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Der Schut

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Er war nicht ganz betäubt, wankte aber im Sattel hin und her. Das Blut lief ihm von der rechten Hand.

»Halte dich fest; es geht zurück!« gebot ich ihm. »Wenn du eine Bewegung der Flucht oder des Widerstandes machst, schieße ich dich vollends zu schanden!«

Er sah trotz der Wut, welche ihn beherrschte, ein, daß er sich fügen müsse, und ergab sich in sein Schicksal.

Die Verfolgung hatte wohl kaum fünf Minuten gedauert und doch waren wir weit, sehr weit von dem Engländer fortgekommen. Es verging im Trabe über eine Viertelstunde, ehe ich ihn wiedersah. Er saß bei den Kamelen und hatte den andern Dieb neben sich sitzen.

»Gut, daß Ihr kommt,« rief er mir entgegen. »Ist ein verteufelt langweiliger Kerl. Wollte mich mit ihm unterhalten, versteht aber kein Wort englisch.«

»Es ist auch wohl kaum nötig, daß ein Lord von Altengland sich mit einem Pferdedieb unterhält,« lachte ich. »Wie habt Ihr ihn bekommen?«

»Mit den Händen, mit denen man alles fassen kann, was sich greifen läßt. Wollte fortlaufen, der Halunke; habe aber auch zwei Beine. Well!«

»Aber er hatte doch ein Messer!«

»Ich auch!«

»Hat er sich damit zur Wehr gesetzt?«

»Freilich. Habe ihm aber einen Klapps auf die Nase gegeben, daß sie bald aussehen wird wie damals die meinige, als sie die Aleppobeule hatte. Der da hat wohl auch einen Klapps erhalten?«

Er deutete dabei auf den Dieb, den ich brachte. Der seinige hielt die Nase in beiden Händen.

»Ja,« antwortete ich. »Jetzt reiten wir die Pferde, und diese beiden Gentlemen mögen sich auf unsere Kamele setzen.«

»Wohin geht's nun jetzt?«

»Gar nicht weit. Nur bis dahin, wo die Spitzbuben sich geteilt haben.«

»Geteilt? – Wieso?«

»Ist sehr einfach, Sir. Die Haddedihn haben den Diebstahl natürlich, sobald es Tag wurde, bemerkt und sich augenblicklich auf die Verfolgung gemacht. Um sie irre zu leiten, sind die Diebe auseinandergegangen, die einen nach Norden und diese beiden hier mit den erbeuteten Pferden westwärts. Wir reiten bis zu dieser Scheidestelle und werden da die Haddedihn bald kommen sehen.«

»Well! Werden Augen machen, wenn sie ihre Pferde so bald wiederbekommen, und nun gar von wem!«

Die beiden Abu-Ferhan – denn sie gehörten diesem Stamme wirklich an – mußten auf die Kamele steigen; dann ritten wir weiter, bis ihre Fährte mit derjenigen ihrer Genossen zusammenstieß. Dort stiegen wir wieder ab und setzten uns in das Gras. Die Pferde und Kamele begannen sofort zu weiden. Lindsay rieb sich vor Vergnügen die Hände und sagte:

»Bin doch begierig auf die Gesichter, welche wir sehen werden! Wird ein Hauptspaß werden. Nicht?«

»Ja, eine tüchtige Überraschung. Halef wird einer der Ersten sein, und Amad el Ghandur ist natürlich auch dabei.«

Hierbei muß ich bemerken, daß, als ich mit Halef von der Todeskarawane zu den Haddedihn zurückkehrte, Amad el Ghandur noch nicht wieder bei seinem Stamme angekommen war. Wir hielten ihn für verloren. Später aber langte er doch glücklich an. Er hatte den Tod seines Vaters an den Bebbeh-Kurden gerächt, jedoch mehr Zeit dazu gebraucht, als von ihm und auch von mir angenommen worden war.

Er bekleidete jetzt als Nachfolger Mohammed Emins die Stelle eines Scheiks der Haddedihn.

»Und Omar Ben Sadek mit seiner Schecke,« fügte Lindsay hinzu. »Freue mich darauf wie ein Schneesieber auf die Gurkenzeit. Ist doch etwas ganz Andres, wenn man mit Euch reist, Sir. Man erlebt etwas.«

»Macht mich nicht stolz, Mylord! Andere Leute haben auch ihre Erlebnisse.«

»Aber was für welche! Den Mylord laßt nur weg. Für Euch heiße ich Lindsay, David Lindsay, so wie es früher gewesen ist. Verstanden!«

Die beiden Gefangenen sagten kein Wort; der Eine starrte zur Erde nieder, und der Andere betastete unaufhörlich seine Nase, welche an Farbenreichtum und Ausdehnung sichtlich zunahm. Der Lord mußte ihm einen nicht gewöhnlichen Hieb auf dieselbe gegeben haben.

