Za darmo

Durch die Wuste

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Meine Aufgabe, die ein so schwieriges Aussehen gehabt hatte, war auf eine so leichte und einfache Weise gelöst worden, daß ich mich fast schämen mußte, es zu erzählen. Der Rappe durfte nicht so billig verdient werden. Was konnte ich aber noch tun? Ja, war es nicht vielleicht besser, den Kampfplatz vorher ein wenig zu studieren? Diesen Gedanken wurde ich nicht wieder los. Ich setzte also gar nicht über den Thathar zurück, sondern ritt an seinem linken Ufer nach Norden hinauf, um die Kanuzaberge zu erreichen. Erst als der Nachmittag beinahe zur Hälfte verflossen war, kam mir der Gedanke, ob nicht das Wadi Dschehennem, wo ich mit dem Engländer die Pferdediebe getroffen hatte, ein Teil dieser Kanuzaberge sei. Ich wußte diese Frage nicht zu beantworten, setzte meinen Weg fort und hielt mich später mehr nach rechts, um in die Nähe des Dschebel Hamrin zu kommen.



Die Sonne war beinahe bis zum Horizont niedergesunken, als ich zwei Reiter bemerkte, welche am westlichen Gesichtskreise erschienen und mit großer Schnelligkeit näher kamen. Als sie mich sahen, hielten sie einen Augenblick an, kamen aber dann auf mich zu. Sollte ich fliehen? Vor zweien? Nein! Ich parierte also mein Pferd und erwartete sie.



Es waren zwei Männer, welche in dem rüstigsten Alter standen. Sie hielten vor mir an.



»Wer bist du?« fragte der eine mit einem lüsternen Blick auf den Rappen.



So eine Anrede war mir unter Arabern noch nicht vorgekommen.



»Ein Fremdling,« antwortete ich kurz.



»Woher kommst du?«



»Von Westen, wie ihr seht.«



»Wohin willst du?«



»Wohin das Kismet mich führt.«



»Komm mit uns. Du sollst unser Gast sein.«



»Ich danke dir. Ich habe bereits einen Gastfreund, der für ein Lager sorgt.«



»Wen?«



»Allah. Lebt wohl!«



Ich war zu sorglos gewesen, denn noch hatte ich mich nicht abgewandt, so langte der eine in den Gürtel, und im nächsten Augenblick flog mir seine Wurfkeule so an den Kopf, daß ich sofort vom Pferde glitt. Zwar dauerte die Betäubung nicht lange, aber die Räuber hatten mich doch unterdessen binden können.



»Sallam aaleïkum,« grüßte jetzt der eine. »Wir waren vorhin nicht höflich genug, und daher war dir unsere Gastfreundschaft nicht angenehm. Wer bist du?«



Ich antwortete natürlich nicht.



»Wer du bist?«



Ich schwieg, trotzdem er seine Frage mit einem Fußtritt begleitete.



»Laß ihn,« meinte der andere. »Allah wird Wunder tun und ihm den Mund öffnen. Soll er reiten oder gehen?«



»Gehen!«



Sie lockerten mir die Riemen um die Beine und banden mich an den Steigbügel des einen Pferdes. Dann nahmen sie meinen Rappen beim Zügel und – fort ging es, scharf nach Osten. Ich war trotz meines guten Pferdes ein Gefangener. Der Mensch ist oft ein sehr übermütiges Geschöpf!



Das Terrain hob sich nach und nach. Wir kamen zwischen Bergen hindurch, und endlich sah ich aus einem Tale mehrere Feuer uns entgegenleuchten. Es war nämlich mittlerweile Nacht geworden. Wir lenkten in dies Tal ein, kamen an mehreren Zelten vorüber und hielten endlich vor einem derselben, aus welchem in diesem Augenblick ein junger Mann trat. Er sah mich und ich ihn – wir erkannten einander.



»Allah il Allah! Wer ist dieser Gefangene?« fragte er.



»Wir fingen ihn draußen in der Ebene. Er ist ein Fremder, der uns keine Thar

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  Blutrache.



 bringen wird. Sieh dieses Tier an, welches er ritt!«



»Allah akbar, das ist ja der Rappe von Mohammed Emin, dem Haddedihn! Führt diesen Menschen hinein zu meinem Vater, dem Scheik, daß er verhört werde. Ich rufe die andern zusammen.«



»Was tun wir mit dem Pferde?«



»Es bleibt vor dem Zelte des Scheik.«



»Und seine Waffen?«



»Werden in das Zelt gebracht.«



Eine halbe Stunde später stand ich abermals vor einer Versammlung von – Richtern. Hier konnte mein Schweigen nichts nützen, und ich beschloß daher, zu sprechen.



