Za darmo

Der Schut

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Der niederste Ast war so tief, daß er fast mit den Händen erreicht werden konnte. Auf ihm stehend, konnte man den zweiten Ast leicht erfassen. Der dritte war abgebrochen oder abgestorben, und eben da, wo er aus dem Stamm herausgewachsen war, befand sich die Höhlung.

»Wenn ich mich überhaupt nicht irre, so befindet sich der Eingang dort oben,« sagte ich, empordeutend.

»Wie aber kommt man da hinauf?« fragte Halef. »Dazu bedarf man einer Leiter, denn der Stamm ist viel zu stark, als daß man ihn zum Klettern umfassen könnte.«

»Eine Leiter ist da.«

»Ich sehe keine,« meinte der Hadschi, indem er sich vergeblich umschaute.

»Auch ich sehe sie nicht, aber ich sehe etwas anderes. Betrachte den Boden, so wirst du in dem Moos eine deutlich ausgetretene Spur sehen, welche dort in das Buchendickicht führt. Da ist man hin und her gegangen, und wozu anders, als um eine Leiter herbei – und wieder fortzutragen. Du wirst sie sofort sehen.«

Wir folgten der Spur, traten zwischen die jungen, dicht belaubten Buchenstämmchen und sahen da wirklich das liegen, was als Leiter diente – einen armsstarken Fichtenstamm, welchem man die Aststummel gelassen hatte, so daß sie als Stufen dienen konnten.

»Richtig! Das ist sie,« meinte Halef. »Nun können wir hinauf.«

»Wir werden hinaufkommen, ohne uns der Leiter zu bedienen. Die Vorsicht rät uns, auf sie zu verzichten. Es kann leicht irgend jemand kommen, obgleich ich es nicht befürchte. Sieht man dann die Leiter anlehnen, so weiß man gleich, daß sich jemand in der Eiche befindet. Ich habe dich nur hierhergeführt, um dir zu beweisen, daß meine Vermutung mich nicht täuschte.«

»Aber ohne Leiter komme ich nicht hinauf!«

»Du steigst auf meine Schulter, dann kannst du den untersten Ast fassen.«

»Aber du?«

»Ich erreiche ihn im Sprung.«

Halef kletterte mir auf die Schulter und konnte dann leicht weiter kommen. Mir gelang es, mit einem Sprung den Ast zu fassen, und dann standen wir auf dem zweiten und hatten das Loch grad vor dem Gesicht. Ich blickte hinein.

Der Stamm war hohl, und zwar war die Höhlung so bedeutend, daß sie recht gut zwei Männer faßte. Aber wie da im Innern des Baumes hinabzukommen war, davon konnte ich nichts sehen.

»Es ist keine Strickleiter vorhanden,« meinte Halef. »Du hast dich getäuscht.«

»Nein, ich täusche mich nicht. Betrachte diese Oeffnung und dann auch die Höhlung genau. Es ist alles wie glatt gerieben. Du erblickst nicht eine Spur von faulem Holz oder von Modermehl. Man steigt hier ein und aus; das ist gewiß. Es versteht sich jedoch ganz von selbst, daß man den Apparat nicht so angebracht hat, daß er sogleich von außen gesehen werden kann. Ich denke aber, ihn sogleich zu finden.«

Ich steckte Kopf und Arme in das Loch, stemmte im Innern des Baumes die Ellbogen an und zog den Oberkörper nach. Dann tastete ich mit den Händen in der Höhlung umher.

Richtig! Ueber dem Loch war ein starker hölzerner Querstab eingezwängt, an welchem man sich mit den Händen festhalten konnte, um die Beine in das Innere hereinzuziehen. Dieses tat ich denn auch. An dem Holz hängend, tastete ich mit den Füßen unter mir und fühlte ein zweites, stärkeres Querholz, auf welches ich mich stellen konnte.

Nun kauerte ich mich nieder, denn ich spürte an dem Holz zwei Erhabenheiten, von deren Natur ich mich mit den Händen überzeugen wollte. Es waren sehr starke Knoten. Mit einem Bein knien bleibend, senkte ich das andere tiefer hinab und überzeugte mich, daß wirklich eine Strickleiter vorhanden war.

»Komm herein!« rief ich dem Hadschi zu. »Ich hab's gefunden.«

»Ja, es ginge wohl, wenn ich ein wenig größer wäre,« klagte er.

Ich richtete mich wieder auf und half ihm herein und auf die Querleiste.

»Allah! Wenn das Holz zerbricht oder abrutscht und wir stürzen hinab!« sagte er.