Da, als wir ungefähr eine Viertelstunde lang gesessen hatten, sahen wir eine ganze Menge Reiter am östlichen Horizonte auftauchen.

»Sie kommen, sie kommen!« lachte Lindsay am ganzen Gesichte. »Ich könnte ihnen gleich tausend Pfund Sterling schenken, so freue ich mich!«

Ja, sie kamen; sie näherten sich schnell, indem sie auf der Spur der Pferdediebe ritten. Sie sahen uns und hielten an, um uns zu betrachten. Sie bemerkten nebst unsern Kamelen einen Schimmel und einen Rappen. Diese Färbung der Pferde stimmte. Konnten es die ihrigen sein? Nein, denn dann wären wir die Diebe gewesen und hätten uns nicht hierher gesetzt und sie so ruhig herankommen lassen.

»Sir,« fragte der Engländer, »wer ist der hohe, bärtige Mann, welcher an ihrer Spitze hält?«

»Das ist Amad el Ghandur. Er trägt den Bart ebenso lang wie früher sein Vater, nur daß der seinige schwarz ist und derjenige von Mohammed Emin weiß wie Silber war.«

»Und der Alte neben ihm?«

»Ist Scheik Malek von den Ateïbeh, der Großvater von Hanneh, der Herrlichsten unter den Herrlichen.«

»Und der kleine Kerl seitwärts von diesem?«

»Unser Hadschi Halef Omar.«

»Well! Ihr habt bessere Augen als ich. Hält dort nicht einer auf einem scheckigen Pferde?«

»Ja. Das ist Omar Ben Sadek auf einem Aladschypferde. Sie haben uns noch nicht erkannt; jetzt aber kommen sie.«

»Well! Werde mich ihnen gleich in Lebensgröße zeigen.«

Er stand auf, streckte seine lange Gestalt womöglich noch länger und schritt ihnen entgegen. Sie stutzten wieder. Die sonderbare, graukarierte Figur frappierte sie. Da aber stieß der kleine Hadschi einen lauten Freudenruf aus, trieb sein Pferd vorwärts und rief dabei, sein Arabisch und Türkisch mit den wenigen deutschen und englischen Brocken, welche er sich gemerkt hatte, bereichernd:

»Maschallah, Wunder Gottes! That's Lord David Lindsay; ich erkenne ihn!«

Er kam hergeritten; der Lord ging ihm entgegen. Als sie sich trafen, sprang Halef vom Pferde und fragte:

»You hier bei uns! Allah 'l Allah! Habt Ihr von meinem guten Sihdi gehört? Wie geht es ihm? Hat er ein Weib genommen oder noch nicht? Was . – ?«

Die Frage blieb ihm im Munde stecken; ich hatte ihm den Rücken halb zugekehrt, stand aber jetzt auf und schritt auf ihn zu. Er bewegte zunächst kein Glied; dann breitete er die Arme aus, als ob er mich schon von weitem umfangen wolle, konnte aber nicht von der Stelle, sondern sank auf die Kniee nieder und bewegte die Lippen. Man sah, daß er sprechen wollte; er brachte aber kein Wort hervor; dabei rannen ihm dicke Tränen aus den Augen und über das Gesicht herab.

Ich war tief, tief gerührt von dieser außerordentlichen Gemütsbewegung, hob ihn empor und zog ihn an meine Brust. Da schlang er die Arme um mich, drückte sein Gesicht an mich und weinte und schluchzte zum Herzbrechen.

Nun wurden auch die Andern lebendig. Sie erkannten uns; sie erkannten auch den Hengst und die Schimmelstute; im nächsten Augenblicke wogte es um uns von Reitern, welche von den Pferden sprangen, von Rufen und Fragen. Aller Hände streckten sich nach uns aus; ich konnte keine einzige drücken, denn ich hatte vollauf mit meinem Halef zu tun, der sich endlich so weit beruhigte, daß er sprechen konnte, aber auch erst nur die Worte:

»Ya Sihdi, hajaji, na'imi, nuri esch schems, ya Allah, ya Allah – o Sihdi, mein Leben, mein Glück, mein Sonnenlicht, o Gott, o Gott!«

Dabei streichelte er mir mit beiden Händen das Gesicht und küßte den Saum meines Burnus. Für ihn war es in diesem Augenblick ganz gleichgültig, ob die beiden kostbaren Pferde gerettet waren oder nicht. Er hatte mich, das war ihm genug.

