Za darmo

Der Schut

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Wir zählten acht Personen und erkannten, als sie nahe genug gekommen waren, die beiden Aladschy, Suef, den Wirt, den Köhler, den Alim und noch zwei Reiter. Die Kleidung der beiden letzteren ließ vermuten, daß sie Knechte des Köhlers waren. Sie waren uns also doppelt überlegen, und wir mußten annehmen, daß auch der Köhler Pferde besaß, die wir aber nicht bemerkt hatten. Da sie alle mit Gewehren versehen waren und in der Stube nicht so viele gehangen hatten, so stand fest, daß Scharka einen verborgenen Vorrat von Waffen besaß.

Diese acht Reiter folgten der Richtung, in welcher sie uns vermuteten. Dort, wo die Wagengeleise auseinander gingen, hielten sie an, um den Boden zu untersuchen. Sie sahen, daß wir in der von ihnen gewünschten Weise weiter geritten waren, und folgten unserer Spur, bis wir sie aus den Augen verloren.

Von jetzt an warteten wir wohl gegen zwei Stunden. Dann sahen wir sie langsam zurückkehren. An der erwähnten Stelle blieben sie halten und sprachen sehr angelegentlich miteinander, wie aus ihren lebhaften Gebärden zu erkennen war. Dann trennten sie sich. Der Alim ritt mit den beiden Aladschy rechts ab, in der Richtung nach Kolutschin zu; die Andern kehrten in das Tal des Teufelsfelsens zurück.

Diese Letzteren ritten langsam. Wir sahen es ihrer Haltung und ihren Bewegungen an, daß sie sehr enttäuscht waren. Die Ersteren aber stürmten im Galopp quer über unser Gesichtsfeld. Sie hatten Eile, weil der Alim den Lord abzuholen beabsichtigte. Als von beiden Teilen nichts mehr zu sehen war, begaben wir uns zu unsern Pferden, wo wir Laub und trockene Aeste sammelten, um uns ein Feuer anzumachen, an welchem Schinken und Tatzen des Bären gebraten werden sollten. Fleisch hatten wir mehr, als wir bis morgen abend bedurften.

Die Zeit der Dämmerung war hereingebrochen, und es wurde finster an unserm Lagerplatz. Das gab eine kleine Urwaldszene, über welche meine Begleiter großes Vergnügen empfanden.

Ganz natürlich folgte nun eine ausführliche Besprechung aller Erlebnisse der letzten Tage; wir hatten ja genug Zeit dazu. Dann legten wir uns zur Ruhe. Vorher aber wurde die Reihenfolge der Wache bestimmt. Wir hatten zwar eine Ueberraschung wohl kaum zu befürchten, aber Vorsicht ist in keiner Lage überflüssig, und überdies mußte der Wachende das Feuer unterhalten, denn es war hier zwischen den Bergen des Schar Dagh eine kühle Nacht zu erwarten.

Am nächsten Morgen und am Mittag gab es ganz dieselbe Speisekarte wie am Abend vorher, und das Gespräch drehte sich ausschließlich wieder um das gestrige Thema. Wir fühlten uns erfrischt und gekräftigt, und auch unseren Pferden war es anzusehen, daß die lange ausgiebige Ruhe ihnen wohlgetan hatte. Beide, sowohl Menschen wie auch Tiere, waren nun befähigt, weitere Strapazen zu ertragen.

Am Nachmittag ritt ich einmal allein fort, um drüben bei den Steinwänden, welche das Tal des Teufelsfelsen umgaben, einen Ort ausfindig zu machen, um des Abends unsere Pferde sicher unterzubringen. Der Köhler hatte gemeint, daß der Engländer bereits am Abend eintreffen könne; um diese Zeit mußten wir uns also in der Nähe befinden, um demselben Hilfe zu bringen.

Ich mußte einen Umweg machen, um nicht etwa von drüben aus gesehen zu werden. Doch trug mein schnelles Pferd mich sehr bald hinüber, und es gelang mir, ein Versteck zu entdecken, welches für meine Absichten ganz geeignet war. Dasselbe lag in der Nähe beim Eingang des Tales.

Als ich dann wieder bei den Gefährten eintraf, war es nun auch bereits Zeit, aufzubrechen, denn die Sonne hatte sich im Westen gesenkt, und bis wir das Versteck erreichten, mußte es vollständig dunkel sein.

Wir gaben uns keine Mühe, unsere Spuren zu verbergen; am Abend waren sie doch nicht zu bemerken. Drüben angelangt, zogen wir die Pferde zwischen die Büsche, und dann machte ich mich mit Halef auf, um die saubere Gesellschaft zu beschleichen. Osko und Omar, welche zurückbleiben mußten, erhielten die Weisung, sich ganz ruhig zu verhalten und den Ort auf keinen Fall vor unserer Rückkehr zu verlassen.