»Keine Angst! Ich habe mich überzeugt, daß es stark genug ist für uns beide. Und abrutschen kann es nicht, da es auf eingenagelten Stützen ruht. Aber ob die Leiter fest genug für zwei Personen ist und ob es überhaupt geraten erscheint, daß wir beide zugleich hinabsteigen, das weiß ich nicht. Bleibe oben; ich werde die Sache untersuchen.«

Jetzt stieg ich hinab oder vielmehr ich griff mich hinab. Für meine Ungeduld und für die mir zugemessene Zeit ging es mir zu langsam, Querstrick um Querstrick der Leiter im Finstern mit den Füßen zu suchen. Querhölzer gab es nämlich nicht. Ich ließ also die Füße frei schweben und turnte mich mit den Händen wie an einem Seil hinab.

Es gab einzelne Absätze, welche wieder durch Querstangen bezeichnet waren. Ich befand mich nicht mehr im Innern des Baumes, sondern in einem engen Felsenschacht. Wie derselbe entstanden war, ob auf natürliche Weise oder mit künstlicher Nachhilfe, das konnte ich im Finstern nicht sehen. Endlich, endlich faßte ich Boden.

Ich fühlte mit den Händen, daß ich mich in einem engen Loch befand, welches keinen Ausgang hatte und Raum für vielleicht vier oder fünf Personen bot. Da kam mir denn mein Laternchen zustatten, das kleine Fläschchen mit Oel und Phosphor, welches ich stets bei mir trug. Ich zog es aus der Westentasche und öffnete den Stöpsel, um den Sauerstoff der Luft eintreten zu lassen. Als ich es dann wieder zumachte, gab es einen so hellen phosphoreszierenden Schein, daß ich die mich umgebenden Wände ziemlich deutlich sehen konnte.

Der Raum war dreieckig. Auf zwei Seiten hatte ich natürlichen Felsen. Die dritte Seite bestand aus einer künstlichen Mauer, welche nicht höher als fünf Ellen war.

Als ich nun auch den Boden beleuchtete, sah ich, daß derselbe aus Fels bestand. Dabei bemerkte ich eine Schnur, welche an das untere Ende der Strickleiter gebunden war und nach oben führte. Ihr mit dem Laternchen folgend, machte ich die Entdeckung, daß diese Schnur über die Mauer nach jenseits derselben führte. Das war mir genug, um alles zu wissen. Nun wollte ich wieder nach oben, hörte aber Halefs halblaute Stimme:

»Sihdi, halte die Leiter straff! Sie dreht sich.«

»Ah! Du kommst?«

»Ja, es dauerte mir zu lange. Ich glaubte, es sei dir ein Unglück widerfahren.«

Bald stand er neben mir und tastete und blickte beim matten Schimmer des Laternchens umher.

»Es scheint, wir sind in einem Felsenbrunnen,« meinte er.

»Nein, wir befinden uns in der Höhle.«

»Da ist sie aber verwünscht klein und eng!«

»Das ist nur eine Ecke derselben. Wir müssen wieder einige Stufen empor und dann über diese Mauer hinwegklettern.«

»Aber wie?«

»Natürlich mit der Leiter, welche wir jenseits niederlassen. Hier fühle diese Schnur! Sie geht hinüber. Kein Fremder, der drüben im Finstern steht, wird ahnen, daß sich hier noch so ein enger Raum befindet, in welchen eine Strickleiter mündet. Auch die Schnur ist drüben mit ihrem Ende so angebracht, daß sie nur ein Eingeweihter bemerken kann; das vermute ich. Wenn also von drüben jemand hier emporsteigen will, so braucht er nur die Strickleiter mit Hilfe der Schnur hinüberzuziehen. Das Ding ist sehr praktisch eingerichtet.«

»Noch viel praktischer aber sind wir beide, Sihdi,« kicherte der Kleine. »Wir entdecken leicht die allergrößten Heimlichkeiten. Wollen wir hinüber in die Höhle?«

»Gewiß. Wir steigen die wenigen Stufen empor, setzen uns auf die Mauer, lassen das Ende der Strickleiter drüben hinab und steigen dann in aller Gemütlichkeit nieder.«

Grad so, wie ich es sagte, ging es auch. Wir gelangten in einen Raum, für welchen mein Laternchen nicht ausreichte. Halef hielt mich am Arm und flüsterte:

»Es wird doch niemand hier sein?«

»Wollen sehen.«

Ich zog ein altes Stück Papier und ein Streichhölzchen hervor, brannte das Papier mit Hilfe des Zündhölzchens an und leuchtete umher. Wir waren allein. Der Raum, in welchem wir uns befanden, hatte die Größe einer leidlich geräumigen Stube, vielleicht zwölf Schritte lang und breit.