Um so größer aber war der Jubel der Andern darüber, daß die Tiere sich in Sicherheit befanden. Auch ich hatte Tränen in den Augen über Halefs tiefes Ergriffensein, und dennoch konnte ich nicht anders, ich mußte lächeln über die Art und Weise, in welcher der graukarierte Lord die Haddedihn begrüßte. Er suchte seinen ganzen arabischen und türkischen Wortvorrat zusammen, um ihnen zu sagen, wie sehr er sich über das Wiedersehen freue; er verfügte da über zwanzig oder höchstens dreißig Ausdrücke, und man kann sich denken, welch ein Unsinn dabei zustande kam.

Omar Ben Sadek hatte lange gewartet, um auch an mich zu kommen. Jetzt nahm er Halef einfach bei den Schultern, zog ihn von mir weg und sagte:

»Glaubst du denn, den Sihdi ganz allein für dich behalten zu können? Hier ist auch noch jemand, der ihn begrüßen will!«

Er drückte, ich mochte wehren, so sehr ich wollte, seine Lippen auf meine Hände und ließ nicht eher von mir ab, als bis Amad el Ghandur ihn zur Seite drängte, meine Rechte ergriff und zu mir sagte:

»Allah sei Dank, der dich wieder zu uns führt, Emir! Es wird große Freude sein in unserm Lager und viel Wonne unter unsern Zelten. Unsere Krieger werden euch mit dem La'b el Barud, dem Spiele des Pulvers, empfangen, und aus dem Munde der Frauen und Mädchen wird dein Lobgesang erschallen. Du sollst bei uns willkommen sein, wie noch nie Jemand bewillkommnet worden ist, denn du bist der beste unserer Freunde, und schon dein bloßes Nahen hat uns Heil gebracht. Du hast die zwei edelsten Pferde unseres Stammes gerettet. Willst du uns sagen, wie dir dies gelungen ist?«

Erst durch diese Frage des Scheiks wurde Halef veranlaßt, seine Augen von mir auf den Rappen zu wenden.

»Ja,« rief er aus, »noch hat mein Sihdi, der berühmte Hadschi Kara Ben Nemsi, seinen Fuß nicht zu uns gesetzt, so kommt von ihm uns schon das Glück entgegen. O, Sihdi, man hatte mir deinen Rih gestohlen, das Pferd meiner Seele, den Rappen meines Herzens. Welche Schande wäre über mich gekommen, wenn du die Räuber nicht besiegt hättest! Wie hast du es angefangen, sie und die gestohlenen Rosse auf euren langsamen Kamelen einzuholen?«

»Das sollst du gleich erfahren, wenn ich vorher auch diesen kleinen Ben Arab begrüßt habe, von dem ich wohl errate, wer er ist.«

 

Ein etwa achtjähriger Knabe saß auf einem vielleicht dreijährigen Rapphengste; er war nicht abgestiegen und hielt seine großen, dunklen Augen mit einem ganz eigenen Ausdrucke auf mich gerichtet. Ich reichte ihm die Hand und sagte:

»Wir haben uns seit drei Jahren nicht gesehen. Du bist Kara Ben Hadschi Halef, der Sohn meines Namens?«

»Ich bin es,« antwortete er, auf sein junges Pferd deutend. »Und dieser Rapphengst ist Assil Ben Rih, der Sohn dessen, den du meinem Vater geschenkt hast.«

»Wie? Rih hat einen Sohn?« fragte ich verwundert.

»Einen Sohn und eine Tochter,« antwortete Halef. »Durfte so ein Pferd ohne Nachkommen bleiben? Nein. Seine Nachkommen aber sollten ebenso schwarz werden, wie er selber ist; darum erkundigte ich mich nach der besten schwarzen Stute, welche aufzufinden war. Dieses berühmte Pferd wohnte in der arabischen Wüste auf der El Hamad-Ebene, und ich habe große Gefahren zu überwinden gehabt, ehe ich ihren glücklichen Besitzer begrüßen konnte. Diesem gefiel unser Rih, und er ging mit mir einen Vertrag ein. Rih sollte uns einen Sohn und eine Tochter geben; die Tochter sollte ihm, dem Besitzer der Stute, der Sohn aber mir, dem Besitzer des Hengstes, gehören. So ist es auch geschehen. Rih hat unsere Hoffnungen erfüllt und uns das gegeben, was wir von ihm wünschten; die Tochter ist zwei Jahre, der Sohn aber drei Jahre alt; hier siehst du ihn, o Sihdi. Er ist fast edler noch als Rih und trägt schon meinen Knaben, den Sohn der Lieblichsten unter den Schönsten. Sie beide sind Tag und Nacht beisammen, und wir haben ihm schon ein Geheimnis gelehrt, welches ich dir mitteilen werde, denn er ist ja dein Eigentum, wie auch Rih selbst dir gehört.«