Es war nun vollständig dunkel; aber da wir die Gegend leidlich gut kannten, gelangten wir, ohne eine Störung zu erfahren, in die Nähe des Köhlerhauses. Zwischen diesem und dem bekannten Meiler brannte ein helles Feuer, an welchem alle saßen, welche wir hier zu treffen erwartet hatten.

Uns vorsichtig am Rand der kleinen Lichtung hinschleichend, erreichten wir das jenseitige Gebüsch und krochen durch dasselbe dem schmalen Weg zu, welcher von der Eiche herabkam und bei dem Meiler mündete. Dort setzten wir uns nieder.

Die Männer befanden sich so weit von uns entfernt, daß wir wohl ihre Stimme vernahmen, aber die Worte nicht verstehen konnten. Allem Anscheine nach waren sie nicht in der besten Stimmung. Die Blicke, welche sie fleißig nach der Richtung des Taleinganges warfen, ließen vermuten, daß sie das baldige Erscheinen des Alim und seines Gefangenen erwarteten.

Es war auch wirklich kaum eine Viertelstunde vergangen, seit wir hier saßen, so hörten wir Pferdegetrappel. Die am Feuer Sitzenden sprangen auf. Sechs Reiter kamen. Zwei von ihnen waren auf die Pferde gebunden – der Lord und ein Anderer, jedenfalls sein Dolmetscher. Einer der andern Vier war der Alim, welcher aus dem Sattel sprang und zu den Wartenden trat. Er wurde mit sichtlicher Genugtuung bewillkommnet. Dann band man die Gefangenen von den Pferden los, hob sie herab und schlang ihnen die Stricke wieder um die Füße; an den Händen waren sie auch gebunden. So wurden sie auf den Boden gelegt. Die Männer der Eskorte lehnten ihre Gewehre an die Mauer des Hauses und setzten sich gleichfalls an das Feuer.

Es war schade, daß wir gar nichts verstehen konnten; denn es wurde jetzt sehr lebhaft gesprochen. Doch dauerte dies nicht lange. Sie standen auf, um die Gefangenen nach dem Meiler zu tragen, dessen Eingang der Köhler in der bereits beschriebenen Weise öffnete.

Jetzt waren sie so nahe, daß wir jedes Wort hörten. Der Alim sagte zu dem gefesselten Dolmetscher:

»Ich sagte dir bereits, daß du gar nichts zu befürchten hast. Wir haben dich mitgenommen, weil wir den Inglis nicht verstehen können. Du sollst sogar ein Bakschisch für die ausgestandene Angst erhalten. Der Inglis muß es auch bezahlen. Er weigerte sich freilich bisher, auf unser Verlangen einzugehen, aber wir werden ihn schon zu zwingen wissen und rechnen dabei auf deine Hilfe. Wenn du ihm rätst, von seiner Halsstarrigkeit zu lassen, so ist es zu deinem eigenen Vorteil, denn je eher er zahlt, desto schneller wirst du frei.«

»Und wird auch er frei werden, sobald er das Geld bezahlt hat?« fragte der Dolmetscher.

»Das ist nicht deine, sondern unsere Sache. Läßt man etwa jemand frei, daß er sich nachher rächen kann? Das mußt du ihm aber natürlich verschweigen. Ihr werdet jetzt in eine Höhle gesteckt. Sprich mit ihm! In einer Viertelstunde komme ich hinein. Weigert er sich auch dann noch, mir ein Hawale tahwil (* Anweisung.) auf seinen Saraf (** Bankier.) zu geben, so erhält er tüchtige Prügel, welche ihn sicherlich eines Besseren belehren werden. Er bekommt weder Essen noch Trinken, bis er gehorcht; dagegen soll er um so reichlicher mit Hieben bewirtet werden.«

»Was sagt dieser Schurke?« fragte Lindsay in englischer Sprache.

»Daß wir jetzt in eine Höhle gesteckt werden,« antwortete der Dragoman. »Sie sollen weder Essen noch Trinken, sondern nur Prügel erhalten, bis Sie die verlangte Anweisung schreiben. Aber Sie dürfen das nicht tun, denn ich höre soeben, daß Sie dennoch getötet würden. Natürlich soll ich Ihnen das nicht verraten. Aber sie haben mich engagiert, und ich halte zu Ihnen, nicht aber zu diesen Schuften. Vielleicht gelingt es uns doch, einen Weg zur Flucht zu finden.«

»Großen Dank!« antwortete der Engländer in seiner kurzen Weise. »Sollen keinen Para erhalten, diese Schurken. Mögen mich totprügeln! Well!«

»Nun, was hat er dazu gesagt?« fragte der Alim.