»Kennst du mich?« fragte der Aelteste der Anwesenden.



»Nein.«



»Weißt du, wo du dich befindest?«



»Nein.«



»Kennst du diesen jungen, tapferen Araber?«



»Ja.«



»Wo hast du ihn gesehen?«



»Am Dschebel Dschehennem. Er hatte mir vier Pferde gestohlen, welche ich mir wieder holte.«



»Lüge nicht!«



»Wer bist du, daß du so zu mir sprichst?«



»Ich bin Zedar Ben Huli, der Scheik der Abu Hammed.«



»Zedar Ben Huli, der Scheik der Pferderäuber!«



»Mensch, schweig! Dieser junge Krieger ist mein Sohn.«



»Du kannst stolz auf ihn sein, o Scheik!«



»Schweig, sage ich dir abermals, sonst wirst du es bereuen! Wer ist ein Pferderäuber? Du bist es! Wem gehört das Pferd, welches du geritten hast?«



»Mir.«



»Lüge nicht!«



»Zedar Ben Huli, danke Allah, daß mir die Hände gebunden sind. Wenn das nicht wäre, so würdest du mich niemals wieder einen Lügner heißen!«



»Bindet ihn fester!« gebot er.



»Wer will sich an mir vergreifen, an dem Hadschi, in dessen Tasche sich das Wasser des Zem-Zem befindet!«



»Ja, ich sehe, du bist ein Hadschi, denn du hast das Hamaïl umhangen. Aber hast du wirklich das Wasser des heiligen Zem-Zem bei dir?«



»Ja.«



»Gib uns davon.«



»Nein.«



»Warum nicht?«



»Ich trage das Wasser nur für Freunde bei mir.«



»Sind wir deine Feinde?«



»Ja.«



»Nein. Wir haben dir noch kein Leid getan. Wir wollen nur das Pferd, welches du geraubt hast, seinem Eigner wieder bringen.«



»Der Eigner bin ich.«



»Du bist ein Hadschi mit dem heiligen Zem-Zem, und dennoch sagst du die Unwahrheit. Ich kenne diesen Hengst ganz genau; er gehört Mohammed Emin, dem Scheik der Haddedihn. Wie kommst du zu diesem Pferde?«



»Er hat es mir geschenkt.«



»Du lügst! Kein Araber verschenkt ein solches Pferd.«



»Ich sagte dir bereits, daß du Allah danken sollst dafür, daß ich gefesselt bin!«



»Warum hat er dir es geschenkt?«



»Das ist seine Sache und die meinige; euch aber geht das nichts an!«



»Du bist ein sehr höflicher Hadschi! Du mußt dem Scheik der Haddedihn einen großen Dienst erwiesen haben, da er dir ein solches Geschenk gibt. Wir wollen dich nicht weiter darüber fragen. Wann hast du die Haddedihn verlassen?«



»Vorgestern früh.«



»Wo weiden ihre Herden?«



»Ich weiß es nicht. Die Herden des Arabers sind bald hier, bald dort.«



»Könntest du uns zu ihnen führen?«



»Nein.«



»Wo warst du seit vorgestern?«



»Ueberall.«



»Gut; du willst nicht antworten, so magst du sehen, was mit dir geschieht. Führet ihn fort!«



Ich wurde in ein kleines, niedriges Zelt geschafft und dort angebunden. Zu meiner Rechten und zu meiner Linken kauerte sich je ein Beduine nieder, welche dann später abwechselnd schliefen. Ich hatte geglaubt, die Entscheidung über mein Schicksal noch heute zu vernehmen, sah mich aber getäuscht; denn die Versammlung ging später, wie ich hörte, auseinander, ohne daß mir etwas über ihren Beschluß gesagt worden wäre. Ich schlief ein. Ein unruhiger Traum bemächtigte sich meiner. Ich lag nicht hier in dem Zelte am Tigris, sondern in einer Oase der Sahara. Das Wachtfeuer loderte; der Lagmi

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  Dattelpalmensaft.



 kreiste von Hand zu Hand, und die Märchen gingen von Mund zu Mund. Da plötzlich ließ sich jener grollende Donner vernehmen, den keiner vergessen kann, der ihn einmal gehört hat, der Donner der Löwenstimme. Assad-Bei, der Herdenwürger, nahte sich, um sein Nachtmahl zu holen. Wieder und näher ertönte seine Stimme – – ich erwachte.