»Nein, es gehört mir keiner von beiden,« antwortete ich. »Sie sind dein Eigentum.«

»Nein, das deinige!« behauptete er. »Du hast mir Rih, den herrlichen, anvertraut, weil er nur hier bei uns leben und gedeihen kann. Ich habe ihn gepflegt mit den Reichtümern, welche ich nur durch dich erhalten habe, und ihn während deiner Abwesenheit reiten dürfen; dadurch bin ich überreichlich belohnt für die Mühen, die ich auf ihn verwendet habe. Es sind dies auch gar keine Mühen gewesen, sondern Vorzüge und Wonnen, welche ich genossen habe. Du bist nun zu uns zurückgekehrt und wirst ihn wieder reiten. Ich hoffe nicht, daß du mir diese Bitte abschlagen wirst. Denn wenn dein Recht veraltet wäre, so hast du es dir dadurch aufs neue erworben, daß du das Pferd aus der Hand dieser Diebe errettet hast. Sag also ja, Sihdi; nimm ihn hin; du wirst mir eine große Freude damit bereiten, denn ich kann und mag meinen geliebten Sihdi nicht anders sehen, als auf dem Rücken des Pferdes, welches ihn in so großen Gefahren und zu großen Taten getragen hat.«

Es versteht sich ganz von selbst, daß ich ihm diesen Wunsch erfüllen mußte, selbst wenn es nicht meine Absicht gewesen wäre, dies zu tun. Ich nahm Rih also wieder von ihm an, doch, wie ich ihm ausdrücklich bemerkte, nur für die kurze Dauer meiner jetzigen Anwesenheit.

Dann erzählte ich, wie wir uns der beiden Abu-Ferhanaraber bemächtigt hatten. Sie wurden auf die Kamele gebunden, um mitgenommen zu werden. Der Raub so edler Pferde wird mit dem Tode bestraft, doch aus Freude über unsern Besuch versprachen mir Amad el Ghandur, Hadschi Halef und der alte Malek, daß die Ahndung eine weniger schwere sein solle.

Jetzt brachen wir nach dem Weideplatze der Haddedihn auf. Ein Bote wurde vorangeschickt, um die dort Befindlichen über unser Kommen zu unterrichten.

Wir hatten gegen drei Stunden zu reiten. Nach Verlauf dieser Zeit sahen wir eine große Wolke von Reitern, welche uns entgegengaloppiert kam. Sie stürmten mit großem Geschrei herbei, umringten uns und drangen von allen Seiten auf uns ein, so daß es den Anschein hatte, als ob sie uns niederrennen wollten. Sie jagten durcheinander, schrien Heil und Willkommen, rühmten meine Taten und schossen dabei im Jagen ihre Flinten ab, wobei außerordentlich viel Pulver verschwendet wurde. Aus diesem letzteren Grunde wird so ein Empfang, so eine Fantasie, La'b el Barud, Pulverspiel, genannt.

Es dauerte ohne Unterbrechung fort, bis wir die Zelte des Lagers erblickten. Von dorther tönte uns der Willkommgesang der Frauen und Mädchen entgegen. Sie hatten sich am Eingange des Zeltdorfes aufgestellt. An ihrer Spitze standen diejenigen Frauen, mit denen ich früher in Berührung gekommen war, voran die einstige Gebieterin des Scheiks Mohammed Emin mit ihren beiden Nebenfrauen, die ich bei meiner ersten Ankunft mit dem »heiligen« Wasser des Zem-Zem aus Mekka besprengt hatte. Die ehemalige Gebieterin war damals noch jung gewesen, aber unter dem Kummer über den Tod des Scheiks rasch gealtert. Lippen und Augenbrauen waren nicht mehr gefärbt; kein Schönheitspflästerchen lag auf Stirn und Wangen, und auch die großen goldenen Ringe fehlten, welche ihr von der Nase und den Ohren herabgehangen hatten. Ihr Nacken, ihre Knöchel, Arm – und Handgelenke waren frei von den Silberringen, Korallenstücken, Perlen, bunten Steinen und assyrischen Zylindern, welche sie früher geschmückt hatten. Neben ihr stand Amscha, die Heldin, noch immer so ernst und stolz, wie ich sie in der Steppe von Dschidda getroffen hatte, und zu ihrer Rechten Hanneh, Halefs Weib, die >Lieblichste der Frauen, die Sonne unter den Sternen des weiblichen Geschlechtes<. Sie dünkte mir noch ebenso jung und schön zu sein wie damals, als wir sie meinem braven Hadschi vermählten; ihre dunklen Augen waren mit sichtlicher Zuneigung und Ehrerbietung auf mich gerichtet.

