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Der Schatz im Silbersee

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»Also,« fuhr er fort, »ich machte mich vor allen Dingen an Fred und fragte ihn aus. Ich erfuhr, was erzählt und gesprochen worden war. Das Wandschränkchen war von dem Mörder geöffnet worden. Er hatte es nicht aufbrechen dürfen, weil durch das dabei verursachte Geräusch die Bewohner des Hauses aufgeweckt worden wären; er hatte dieselben ermordet, um zu der Zeichnung zu kommen. Er wollte dieselbe natürlich benutzen, folglich hegte er die Absicht, nach dem Silbersee zu gehen. Ich mußte ihm nach und nahm Fred mit, der ihn gesehen hatte, und also erkennen würde. Schon auf dem Steamer, als ich die Tramps erblickte, war ich meiner Sache ziemlich sicher; die Gewißheit ist von Tag zu Tag gewachsen, und hoffentlich fällt mir der Thäter heute in die Hand.«

»Dir?« fragte der alte Blenter. »Oho! Was willst du mit ihm thun?«

»Das, was ich im Augenblick für das beste halte.«

»Ihn etwa nach Benton schaffen?«

»Vielleicht.«

»Das laß dir nicht träumen! Es gibt Leute, welche weit mehr Recht als Du auf ihn haben. Denke an die Rechnung, welche nur allein ich mit ihm quitt zu machen habe!«

»Und ich!« rief der Schichtmeister.

»Und wir andern Rafters auch!« ertönte es von mehreren Seiten.

»Erregt euch nicht, denn wir haben ihn noch nicht!« antwortete Droll.

»Wir haben ihn!« behauptete Blenter.

»Er ist jedenfalls der Allererste, welcher den Zug besteigt.«

»Mag sein; aber ich esse keine Büffellende, wenn ich nicht vorher den Büffel geschossen habe. Übrigens ist es mir ganz egal, wer ihn bekommt. Es ist gar nicht notwendig, daß ich ihn geschleppt bringe. Bringe ich den Nachweis seines Todes und daß ich zu demselben beigetragen habe, so ist mir die Prämie so sicher wie mein Sleeping-gowe. Für jetzt habe ich genug gesprochen und werde ein wenig schlafen. Weckt mich, wenn die Zeit gekommen ist!«

Er stand auf um sich ein abgelegenes, dunkles Plätzchen zu suchen. Die andern aber dachten nicht an Schlaf. Das Gehörte beschäftigte sie noch lange Zeit, und dann gab der zu erwartende Zusammenstoß mit den Tramps ein Thema, welches gar nicht ausführlich genug besprochen werden konnte. Winnetou nahm nicht teil an dieser Unterhaltung. Er hatte sich an den Felsen gelehnt und schloß die Augen; aber er schlief keineswegs, denn zuweilen hoben sich die Lider, und dann schoß ein scharfer, forschender Blick wie ein Blitz unter denselben hervor. —

Es war um Mitternacht, als die zwanzig Arbeiter zu dem Ingenieur kamen, um das Haus desselben zu umstellen. Old Firehand begab sich zu Hartley. Dieser lag schlafend im Bette, aber neben demselben saß Charoys Neger mit dem Revolver in der Hand. Er hatte an Stelle des Verwundeten, welcher des Schlafes bedurfte, die Bewachung der beiden Tramps übernommen, und Old Firehand sah, daß er in dieser Beziehung keine Sorge zu haben brauchte. Er kehrte also befriedigt zu dem Ingenieur zurück und sagte diesem, daß er nun aufbrechen werde, um dem Zuge entgegen zu gehen.

»So ist also die gefährliche Stunde gekommen,« meinte Charoy. »Habt Ihr denn gar keine Angst, Sir?«

»Angst?« fragte der Jäger erstaunt. »Hätte ich diese Angelegenheit freiwillig übernommen, wenn ich Angst hätte?«

»Oder wenigstens Sorge?«

»Ich habe nur die eine Sorge, daß mir der Cornel entgeht.«

»Aber es ist möglich, sogar wahrscheinlich, daß man auf Euch schießen wird!«

»Noch wahrscheinlicher ist es, daß man mich nicht treffen wird. Bekümmert Euch nicht um mich, und haltet vielmehr während meiner Abwesenheit hier gute Ordnung. Es ist immerhin möglich, daß der Cornel einige Leute hieher schickt, welche aufpassen sollen, ob alles regelrecht verläuft. In diesem Falle würde er mit ihnen ein gewisses Warnungszeichen verabreden. Verhaltet Euch also ganz so, wie gewöhnlich.«

Nun rief er die zwei Arbeiter herbei, welche sich an der Stelle der beiden Tramps auf die Lokomotive stellen sollten, und begab sich mit ihnen so, daß etwaige Späher es nicht bemerken konnten, auf die Strecke. Diese Arbeiter waren auf Fürsorge des Ingenieurs hin auch ziemlich wie die Tramps gekleidet.