War das ein Traum gewesen? Neben mir lagen die beiden Abu-Hammed-Araber, und ich hörte, wie der eine die heilige Fatcha betete. Da grollte der Donner zum drittenmal. Es war Wirklichkeit – ein Löwe umschlich das Lager.



»Schlaft ihr?« fragte ich.



»Nein.«



»Hört ihr den Löwen?«



»Ja. Heute ist es das dritte Mal, daß er sich Speise holt.«



»Tötet ihn!«



»Wer soll ihn töten, den Mächtigen, den Erhabenen, den Herrn des Todes?«



»Feiglinge! Kommt er auch in das Innere des Lagers?«



»Nein. Sonst ständen die Männer nicht vor ihren Zelten, um seine Stimme vollständig zu hören.«



»Ist der Scheik bei ihnen?«



»Ja.«



»Gehe hinaus zu ihm, und sage ihm, daß ich den Löwen töten werde, wenn er mir mein Gewehr gibt.«



»Du bist wahnsinnig!«



»Ich bin vollständig bei Sinnen. Geh hinaus!«



»Ist es dein Ernst?«



»Ja; packe dich!«



Es hatte sich eine ganz bedeutende Aufregung meiner bemächtigt; ich hätte meine Fessel zersprengen mögen. Nach einigen Minuten kehrte der Mann zurück. Er band mich los.



»Folge mir!« gebot er.



Draußen standen viele Männer, mit den Waffen in der Hand; aber keiner wagte es, aus dem Schutze der Zelte zu treten.



»Du hast mit mir sprechen wollen. Was willst du?« fragte der Scheik.



»Erlaube mir, diesen Löwen zu erlegen.«



»Du kannst keinen Löwen töten! Zwanzig von uns reichen nicht aus, ihn zu jagen, und mehrere würden sterben daran.«



»Ich töte ihn allein; es ist der erste nicht.«



»Sagst du die Wahrheit?«



»Ich sage sie.«



»Wenn du ihn erlegen willst, so habe ich nichts dagegen. Allah gibt das Leben und Allah nimmt es wieder; es steht alles im Buche verzeichnet.«



»So gib mir mein Gewehr!«



»Welches?«



»Das schwere, und mein Messer.«

 



»Bringt ihm beides,« gebot der Scheik.



Der gute Mann sagte sich jedenfalls, daß ich ein Kind des Todes und er dann unbestrittener Erbe meines Pferdes sei. Mir aber war es um den Löwen, um die Freiheit und um das Pferd zugleich zu tun, und diese drei konnte ich haben, wenn ich in den Besitz meiner Büchse gelangte.



Sie wurde mir nebst dem Messer gebracht.



»Willst du mir nicht die Hände frei machen lassen, o Scheik?«



»Du willst wirklich nur den Löwen erschießen?«



»Ja.«



»Beschwöre es. Du bist ein Hadschi; schwöre es bei dem heiligen Zem-Zem, welches du in der Tasche hast.«



»Ich schwöre es!«



»Löst ihm die Hände!«



Jetzt war ich frei. Die anderen Waffen lagen im Zelte des Scheik, und vor demselben war der Rappe. Ich hatte keine Besorgnis mehr.



Es war die Stunde, in welcher der Löwe am liebsten um die Herden schleicht, die Zeit kurz vor dem Morgengrauen. Ich fühlte an meinen Gürtel, ob der Patronenbeutel noch vorhanden sei, dann schritt ich bis zum ersten Zelte vor. Hier blieb ich eine Weile stehen, um mein Auge an die Dunkelheit zu gewöhnen. Vor mir und zu beiden Seiten gewahrte ich einige Kamele und zahlreiche Schafe, die sich zusammengedrängt hatten. Die Hunde, welche sonst des Nachts die Wächter dieser Tiere sind, waren entflohen und hatten sich hinter oder in die Zelte verkrochen.



Ich legte mich auf den Boden nieder und kroch leise und langsam vorwärts. Ich wußte, daß ich den Löwen noch eher riechen würde, als ich ihn bei dieser Dunkelheit zu Gesichte bekommen konnte. Da – – es war als ob der Boden unter mir erbebte – erscholl der Donner dieser Stimme seitwärts von mir, und einige Augenblicke darauf vernahm ich einen dumpfen Schall, wie wenn ein schwerer Körper gegen einen andern prallt – ein leises Stöhnen, ein Knacken und Krachen wie von zermalmt werdenden Knochen – und da, höchstens zwanzig Schritte vor mir funkelten die beiden Feuerkugeln: – ich kannte dieses grünliche, rollende Licht. Ich hob das Gewehr trotz der Dunkelheit, zielte, so gut es gehen wollte, und drückte ab.