»Daß er nichts bezahlen wird.«

»Er wird bald anders sprechen. Hinein also mit euch! In einer Viertelstunde komme ich nach.«

Es wurde jedem der Beiden ein Strick unter den Armen hindurch gesteckt, an welchem zwei in die Höhle vorankriechende Köhlerknechte sie hineinzogen. Als diese wieder herauskamen, hörte ich im Innern des Meilers eine Kette klirren und schloß daraus, daß der Stein vor dem Eingang befestigt worden war.

»Hätten wir den Lord nicht gleich jetzt heraushauen können?« fragte mich Halef leise.

»Nein, wir haben unsere Gewehre zurückgelassen.«

»Was tut das? Wir tragen unsere Messer und Pistolen bei uns, und du hast die Revolver. Das ist genug.«

»Selbst wenn es gelungen wäre, die Wichte zu vertreiben, woran ich gar nicht zweifle, würden sie dann über uns hergefallen sein, während wir die Fesseln der Gefangenen lösten. Nein, wir müssen vorsichtiger verfahren. Komm jetzt zur Eiche!«

Wir machten uns auf den Weg, wobei wir uns freilich mehr auf das Gedächtnis und den Tastsinn als auf unser Gesicht verlassen mußten, denn es war hier unter den Bäumen so finster, daß wir nicht die Hand vor den Augen sahen. Dennoch erreichten wir den Baum schon nach zehn Minuten.

Auch hier oben herrschte eine wahrhaft ägyptische Finsternis. Wir wußten aber gut Bescheid und stiegen in derselben Weise hinauf und hinein, wie wir es gestern gemacht hatten.

Nun galt es, jedes Geräusch zu vermeiden, da der Alim sich bereits in der Höhle befinden konnte. Ich riet Halef, nicht mit den Füßen von Schlinge zu Schlinge zu steigen, sondern sich, wie ich es tat, mit den Händen an der Leiter wie an einem Strick hinab zu lassen. Ich glitt voran, und er folgte mir.

Als wir unten in der Ecke hinter der Mauer anlangten, war alles finster; doch kaum hatten wir den Boden unter den Füßen, so wurde es hell. Als ich einige Stufen der Leiter wieder emporgestiegen war und nun über die Kante der Mauer in die Höhle blicken konnte, sah ich den Alim, welcher hereingekrochen war und nun vor den beiden gefesselt am Boden Liegenden stand. In der einen Hand hielt er eine Talgkerze, in der andern die Peitsche. Messer und Pistole hatte er abgelegt, wohl weil er gedacht hatte, daß sie ihm beim Kriechen hinderlich seien.

 

Das folgende Gespräch wurde nun in der Weise geführt, daß die türkischen Fragen dem Engländer durch den Dolmetscher in englischer Sprache, die englischen Antworten des ersteren aber dem Alim auf Türkisch übermittelt wurden.

Der »Gelehrte« band zunächst den Strick von den Füßen des Dragoman los und sagte:

»Ich will dir die Fesseln halb lösen, damit du dich aufrichten kannst. Die Hände freilich werden gebunden bleiben. Jetzt frage ihn, ob er das Geld bezahlen will.«

Der Dolmetscher sprach die Frage aus.

»Nie, nie!« antwortete der Lord.

»Du wirst es doch tun, denn wir zwingen dich!«

»Sir David Lindsay läßt sich von keinem Menschen zwingen!«

»Wenn nicht von einem Menschen, so doch durch die Peitsche, welche wir sehr kräftig handhaben.«

»Wage es!«

»O, das ist gar kein Wagnis!«

Er versetzte dem Lord einen Hieb. Halef stieß mich an – er wollte, daß ich sofort eingreifen sollte. Aber ich ließ mich zu keiner voreiligen Handlung hinreißen.

»Bube!« rief der Lord. »Das sollst du mir entgelten.«

»Was sagte er?« fragte der Alim.

»Daß ihn Schläge nicht zwingen werden,« antwortete der Dragoman.

»O, er wird anders pfeifen, wenn er fünfzig oder hundert bekommen hat. Wir wissen, daß er Millionen besitzt. Er hat es ja selbst gesagt. Er soll und muß zahlen. Sage ihm das!«

Es nützte nichts, die Drohungen zu wiederholen, welche Lindsay bewegen sollten, seine Einwilligung zu geben. Er blieb bei seiner Weigerung, obgleich er noch einige Hiebe erhielt.