Es war vollständig dunkel; aber die Arbeiter kannten die Strecke und nahmen den Jäger in ihre Mitte. Während sie so in der Richtung nach Carlyle fortschritten, schärfte er ihnen nochmals ein, wie sie sich in jedem einzelnen möglichen Falle zu verhalten hätten. Sie erreichten den Ort, welcher telegraphisch bestimmt worden war, und setzten sich da im Grase nieder, um die Ankunft des Zuges zu erwarten. Es war noch nicht ganz drei Uhr, als er kam und bei ihnen halten blieb. Er bestand aus der Maschine und sechs großen Personenwagen. Old Firehand stieg ein und durchwanderte dieselben. Sie waren leer. In dem vordersten stand ein mit Steinen gefüllter, verschlossener Koffer. Ein Kondukteur war nicht vorhanden; es gab nur zwei Personen, den Maschinisten und den Heizer. Als Old Firehand die Wagen verlassen hatte, trat er zu diesen beiden und gab ihnen ihre Instruktion. Er hatte noch nicht ausgesprochen, so sagte der Heizer: »Sir, wartet einen Augenblick! Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, Eure Befehle vollends auszusprechen. Ich habe keine Lust, dieselben zu befolgen.«

»So? Warum?«

»Ich bin Heizer und habe den Kessel zu feuern; dafür werde ich bezahlt; aber mich erschießen zu lassen, dazu bin ich nicht angestellt.«

»Wer spricht denn von Erschießen?«

»Ihr freilich nicht, desto mehr aber ich.«

»Kein Mensch wird schießen.«

»Gut, dann stechen oder schlagen sie, und das ist ganz dasselbe. Es bleibt sich gleich, ob ich erschossen, erstochen, erschlagen oder erwürgt werde. Ich will auf keinem einzigen dieser Wege meinen Posten verlassen.«

»Aber haben Eure Vorgesetzten Euch denn nicht befohlen, zu thun, was wir Euch hier vorschreiben?«

»Nein; Das können sie nicht. Ich bin Familienvater und thue meine Pflicht. Mich mit Tramps herumzuschlagen, das gehört aber keineswegs in den Kreis meiner Verpflichtungen. Man hat mir gesagt, daß ich mit hieherfahren und dann hören solle, was von mir verlangt wird. Ob ich es auch thue, das soll ganz von meinem Ermessen abhängen, und ich thue es eben nicht.«

»Das ist Euer fester Entschluß?«

»Ja.«

»Und Ihr, Sir?« fragte Old Firehand den Maschinisten, welcher bisher ruhig zugehört hatte.

»Ich verlasse meine Maschine nicht,« antwortete der brave, furchtlose Mann.

»Aber ich halte es für meine Pflicht, Euch zu sagen, daß Euch doch durch irgend einen unvorhergesehenen Umstand ein Schaden oder gar ein Unglück zugefügt werden kann.«

»Euch nicht auch, Sir?«

»Allerdings.«

»Nun also! Was Ihr, der Fremde, wagt, das werde ich, der ich Beamter bin, wohl auch wagen dürfen.«

»Recht so! Ihr seid ein wackerer Mann. Der Feuermann mag ruhig nach Sheridan gehen und dort unsre Rückkehr erwarten; ich werde seine Stelle vertreten.«

»Well, ich gehe und wünsche gute Verrichtung!« brummte der Genannte, indem er sich entfernte.

Old Firehand stieg mit den beiden Arbeitern auf und vervollständigte die Unterweisung des Maschinisten; dann schwärzte er sich das Gesicht mit Ruß. Er sah nun in seinem Leinenanzuge ganz wie ein Feuermann aus. Der Zug setzte sich in Bewegung.