Ein gräßlicher Laut durchzitterte die Luft. Der Blitz meines Schusses hatte dem Löwen seinen Feind gezeigt; auch ich hatte ihn gesehen, der auf dem Rücken eines Kameles lag und den Halswirbel desselben mit seinen Zähnen zermalmte. Hatte ich ihn getroffen? Ein großer dunkler Gegenstand schnellte durch die Luft und kam höchstens drei Schritte vor mir auf den Boden nieder. Die Lichter funkelten abermals. Entweder war der Sprung schlecht berechnet gewesen, oder das Tier war doch verwundet. Ich kniete noch fest im Anschlage und drückte den zweiten und letzten Schuß los, nicht mitten zwischen die Augen, sondern gerade mitten in das eine Auge hinein. Dann ließ ich die Büchse blitzschnell fallen und nahm das Messer zur Hand – der Feind kam nicht über mich; er war von dem tödlichen Schusse förmlich zurückgeworfen worden. Trotzdem aber zog ich mich einige Schritte zurück, um wieder zu laden. Ringsum herrschte Stille; auch im Lager war kein Hauch zu hören. Man hielt mich wohl für tot.



Sobald aber der schwächste Schimmer des Tages den Körper des Löwen einigermaßen erkennen ließ, trat ich hinzu. Er war tot, und nun machte ich mich daran, ihn aus der Haut zu schälen. Ich hatte meine Gründe, nicht lange damit zu warten. Es fiel mir gar nicht ein, diese Trophäe zurückzulassen. Die Arbeit ging mehr nach dem Gefühle als nach dem Gesichte vor sich, war aber doch beendet, als der Morgenschimmer etwas kräftiger wurde.



Jetzt nahm ich das Fell, schlug es mir über die Schulter und kehrte in das Lager zurück. Es war jedenfalls nur ein kleines Zweiglager der räuberischen Abu Hammed. Die Männer, Frauen und Kinder saßen erwartungsvoll vor ihren Zelten. Als sie mich erblickten, erhob sich ein ungeheurer Lärm. Allah wurde in allen Tönen angerufen, und hundert Hände streckten sich nach meiner Beute aus.



»Du hast ihn getötet?« rief der Scheik. »Wirklich? Allein?«



»Allein!«



»So hat dir der Scheïtan beigestanden!«



»Steht der Scheïtan einem Hadschi bei?«



»Nein; aber du hast einen Zauber, ein Amulett, einen Talisman, mit Hilfe dessen du diese Tat vollbringst?«



»Ja.«



»Wo ist er?«



»Hier!«



Ich hielt ihm die Büchse vor die Nase.



»Das ist es nicht. Du willst es uns nicht sagen. Wo liegt der Körper des Löwen?«



»Draußen rechts vor den Zelten. Holt ihn euch!«



Die meisten der Anwesenden eilten fort. Das hatte ich gewünscht.



»Wem gehört die Haut des Löwen?« frug der Scheik mit lüsternem Blick.



»Darüber wollen wir in deinem Zelte beraten. Tretet ein!«



Alle folgten mir; es waren wohl nur zehn oder zwölf Männer da. Gleich beim Eintritt erblickte ich meine anderen Waffen; sie hingen an einem Pflock. Mit zwei Schritten stand ich dort, riß sie herab, warf die Büchse über die Schulter und nahm den Stutzen in die Hand. Die Löwenhaut war mir infolge ihrer Größe und Schwere sehr hinderlich; aber es mußte doch versucht werden. Rasch stand ich wieder unter dem Eingang des Zeltes.



»Zedar Ben Huli, ich habe dir versprochen, mit dieser Büchse nur auf den Löwen zu schießen – – —«



»Ja.«



»Aber auf wen ich mit diesem anderen Gewehr schießen werde, das habe ich nicht gesagt.«



»Es gehört hierher. Gib es zurück.«



»Es gehört in meine Hand, und die wird es behalten.«



»Er wird fliehen – haltet ihn!«



Da erhob ich den Stutzen zum Schuß.



»Halt! Wer es wagt, mich zu hindern, der ist eine Leiche! Zedar Ben Huli, ich danke dir für die Gastfreundschaft, welche ich bei dir genossen habe. Wir sehen uns wieder!«



Ich trat hinaus. Eine Minute lang wagte es keiner, mir zu folgen. Diese kurze Zeit genügte, den Rappen zu besteigen und die Haut vor mich hinzunehmen. Als sich das Zelt wieder öffnete, galoppierte ich bereits am letzten Zelte vorbei.



