was willst du?« fragte er barsch.

Ich schritt auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen.

»Ich will dich begrüßen, denn das ist ebenso, als ob dein Bey meinen Gruß hörte.«

»Kennst du ihn?«

»Ich habe ihn noch nicht gesehen, aber man hat mir von ihm erzählt. Er ist ein sehr tapferer Krieger, dem meine Achtung gehört. Willst du mir eine Botschaft an ihn ausrichten?«

»Ja, wenn ich es kann.«

»Du kannst es. Aber vorher werde ich dir beweisen, daß ich den Bey zu ehren weiß: Du sollst vor mir zum Mutesselim eintreten dürfen.«

»Ist dies dein Ernst?«

»Mit einem tapferen Kurden scherzt man nie.«

»Hört ihr es?« wandte er sich zu den andern. »Dieser fremde Emir hat gelernt, was Höflichkeit und Achtung bedeutet. Aber ein Berwari kennt die Sitte ebenso.« Und zu mir gerichtet, fügte er hinzu: »Herr, ich danke dir; du hast mir mein Herz erfreut! Aber ich werde nun gern warten, bis du mit dem Mutesselim gesprochen hast.«

Jetzt war er es, der mir die Hand entgegen streckte. Ich schlug ein.

»Ich nehme es an, denn ich weiß, daß du nicht lange zu warten haben wirst. Aber sage mir, ob du nach deiner Unterredung mit dem Kommandanten so viel Zeit hast, zu mir zu kommen!«

»Ich werde kommen und dann etwas schneller reiten. Wo wohnest du?«

»Ich wohne hier bei Selim Agha, dem Obersten der Arnauten. «

Er trat mit einer zustimmenden Kopfbewegung zurück, denn der Diener öffnete die Türe, um mich und Lindsay eintreten zu lassen.

Das Zimmer, in welches wir gelangten, war mit einer alten verschossenen Papiertapete bekleidet und hatte an seiner hintern Wand eine kaum fußhohe Erhöhung, die mit einem Teppiche belegt war. Dort saß der Kommandant. Er war ein langer, hagerer Mann mit einem scharfen, wohl frühzeitig gealterten Angesichte. Sein Blick war verschleiert und nicht Vertrauen erweckend. Er erhob sich bei unserem Eintritte und bedeutete uns durch eine Bewegung seiner Hände, zu beiden Seiten von ihm Platz zu nehmen. Mir fiel dies nicht schwer; Master Lindsay aber hatte einige Mühe, sich mit gebogenen Beinen in jene Stellung zu bringen, welche die Türken »Ruhen der Glieder« nennen. Wer sie nicht gewöhnt ist, dem schlafen die unteren Extremitäten sehr bald ein, so daß man dann gezwungen ist, sich wieder zu erheben. Ich mußte also aus Rücksicht auf den Engländer dafür sorgen, daß die Unterhaltung nicht gar zu lange daure.

»Chosch geldin demek; ömriniz tschok ola – seid mir willkommen; euer Leben möge lang sein!« empfing uns der Kommandant.

»Grad so, wie das deinige,« antwortete ich ihm. »Wir sind von fern her gekommen, um dir zu sagen, daß wir uns freuen, dein Angesicht zu sehen. Möge Segen in deinem Hause wohnen und jedes Werk gelingen, das du unternimmst!«

»Auch euch wünsche ich Heil und Erfolg in allem, was ihr tut! Wie heißt das Land, das deinen Tag gesehen hat, Emir?«

»Germanistan.«

»Hat es einen großen Sultan?«

»Es hat sehr viele Padischahs.«

»Und wie viele Krieger?«

»Wenn die Padischahs von Germanistan ihre Krieger versammeln, so sehen sie mehrere Millionen Augen auf sich gerichtet.«

»Ich habe dieses Land noch nicht gesehen, aber es muß ein großes und ein berühmtes sein, da du unter dem Schutze des Großherrn stehest.«

Dies war natürlich ein Wink, mich zu legitimieren. Ich tat es sogleich:

»Dein Wort ist richtig. Hier hast du das Bu-djeruldi des Padischah!«

Er nahm es, drückte es an Stirn, Mund und Brust und las es.

