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Der Schatz im Silbersee

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»Das sollten sie wagen!«

»Sie wagen es gewiß. Übrigens würde das gar kein Wagnis für sie sein. Sie würden alles heimlich thun und es so einrichten, daß ihnen niemand etwas anhaben kann.«

Jetzt sah Old Firehand den Schwarzbärtigen, welcher herbeigekommen und in der Nähe stehen geblieben war, den Blick in bescheidenem Verlangen auf den Jäger gerichtet. Dieser trat auf ihn zu und fragte: »Ihr wollt mit mir sprechen, Sir? Kann ich Euch einen Gefallen erweisen?«

»Einen sehr großen,« antwortete der Deutsche.

»So sagt, welchen!«

»Erlaubt mir, Euch einmal die Hand zu drücken, Sir! Das ist alles, um was ich Euch bitte. Dann will ich befriedigt gehen und Euch nicht weiter belästigen. Aber an diese Stunde werde ich mit Freuden denken all mein Lebelang.«

Man sah seinem offenen Blick und hörte seinem Tone an, daß diese Worte wirklich aus dem Herzen kamen. Old Firehand streckte ihm die Rechte entgegen und fragte: »Wie weit wollt Ihr mit diesem Schiffe fahren?«

»Mit diesem Schiffe? Nur bis Fort Gibsen.«

»Das ist doch weit genug!«

»O, dann will ich mit dem Boote noch weiter. Ich fürchte, daß Ihr, der berühmte Mann, der noch niemals unterlegen ist, mich für furchtsam haltet.«

»Warum?«

»Weil ich vorhin den Drink dieses sogenannten Cornels angenommen habe.«

»O nein. Ich kann Euch nur loben, daß Ihr so besonnen gewesen seid. Freilich, als er dann den Indsmann schlug, nahm ich mir vor, ihm eine scharfe Lehre zu erteilen, was ja auch geschehen ist.«

»Hoffentlich läßt er sie sich zur Warnung dienen. Übrigens, wenn Ihr ihm die Finger steif geschossen habt, so ist‘s mit ihm als Westmann aus. Von dem Roten aber weiß ich nicht, was ich denken soll.«

»Wieso?«

»Er hat sich als wirklicher Feigling betragen, und ist doch nicht im mindesten erschrocken, als das Brüllen des Panthers erscholl. Das kann ich mir gar nicht zusammenreimen.«

»Nun, den Reim will ich Euch machen. Es fällt mir nicht schwer, ihn fertig zu bringen.«

»So, kennt Ihr den Indianer?«

»Gesehen habe ich ihn noch nie, desto mehr aber von ihm gehört.«

»Auch ich hörte den Namen, als er ihn aussprach. Es ist ein Wort, bei dem man die Zunge brechen kann. Es war mir unmöglich, es mir zu merken.«

»Weil er sich seiner Muttersprache bediente, jedenfalls um den Cornel nicht merken zu lassen, mit wem er es zu thun hatte. Sein Name ist Nintropan-hauey, und sein Sohn heißt Nintropan-homosch; das bedeutet der große Bär und der kleine Bär.«

»Ist‘s möglich? Von diesem Vater und diesem Sohne habe ich freilich schon oft gehört. Die Tonkawa sind entartet. Nur diese beiden Nintropan haben die Kriegslust ihrer Ahnen geerbt und treiben sich im Gebirge und in der Prairie umher.«

»Ja, sie sind zwei tüchtige Kerls. Und nun werdet Ihr wohl nicht mehr denken, daß sie aus Feigheit dem Cornel nicht geantwortet haben, wie es sich eigentlich gehörte.«

»Ein andrer Indsman hätte den Kerl sofort kalt gemacht!«

»Vielleicht. Aber habt Ihr nicht gesehen, daß der Sohn unter seine Decke nach dem Messer oder dem Tomahawk griff? Nur als er das regungslose Gesicht seines Vaters sah, verzichtete er darauf, die That augenblicklich zu rächen. Ich sage Euch, bei diesen Indsmen genügt ein kurzer Blick, wo es bei uns Weißen oft einer langen Rede bedarf. Seit dem Augenblicke, daß der Cornel den Indianer in das Gesicht schlug, ist sein Tod eine beschlossene Sache. Die beiden »Bären« werden nicht eher von seiner Fährte lassen, bis sie ihn ausgelöscht haben. Aber, Ihr nanntet ihm Euern Namen, den ich als einen deutschen erkannte. Wir sind also Landsleute.«

»Wie, Sir, auch Ihr seid ein Deutscher?« fragte Großer erstaunt.