Die Wagen waren nach amerikanischer Konstruktion gebaut. Man mußte hinten beim letzten einsteigen. um in die vorderen zu gelangen; sie waren natürlich erleuchtet. Die Lokomotive war eine sogenannte Tendermaschine und mit hohen, festen Schutz- und Wetterwänden aus starkem Eisenblech umgeben. Das war ein sehr glücklicher Umstand, denn diese Wände verbargen die auf der Maschine Stehenden fast ganz und besaßen genug Festigkeit, eine Pistolen- oder Flintenkugel abzuhalten.

Der Zug erreichte nach kurzer Zeit Sheridan und hielt dort an. Es befand sich nur der Ingenieur am Platze; er wechselte mit dem Maschinisten die herkömmlichen Redensarten und ließ dann den Train weitergehen.

Indessen waren die beiden Späher, welche Old Firehand auf der Böschung belauscht hatte, an der Stelle, wo der Cornel mit den Tramps sich gelagert hatte, angekommen. Sie berichteten ihm, daß in Sheridan niemand eine Ahnung des Bevorstehenden habe, und richteten damit große Freude an. Dann aber nahmen sie den Cornel beiseite und teilten ihm die Befürchtungen mit, welche sie gegeneinander ausgesprochen hatten. Er hörte sie ruhig an und sagte dann: »Was ihr mir sagt, das weiß ich schon. Es fällt mir gar nicht ein, alle diese Kerle, von denen die meisten unnütze Halunken sind, bei mir zu behalten, und ebensowenig kann es mir beikommen, denen, die ich nicht brauche, einen einzigen Dollar von dieser halben Million zu geben; sie bekommen nichts.«

»So werden sie es sich nehmen.«

»Wartet es ab! Ich habe meinen Plan.«

»Aber sie werden den Zug besteigen!«

»Immerhin! Ich weiß, daß sich alle hineindrängen werden; ich bleibe außen stehen und warte, bis die Kasse herausgebracht wird. Ist dann der Zug fort, so wird sich finden, was geschieht.«

»Wie steht es denn mit uns beiden?«

»Ihr bleibt bei mir. Dadurch, daß ich euch nach Sheridan schickte, habe ich bewiesen, daß ich euch Vertrauen schenke. Jetzt geht zu Woodward. Er kennt meinen Plan und wird euch die Namen derer nennen, welche ich bei mir behalten werde.«

Sie gehorchten dieser Forderung und lagerten sich zu dem Genannten, welcher ungefähr den Rang eines Lieutenants unter dem Cornel bekleidete. Jetzt lag noch alles in Dunkelheit; später, als die Stunde nahte, wurde neben der Strecke ein Feuer angebrannt. Die Tramps ahnten nicht, daß diese späte Nachtstunde zu ihrem Verderben gewählt worden sei. Um drei war es noch dunkel; aber bis der Zug den Eagle-tail erreichte, graute der Tag und man hatte leichtes Zielen.

Es war ein Viertel nach drei, als die Wartenden das ferne Rollen des Zuges hörten und kurz darauf die scharfen Lichter der Maschine erblickten. Old Firehand hielt das Feuerloch geschlossen, damit er und die andern drei Personen nicht deutlich gesehen werden konnten. Kaum hundert Schritte von dem Feuer entfernt, gab der Maschinist, als ob er einem plötzlichen Zwange gehorche, Gegendampf. Die Pfeife ertönte, die Räder kreischten und stöhnten; der Zug kam zum Stehen.

 

Bis jetzt waren die Tramps in Sorge darüber gewesen, ob es dem angeblichen Schreiber und dessen Genossen gelingen werde, den Maschinisten und den Heizer einzuschüchtern; als sie nun sahen, daß die Wagen hielten, jauchzten sie vor Freude auf und drängten nach dem hinteren Wagen. Jeder wollte der erste sein, der ihn bestieg. Der Cornel aber wußte wohl, was das Nötigste sei. Er trat an die Lokomotive, warf um die Kante der einen Schutzwand einen Blick hinauf und fragte: »Alles richtig, Boys?«

»Well antwortete der eine Arbeiter, welcher dem Maschinisten den Revolver auf die Brust hielt. »Sie haben wohl parieren müssen. Schau her, Cornel! Bei der geringsten Bewegung drücken wir los.«