Als das Papier verbrannt war und wir wieder im Dunkeln standen, bemerkte ich unten am Boden der einen Seite einen milchglasähnlichen, viereckigen Schimmer. Ich ging hin, legte mich nieder und . – sah ein langes Loch, welches in das Freie führte.

»Halef, hier befinden wir uns an dem Meilerloch, durch welches wir hineinkriechen sollten,« meldete ich erfreut.

»Ich werde einmal hineinkriechen. Wenn ich mich nicht täusche, so muß ich Osko und Omar sehen können.«

Meine Vermutung bestätigte sich. Als ich so weit vorgekrochen war, als ich durfte, ohne gesehen zu werden, sah ich die Beiden draußen sitzen, die Augen nach der Bank gerichtet und die Flinten schußfertig in den Händen.

Das genügte. Ich kroch wieder zurück.

»Nun machen wir Licht, nicht wahr?« fragte Halef.

»Ja. Gib den Speck heraus. Der Hemdlappen dient als Docht.«

Ich trug den kleinen Topf mit dem Henkel am Gürtelriemen festgeschnallt. Jetzt machte ich ihn los. Das Bärenfett wurde hineingeschnitten und der Lappen zu einem Docht gedreht. Mit Hilfe eines Zündhölzchens hatten wir bald eine Fettfackel, welche zwar entsetzlich rauchte, aber den Raum vollständig erleuchtete.

Nun untersuchten wir die Wände. Sie bestanden aus massivem Fels, abgerechnet die schmale Mauer in der einen Ecke, über welche wir gestiegen waren. Es war klar: die Höhle bestand nur aus diesem einen Raum. Trotz alles Klopfens war nicht eine einzige hohl klingende Stelle zu finden. Nur einen Gegenstand gab es, der unsere Beachtung auf sich zog: ein viereckig behauener Stein, welcher neben dem Loch lag und genau in dasselbe paßte. Ein Ring, an welchem eine Kette hing, war in denselben eingegossen.

»Das ist der Verschluß,« sagte Halef.

»Ja. Er ist aber nur dann nötig, wenn sich ein Gefangener hier befindet. Dann wird die Oeffnung mit diesem Stein verschlossen und dieser selbst mittels der Kette draußen so befestigt, daß er von innen nicht entfernt werden kann.«

 

»Denkst du, daß hier zuweilen Gefangene stecken?«

»Jawohl. Morgen abend kommt einer an, und du wirst dich wundern, wenn du erfährst, wer es ist.«

»Nun, wer?«

»Davon später unterwegs. Auch werden hier Menschen getötet. Mit uns hatte der Köhler dieselbe Absicht. Wir sollten voran kriechen. Er hätte hinter uns den Meiler in Brand gesteckt, und weil das Loch, in welchem die Strickleiter hängt, wie eine hohe Fabrikesse wirkt, wäre der Rauch hier hereingedrungen und hätte uns in wenigen Minuten erstickt.«

»Allah 'l Allah! Wehe diesem Köhler, wenn ich jetzt wieder hinauskomme!«

»Du wirst ihm gar nichts sagen und gar nichts tun. Ich habe einen sehr triftigen Grund, ihm noch zu verheimlichen, was ich weiß.«

»Aber wir reiten fort und sehen ihn niemals wieder!«

»Wir reiten fort und sehen ihn schon morgen wieder. Jetzt wissen wir genug und steigen wieder empor.«

Das Feuer wurde ausgelöscht, und nun mußten wir freilich warten, bis Topf und Fett erkaltet waren. Dann traten wir den Rückweg an und sorgten dabei dafür, daß die Strickleiter nun wieder hinter der Mauer zu finden war.

Als wir dann droben vor der Eiche standen, holten wir tief Atem. Es ist doch nichts ganz Angenehmes, eine solche Fahrt in die ungewisse Tiefe zu machen. Was hätte dabei alles geschehen können! Wäre zufälligerweise jemand unten gewesen und hätte uns eine Kugel entgegengeschickt! Es grauste mir, als ich daran dachte.

Nun wurde das Fett aus dem Topf entfernt und weggeworfen. Minze fanden wir auf dem Rückweg nicht, aber um den Schein zu wahren, raufte ich einige andere Pflänzchen aus, die ich dem Rappen geben konnte. Halef machte sich den Spaß und sammelte die langen schwarzen Schnecken, die wir erblickten. Sie waren unten zwischen den Büschen so zahlreich, daß er den Topf voll bekam.