»Nun gut!« rief der Alim. »Ich gebe dir eine Stunde Zeit. Kehre ich dann zurück, so bekommst du hundert Peitschenhiebe auf den Rücken, falls du noch nicht zum Gehorsam geneigt bist.«

»Wage es!« drohte der Lord. »Du würdest die Hiebe dreifach wieder bekommen!«

»Von wem denn?« lachte der Andere.

»Von dem Effendi, von welchem wir unterwegs gesprochen haben.«

»Dieser Fremde wird nie etwas von dir erfahren, obgleich du ihm entgegen geritten bist.«

»Er wird mich sicher finden!«

»Da müßte er allwissend sein. Er weiß ja nicht einmal, daß du ihn suchst.«

»Er wird in Rugova erfahren, daß ich dagewesen bin und mich nach ihm erkundigt habe. Wenn er erfährt, daß ich so plötzlich verschwunden bin, so wird er meine Spur verfolgen, und die führt ihn sicherlich hierher.«

»Deine Spur? Wie will er sie finden? Kein Mensch weiß, wo du bist. Am Abend bist du verschwunden, und von da an bis jetzt haben nur unsere Freunde dich gesehen.«

»So wird er diese Kerle zwingen, es ihm zu sagen.«

»Dann müßte er wissen, daß du nach dem Karaul gebracht worden bist. Und das wissen nur zwei, der Schut und ich.«

»Schadet nichts! Er bekommt es doch heraus. Was seid ihr Beide gegen ihn und seinen Hadschi!«

»Hund, sprich nicht so! Es ist ganz unmöglich, daß er dich entdeckt. Und wenn er es täte, so wäre es um ihn geschehen. Er müßte uns in die Hände laufen und würde von uns totgepeitscht. Laß dich ja nicht von dieser Hoffnung des Wahnsinns täuschen! Es wird dich kein Mensch hier entdecken und du kannst dich nur durch Anweisung der geforderten Summe retten. Damit du überzeugt davon bist, will ich dir sagen, daß dieser Effendi in diesem Augenblick jedenfalls schon in demselben Karaul steckt, aus welchem ich dich geholt habe, er und seine drei Begleiter. Und ihnen werden wir nie den Vorschlag machen, sich loszukaufen; sie dürfen die Freiheit niemals wiedersehen und werden ihr Leben lassen müssen.«

»Was fällt dir ein!« rief der Engländer, als diese Worte ihm übersetzt worden waren. »Ihr seid nicht die Kerle, um diese meine Freunde gefangen zu nehmen. Und selbst, wenn euch dies gelänge, so würdet ihr sie durch keine Fessel länger halten können, als es ihnen beliebt.«

»Du machst dich lächerlich! Ich werde dir beweisen, daß diese Kerls sich vor uns in den Staub werfen werden, um uns um Gnade anzuwinseln. Sie sollen mit dir in einem Loch stecken, und du wirst mit ihnen sterben, wenn du bei deinem Vorsatz bleibst, dich nicht loszukaufen. Ich gehe jetzt, du hast eine Stunde Zeit. Besinne dich wohl und wähle das, was das einzige Mittel zur Rettung deines Lebens ist. Denke ja nicht, daß du von hier entkommen kannst. Auf allen vier Seiten seid ihr von Felsen umgeben; der Boden und die Decke bestehen aus Felsen und es gibt nur den einzigen Weg durch dieses Loch herein und hinaus. Dieses aber ist verschlossen und ihr seid ja überhaupt gefesselt, so daß ihr gar nichts zu unternehmen vermögt. Dem Dolmetscher werde ich zu seiner Erleichterung die Füße frei lassen; er kann nicht dafür, daß du dich hartnäckig weigerst, mein Gebot zu erfüllen.«

Jetzt legte er sich auf den Boden nieder und kroch wieder hinaus. Wir hörten, daß der Stein in das Loch gezogen und angekettet wurde.

Einige Augenblicke blieb alles still; dann hörten wir den Engländer sagen:

»Famose Lage! – Nicht? Wie?«

»Ja,« stimmte der Dolmetscher bei. »Ich glaube nicht, daß eine Rettung möglich ist.«

»Pshaw! Sir David Lindsay stirbt nicht in diesem Felsenloch.«

»So wollen Sie sich loskaufen?«

»Fällt mir nicht ein. Sobald die Schufte das Geld hätten, würden sie mich töten.«

»Ganz gewiß. Aber wie sollen wir herauskommen? Ich bin überzeugt, daß es nur diesen einen Aus – und Eingang gibt. Und selbst wenn es einen andern Weg gäbe, würden unsere Fesseln uns hindern, irgend etwas zu unserer Befreiung zu tun. So müssen wir den Gedanken an Rettung aufgeben.«