Als wir unter Sang und Klang in die breite Zeltstraße eingeritten waren, blieben wir halten und stiegen ab und wurden in das größte, beste Zelt geführt, welches schnell für uns zubereitet worden war, nachdem der Bote unsere Ankunft gemeldet hatte. Hier stand Wasser zu unserer Reinigung. Während wir uns wuschen, meinte der Lord:

»Was man gleich tun kann, soll man nicht aufschieben, Sir. Wann wollt Ihr Eure Geschenke verteilen?«

»Meine Geschenke? – Ich habe keine.«

»Unsinn! Habt sie ja gesehen und mit eingekauft.«

»Aber nicht bezahlt; sie gehören Euch.«

»Möchte wissen! Sie gehören denen, für die sie bestimmt sind. Gebt sie ihnen!«

»Das zu tun ist Eure Sache.«

»Macht keine solchen Einwände! Wie kann ich, David Lindsay, diese arabischen Ladies beschenken!«

»Wenn Ihr nicht dürftet, wäre es mir auch verboten.«

»Pshaw! Was Ihr tut, das hat Schick. So etwas steht Euch besser an als mir. Möchte doch wissen, was ich dazu sagen sollte, wie ich mich dabei ausdrücken würde! Will doch lieber einen Löwen jagen als einer Lady ein Geschenk überreichen! Wenn Ihr mir das nicht abnehmen wollt, so werfe ich die dummen Sachen weg!«

Es waren keine dummen Sachen, sondern im Gegenteil recht nützliche, schöne und meist auch kostspielige Gegenstände. Ich entschied:

»Nun wohl, so will ich es für Euch tun, Sir; aber mit fremden Federn schmücke ich mich nicht; ich werde also Euern Namen nennen.«

»Nennt, wen Ihr wollt, meinetwegen den König von Portugal oder auch den Kaiser von Lappland und Kaffaria, wenn nur Jeder und Jede bekommt, was er oder sie bekommen soll. Mich aber laßt damit in Ruhe!«

Bald drang ein prächtiger Bratengeruch in unser Zelt. Ich ließ Halef kommen und übergab ihm die Geschenke zum Verteilen. Er selbst erhielt zwei schöne Revolver und ein großes, seidenes Turbantuch und war ganz entzückt darüber. Für Hanneh, die Prächtigste unter den Herrlichen, waren ein rotseidenes Gewand, ein Fingerring, zwei Ohrenreife, eine Halskette und ein aus Gold – und Silbermünzen bestehender Haarschmuck bestimmt. Wir sahen später, daß ihr Entzücken darüber ein außerordentliches war. Andere Frauen erhielten auch Geschenke, und ebenso wurden diejenigen Männer bedacht, welche früher mit uns in nähere Berührung gekommen waren.

Das Festmahl wurde im Freien gehalten. Es bestand meist aus denselben Gerichten, welche von früher her bekannt sind, da ich sie damals beschrieben habe. Nach dem Essen bat uns Amad el Ghandur, mit in sein Zelt zu kommen, wo er uns eine Bitte vorzutragen habe. Es versammelten sich dort die Ältesten des Dorfes. Malek und Halef waren auch dabei. Daß mein Hadschi mit hinzugezogen wurde, freute mich außerordentlich, denn ich ersah hieraus, daß er es verstanden hatte, sich in den Stamm einzuleben und die Achtung desselben zu erwerben.

»Emir,« begann der Scheik, »Ihr seid grad in einem wichtigen Augenblicke zu uns gekommen. Kannst du dich noch erinnern, an welchem Tage mein Vater, der Scheik Mohammed Emin der Haddedihn vom Stamme der Schammar, gestorben ist?«

»Sehr genau. Es war am zwölften Tage des Monats Haziran.«

»So ist es. Es sind darüber acht Jahre vergangen, und noch ist niemand an seinem Grabe gewesen, um die Gebete der Freundschaft und Verwandtschaft zu verrichten. Das läßt mich nicht länger ruhen. Ich will hinauf in die Berge, meine Pflicht zu tun, und der Stamm hat beschlossen, daß eine Anzahl tapferer Krieger mich begleiten solle, damit die Andacht in der Weise geschehe, wie es eines so berühmten Scheiks würdig ist. Wir wollten heut schon aufbrechen, ich mit zwanzig Mann, nachmittags um die Zeit des Asr; darum feierten wir gestern abend den Abschied bis in die Nacht hinein; unsere Wächter waren davon ermüdet, und so konnte es den Hunden der Abu-Ferhan glücken, unsere zwei besten Pferde zu stehlen. Nun seid ihr gekommen; die Gastfreundschaft gebietet uns, bei euch zu bleiben, und doch wollten wir am Todestage des Scheiks an seinem Grabe sein. Wir bitten dich, uns einen Rat zu geben, welcher von diesen beiden Pflichten wir folgen sollen.«

»Derjenigen, welcher ihr vor unserm Kommen folgen wolltet,« antwortete ich, kurz entschlossen.