Natürlich taten wir so, als ob wir aus der entgegengesetzten Richtung kämen. Ich gab meinem Rappen die Pflänzchen zu fressen; Halef strich ihm eine der Schnecken um die Nüstern und trug dann den Topf mit den andern in die Stube. Als er wieder herauskam, machte er ein so seelenvergnügtes Gesicht, daß ich ihn fragte:

»Wo hast du sie denn hingetan?«

»Ich habe sie in die Tasche des Kaftans geschüttet, welcher drin hängt.«

»Das ist freilich eine sehr große Heldentat, auf welche du stolz sein kannst. Der berühmte Hadschi Halef Omar beginnt, Jungenstreiche auszuführen!«

Er lächelte in sich hinein. Meine Bemerkung war nicht geeignet, ihn zu beleidigen.

Als wir nun zu Osko und Omar traten, meldeten die Beiden, daß nichts Störendes vorgekommen sei. Der Köhler konnte aber seine Ungeduld nicht länger beherrschen und sagte:

»Jetzt bist du wieder da. Nun wirst du uns wohl erlauben, die Bank zu verlassen?«

»Noch nicht. Ihr werdet nicht eher aufstehen, als bis wir zu Pferde sitzen.«

»Und wann reitet ihr fort?«

»Sogleich. Wir lassen dir für deinen freundlichen Empfang eine ebenso freundliche Ermahnung zurück: verschütte deine Juwelenhöhle und versuche nicht wieder, jemand hineinzulocken. Es könnte sonst leicht das Schicksal, welches du Andern bereitest, dich selbst ereilen.«

»Was du damit sagen willst, weiß ich nicht.«

»Denke darüber nach! Ich bin überzeugt, daß du dann mich bald verstehen wirst. Wenn ich wiederkomme, wird es sich zeigen, ob du meine Warnung befolgt hast.«

»Du willst wiederkommen? – Wann?«

»Wann es notwendig ist, früher nicht, auch nicht später.«

»Herr, du machst mir ein Gesicht, als ob ich der schlechteste Mensch des Erdbodens sei.«

»Der bist du auch, obgleich es Andere gibt, die es im Bösen auch fast so weit gebracht haben, wie du.«

»Was für Böses soll ich begangen haben? Was könntest du mir beweisen?«

»Vor allen Dingen bist du ein Lügner. Du hast behauptet, den Namen der Aladschy nicht zu kennen. Und doch haben sie sich wiederholt bei dir aufgehalten und sind sogar von den Soldaten hier gesucht worden.«

»Das ist nicht wahr. Ich habe ihren Namen nie gehört und sie noch viel weniger hier bei mir gesehen.«

»Wie kommst du dann dazu, ihre Pferde hier versteckt zu halten?«

»Ihre – Pferde?« fragte er stockend.

»Ja. Ich sah sie stehen.«

»Was? Wie? Sollten diese Menschen hier sein, ohne daß ich es weiß?«

»Sei still! Glaube ja nicht, Knaben vor dir zu haben. Eben daß ihr euch für klüger haltet als uns, dies hat euch das Spiel verdorben und wird es euch auch weiterhin verderben. Willst du etwa leugnen, daß dein Schwager, der Kohlenhändler, heute bei dir gewesen ist?«

»Hat er kommen wollen? Ich habe ihn nicht gesehen.«

»Er behauptet aber, bei dir gewesen und sodann in die Schlucht des Teufels gegangen zu sein, wo wir überfallen werden sollten.«

»Herr, du sprichst schreckliche Worte. Ihr hättet euch in einer solchen Gefahr befunden?«

»Nicht wir, sondern deine Freunde. Für uns gab es keine Gefahr. Ihr seid ja nicht die Männer, vor denen man sich fürchten müßte. Aber für deine Spießgesellen war die Gefahr sehr groß, und sie sind ihr erlegen.«

Er fuhr erschrocken von seinem Sitz auf.

»Erlegen?« fragte er, beinahe stammelnd. »Was ist denn geschehen?«

»Ganz genau das, was sie beabsichtigten, nämlich ein Ueberfall, doch mit dem Unterschied, daß sie überfallen wurden.«

»Sie? – Von wem?«

»Von uns natürlich. Dieser mein Hadschi Halef Omar und ich, wir allein, haben sie überfallen, sie, die ihrer sechs wohlbewaffnete Männer waren. Zwei von ihnen sind tot – sind von der Felsenbastei herabgeschmettert. Die Andern haben wir gefesselt, auch den Konakdschi, unsern verräterischen Führer. Ich sage euch das, um euch zu beweisen, daß wir diese Tölpel nicht fürchten. Ihr müßt hingehen und sie losbinden, damit sie uns auch weiterhin verfolgen können. Sagt ihnen aber, daß wir bei der nächsten Gelegenheit ihr Leben nicht mehr schonen werden. Und ebenso wie über ihnen schwebt auch über euch der Tod, wenn ihr euch nicht von uns warnen lasset. Das ist es, was ich euch zu sagen habe. Und nun könnt ihr euch entfernen; ihr seid frei.«