»Non-sense! Wir kommen frei!«

»Auf welche Weise!«

»Wir spazieren hinaus.«

»Aber wer macht uns auf?«

»Mein Freund, den diese Schufte den deutschen Effendi nennen.«

»Sie haben ja gehört, daß er selbst bereits gefangen ist!«

»Fällt ihm nicht ein!«

»Seien Sie nicht so sicher! Sie wissen, wie es uns gegangen ist. Man hat uns gar nicht Zeit zur Gegenwehr gelassen.«

»Ist bei ihm gar nicht nötig. Er ist nicht so dumm, wie wir, in eine solche Falle zu laufen.«

»Selbst wenn sie ihm nichts anhaben können, dürfen wir nicht auf ihn rechnen. Er kann unmöglich erfahren, was mit uns geschehen ist und wo wir uns befinden.«

»Da kennen Sie ihn eben nicht. Er kommt sicher!«

»Ich bezweifle es. Es wäre ein Weltwunder.«

»Wollen wir wetten?«

»Nein.«

»Warum nicht? Ich behaupte, daß er ganz plötzlich hereinspaziert kommt. Wie hoch wollen wir wetten?«

Selbst diese Gelegenheit benutzte Sir David Lindsay zu einer Wette; es war das eine seiner Leidenschaften. Aber der Dolmetscher machte es so, wie ich es stets gemacht hatte; er ging nicht darauf ein, sondern er sagte: »Ich habe weder Geld noch Lust zu einer Wette und möchte auch wissen, wie es ihm gelingen sollte, so gemächlich hereinspaziert zu kommen.«

»Das ist seine Sache. Ich setze meinen Kopf, daß er kommt!«

»Ist schon da!« rief ich jetzt laut. »Ihr hättet eure Wette gewonnen, Sir.«

Für kurze Zeit blieb es still; dann aber ertönte die frohlockende Stimme des Engländers:

»All devils! Das war seine Stimme! Ich kenne sie genau. Seid Ihr da, Master Charley?«

»Ja, und Halef ist bei mir.«

»Heigh-day! Sie sind's; sie sind's! Habe ich es nicht gesagt? Der Kerl kommt, bevor wir es nur denken können. O Himmel, welch eine Wonne! Nun sind wir es, welche Prügel austeilen werden. Aber Master, wo steckt Ihr denn?«

»Hier im Winkel. Ich werde sogleich bei Euch sein.«

Halef konnte zurückbleiben; ich aber ließ den untersten Teil der Leiter über die Mauer hinüber und stieg drüben hinab.

»So, da bin ich! Nun reicht eure Arme und Beine her, Sir, damit ich die Stricke zerschneide. Dann machen wir uns schleunigst aus dem Staub.«

»O nein! Wir bleiben hier.«

»Wozu?«

»Um diesem Schuft seine eigene Peitsche zu geben, wenn er nachher kommt.«

»Das werden wir freilich tun, aber nicht hier. Die Peitsche ist Neben-, die Freiheit aber Hauptsache. Wir wollen nicht allein diesen Alim haben, sondern auch die Andern. So, steht auf, Mesch'schurs, und kommt mit dahin zur Wand!«

Ich hatte die Fesseln zerschnitten und schob nun beide gegen die Mauer.

»Was ist denn dort? Eine Türe etwa?« fragte Sir David.

»Nein, aber ein Felsenloch, welches wie ein Schornstein zur Höhe führt und in einen hohlen Baum mündet. Es hängt eine Strickleiter drin, mit deren Hilfe wir hinaufsteigen werden. Aber ich besorge, daß Ihr Euch nicht auf Eure Hände verlassen könnt.«

»Wenn es sich um die Freiheit handelt, so werden sie ihre Schuldigkeit tun. Well! Ich fühle bereits, daß die Zirkulation des Blutes wieder in ihnen beginnt.«

Beide schlugen die Hände gegeneinander, um sie zu beleben. Ich zog mein Laternenfläschchen heraus, ließ Luft hinein und beleuchtete nun die Leiter und die Mauer so, daß sie sich zu orientieren vermochten. Dabei erklärte ich ihnen die Einrichtung des ganzen Apparates.