Old Firehand stand wie furchtsam an den Wasserbehälter gedrückt und vor ihm der andre Arbeiter mit seinem Revolver. Der Cornel wurde vollständig getäuscht. Er sagte: »Schön! Habt eure Sache gut gemacht und werdet dafür ein Extrageld erhalten. Bleibt noch oben, bis wir fertig sind, und dann, wenn ich das Zeichen gebe, steigt ab, damit diese guten Leute nicht vor Angst sterben, sondern weiterfahren können.«

Er trat von der Maschine ins Dunkel zurück. Er war überzeugt gewesen, seine beiden Tramps zu sehen, zumal der Arbeiter, welcher antwortete, die Stimme des falschen Schreibers nachgeahmt hatte. Als er fort war, bog sich Old Firehand vor, um einen Blick über den Platz zu werfen. Er sah niemand stehen, aber in den Wagen wimmelte es von Menschen. Man hörte, daß sie sich um den Koffer stritten.

»Fort, fort!« gebot der Jäger dem Maschinisten. »Und nicht langsam, sondern schnell! Der Cornel scheint nun auch eingestiegen zu sein. Wir dürfen nicht länger warten, sonst steigen sie wieder aus.«

Der Zug setzte, ohne daß der Maschinist die Pfeife ertönen ließ, sich wieder in Bewegung.

»Halt. halt!« schrie eine Stimme. »Schießt die Hunde nieder! Schießt, schießt!«

Man konnte die Worte verstehen, aber nicht die Klangfarbe der Stimme unterscheiden. Darum wußte Old Firehand nicht, daß der Cornel der Rufende war.

Die im Innern der Wagen befindlichen Tramps erschraken, als diese letzteren weiterzurollen begannen. Sie wollten aussteigen, abspringen, aber das war bei der Schnelligkeit, welche der Maschinist der Fahrt gab, unmöglich. Old Firehand mußte das Feuer schüren. Die Flammen beleuchteten ihn und seine Genossen. Die Vorderthür des ersten Wagens wurde aufgerissen und Woodward erschien in derselben. Er sah die Maschine vor sich und das hell erleuchtete Gesicht des Jägers, bei dem die vermeintlichen Tramps ganz friedlich standen.

»Old Firehand!« brüllte er so laut, daß es selbst durch das Rollen der Räder und das Pusten der Maschine tönte. »Dieser Hund ist es! Fahr zum Teufel!«

Er riß sein Pistol aus dem Gürtel und schoß. Firehand warf sich zu Boden und wurde nicht getroffen. Im nächsten Augenblicke aber blitzte sein Revolver auf, und Woodward stürzte, ins Herz getroffen, in den Wagen zurück. Andre erschienen an der offenen Thüre, wurden aber augenblicklich von seinen Kugeln getroffen. Auch die beiden Arbeiter richteten ihre Revolver auf die Thür und schossen, bis es gelungen war, die eine Seitenschutzwand in den Querfalz und also zwischen den Wagen und die Maschine zu bringen. Nun mochten die Tramps schießen.

Indessen war der Zug weitergerast. Der Führer hielt das Auge scharf auf die von den Lichtern beschienene Strecke gerichtet. Zwei Viertelstunden vergingen, und im Osten wurde es hell. Da ließ er die Pfeife ertönen, nicht in kurzen Stößen, sondern in einem langen, endlos scheinenden Brüllen. Er näherte sich der Brücke und wollte die dort wartenden Männer von dem Kommen des Zuges unterrichten.

Diese letzteren standen längst auf ihrem Posten. Kurz vor Mitternacht waren die Dragoner aus Fort Wallace angekommen; sie hatten sich jetzt auf beiden Seiten des Flusses unter die Brücke postiert, um jeden Tramp, der etwa von oben herab entkommen sollte, da unten festzunehmen. Da, wo die Brücke begann, hielt Winnetou mit den Rafters und Jägern. Jenseits derselben, zu beiden Seiten des Tunneleinganges, standen drei Vierteile der bewaffneten Arbeiter, und am Ausgange des Tunnels wartete der Rest derselben. Bei diesen befand sich der Schichtmeister, welcher die nicht ungefährliche Aufgabe übernommen hatte, im Innern des Tunnels die Lokomotive vom Zuge zu lösen. Als er das Gebrüll der Pfeife hörte, gebot er seinen Leuten: »Das Feuer anbrennen!«

Während diesem Befehle sofort Folge geleistet wurde, indem man den vor dem Tunnelmunde liegenden Holz- und Kohlenstoß in Brand steckte, trat er selbst in den Tunnel, um, ganz an die Wand desselben gedrückt, den Zug zu erwarten.