Wir nahmen unsere Waffen auf und stiegen in die Sättel. Die Beiden machten zunächst von ihrer Freiheit keinen Gebrauch. Sie standen starr vor Schreck. Als wir uns schon eine Strecke entfernt hatten und ich mich nach ihnen umblickte, sah ich sie noch so stehen.

Von dem freien Platz, auf welchem das Haus stand, führten Wagengeleise nach Süden und nach Westen. Wir schlugen die letztere Richtung ein. Die Felsenwände wichen dort voneinander zurück, und wir gelangten in das zweite, noch größere Tal, von welchem der Köhler gesprochen hatte. Die Geleise waren so deutlich, daß man ihnen leicht folgen konnte.

Der Boden war mit saftigem Gras bewachsen; er bildete eine kleine Prairie, auf der weder Baum noch Busch stand. Vor uns in der Ferne erhob sich die Bergkette, an welcher das Geleise sich teilen sollte.

Bis jetzt hatten wir unsern Weg schweigend verfolgt. Nun aber erzählte ich den Gefährten alles, was ich erlauscht und erspäht hatte. Nur den Namen des Lords nannte ich nicht. Sie waren im höchsten Grad erstaunt über das, was sie hörten. Halef richtete sich im Sattel auf und rief:

»Hamdullillah! Jetzt wissen wir endlich, was uns nötig ist. Jetzt kennen wir den Namen und die Wohnung des Schut und werden den Kaufmann Galingré befreien. Dieser Hamd el Amasat aber, welcher ihn dem Schut überliefert hat, soll seinen Lohn erhalten für all seine Missetaten. Er hat meinen Freund Sadek vom Stamm der Merasig getötet. Dieser war der berühmteste Führer über den Schott Dscherid und ist von der Kugel dieses Mörders gefallen, den dafür die meinige treffen wird!«

»Die deinige?« fragte Omar, indem er seinem Pferd die Sporen gab, daß es sich hoch aufbäumte. »Hast du vergessen, daß ich der Sohn Sadeks bin? Habe ich diesen Mörder nicht verfolgt durch die Hälfte der Sahara? Er ist mir entgangen. Nun aber, da ich weiß, wo er ist, bin ich es allein, der mit ihm zu sprechen hat. Oder hast du es nicht gehört, welchen Schwur ich tat dort auf dem Salz des Schotts, als ich von dir und von dem Sihdi erfuhr, daß Hamd el Amasat, der sich damals Abu en Nassr nannte, meinen Vater ermordet habe? Noch weiß ich jedes Wort dieses Schwures. Er lautete: »Allah, du Gott der Allmacht und Gerechtigkeit, höre mich! Mohammed, du Prophet des Allerhöchsten, höre mich! Ihr Kalifen und Märtyrer des Glaubens, höret mich! Ich, Omar Ben Sadek, werde nicht eher lachen, nicht eher meinen Bart beschneiden, nicht eher die Moschee besuchen, als bis die Dschehennah aufgenommen hat den Mörder meines Vaters. Ich schwöre es!« So habe ich damals gesagt, und nun sollt ihr mir bestätigen, daß ich meinen Schwur gehalten habe. Habt ihr mich lachen hören? Bin ich in eine Moschee zum Gebet gegangen? Hat eine Schere meinen Bart berührt, welcher mir fast bis auf die Brust gewachsen ist? Und nun, da ich endlich, endlich den Mörder meines Vaters treffen werde, soll ich ihn Andern überlassen? Nein, Hadschi Halef Omar, das darfst du nicht von mir verlangen! Derjenige, der sich an ihm vergreift, wird mein ärgster Feind, und wenn er vorher mein bester Freund gewesen, ja, und wenn es unser Effendi selbst wäre!«

Omar war in diesem Augenblick der echte Wüstensohn. Seine Augen funkelten, und seine Zähne knirschten gegeneinander. An Versöhnlichkeit und Gnade war da nicht zu denken. Der unerbittliche Ton, in welchem er gesprochen hatte, machte einen solchen Eindruck auf uns, daß wir eine ganze Weile in tiefem Schweigen verharrten. Dann war, wie gewöhnlich, Halef der Erste, welcher wieder das Wort ergriff:

»Du hast uns alles gesagt, Effendi, aber eines verstehe ich nicht. Wo reiten wir hin?«

»Nach Rugova zum Schut.«

»Das ist sehr gut, aber ich hätte dir doch mehr Menschenfreundlichkeit zugetraut!«

»Habe ich sie nicht?«

»Nein. Du weißt, daß ein Unglücklicher in die Höhle geschleppt werden soll, noch dazu ein Abendländer, wie du, und doch tust du nicht im mindesten so, als ob du ihn retten könntest und retten wolltest.«

»Ich wüßte nicht, wie ich das anfangen sollte,« antwortete ich in einem recht gleichgültigen Ton.

»Nicht? Allah! Sind deine Gedanken auf einmal so schwach geworden?«

»Ich glaube nicht.«

»Aber ich glaube es. Nichts ist leichter, als zu wissen, wie man diesem Mann helfen kann.«

»Nun, wie denn?«

»Indem wir unsern Pferden die Sporen geben und im Galopp nach Rugova reiten, um zu verhindern, daß er überhaupt festgenommen wird.«

»Wir kämen zu spät, denn wir würden erst während der Nacht dort anlangen.«

»So suchen wir gleich den Karaul auf und befreien ihn, daß er nicht nach der Höhle geschafft werden kann.«

»Wo ist der Karaul? Wie kommen wir hinein? Wo steckt er da? Wie ist es möglich, ihn so schnell herauszubringen? Fallen dir vielleicht die Antworten auf diese Fragen vom Himmel herab?«

»Meinst du, daß es so schwer ist?«

»Nicht nur schwer, sondern ganz unmöglich. Wenn wir in tiefer Nacht dort ankommen, bei wem willst du die notwendigen Erkundigungen einziehen? Jedermann schläft, und eben derjenige, welcher wacht, ist wahrscheinlich ein Anhänger des Schut. Können wir hinkommen, fragen, den Karaul stürmen, das alles in einer halben Stunde?«

»Freilich nicht.«

»Schon am Abend wird der Inglis ergriffen. Bevor wir dort irgend eine Veranstaltung zu seiner Befreiung treffen können, befindet er sich unterwegs nach der Höhle.«

»Nun gut, so reiten wir jetzt gar nicht nach Rugova, sondern wir bleiben heimlich hier und holen ihn heraus. Das ist gar nicht gefährlich und wird uns nicht schwer fallen, weil wir den geheimen Eingang kennen.«

Grad das, was er jetzt vorschlug, hatte ich mir bereits fest vorgenommen. Es war der sicherste Weg zur Befreiung des Lords. Dennoch antwortete ich kopfschüttelnd:

»Das geht nicht, lieber Halef.«

»Warum denn nicht?«

»Weil wir dabei unsere kostbare Zeit versäumen würden.«

»Was gilt die Zeit, wenn es sich darum handelt, einen Unglücklichen zu retten!«

»Wenn wir allen Unglücklichen helfen wollten, so müßten wir uns vertausendfachen können. Jeder mag für sich selbst sorgen.«

»Aber, Sihdi, ich kenne dich ja gar nicht mehr!«

»Der Inglis geht mich nichts an. Ist er so unvorsichtig, die Räuber auf sein vieles Geld aufmerksam zu machen, so mag er auch die Folgen tragen. Ich habe gar nichts mit ihm zu schaffen gehabt. Er ist ein Lord und heißt David Lindsay, ein Name, der uns vollständig unbekannt ist.«

Ich hatte das möglichst gleichmütig gesagt; aber kaum war der Name über meine Lippen, so riß Halef in die Zügel, daß sein Pferd hinten in die Häcksen sank.

»Lindsay? David Lindsay?« schrie er überlaut. »Ist das wahr?«

»Ja. Der Name wurde deutlich genannt. Der Lord soll ein grau gekleideter Kerl sein – mit blauer Brille, mit langer, roter Nase und mit einem sehr breiten Mund.«

 

»Sihdi, du bist verrückt!«

Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Auch die beiden Andern waren ganz erstaunt.

»Verrückt?« fragte ich. »Wie kommst du denn auf diese beleidigende Idee?«

»Weil du behauptest, diesen Lord nicht zu kennen.«

»Nun, kennst du ihn denn?«

»Natürlich! Natürlich! Es ist ja unser Lord, welcher mit uns durch ganz Kurdistan, nach Bagdad und – — «

Er hielt inne. Sein Erstaunen war so groß, daß ihm die Stimme versagte. Noch immer hielt er das Auge groß auf mich gerichtet.