»Höre schon, höre schon!« sagte der Engländer. »Wird prächtig gehen. Aergere mich nur, daß Ihr mir nicht Zeit laßt, den Schurken hier zu erwarten.«

»Wir treffen ihn draußen.«

»Wirklich? – Gewiß?«

»Ja. Wir steigen zum Meiler hinab, durch den sie Euch in die Höhle gezogen haben. Dort sitzen die Kerle beim Feuer, und wir werden ihnen sehr liebenswürdig Gesellschaft leisten.«

»Very well, very well! Macht nur nun schnell, daß wir zu ihnen kommen! Und nehmt es nicht übel, daß ich jetzt nicht Dank sage; dazu ist es später auch noch Zeit.«

»Natürlich! Steigt voran! Ich folge Euch. Dann mag der Dolmetscher kommen, und Halef macht den Nachtrab.«

»Der? Wo steckt denn dieser wackere Hadschi?«

»Er wartet jenseits der Mauer. Also vorwärts, Sir! Ich halte Euch, falls Eure Hände Euch den Dienst versagen sollten.«

Der Aufstieg begann. Er ging natürlich nicht allzu schnell vor sich, denn es stellte sich heraus, daß die Hände der Beiden durch die Fesseln allerdings gelitten hatten. Doch gelangten wir glücklich hinaus.

Als ich ihnen dann auch von dem Baum herab geholfen hatte, was wegen der Finsternis sehr notwendig war, stieg ich wieder in den Baum und zog die Strickleiter empor. Nachdem ich sie durch das Loch nach außen gelassen hatte, schnitt ich sie innen ab und warf sie hinab. Dann stieg ich nach. Sie wurde zusammengelegt und mitgenommen.

Da der Engländer und der Dolmetscher die Oertlichkeit nicht kannten, mußten wir sie führen. Sobald wir tief genug gekommen waren, daß die Felsenkuppe den Feuerschein verdeckte, wurde die Strickleiter hingelegt und angezündet. Wir warfen dürre Zweige darauf, daß sie ganz vernichtet ward.

Diese Flamme erhellte uns den Weg, und der Abstieg ging leichter von statten. Die Windungen, welche der Weg machte, waren ziemlich hell bestrahlt, ohne daß das Feuer jenseits des Felsenrisses im Tal gesehen werden konnte.

Unten angekommen, drangen wir möglichst schnell durch die Büsche, denn es lag uns daran, bei unsern Gegnern erscheinen zu können, bevor der Alim wieder in die Höhle kroch. An einer dazu passenden Stelle blieb ich mit den beiden Andern zurück. Halef mußte zu Osko und Omar laufen, um sie und meine Gewehre zu holen.

Während wir warteten, ward kein Wort gesprochen. Erst als die Erwarteten nahe sein mußten, fragte Sir David:

»Was soll nun mit den Schuften geschehen, Master? Eure bekannte Milde läßt mich erwarten, daß Ihr beabsichtigt, sie straflos ausgehen zu lassen.«

»O nein! Ich habe bisher Nachsicht genug geübt. Der Streich, welchen sie Euch gespielt haben, muß bestraft werden. Sie wollten nicht nur Euer Geld, sondern auch Euer Leben.«

»Well! Was werdet Ihr also tun?«

»Zunächst müssen wir uns ihrer Personen bemächtigen; das Weitere wird sich dann finden. Wir sind unser sechs und haben es mit zwölf Männern zu tun; also kommen zwei von ihnen auf einen von uns, ein Verhältnis, welches ich unter den gegenwärtigen Umständen nicht für ungünstig halte.«

»Ich auch nicht, falls ich eine Waffe hätte.«

»Ihr werdet ein Gewehr bekommen, vielleicht auch mehrere. Der Köhler und seine Leute haben, wie ich sehe, ihre Gewehre nicht bei sich; also werden sich dieselben in der Stube befinden, aus welcher wir sie leicht holen können.«

Wir standen nämlich so, daß wir die ganze Gesellschaft überblicken konnten. Auch die vier Neuangekommenen hatten ihre Flinten nicht bei sich, sondern, wie bereits erwähnt, an die Mauer des Hauses gelehnt. Diese Gewehre hatten wir also nicht zu fürchten, sondern höchstens nur die alten, unzuverlässigen Pistolen, welche drei von ihnen im Gürtel führten. Der Alim hatte Messer und Pistolen noch nicht wieder an sich genommen.

 

Jetzt kam Halef mit den beiden Gefährten. Ich beauftragte ihn, durch das Fenster in das Haus zu steigen und uns die Gewehre heraus zu langen, welche er hatte hängen sehen. Zu diesem Zweck schlichen wir uns nach der dem Feuer abgekehrten Giebelseite. Die Fensteröffnung war groß genug, den Hadschi einzulassen. Es waren sieben scharf geladene Flinten, welche er herausgab.