Hinter mir und zur Seite, wo der Körper des Löwen lag, erscholl ein wütendes Geschrei, und ich bemerkte, daß alle zu den Waffen und zu den Pferden rannten. Als ich das Lager hinter mir hatte, ritt ich nur im Schritte. Der Rappe scheute vor dem Felle; er konnte den Geruch des Löwen nicht vertragen und schnaubte ängstlich zur Seite. Jetzt blickte ich rückwärts und sah die Verfolger zwischen den Zelten förmlich hervorquellen. Nun ließ ich den Hengst traben, und erst als der vorderste Verfolger in Schußweite gekommen war, wollte ich den Rappen weiter ausgreifen lassen; ich besann mich aber anders. Ich hielt, drehte mich um und zielte. Der Schuß krachte, und das Pferd brach unter seinem Reiter tot zusammen. Diesen Pferdedieben konnte eine solche Lehre nichts schaden. Nun erst ritt ich Galopp, wobei ich den abgeschossenen Lauf wieder lud.



Als ich mich abermals umwandte, waren mir zwei wieder nahe genug gekommen; ihre Flinten freilich hätten mich nicht zu erreichen vermocht. Ich hielt wieder, drehte um und zielte – zwei Schüsse knallten nacheinander und zwei Pferde stürzten nieder. Das war den andern doch zu viel; sie stutzten und blieben zurück. Als ich mich nach längerer Zeit wieder umschaute, erblickte ich sie in weiter Ferne, wo sie bloß noch meinen Spuren zu folgen schienen.



Jetzt jagte ich, um sie irre zu leiten, beinahe eine Stunde lang stracks nach West fort; dann bog ich auf einem steinigen Boden, wo die Hufspuren nicht zu sehen waren, nach Norden um und hatte bereits gegen Mittag den Tigris beim Strudel Kelab erreicht. Er liegt kurz unter dem Einflusse des Zab-asfal, und nur wenige Minuten unterhalb ist die Stelle, an welcher die Kanuzaberge in das Gebirge von Hamrin übergehen. Dieser Uebergang geschieht durch einzelne isolierte Erhöhungen, welche durch tiefe und nicht sehr breite Täler getrennt werden. Das breiteste Tal von ihnen wurde jedenfalls von den Feinden zum Durchzuge gewählt, und so prägte ich mir das Terrain und die Zugänge zu demselben mit der möglichsten Genauigkeit ein; dann eilte ich dem Thathar wieder entgegen, den ich am Nachmittage erreichte und überschritt. Das Verlangen trieb mich zu den Freunden; aber ich mußte das Pferd schonen, und hielt daher noch eine Nachtruhe.



Am andern Mittag kam mir die erste Schafherde der Haddedihn wieder vor Augen, und ich ritt im Galopp auf das Zeltlager los, ohne auf die Zurufe zu achten, welche von allen Seiten erschollen. Der Scheik hatte aus ihnen geschlossen, daß etwas Ungewöhnliches vorgehe, und trat eben aus dem Zelte, als ich vor demselben anlangte.



»Hamdullillah, Preis sei Gott, daß du wieder da bist!« begrüßte er mich. »Wie ist es gegangen?«



»Gut.«



»Hast du etwas erfahren?«



»Alles!«



»Alles? Was?«



»Rufe die Aeltesten zusammen; ich werde euch Bericht erstatten.«



Jetzt erst bemerkte er die Haut, welche ich auf der anderen Seite des Pferdes herabgeworfen hatte.



»Maschallah, Wunder Gottes, ein Löwe! Wie kommst du zu diesem Felle?«



»Ich habe es ihm abgezogen.«



»Ihm? Dem Herrn selbst?«



»Ja.«



»So hast du mit ihm gesprochen?«



»Kurze Zeit.«



»Wie viele Jäger waren dabei?«



»Keiner.«



»Allah sei mit dir, daß dich dein Gedächtnis nicht verlasse!«



»Ich war allein!«



»Wo?«



»Im Lager der Abu Hammed.«



»Die hätten dich erschlagen!«



»Sie haben es nicht getan, wie du siehst. Sogar Zedar Ben Huli hat mir das Leben gelassen.«



»Auch ihn hast du gesehen?«



»Auch ihn. Ich habe ihm drei Pferde erschossen.«



»Erzähle!«



»Nicht jetzt, nicht dir allein, denn sonst muß ich alles öfters erzählen. Rufe die Leute, und dann sollst du alles ausführlich hören!«



Er ging. Ich wollte eben in sein Zelt treten, als ich den Engländer im vollsten Galopp daherstürmen sah.