»Was denn für ein Lord?« fragte ich.

»Nun, unser – unser Lord, den wir aber nicht Lord, sondern nur Sir Lindsay nennen durften! Bist du denn des Teufels, daß du diesen Bekannten so plötzlich und so ganz und gar vergessen hast!«

Die beiden Andern sahen es mir wohl an, daß mir der Schalk im Nacken saß.

»Aber, Halef!« rief Osko. »Meinst du denn wirklich, daß der Sihdi den Lord nicht kennt? Er will sich ja nur an unserm Erstaunen weiden!«

»Ah, so ist das, so! Nun, dann weide dich, Sihdi, weide dich! Denn meine Verwunderung ist so groß, daß ich gar keine Worte finde. Also es ist unser Lord in Wirklichkeit?«

»Leider!«

»Und du willst ihn nicht retten?«

»Nun, wenn du meinst, so dürfen wir ihn freilich nicht stecken lassen.«

»Nein, das geht nicht, ganz und gar nicht. Aber wie kommt er denn so schnell nach Rugova?«

»Das weiß ich freilich nicht. Um es zu erfahren, müssen wir zu ihm in die Höhle, damit wir ihn fragen können.«

»Allah sei Dank! Endlich kommt dir der Verstand wieder!«

»Ja, er war mir ganz abhanden gekommen vor Schreck über das Gesicht, welches du machtest. Ich habe es ganz allein dir überlassen, nachzudenken, und wir werden den Plan ausführen, welchen du uns vorgeschlagen hast.«

»Den letzten?«

»Ja. Wir verstecken uns hier in der Nähe bis morgen nachts. Das wird sowohl uns als auch den Pferden höchst dienlich sein, denn seit Konstantinopel haben wir keine wirkliche, ausgiebige Ruhe gehabt. Und selbst dort in Stambul sind wir des Nachts tätig gewesen.«

»So gibst du also zu, daß mein Plan sehr gut ist?«

»Außerordentlich!«

»Ja, ich bin dein Freund und Beschützer und verstehe es, einen vortrefflichen Sefer tertibi (* Feldzugsplan.) zu entwerfen. Wer mit mir reitet, der befindet sich in sehr guter Obhut. Das werdet ihr nun endlich einsehen. Auf diesen klugen Plan wäre kein Anderer gekommen!«

»Nein! Leider aber habe ich just deswegen, um diesen Plan auszuführen, die Höhle untersucht.«

»Wie – wa – was? Du hättest dieselbe Absicht schon vorhin gehabt?«

»Jawohl. Sobald ich den Namen des Lords hörte, war ich entschlossen, ihn aus der Höhle zu holen.«

»O – ja! Jetzt kannst du gut so sagen; diese Klugheit kennt man ja!«

»Nun, so magst du annehmen, daß dieser Plan deine eigene Erfindung sei, und es ist dies ja auch wahr, denn du bist ganz von selbst auf ihn gekommen. Genieße also getrost diesen Ruhm und befürchte nicht, daß wir dir das Vergnügen daran trüben werden. Dein Name wird erschallen weithin durch alle Lande bis an das Zelt, unter welchem Hanneh wohnt, die Unvergleichlichste der Frauen, der Töchter und der jungen Mütter.«

»Gewiß! Und wenn er nicht zu ihr dringt, so werde ich ihn selbst hinbringen. Wo aber finden wir einen Platz, an welchem wir uns bis morgen aufhalten können?«

»Da drüben auf den bewaldeten Bergen. Sie gewähren eine freie Aussicht auf diese Talebene und ermöglichen es uns, den Köhler Scharka und seine Gäste zu beobachten. Wenn wir uns meines Fernrohres bedienen, werden wir sie sehr deutlich sehen können, falls sie unsern gegenwärtigen Weg verfolgen, um nach der Schlucht zu reiten, in welcher wir nach Scharkas Plan überfallen werden sollen.«

»Hm!« brummte Halef nachdenklich. »Sie werden sehr wahrscheinlich schon vorher bemerken, daß wir nicht dorthin geritten sind.«

»Einen solchen Scharfsinn traue ich ihnen nicht zu.«

»Es bedarf ja gar keines Scharfsinnes. Sie brauchen nur die Augen zu öffnen, um unsere Spur zu sehen. Schau nur, wie tief die Hufe unserer Pferde sich in dem weichen Grasboden abzeichnen!«

»Das ist nur gut für uns, denn eben dieser Umstand ermöglicht es uns, sie über die von uns eingeschlagene Richtung zu täuschen. Dieser weiche Boden wird ein Ende nehmen. Ich vermute, daß wir auf Stein und Fels gelangen, wo wir abbiegen können, ohne daß sie es merken.«