»Hier lautet doch dein Name anders als Kara Ben Nemsi!«

Ah, das war fatal! Der Umstand, daß ich den mir von Halef gegebenen Namen hier beibehalten hatte, konnte uns schädlich werden; doch faßte ich mich schnell und meinte:

»Willst du mir einmal den Namen vorlesen, der hier auf dem Pergamente steht?«

Er versuchte es, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. Und über den Namen des Heimatortes stolperte er vollends gar hinweg.

»Siehest du!« erklärte ich. »Kein Türke kann einen Namen aus Germanistan richtig lesen und aussprechen; kein Mufti und kein Mollah bringt dies fertig, denn unsere Sprache ist sehr schwer und wird in einer andern Schrift geschrieben, als die eurige ist. Ich bin Hadschi Kara Ben Nemsi; das wird dir auch dieser Brief beweisen, welchen der Mutessarif von Mossul mir für dich mit gegeben hat.«

Ich reichte ihm das Schreiben hin. Als er es gelesen hatte, war er befriedigt und gab mir das Bu-djeruldi nach der gebräuchlichen Zeremonie zurück.

»Und dieser Effendi ist Hadschi Lindsay-Bey?« fragte er dann.

»So ist sein Name.«

»Aus welchem Lande ist er?«

»Aus Londonistan,« antwortete ich, um den bekannteren Namen von England zu vermeiden.

»Er hat gelobt, nicht zu sprechen?«

»Er spricht nicht.«

»Und er kann zaubern?«

»Höre, Mutesselim, von der Magie soll man nicht sprechen, wenigstens nicht zu jemand, den man noch nicht kennt.«

»Wir werden uns kennen lernen, denn ich bin ein großer Freund der Magie. Glaubst du, daß man Geld machen kann?«

»Ja, Geld kann man machen.«

»Und daß es einen Stein der Weisen gibt?«

»Es gibt einen, aber er liegt nicht in der Erde, sondern im menschlichen Herzen vergraben und kann also auch nicht durch die Scheidekunst bereitet werden.«

»Du sprichst sehr dunkel; aber ich sehe, daß du ein Kenner der Magie bist. Es gibt eine weiße und eine schwarze. Kennst du alle beide?«

Ich konnte nicht anders, ich mußte lustig antworten:

»O, ich kenne auch alle andern Arten.«

»Es gibt noch andere? Welche?«

»Eine blaue, eine grüne und gelbe, auch eine rote und graue. Dieser Hadschi Lindsay-Bey war erst ein Anhänger der graukarierten, jetzt aber hat er die schwarz-rote angenommen.«

»Das sieht man an seinem Gewande. Selim Agha hat mir erzählt, daß er eine Hacke bei sich führt, mit welcher er in die Erde schlägt, um die Sprache der Verstorbenen zu erforschen.«

»So ist es. Aber laß uns heute darüber schweigen. Ich bin ein Krieger und Effendi, aber kein Schulmeister, der andere unterrichtet.«

Der brave Kommandant hatte alle Hilfsquellen der ausgesaugten Provinz erschöpft und suchte nun sein Heil in der Magie. Es konnte mir nicht einfallen, ihn in seinem Aberglauben zu bestärken, aber ich hatte in den gegenwärtigen Verhältnissen auch keine Veranlassung, sie ihm wegzudisputieren. Oder hatte ihn nur die berühmte Hacke meines Master Fowling-bull auf den Gedanken gebracht, mit mir über die Magie zu verhandeln? Das war auch möglich. Uebrigens machten meine letzten Worte wenigstens den Eindruck auf ihn, daß er in die Hände klatschte und Kaffee und Pfeifen bringen ließ.

»Ich hörte, daß der Mutessarif einen Kampf mit den Dschesidi gehabt habe?« begann er ein anderes Thema.

Dasselbe war für mich nicht ungefährlich, aber ich wußte nicht, wie ich es hätte abweisen können. Es begann grad wie ein Verhör: »Ich hörte!« Und doch mußte er als der nächste Untergebene des Gouverneur und als Kommandant von Amadijah die Sache nicht bloß vom Hörensagen kennen. Ich trat dazu in seine eigenen Fußtapfen:

»Auch ich hörte davon.« Und um einer Frage seinerseits zuvorzukommen, fügte ich hinzu: »Er wird sie gezüchtigt haben, und nun kommen wohl die widerspenstigen Araber an die Reihe.«

57Zwei Mark.
58Sergeant.
59Pantoffel.
60Ungefähr fünf Mark.
61Speisenwirt.
62Gerichtsschreiber.