»Habe soeben gehört, daß Ihr da seid, Sir,« rief er schon von weitem. »Habt Ihr gefunden?«



»Ja; die Feinde, das Schlachtfeld und alles.«



»Pah! Auch Ruinen mit Fowling-bull?«



»Auch!«



»Schön, sehr gut! Werde graben, finden und nach London schicken. Erst aber wohl kämpfen?«



»Ja.«



»Gut, werde fechten wie Bayard. Ich auch gefunden.«



»Was?«



»Seltenheit, Schrift.«



»Wo?«



»Loch, hier in der Nähe. Ziegelstein.«



»Eine Schrift auf einem Ziegelstein?«



»Yes! Keilschrift. Könnt Ihr lesen?«



»Ein wenig.«



»Ich nicht. Wollen sehen!«



»Ja. Wo ist der Stein?«



»In Zelt. Gleich holen!«



Er ging hinein und brachte seinen kostbaren Fund zum Vorschein.



»Hier, ansehen, lesen!«



Der Stein war beinahe vollständig zerbröckelt, und die wenigen Keile, welche die verwitterte Inschrift noch zeigte, waren kaum mehr zu unterscheiden.



»Nun?« fragte Master Lindsay neugierig.



»Wartet nur, das ist nicht so leicht, als Ihr denkt. Ich finde nur drei Worte, die vielleicht zu entziffern wären. Sie heißen, wenn ich nicht irre: Tetuda Babrut esis.«



»Was heißt das?«



»Zum Ruhme Babylons aufgeführt.«



Der gute Master David Lindsay zog seinen parallelogrammen Mund bis hinter an die Ohren.



»Lest Ihr richtig, Sir?«



»Ich denke es.«



»Was daraus nehmen?«



»Alles und nichts!«



»Hm! Hier doch gar nicht Babylon!«



»Was sonst?«



»Niniveh!«



»Meinetwegen Rio de Janeiro! Reimt Euch das Zeugs da selbst zusammen oder auseinander; ich habe jetzt keine Zeit dazu.«



»Aber warum ich Euch mitgenommen?«



»Gut! Hebt den Ziegelkloß auf, bis ich Zeit habe!«



»Well! Was habt Ihr zu tun?«



»Es wird gleich Sitzung sein, in der ich meine Erlebnisse zu erzählen habe.«



»Werde auch mittun!«



»Und übrigens muß ich vorher essen. Ich habe Hunger wie ein Bär.«



»Auch da werde mittun!«



Er trat mit mir in das Zelt



»Wie seid Ihr denn mit Eurem Arabisch fortgekommen?«



»Miserabel! Verlange Brot – Araber bringt Stiefel; verlange Hut – Araber bringt Salz; verlange Flinte – Araber bringt Kopftuch. Schauderhaft, schrecklich! Lasse Euch nicht wieder fort!«



Nach der Rückkehr des Scheik brauchte ich nicht lange auf das Mahl zu warten. Während desselben stellten sich die Geladenen ein. Die Pfeifen wurden angezündet; der Kaffee ging herum, und dann drängte Lindsay:



»Anfangen, Sir! Bin neugierig.«



Die Araber hatten wortlos und geduldig gewartet, bis mein Hunger gestillt war; dann aber begann ich:



»Ihr habt mir eine sehr schwere Aufgabe gestellt, aber es ist mir wider alles Erwarten sehr leicht geworden, sie zu lösen. Und dabei bringe ich euch eine so ausführliche Nachricht, wie ihr sie sicherlich nicht erwartet habt.«



»Rede!« bat der Scheik.



»Die Feinde haben ihre Rüstungen bereits vollendet. Es sind die Orte bestimmt, wo die drei Stämme sich vereinigen, und ebenso ist die Zeit angegeben, in der dies geschehen wird.«



»Aber du hast es nicht erfahren können!«



»Doch! Die Dschowari werden sich mit den Abu Hammed am Tage nach dem nächsten Jaum el Dschema bei den Ruinen von Khan Khernina vereinigen. Diese beiden Stämme stoßen dann am dritten Tage nach dem Jaum el Dschema zwischen dem Wirbel El Kelab und dem Ende der Kanuzaberge mit den Obeïde zusammen.«

 



»Weißt du das gewiß?«



»Ja.«



»Von wem?«



»Von dem Scheik der Abu Mohammed.«



»Hast du mit ihm gesprochen?«



»Ich war sogar in seinem Zelte.«



»Die Abu Mohammed leben mit den Dschowari und Abu Hammed nicht in Frieden.«



»Er sagte es. Er kannte deinen Rappen und ist dein Freund. Er wird dir mit dem Stamme der Alabeïden zu Hilfe kommen.«