»Du sagst, wir sollen hinauf in die Berge ziehen? Dann habt ihr nur gewöhnliche Krieger hier, die euch nichts bieten können.«

»Du irrst. Wir werden die Besten eures Stammes bei uns haben, nämlich euch.«

»Uns? – Wieso?«

»Das fragst du noch, Scheik? Ist nicht Mohammed Emin mein Freund und Bruder gewesen? Haben wir nicht nebeneinander gegen die Feinde der Haddedihn gekämpft? Sind wir nicht miteinander geritten wochenlang und haben Freude und Leid, Gefahren und Entbehrungen miteinander geteilt? Bin ich nicht an demselben Tage verwundet worden, an welchem Allah ihn zu sich rief? Habe ich ihn nicht mitbestattet und über seinem Grabe die Sure der Auferstehung gesprochen? Habe ich also nicht ein Recht, mit euch zu ziehen? Ist es nicht meine Pflicht, mit euch den Freund zu besuchen, der mich mit Liebe überschüttete und mir so teuer war?«

»Emir, du willst mit, wirklich mit?« rief da Amad el Ghandur freudig aus.

»Ja. Hoffentlich erlaubt ihr es mir!«

»O Allah, welche Frage! Ob wir dir es erlauben! Wir wagten nur nicht, dich darum zu bitten, da du für uns schon so viel getan hast. Nun können wir sicher sein, daß wir alle Fährlichkeiten überwinden werden.«

»Sind deren jetzt ungewöhnliche vorhanden?«

»Nicht mehr als sonst.«

»Welchen Weg wollt ihr einschlagen?«

»Denjenigen, welcher dir recht ist. Wir werden uns nach deinem Willen richten. Wir hatten beschlossen, nicht direkt nach der Grabstätte zu reiten. Meine Krieger wollten unsern damaligen Weg kennen lernen, um die Stätten zu betreten, an denen er in seinen letzten Tagen weilte; das glaubten sie, ihm schuldig zu sein, und ich war einverstanden, weil ich dasselbe Bedürfnis fühlte. Darum wollten wir hinüber nach dem Zagrosgebirge, zunächst zu dem Tschimarwalde, an welchem wir Heider Mirlam trafen. Das war die erste Stufe hinauf zu dem hohen Grabmale meines Vaters Mohammed Emin.«

»Ich bin einverstanden, denn auch ich möchte die Orte einmal wiedersehen, die wir damals berührten. Aber wie steht es mit den Bebbeh-Kurden? Sie waren unsere Feinde; du hast den Tod deines Vaters an ihnen gerächt; darum ist jeder Haddedihn, den sie in ihre Gewalt bekommen können, ihrer Blutrache verfallen. Wir werden uns vor ihnen hüten müssen.«

»Ja, das werden wir. Aber bedenke, daß wir ihnen in der jetzigen Jahreszeit leicht ausweichen können und von den andern Kurdenstämmen, durch deren Gebiet wir kommen, nichts zu fürchten haben. Wir werden zudem zwanzig tapfere Männer sein, und da du mit deinen Gewehren bei uns bist, so ist es grad so gut, als ob wir hundert wären.«

Da erhob sich mein kleiner Hadschi Halef Omar von seinem Sitze, versuchte, die dreizehn Haare seines dünnen Schnurrbartes martialisch in der Luft zu wirbeln, räusperte sich, was er stets tat, wenn er im Begriffe stand, eine seiner großen, berühmten Reden zu halten, und sprach:

»Hört, ihr Männer, ihr Tapferen, ihr Unüberwindlichen; ich will zu euch reden! Es war am zwölften Tage des Monates Haziran, den mein lieber und berühmter Effendi Kara Ben Nemsi Emir aber Juni nennt, an welchem Mohammed Emin, der große Scheik der Haddedihn, im Kampfe gegen die Bebbehkurden gefallen ist. Sein Ruhm erklingt in allen Ländern der Erde, denn wir haben siegreich an seiner Seite gestritten, wobei mein guter Sihdi einen Lanzenstich, und ich einen Schuß in den rechten Oberschenkel erhielt. Wir haben beschlossen, diesen Todestag feierlich zu begehen, indem wir zum Grabe des Scheiks reiten und an demselben unsere Andacht verrichten. Wir wollen dabei keineswegs Blut vergießen, denn der Tod Mohammed Emins ist schon gerächt worden, und ich habe von meinem Sihdi gelernt, meine Gnade und Barmherzigkeit über meine Feinde walten zu lassen. Unser Ritt soll ein Ritt der Andacht und des Friedens sein. Darum bitte ich euch, denselben so einzurichten, daß wir jede Begegnung mit Leuten, die uns nicht freundlich gesinnt sind, vermeiden und den großen Hadschi Kara Ben Nemsi unsern Führer sein lassen. Er wird uns so leiten, daß jeder Kampf vermieden wird. Indem ich dies sage, glaube ich nicht, von einem von euch für feig gehalten zu werden. Ich wäre bereit, sofort auf Tod und Leben mit ihm zu kämpfen!«

 

Er setzte sich wieder nieder und ich antwortete:

»Es kann keinem von uns einfallen, den braven Hadschi Halef Omar, welcher seine Tapferkeit so oft erwiesen hat, für mutlos zu halten. Er hat mir aus der Seele gesprochen: Unser Ritt soll ein friedlicher sein. Die große Ehre aber, euer Anführer zu sein, darf ich nicht für mich beanspruchen; ein jeder von euch ist ein ebenso tapferer, erfahrener und umsichtiger Krieger, und Amad el Ghandur ist euer Scheik; ich jedoch bin euer Gast und stelle mich ihm gern unter.«

Darauf gingen die Haddedihn aber nicht ein; alle widersprachen mir, und Amad el Ghandur machte die entscheidende Bemerkung:

»Sihdi, du hörst, daß keiner von uns auf diesen deinen Vorschlag eingehen will. Du bist damals unser Führer gewesen und sollst es auch jetzt wieder sein.«

»Ich bin aber doch fremd in diesem Lande, und du kennst es viel besser als ich.«

»Nein, du bist hier nicht mehr fremd, und dein Verstand findet sogar die Wege aller Gegenden, in denen du noch nie gewesen bist; wir haben das so oft gesehen und erfahren. Rede uns also nicht darein; du sollst uns wieder führen.«

Damit war dieser Punkt abgemacht, denn ich widersprach nicht mehr, weil ich dachte, daß es allerdings besser sei, wenn die leicht erregbaren Beduinen mir und nicht ihren eigenen Eingebungen zu folgen hatten.

Die andern weniger wichtigen Punkte waren bald auch besprochen, und wir kamen zu dem Entschlusse, übermorgen früh aufzubrechen. Freilich wollten die Haddedihn die Reise viel lieber zur Zeit des Asr, des Nachmittagsgebetes, antreten, weil dies die Stunde ist, in welcher alle strenggläubigen Mohammedaner ihre Reisen zu beginnen pflegen, doch stimmten sie mir endlich bei, nachdem ich ihnen bewiesen hatte, daß wir nicht in der Lage waren, einen Dreiviertelstag zu versäumen. Wir hatten uns im Gegenteil sehr zu sputen, wenn wir am Todestage Mohammeds an seinem Grabe eintreffen wollten.

Omar Ben Sadek befand sich auch unter denen, welche für diesen Ritt bestimmt waren; er hätte sich auf keinen Fall davon abhalten lassen und war geradezu begeistert darüber, wieder einmal einen solchen Zug mit mir unternehmen zu können. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß er und sein Weib Sahama auch sehr reichlich beschenkt worden waren.

Halef bat mich, in dieser Nacht an meiner Seite schlafen zu können; ich gewährte es dem treuen Kerlchen gern, obgleich ich voraussah, daß vom Schlafe nicht sehr die Rede sein werde. Es kam auch so, wie ich gedacht hatte: ich mußte ihm erzählen, und auch er hatte mir so viel Neues und Interessantes zu berichten, daß wir erst gegen Morgen die Augen schlossen und schon nach einer Stunde durch das erwachende Lagerleben wieder aufgeweckt wurden.