»Allerdings. Mein eigentlicher Name ist Winter. Auch ich fahre noch eine gute Strecke mit diesem Schiffe, und da findet sich für uns beide jedenfalls Gelegenheit, uns wieder zu sprechen.«

»Wenn Ihr Euch herablassen wollt, so soll es mir die denkbar größte Ehre sein, Sir.«

»Macht keine Komplimente. Ich bin nicht mehr, als Ihr seid, ein Westmann, weiter nichts.«

»Ja, aber der General ist auch nicht mehr als der Rekrut, ein Soldat nämlich.«

»Wollt Ihr Euch in Wahrheit mit einem Rekruten vergleichen? Dann dürftet Ihr Euch nur erst kurze Zeit im Westen befinden.«

»Nun,« meinte der Bärtige in bescheidenem Tone, »etwas länger bin ich doch schon da. Ich heiße Thomas Großer. Den Familiennamen läßt man hier weg; aus dem Thomas macht man einen Tom, und weil ich einen so gewaltigen und schwarzen Bart trage, nennt man mich den schwarzen Tom.«

»Wie? Was?« rief Old Firehand aus. »Ihr seid der schwarze Tom, der berühmte Rafter?«

»Tom heiße ich, Rafter bin ich, ob berühmt, das bezweifle ich.«

»Ihr seid es, Ihr seid es, Sir. Ich versichere es Euch mit meinem Handschlage!«

»Nicht allzulaut, bitte, Sir!« warnte Tom. »Der Colonel dort soll meinen Namen nicht hören.«

»Warum nicht?«

»Weil er mich an demselben wiederkennen würde.«

»So habt Ihr schon mit ihm zu thun gehabt?«

»Ein wenig. Ich erzähle es Euch schon noch. Ihr kennt ihn nicht?«

»Ich sah ihn heut zum erstenmal.«

»Nun, seht seinen Bart und sein rotes Haar und hört dazu, daß sein Name Brinkley ist.«

»Was Ihr sagt! So ist er der rote Brinkley, der hundert Schandthaten begangen hat, ohne daß man ihm eine einzige beweisen kann?«

»Er ist‘s, Sir. Ich habe ihn erkannt.«

»Dann werde ich ihm, wenn er länger an Bord bleibt, etwas schärfer auf die Finger sehen. Und Euch muß ich näher kennen lernen. Ihr seid der Mann, der für mich paßt. Wenn Ihr Euch nicht bereits anderweit versprochen hättet, könnte ich Euch brauchen.«

»Nun,« meinte Tom, indem er nachdenklich zu Boden blickte, »die Ehre, bei Euch sein zu können, ist viel mehr wert, als alles andre. Ich bin zwar einen Bund mit andern Rafters eingegangen; sie haben mich sogar zu ihrem Anführer gemacht; aber wenn Ihr mir Zeit lassen könnt, sie zu benachrichtigen, so läßt sich das leicht lösen.«

»Schön. Ihr müßt Euch einen Kajütenplatz nehmen, damit wir beisammen sind. Was Ihr draufzuzahlen habt, will ich gern ersetzen.«

»Danke, Sir! Wir Rafters verdienen, wenn wir fleißig sind, auch viel Geld. Und gerade jetzt habe ich alle Taschen voll, denn ich komme von Vicksburg unten herauf, wo ich unsre Rechnungen präsentiert und in Kasse umgewandelt habe. Ich kann also den Kajütenplatz selbst bezahlen. Aber seht! Mir scheint, die Vorstellung soll jetzt beginnen.«

Der Menageriebesitzer hatte aus Kisten und Paketen mehrere Sitzreihen hergestellt und lud nun in pomphaften Worten das Publikum ein, Platz zu nehmen. Dies geschah. Das Schiffspersonal durfte, soweit es nicht beschäftigt war, gratis zuschauen. Der Cornel kam mit seinen Leuten nicht herbei; er hatte die Lust dazu verloren.