»So werden sie dann später beobachten, daß unsere Fährte fehlt.«

»Hoffentlich gelingt es uns, dies zu vermeiden. Wir haben ja Zeit genug, Vorkehrungen zu treffen.«

»So meinst du nicht, daß sie uns sogleich folgen werden?«

»Nein. Und nur aus diesem Grund habe ich ihnen gesagt, was in der Schlucht des Teufels geschehen ist. Ich wollte es ihnen eigentlich nicht mitteilen, damit die Aladschy, Suef, Junak und der Konakdschi spät genug ihrer Bande entledigt werden sollten. Um aber Zeit zu gewinnen, sah ich davon ab. Der Köhler wird mit seinen Leuten und mit dem Alim sich schleunigst nach dem Teufelsfelsen begeben, um die Gefangenen loszubinden. Diese werden eine ansehnliche Zeit brauchen, um alles zu erzählen, was geschehen ist. Dadurch gewinnen wir wenigstens zwei Stunden, und diese Frist reicht vollständig für uns aus, falls wir jetzt unsere Schnelligkeit vergrößern. Also rascher vorwärts!«

Wir setzten unsere Pferde in Galopp und erreichten nach kaum einer Viertelstunde diejenige Stelle, an welcher die Wagenspuren auseinanderliefen. Dort ritten wir, obgleich wir nach rechts wollten, nach links. Unsere Fährte war so deutlich, daß die uns Folgenden überzeugt sein mußten, wir seien derjenigen Richtung gefolgt, welche der Köhler uns angewiesen hatte.

Je mehr wir uns dem Höhenzug näherten, desto merklicher stieg die Wiese zum Fuß desselben an. Der Boden wurde härter, und endlich hörte der Graswuchs auf.

Nun ließ ich die Gefährten warten und ritt allein in gestrecktem Galopp weiter, bis ich die Schlucht erreichte, von welcher Scharka gesprochen hatte. Die Sohle derselben war weich, und ich ritt eine tüchtige Strecke in dieselbe hinein und wieder zurück, wobei ich dafür sorgte, daß die Hufe des Rappen sehr sichtbare Eindrücke hinterließen. So mußte der Köhler meinen, daß wir uns wirklich dort befänden.

Nachdem ich zu den Gefährten zurückgekehrt war, benutzten wir den harten, felsigen Grund, uns nach rechts zu wenden, ohne Spuren zu hinterlassen, was uns auch vollständig gelang.

Nach einiger Zeit kamen wir an eine Stelle, wo der Fuß der Bergkette weit vortrat. Wir lenkten zwischen die hier beginnenden Bäume hinein und stiegen ab, um unsere Pferde den ziemlich steilen Hang empor zu führen. Oben angekommen, befanden wir uns im Schatten riesiger Fichten, unter deren Wipfeln hinweg wir einen ganz freien Ausblick in das Tal der famosen Juwelenhöhle hatten. Hier banden wir die Pferde an, und ich drang tiefer in den Wald ein, um eine Stelle zu suchen, welche uns Futter für die Tiere böte und zugleich eine solche Lage hätte, daß das Feuer, welches wir machen mußten, nicht nach rückwärts bemerkt werden konnte.

Die Erfahrung ist da der beste Wegweiser. Die Beschaffenheit des Baumwuchses verrät schon aus der Ferne, wo Gras und Wasser zu finden ist. Ich traf auf eine lauschige, baumfreie Stelle, an welcher eine Quelle entsprang. Das Wasser derselben floß nach West, also jedenfalls dem schwarzen Drin entgegen. Es schien, daß wir uns endlich auf der Scheide zwischen diesem und der Treska befänden.

Hierher brachten wir die Pferde, sattelten ab und banden ihnen die Vorderbeine leicht zusammen, so daß sie sich nicht entfernen konnten. Dann begaben wir uns wieder nach der Stelle zurück, von welcher aus wir unsere Gegner sehen konnten.

Es dauerte auch gar nicht lange, so erblickte ich sie durch das Fernrohr. Trotz der Entfernung, in welcher sie sich von uns befanden, sah ich, daß sie in gestrecktem Galopp ritten.

Sie hatten die verlorene Zeit einzubringen, denn sie mußten annehmen, daß wir sofort umkehren würden, sobald wir an die Felsenwand gelangten, an welcher wir nicht weiter konnten. Bevor wir Zeit fanden, die dortige Schlucht zu verlassen, mußten sie sich in derselben versteckt haben, wenn ihr Plan überhaupt gelingen sollte.