»Herr,« meinte er beim Heraussteigen, »dieser Köhler muß wirklich eine Gewehrniederlage haben. Er hat schon gestern den Aladschy zwei Flinten geben müssen, und das hier sind sieben, für ihn, seine vier Knechte, Suef und den Konakdschi, deren Flinten wir zerbrochen haben. Gestern hingen nicht sieben Stück hier. Es scheint, daß dieser Scharka die ganze Bande des Schut zu bewaffnen hat.«

Die Gewehre wurden untersucht. Sie hatten dasselbe Kaliber wie Oskos und Omars Flinten. Das war sehr vorteilhaft für Sir David und den Dolmetscher, welche sich also des Kugelvorrates derselben bedienen konnten. Lindsay hing vier Flinten über und der Dolmetscher drei. Das sah äußerst grimmig aus, war aber nicht sehr gefährlich, da die Gewehre nur einläufig waren.

»Was nun?« fragte Sir David. »Waffen habe ich, und nun möchte ich auch schießen.«

»Nur wenn es wirklich notwendig wird,« sagte ich ihm. »Wir wollen sie nicht töten.«

»Aber mich wollten sie doch morden! Ich schieße sie nieder und mache mir den Teufel draus. Well!«

»Wollt Ihr ein Mörder werden? Wir geben ihnen die Peitsche. Gestern sah ich Stricke auf dem Wagen liegen, vielleicht sind sie noch dort. Halef, hole sie! Ihr aber, Sir, mögt Euch mit dem Dolmetscher nach rechts hin schleichen. Wir Andern gehen links, so daß wir die Gesellschaft zwischen uns bekommen. Ihr tretet nicht eher zwischen den Büschen hervor, als bis Ihr hört, daß ich es wünsche. Und nehmt Euch in acht, daß Ihr jetzt nicht bemerkt werdet.«

Sie entfernten sich. Halef schleppte einen ganzen Haufen Stricke herbei und warf sie zu Boden. Jetzt hätten sie uns doch nur gehindert.

Nun schlüpften wir nach der Hinterseite des Hauses und derselben entlang bis an die Ecke. Dort legten wir uns auf den Boden und schoben uns sachte vorwärts, dem Feuer entgegen. Der Schatten der um die Flamme sitzenden Gestalten fiel auf uns, so daß wir gar nicht von dem Erdboden zu unterscheiden waren.

Als wir uns zwischen der Gesellschaft und den an der Wand lehnenden Gewehren befanden, war es Zeit.

»Bleibt hier zunächst stehen,« flüsterte ich den Dreien zu, »und seht darauf, daß niemand zu den Gewehren kommen kann. Demjenigen, der mir nicht gehorcht, gebt ihr eine Kugel, aber nur in das Knie. Einen solchen Halunken lahm zu schießen, das werden wir wohl auf unser Gewissen nehmen können. Wenn wir nicht gleich ernst auftreten, kann es um uns geschehen sein.«

Wir erhoben uns von der Erde, und ich schritt auf das Feuer zu. Diejenigen, welche mit dem Gesicht nach mir gerichtet saßen, erblickten mich zuerst. Es war der Alim mit seinen drei Begleitern. Er sprang auf und rief erstaunt:

»Allah! Da kommt der Deutsche!«

Er ließ vor Ueberraschung die Peitsche fallen, welche er in der Hand gehalten hatte. Auch der Köhler sprang empor und starrte mich so erschrocken an, als sähe er ein Gespenst. Die Andern blieben sitzen. Suef und der Konakdschi schienen sich vor Schreck gar nicht bewegen zu können. Alle hatten die Augen auf mich gerichtet, weshalb sie die im Schatten stehenden Drei gar nicht bemerkten.

»Ja, der Deutsche,« antwortete ich. »Habe ich es dir gestern nicht gesagt, Scharka, daß ich sicher wieder kommen werde, sobald es nötig sei?«

»Ja, du hast es gesagt,« antwortete der Köhler. »Aber welche Notwendigkeit sollte dich schon heute zurückführen?«

»Ein kleines Geschäft, welches ich mit deinem Freund, dem Alim, machen will.«

»Mit mir?« fragte der Genannte.

»Ja, mit dir. Weißt du nicht, was ich meine?«

»Ich habe keine Ahnung.«

»So setze dich, damit ich dir die Angelegenheit in aller Bequemlichkeit vortragen kann.«

Der Eindruck, welchen mein plötzliches Erscheinen machte, war so groß, daß der Alim sich wirklich sogleich niedersetzte. Ich gab dem Köhler einen kurzen, gebieterischen Wink, und auch er ließ sich nieder. Die Kerle waren eben ganz verblüfft, mich so plötzlich in ihrer Mitte zu sehen.