Dieser war mit sich vermindernder Kraft und Schnelligkeit über die Brücke gekommen und näherte sich dem Tunnel. Old Firehand sah die dort postierten Leute und rief ihnen zu: »Hinter uns anbrennen!«

Einen Augenblick später hielt der Zug. Die Lokomotive stand gerade da, wo der Schichtmeister sie erwartet hatte.

»Nur einen Augenblick!«

Bei diesen Worten kroch er zwischen die Maschine und den ersten Wagen, löste die Verbindung zwischen beiden und rannte zum Tunnel hinaus. Die Lokomotive folgte augenblicklich; die Wagen blieben stehen, und die vorn und hinten brennenden Feuer wurden von den Arbeitern, nachdem man die Geleise schnell durch daraufgelegte Steine geschützt hatte, in die Mitte der Strecke geschoben.

Dies alles war viel schneller geschehen, als es erzählt werden kann, viel zu schnell auch, als daß es den Tramps ebenso rasch möglich gewesen wäre, zu erkennen, in welcher Lage sie sich befanden. Es war ihnen schon während der sausenden Fahrt nicht wohl gewesen. Sie hatten erfahren, daß Old Firehand auf der Maschine stehe, und wußten also, daß ihr Plan vereitelt sei; aber sie waren gewiß, daß sie da, wo der Zug zum Halten kam, selbst wenn dieser Ort eine belebte Station sein sollte, ihre Freiheit wiedererlangen würden. Sie waren gut bewaffnet und ihrer so viele, daß es wohl niemand wagen würde, sie halten zu wollen.

Nun stand der Zug; darauf hatten sie gewartet. Aber als sie aus den Seitenfenstern blickten, starrte ihnen eine unterirdische Dunkelheit entgegen. Denjenigen, welche sich nach der Thür des letzten Wagens drängten, um auszusteigen, war es, als ob sie durch eine enge, finstere Röhre in ein mächtig großes, qualmendes Feuer blickten. Und die von ihnen, welche im vorderen Wagen standen, sahen, daß die Lokomotive verschwunden und an deren Stelle ein brennender Kohlenhaufen getreten war. Da kam einem von ihnen der richtige Gedanke.

»Ein Tunnel, ein Tunnel!« rief er erschrocken aus, und »ein Tunnel, ein Tunnel!« schrieen ihm die andren nach. »Was ist da zu thun? Wir müssen hinaus!«

Man schob und stieß, so daß diejenigen, welche an den Thüren – denn nun war auch diejenige des vorderen Wagens passierbar – standen, nicht aussteigen konnten, sondern förmlich hinausgeworfen wurden. Der zweite stürzte auf den ersten, der dritte auf den zweiten und so weiter. Es gab ein Chaos von Körpern, Armen und Beinen, von Schreien, Verwünschungen und Flüchen, und das ging nicht ohne manche Verletzung ab. Es gab sogar welche, die zu den Waffen griffen, um sich derer zu erwehren, welche an ihnen hingen oder auf ihnen lagen.

Und zu der Finsternis, welche von den vorn und hinten am Tunnel brennenden Feuern und den Waggonslampen nicht einmal nur notdürftig erleuchtet wurde, gesellte sich jetzt der dicke, schwere Kohlenqualm, welcher von dem Morgenwinde in den Tunnel getrieben wurde.

»Beim Teufel! Man will uns ersticken!« rief eine kreischende Stimme. »Hinaus, hinaus!«

Zehn, zwanzig. fünfzig, hundert schrieen es ihm nach, und in wahrer Todesangst drängte sich, trieb, schob und stieß sich alles den beiden Ausgängen zu. Aber dort prasselten die Feuer, deren breit und hoch lodernde Flammen keinen Raum zum Durchgang boten. Wer da hinaus wollte, mußte durch das Feuer springen und an den Kleidern unbedingt in Brand geraten. Das erkannten die vorderen; sie wendeten sich um und schoben zurück; die hinteren drängten nach und wollten nicht weichen, und infolgedessen entspann sich in der Nähe der beiden Feuer ein schauerlicher Doppelkampf zwischen Leuten, welche kurz vorher noch Freunde und in allem Bösen gleichgesinnt gewesen waren. Der Tunnel warf das Brüllen und Toben in verzehnfachter Stärke zurück, so daß es draußen klang, als ob alles wilde Getier der Erde drinnen losgelassen sei.