Es gab zum Frühstück einen Kaffee, mit dem wir zufrieden sein konnten, und duftende Kebab, kleine, über dem Feuer geröstete Fleischstücke, welche sehr gut schmeckten. Dann führte Halef mich in sein Zelt, denn Hanneh, die »Lieblichste der Frauen und Töchter«, sehnte sich, mich bei sich zu sehen. Sie bereitete uns ein zweites, sehr delikates Frühstück, und der Hadschi war unendlich glücklich, als er sah, mit welcher Achtung und Höflichkeit ich seine >Schönste unter den Schönen< behandelte. Nach dem Mahle fragte er mich:

»Sihdi, du hast gestern Kara Ben Halef, meinen Sohn, auf seinem Pferde sitzen sehen. Wie reitet er?«

»Sehr gut,« antwortete ich, ihn erwartungsvoll anblickend, denn ich kannte ihn und hatte schon längst bemerkt, daß er etwas Wichtiges auf dem Herzen hatte. Meine Antwort war nicht bloß aus Rücksicht für seinen Vaterstolz gegeben; ich fuhr vielmehr der Wahrheit gemäß fort: »Ich habe noch nie einen Knaben dieses Alters sein Pferd so regieren sehen. Er reitet wirklich wie ein Erwachsener.«

Seine und Hannehs Augen leuchteten vor Entzücken; er rief aus:

»Wie stolz du mich mit deinen Worten machst, o Sihdi! Ich selbst bin sein Lehrer gewesen: darum tut dies Wort aus deinem Munde mir zehnfach wohl. Nun sollst du ihn aber auch schießen sehen. Willst du die Güte haben, mit mir hinauszugehen?«

Er führte mich vor das Lager, wo Kara Ben Hadschi Halef Omar schon auf uns wartete; er war mit einem Doppelgewehre, zwei Pistolen und einem Revolver ausgerüstet. Ein Pfahl steckte in der Erde. Auf diesen deutend, sagte Halef:

»Sihdi, wie oft hast du, wenn du dich in Not und Gefahr befandest, auf so einen Pfahl geschossen, um deinen Feinden zu zeigen, wie unfehlbar deine Kugeln sind, und daß sie verloren sein würden, wenn sie es wagten, dich anzugreifen. Ich habe mich später auf dieselbe Weise geübt und dann auch meinem Sohne Unterricht gegeben. Er mag dir zeigen, was er gelernt hat. Erlaubst du es?«

Ich hatte selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden. Der Knabe schoß auf äußerster Tragweite seiner Waffen und tat keinen einzigen Fehlschuß. Jede Kugel saß, so wie es Halef von mir gesehen hatte, einen Zoll tiefer von der vorigen entfernt in der Zeltstange.

»Nun, Sihdi, genügt dir diese Probe?« fragte mich sein Vater.

»Natürlich,« antwortete ich. »Er wird ein Krieger wie sein Vater werden, und ich bin stolz darauf, daß er meinen Namen Kara trägt.«

»Er soll ein Held werden, wie du bist, o Emir. Folge mir wieder in mein Zelt zurück, denn ich und Hanneh, die beste unter den Frauen und Müttern, haben dir eine Bitte vorzutragen.«

Ich ahnte, welcher Wunsch dies war, und hatte mich in meiner Vermutung auch nicht getäuscht, denn als wir wieder im Zelte beisammen saßen, sagte er:

»Mein Sohn soll seinen ersten Zug nicht unter einer gewöhnlichen Führung machen; ich wäre außerordentlich glücklich, ihn unter deiner Leitung zu sehen. Soll ich da warten, bis du später einmal wiederkommst? Kann man überhaupt wissen, ob Allah gewillt ist, uns noch einmal mit deiner Gegenwart zu erfreuen? Jetzt aber bist du hier und wirst uns nach dem Grabe des Scheiks führen. Soll ich da nicht diese Gelegenheit ergreifen, meinen Nachfolger im Schatten deiner Vortrefflichkeit reiten zu sehen? Erlaube mir also, ihn mitzunehmen, o Sihdi; meine Dankbarkeit wird ohne Grenzen sein!«

»Er ist zu jung, mein lieber Halef,« warf ich ein.

»Darf man die Jugend oder das Alter nach Zahlen messen? Es gibt junge Menschen, welche wie alte handeln, und wiederum sieht man oft alte Leute, welche nicht klüger als unerfahrene Kinder sind.«

»Das ist richtig. Ich sehe, daß dein Kara Ben Halef weit über seine Jahre vorgeschritten ist; aber sein Körper ist wohl noch nicht widerstandsfähig genug, um einen solchen schnellen, weiten und anstrengenden Ritt, wie wir ihn vorhaben, aushalten zu können.«

»Denke das ja nicht, o Sihdi! Er ist abgehärtet wie ein Alter. Ich habe ihn in diesem Jahre mit in Basra gehabt, gewiß ein weiter Ritt, viel, viel weiter als derjenige, den wir jetzt vorhaben, und er war bei der Rückkehr so munter und so frisch, wie er beim Aufbruche gewesen war. Ich sage dir, er hält es aus, er hält es aus, vielleicht besser als ein Krieger von dreißig oder vierzig Jahren. Es würde mich sehr schmerzen, wenn du mir meinen Wunsch nicht erfüllen wolltest.«