»Zunächst habe ich dir zu melden, daß ich mich noch nicht im Karaul befinde,« wendete ich mich an den »Gelehrten«. »Du hast dich also sehr verrechnet.«

»Im Karaul?« fragte er betroffen. »Ich weiß nicht, was du meinst.«

»So bist du sehr vergeßlich!«

»Wie so?«

»Du hast ja gesagt, daß ich mich bereits ganz gewiß im Karaul zu Rugova befände.«

»Herr, ich kenne weder einen Karaul, noch habe ich so etwas gesagt.«

»So bist du wohl auch nicht der Meinung, daß ich dort zu Tode gepeitscht werden soll?«

»Nein. Ich begreife dich ja überhaupt gar nicht.«

»Ja, wenn du mich überhaupt gar nicht begreifst, so glaube ich freilich sehr gern, daß du es für unmöglich hältst, ich vermöge die Spur des Engländers zu finden.«

Er antwortete nicht – die Stimme versagte ihm – er schnappte nach Luft. Darum fuhr ich fort:

»Es weiß freilich außer dir und dem Schut kein Mensch, wie der Lord in eure Hand geraten ist; aber er hat dir versichert, ich würde ihn dennoch finden. Es war sehr dumm von dir, das nicht zu glauben. Ein Mann, welcher studiert hat, sollte doch gescheiter sein.«

»Was für einen Engländer meinst du denn?«

»Den, welchem du nachher hundert Hiebe geben wolltest.«

Das war ihm doch zu viel. Er schluckte und schluckte und brachte kein Wort hervor.

»Herr,« rief da der Köhler, »welches Recht hast du, hierher zu kommen und uns Dinge zu sagen, welche kein Mensch verstehen kann?«

Er wollte sich erheben, aber ich drückte ihn nieder und antwortete:

»Beruhige dich, Scharka! Mit dir habe ich zunächst nichts zu tun. Dieser Alim wird mir schon selbst zu antworten wissen. Ich suche nämlich den Engländer, welchen er hierher gebracht hat.«

»Aber ich habe ja in meinem ganzen Leben noch keinen Engländer gesehen!« rief der Alim.

»Höre, das ist eine gewaltige Lüge. Du bist ja gestern nur zu dem Zweck hier gewesen, ihm hier bei Scharka Wohnung zu verschaffen.«

»Nein, nein, das ist nicht wahr!«

»Nun, wir werden ja sehen. Ich bin gekommen, das Lösegeld für ihn zu bezahlen.«

»Ah!« stieß er hervor. »Wer hat dich dazu beauftragt?«

»Ich selbst. Ich allein habe mir die Erlaubnis gegeben, es dir zu bringen.«

Es war ein geradezu stupider Blick, welchen er auf mir ruhen ließ. Der Köhler war klüger als er. Er erriet, daß ich in feindlicher Absicht gekommen sei, denn er schnellte in die Höhe und rief:

»Lüge, nichts als Lüge! Hier weiß niemand von einem Engländer etwas. Wenn du glaubst, uns beleidigen zu können, so hast du dich sehr verrechnet! Du hast schon gestern . – «

»Schweig!« donnerte ich ihn an. »Dein Verdienst ist es freilich nicht, daß ich jetzt lebendig und gesund vor dir stehe. Du wolltest uns an dem Teich, welcher an der Felswand liegt, ermorden. Glücklicherweise aber war ich nicht so albern, wie du dachtest. Setze dich nieder!«

»Mann,« schrie er mich an, »wage nicht noch einmal, mich in dieser Weise zu verdächtigen! Es könnte dir schlecht bekommen.«

»Setze dich!« wiederholte ich. »Ich dulde nicht, daß man mir hier widerspricht. Wer von euch sich ohne meine Erlaubnis erhebt, den lasse ich niedersetzen. Also nieder mit dir, Scharka, augenblicklich, sonst . – «

»Setze mich doch nieder! Hier stehe ich, und hier ist mein Messer! Wenn du noch . – «

Er kam nicht weiter. Er hatte das Messer aus dem Gürtel gezogen und auf mich gezückt; aber da krachte hinter uns ein Schuß, und er sank mit einem Weheruf zusammen. Die Andern wollten vor Schreck auffahren, aber ich rief:

»Bleibt sitzen, sonst trifft auch euch die Kugel. Ihr seid umzingelt.«

»Glaubt es nicht!« schrie der Köhler, der auf der Erde saß und sein Bein mit beiden Händen hielt. »Holt die Gewehre! Dort lehnen sie, und im Hause sind noch mehr.«

»Ja, dort lehnen sie. Holt sie euch doch!«