»Sagst du die Wahrheit?«



»Ich sage sie.«



Da sprangen alle Anwesenden auf und reichten sich jubelnd die Hände. Ich wurde von ihnen beinahe erdrückt. Dann mußte ich alles so ausführlich wie möglich erzählen. Ich tat es. Sie glaubten alles, nur daß ich den Löwen so ganz allein und dazu noch bei stockfinsterer Nacht erlegt haben wollte, das schienen sie sehr zu bezweifeln. Der Araber ist gewohnt, dieses Tier nur am Tage und zwar in möglichst zahlreicher Gesellschaft anzugreifen. Ich legte ihnen endlich das Fell vor.



»Hat diese Haut ein Loch?«



Sie besahen es höchst aufmerksam.



»Nein,« lautete dann der Bescheid.



»Wenn Araber einen Löwen töten, so hat die Haut sehr viele Löcher. Ich habe ihm zwei Kugeln gegeben. Seht her! Die erste Kugel war zu hoch gezielt, weil er zu entfernt von mir war und ich in der Finsternis nicht ganz genau zu zielen vermochte. Sie hat die Kopfhaut gestreift und das Ohr verletzt. Hier seht ihr es. Die zweite Kugel gab ich ihm, als er zwei oder drei Schritte von mir war; sie ist ihm in das linke Auge gedrungen. Ihr seht dies hier, wo das Fell versengt ist.«



»Allah akbar, es ist wahr! Du hast dieses furchtbare Tier so nahe an dich herankommen lassen, daß dein Pulver seine Haare verbrannte. Wenn es dich nun gefressen hätte?«



»So hätte es so im Buche gestanden. Ich habe diese Haut mitgebracht für dich, o Scheik. Nimm sie von mir an, und gebrauche sie als Schmuck deines Zeltes!«



»Ist dies dein Ernst?« fragte er erfreut.



»Mein Ernst.«



»Ich danke dir, Emir Hadschi Kara Ben Nemsi! Auf diesem Felle werde ich schlafen, und der Mut des Löwen wird in mein Herz einziehen.«



»Es bedarf dieser Haut nicht, um deine Brust mit Mut zu erfüllen, den du übrigens auch bald brauchen wirst.«



»Wirst du mitkämpfen gegen unsere Feinde?«



»Ja. Sie sind Diebe und Räuber und haben auch mir nach dem Leben getrachtet; ich stelle mich unter deinen Befehl, und hier mein Freund wird dasselbe tun.«



»Nein. Du sollst nicht gehorchen, sondern befehlen. Du sollst der Anführer einer Abteilung sein.«



»Davon laß uns später sprechen; für jetzt aber erlaube mir, an eurer Beratung teilzunehmen.«



»Du hast recht; wir müssen uns beraten, denn wir haben nur noch fünf Tage Zeit.«



»Hast du mir nicht gesagt, daß es eines Tages bedürfe, um die Krieger der Haddedihn um dich zu versammeln?«



»So ist es.«



»So würde ich an deiner Stelle heute die Boten aussenden.«



»Warum noch heute?«



»Weil es nicht genug ist, die Krieger beisammen zu haben. Sie müssen auf diesen Kampf eingeübt werden.«



Er lächelte stolz.



»Die Söhne der Haddedihn sind seit ihren Knabenjahren bereits den Kampf gewöhnt. Wir werden unsere Feinde überwinden. Wie viel streitbare Männer hat der Stamm der Abu Mohammed?«



»Neunhundert.«



»Und die Alabeïde?«



»Achthundert.«



»So zählen wir achtundzwanzighundert Mann; dazu kommt die Ueberraschung, da uns der Feind nicht erwartet; wir müssen siegen!«



»Oder wir werden besiegt!«



»Maschallah, du tötest den Löwen und fürchtest den Araber?«



»Du irrst. Du bist tapfer und mutig; aber der Mut zählt doppelt, wenn er vorsichtig ist. Hältst du es nicht für möglich, daß die Alabeïde und Abu Mohammed zu spät eintreffen?«



»Es ist möglich.«



»Dann stehen wir mit elfhundert gegen dreitausend Mann. Der Feind wird erst uns und dann unsere Freunde vernichten. Wie leicht kann er erfahren, daß wir ihm entgegen ziehen wollen! Dann fällt auch die Ueberraschung weg. Und was nützt es dir, wenn du kämpfest und den Feind nur zurückschlägst? Wäre ich der Scheik der Haddedihn, ich schlüge ihn so danieder, daß er auf lange Zeit sich nicht wieder erheben könnte und mir jährlich einen Tribut bezahlen müßte.«