Old Firehand hatte den Felsen umgangen, um an das vordere Feuer zu kommen. »Wir brauchen nichts zu thun,« rief ihm dort ein Arbeiter entgegen. »Die Bestien reiben einander selber auf. Hört nur, Sir! Ein ausgezeichneterer Plan als der Eurige konnte nicht erdacht werden.«

»Ja, sie sind hart aneinander geraten,« antwortete er. »Aber sie sind Menschen, und wir müssen sie schonen. Macht mir den Eingang frei!«

»Wollt Ihr etwa hinein?«

»Ja.«

»Um Gottes willen nicht! Sie werden über Euch herfallen und Euch erwürgen, Sir!«

»Nein, sondern sie werden froh sein, wenn ich ihnen einen Weg zur Rettung zeige.«

Er half selbst mit, das Feuer seitwärts zu schieben, so daß sich zwischen diesem und der Tunnelwand ein Raum öffnete, durch welchen man springen konnte. Langsam hineinzugehen, wäre unmöglich gewesen. Er that den Sprung und befand sich nun im Tunnel, er allein den wütenden Menschen gegenüber. Wohl nie im Leben hatte sich seine Verwegenheit so deutlich gezeigt wie jetzt; aber auch nie wohl war sein Selbstgefühl ein so sicheres gewesen wie in diesem Augenblick. Er hatte oft erfahren, wie geradezu fascinierend, wie lähmend auch der Mut eines einzigen Mannes auf ganze Massen zu wirken vermag.

»Hallo, silence!« erschallte seine mächtige Stimme. Sie übertönte das Geschrei aus hundert Kehlen, und alle schwiegen still. »Hört, was ich euch sage!«

»Old Firehand!« erklang es voller Staunen über seine unvergleichliche Furchtlosigkeit.

»Ja, der bin ich,« antwortete er. »Und ihr habt es erfahren, wo ich bin, da gibt es keinen Widerstand. Wollt ihr nicht ersticken, so laßt eure Waffen hier und kommt hinaus, aber einzeln. Ich werde draußen am Feuer stehen und kommandieren. Wer hinausspringt, ohne meinen Zuruf abzuwarten, der wird augenblicklich erschossen. Und wer irgend eine Waffe bei sich behält, bekommt ebenso die Kugel. Wir sind ihrer viele, Arbeiter, Jäger, Rafters und Soldaten, genug, um diese meine Drohung wahr machen zu können. Überlegt es euch! Werft uns eine Mütze oder einen Hut hinaus; das soll uns das Zeichen sein, daß ihr euch fügen wollt. Thut ihr das nicht, so richten sich hundert Büchsen auf die Feuer, um niemand durchzulassen.«

Er hatte des Qualms wegen die letzten Worte nur mit Anstrengung sprechen können, und sprang, um ja nicht das Ziel für eine Kugel abzugeben, schnell wieder nach draußen zurück. Diese Vorsicht war geraten, aber eigentlich überflüssig. Der Eindruck, den sein Erscheinen auf die Tramps hervorgebracht hatte, war ein solcher, daß keiner von ihnen es gewagt hätte, das Gewehr gegen ihn zu erheben.