»Wie wolltest du dies beginnen?«



»Ich würde nicht wie die Araber, sondern wie die Franken kämpfen.«



»Wie kämpfen diese?«



Jetzt erhob ich mich, um eine Rede zu halten, eine Rede über europäische Kriegskunst, ich, der Laie im Kriegswesen. Aber ich mußte mich ja für diesen braven Stamm der Haddedihn interessieren. Ich hielt es keineswegs für eine Versündigung an dem Leben meiner Mitmenschen, wenn ich mich hier beteiligte; es lag vielmehr wohl in meiner Hand, die Grausamkeiten zu mildern, welche bei diesen halbwilden Leuten ein Sieg stets mit sich bringt. Ich beschrieb also zunächst ihre eigene Fechtart und schilderte die Nachteile derselben; dann begann ich die eigentliche Auseinandersetzung. Sie hörten mir aufmerksam zu, und als ich geendet hatte, bemerkte ich den Eindruck meiner Worte an dem langen Schweigen, welches nun folgte. Der Scheik ergriff zuerst wieder das Wort:



»Deine Rede ist gut und wahr; sie könnte uns den Sieg bringen und vielen der Unserigen das Leben erhalten, wenn wir Zeit hätten, uns einzuüben.«



»Wir haben Zeit.«



»Sagtest du nicht, daß es lange Jahre erfordere, ein solches Heer fertig zu machen?«



»Das sagte ich. Aber wir wollen ja nicht ein Heer bilden, sondern wir wollen bloß die Obeïde in die Flucht schlagen, und dazu bedürfte es einer Vorbereitung von nur zwei Tagen. Wenn du heute noch deine Boten aussendest, so sind die Krieger morgen beisammen; ich lehre sie den geschlossenen Angriff zu Pferde, welcher die Feinde über den Haufen werfen wird, und den Kampf zu Fuße mit dem Feuergewehr.«



Ich nahm ein Kamelstöckchen von der Wand und zeichnete auf den Boden.



»Schau hierher! Hier fließt der Tigris; hier ist der Wirbel; hier liegen die Hamrin— und hier die Kanuzaberge. Der Feind trifft hier zusammen. Die beiden ersten Stämme kommen am rechten Ufer des Flusses heraufgezogen, hinter ihnen im stillen unsere Verbündeten, und die Obeïde setzen von dem linken Ufer herüber. Um zu uns zu gelangen, müssen sie zwischen diesen einzelnen Bergen hindurch; diese Wege alle aber führen in das große Tal Deradsch, welches das Tal der Stufen heißt, weil seine steilen Wände wie Stufen emporsteigen. Es hat nur einen Eingang und einen Ausgang. Hier müssen wir sie erwarten. Wir besetzen die Höhen mit Schützen, welche den Feind niederschießen, ohne daß ihnen selbst ein Leid geschehen kann. Den Ausgang verschließen wir mit einer Brustwehr, welche auch von Schützen verteidigt wird, und hier in diesen zwei Seitenschluchten hüben und drüben verbergen sich die Reiter, welche in demselben Augenblick hervorbrechen, wenn der Feind sich vollständig im Tale befindet. Am Eingange wird er dann von unseren Verbündeten im Rücken angegriffen, und sollten diese ja nicht zur rechten Zeit eintreffen, so wird er ihnen auf der Flucht entgegen getrieben.«



»Maschallah, deine Rede ist wie die Rede des Propheten, der die Welt erobert hat! Ich werde deinen Rat befolgen, wenn die Anderen hier damit einverstanden sind. Wer dagegen ist, der mag sprechen!«



Es widersprach keiner; darum fuhr der Scheik fort:



»So werde ich gleich jetzt die Boten aussenden.«



»Sei vorsichtig, o Scheik, und laß deinen Kriegern nicht sagen, um was es sich handelt; es wäre sonst sehr leicht möglich, daß der Feind von unserem Vorhaben Nachricht erhält.«



Er nickte zustimmend und entfernte sich. Sir David Lindsay hatte dieser langen Unterredung mit sichtbarer Ungeduld zugehört; jetzt ergriff er die Gelegenheit zum Sprechen:



»Sir, ich bin auch hier!«



»Ich sehe Euch!«



»Wollte auch ‚was hören!«



»Meine Erlebnisse?«



»Yes!«



»Konntet denken, daß ich meinen Vortrag nicht in englischer Sprache halten würde. Sollt aber jetzt das Nötige erfahren.«



Ich teilte ihm in aller Kürze meine Erzählung und dann den Inhalt der darauf fo