Jetzt gab er den Arbeitern die Weisung, ihre Waffen auf den Tunnelmund zu richten, um die Tramps zurückzuwerfen, falls diese versuchen sollten, in Masse durchzubrechen. Es war zu hören, daß sie sich berieten. Viele laute Stimmen sprachen durcheinander. Die Umstände erlaubten ihnen nicht, viel Zeit auf diese Beratung zu verwenden, denn der Qalm, welcher den Tunnel füllte, wurde immer dichter und erschwerte das Atmen mehr und mehr. Einem Manne wie Old Firehand gegenüber hatten sie den Mut verloren; sie wußten, daß er seine Drohung wahr machen werde; der Tod des Erstickens trat ihnen näher und näher, und so sahen sie keinen andern Weg der Rettung vor sich, als die Ergebung. Es kam ein Hut an dem Feuer vorüber aus dem Tunnel geflogen, und gleich darauf wurden die Tramps durch einen Zuruf Old Firehands belehrt, daß der erste von ihnen kommen dürfe. Er kam herausgesprungen und mußte ohne Aufenthalt über die Brücke hinüber, wo er von den Rafters und Jägern in Empfang genommen wurde. Man hatte sich infolge des so wohlgelungenen Planes, welcher eigentlich dem Kopfe Winnetous entstammte, mit Stricken, Schnüren und Riemen versehen, und der Mann wurde. als er drüben anlangte, sofort gebunden. Ebenso erging es allen seinen Kameraden, welche nach ihm kamen. Sie wurden in solchen Zwischenräumen aus dem Tunnel entlassen, daß man Zeit hatte, jeden einzelnen zu fesseln, bevor der nächste kam. Dennoch ging das so schnell, daß nach kaum einer Viertelstunde alle Tramps sich in der Gewalt der Sieger befanden. Aber nun stellte sich zum großen Verdruß und Ärger der letzteren heraus, daß der rote Cornel fehlte. Die Gefangenen, welche man befragte, sagten aus, daß er mit ungefähr noch zwanzig andern den Zug gar nicht bestiegen habe. Es wurde im Tunnel und in den Waggons sorgfältig nachgesucht; man fand ihn nicht und mußte also annehmen, daß diese Leute die Wahrheit gesagt hatten.

 

Sollte gerade dieser Mensch, auf den es am meisten abgesehen war, entkommen? Nein! Die Gefangenen wurden dem Schutze der Soldaten und Arbeiter anvertraut, und dann ritten Old Firehand und Winnetou mit den Jägern und Rafters zurück, um die Spur des Vermißten an der Stelle, an welcher der Zug angehalten hatte, aufzunehmen. Dort angekommen, schickte Old Firehand vier Rafters weiter nach Sheridan, um sein Pferd, seinen Jagdanzug und die beiden noch dort befindlichen Tramps nach dem Tunnel schaffen zu lassen. Er wollte nicht wieder nach Sheridan zurückkehren, sondern mit seinen Genossen gleich mit nach Fort Wallace gehen, wohin die Tramps geschafft werden sollten, weil sie dort unter militärischer Bewachung besser aufgehoben waren als anderswo. Natürlich bekamen diese vier Boten auch den Befehl, dem Ingenieur mitzuteilen, inwieweit die Ausführung des Planes gelungen war.

Man fand den Platz, auf welchem die Tramps gelagert hatten, um den Zug zu erwarten. Nicht weit davon waren die Pferde angebunden gewesen. Nach längerem Suchen und sorgfältiger Beurteilung der vielen Fuß- und Hufeindrücke ergab es sich, daß allerdings ungefähr zwanzig Mann entkommen seien. Diese hatten ebensoviele Pferde mit sich genommen, natürlich waren die besten der Tiere ausgesucht worden; die andern hatte man nach allen Richtungen davongejagt.

»Dieser Cornel hat sehr pfiffig gehandelt,« meinte Old Firehand. »Hätte er alle Pferde mitgenommen, so wäre das eine große Last für seinen kleinen Trupp gewesen, und die zurückgelassene Spur würde so deutlich sein, daß ein Kind ihr folgen konnte. Dadurch, daß er die zurückgelassenen Rosse auseinander jagte, hat er uns das Nachforschen erschwert und viel Zeit gewonnen. Und da er jedenfalls nicht die schlechtesten behalten haben wird, so kommt er schnell vorwärts und wird jetzt bereits einen Vorsprung haben, den wir nur mit Mühe auszugleichen vermögen.«

»Mein weißer Bruder irrt sich vielleicht,« antwortete Winnetou. »Dieses Bleichgesicht hat die Gegend gewiß nicht verlassen, ohne nachgeforscht zu haben, was mit seinen Leuten geschehen ist. Wenn wir jetzt seiner Fährte folgen, wird uns dieselbe gewiß nach dem Eagle-tail führen.«

»Ich bin überzeugt, daß mein roter Bruder ganz richtig vermutet. Der Cornel ist von hier fortgeritten, um uns zu belauschen. Er wird nun wissen, woran er ist, und schleunigst die Flucht ergriffen haben. Wir aber sind hierher gekommen, um nach ihm zu forschen, und haben dabei die kostbarste Zeit verloren.«

»Wenn wir schnell zurückkehren, wird er vielleicht noch einzuholen sein!«

»Nein. Mein Bruder muß bedenken, daß wir ihm nicht augenblicklich folgen können. Wir müssen mit nach Fort Wallace, um dort unsre Aussagen abzulegen. Das wird den ganzen heutigen Tag in Anspruch nehmen, so daß wir den zwanzig Tramps erst morgen folgen können.«

»So werden sie uns über einen ganzen Tag voraus sein!«

»Ja; aber wir wissen, wohin sie wollen, und brauchen also keine Zeit damit zu versäumen, daß wir ihrer Fährte folgen. Wir gehen direkt nach dem Silbersee.«

»Meint mein Bruder, daß sie nun noch dahin wollen?«

»Jedenfalls.«

»Jetzt, da sie hier geschlagen worden sind?«

»Ja, trotzdem.«

»Aber sie haben hier keinen Erfolg gehabt. Wird das nicht ihr Vorhaben verändern?«

»Gewiß nicht. Sie wollten Geld haben, um damit irgendwo gewisse Einkäufe zu machen. Diese Einkäufe sind aber nicht unbedingt nötig. Leben können sie von dem Wilde, welches sie schießen. Waffen haben sie und Munition wohl auch. Und sollte es ihnen an der letzteren fehlen, so bekommen sie unterwegs Gelegenheit, sich dieselbe auf ehrliche oder auch unehrliche Weise zu beschaffen. Ich bin überzeugt, daß sie nach dem Silbersee gehen werden.«

»So wollen wir jetzt ihrer Spur folgen, um wenigstens zu erfahren, wohin sie von hier aus geritten sind.«

Zwanzig Reiter hinterlassen Hufeindrücke genug, und hier gab es genug geübte Augen, denen selbst eine viel weniger sichtbare Fährte nicht hätte entgehen können. Dieselbe führte nach dem Flusse und dann stets am Ufer desselben aufwärts; sie war so deutlich, daß man Galopp reiten konnte, ohne sie zu verlieren.

Am Eagle-tail, unweit der Brücke, waren die Tramps halten geblieben. Einer von ihnen, wohl der Cornel, war dann unter dem Schutze der dort stehenden Bäume und Sträucher hinauf nach dem Geleise geschlichen, wo er jedenfalls Zeuge der Gefangennahme der ganzen Gesellschaft gewesen war. Nach seiner Rückkehr hatten sie sich aus dem Staube gemacht.

Die Jäger und Rafters folgten der Spur wohl noch eine halbe Stunde lang und kehrten dann, als sie genau wußten, welche Richtung die Flüchtigen eingeschlagen hatten, nach der Brücke zurück. Die Tramps hatten ihren Weg nach dem Busch-Creek genommen, ein fast sicheres Zeichen, daß sie die Absicht hegten, sich nach Colorado und von dort aus jedenfalls nach dem Silbersee zu wenden.

Indessen waren die vier Rafters aus Sheridan zurückgekehrt. Sie hatten auch Hartley und den Ingenieur Charoy mitgebracht, welche mit nach Fort Wallace wollten, wo ihre Aussage von Wichtigkeit war. Die Arbeiter begaben sich zu Fuße nach Sheridan; sie nahmen als Belohnung die Waffen mit, welche den Tramps abgenommen worden waren. Zum Transport der letzteren waren mehr als genug Wagen vorhanden. Der Bauzug stand auch da und ebenso der »Geldzug«, welcher freilich kein Geld enthalten hatte. Nachdem die Gefangenen aufgeladen worden waren, stiegen die andern ein und die beiden Züge setzten sich in Bewegung. Die Dragoner aber kehrten zu Pferde nach Fort Wallace zurück.

Dort hatte sich das Ereignis indessen herumgesprochen und die Bevölkerung war außerordentlich gespannt, zu erfahren, welchen Verlauf dasselbe genommen habe. Als die Züge ankamen, drängte sich alles herbei, und die Tramps wurden auf eine Weise empfangen, welche ihnen einen Vorgeschmack dessen gab, was sie hier später, nach ihrer Verurteilung, zu erwarten hatten. Wären es nicht ihrer so viele gewesen, und hätte ihre Eskorte es nicht zu verhüten gewußt, so wären sie gewiß gelyncht worden.

Sie hatten übrigens große Verluste erlitten, da fast der vierte Teil ihrer Anzahl tot im Tunnel aufgefunden worden war. Noch heute erzählt man sich in jener Gegend von dieser berühmten Ausräucherung der Tramps im Tunnel des Eagle-tail, wobei natürlich die Namen von Old Firehand und Winnetou genannt werden.