Die beiden Indianer waren nicht gefragt worden, ob sie auch mit teilnehmen wollten. Zwei Indsmen bei Ladies und Gentlemen, welche pro Person einen Dollar bezahlt hatten, daß wollte der Besitzer des Tieres sich nicht vorwerfen lassen. Sie standen also von ferne und schienen weder dem Käfige noch der Zuschauergruppe die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, während aber ihren scharfen, verstohlenen Blicken von allem, was geschah, nicht daß Geringste entging.

Nun saßen die Zuschauer vor dem noch geschlossenen Kasten. Die meisten von ihnen hatten keinen richtigen Begriff von einem schwarzen Panther. Die katzenartigen Raubtiere der neuen Welt sind bedeutend kleiner und ungefährlicher als diejenigen der alten Welt. Der Gaucho zum Beispiel fängt den Jaguar, welcher der amerikanische Tiger genannt wird, mit dem Lasso und schleift ihn hinter sich her. Das dürfte er beim bengalischen Königstiger nicht wagen. Und der amerikanische Löwe, der Puma, flieht vor dem Menschen, selbst wenn er vom Hunger gepeinigt wird. Man hat die Vorstellung, daß der Panther bedeutend kleiner sei als der Löwe und Tiger, und da die Zuschauer bei diesen beiden Bezeichnungen an den Puma und Jaguar dachten, so erwarteten die meisten von ihnen, ein kaum mehr als einen halben Meter hohes und dementsprechend langes und starkes Raubtier zu sehen. Wie fühlten sie sich daher betroffen, als jetzt die Vorderwand des Kastens entfernt wurde und sie den Panther erblickten.

Er hatte seit New Orleans im Dunkeln gelegen, der Kasten war nur des Nachts geöffnet worden. Jetzt erblickte er zum erstenmal wieder das Tageslicht, welches seine Augen blendete. Er schloß sie und blieb noch liegen, lang ausgestreckt, so lang wie der Kasten war. Dann blinzelte er leise, dabei bemerkte er die vor ihm sitzenden Menschen. Im Nu war er auf und stieß ein Brüllen aus, welches die Wirkung hatte, daß die Mehrzahl der Zuschauer aufsprangen, um zu retirieren.

Ja, es war ein ausgewachsenes prächtiges Exemplar, gewiß einen Meter hoch und ohne Schwanz zweimal so lang. Er faßte die Stäbe des eisernen Käfigs mit den Vordertatzen und schüttelte sie, daß der Kasten in Bewegung kam. Dabei zeigte er das fürchterliche Gebiß. Die dunkle Farbe erhöhte nur den Eindruck, den er machte.

»Ja, Myladies und Gentlemen,« sagte der Menageriebesitzer in erklärendem Tone, »die schwarze Abart des Panthers ist wohl auf den Sundainseln daheim. Diese Tiere sind aber klein. Der echte schwarze Panther, welcher freilich sehr selten ist, wird in Nordafrika, an der Grenze der Sahara gefunden. Er ist ebenso stark und weit gefährlicher als der Löwe und kann ein ausgewachsenes Rind im Rachen forttragen. Was seine Zähne vermögen, werdet ihr gleich sehen, da die Fütterung beginnt.«

Der Bändiger brachte die Hälfte eines Schafes herbei und legte sie vor dem Käfig nieder. Als der Panther das Fleisch erblickte, gebärdete er sich wie unsinnig. Er sprang auf und ab und fauchte und brüllte, daß die furchtsameren der Zuschauer sich noch weiter zurückzogen als bisher.

Ein an der Schiffsmaschine beschäftigter Neger hatte der Neugierde nicht widerstehen können und sich herbeigeschlichen. Der Kapitän sah ihn und befahl ihm, sofort an seine Arbeit zurückzukehren. Da der Schwarze nicht gleich gehorchte, ergriff der Kapitän ein nahe liegendes Tauende und versetzte ihm mit demselben einige Hiebe. Nun zog sich der Gezüchtigte schnell zurück, blieb aber an der in den Maschinenraum führenden Lucke stehen, zog dem Kapitän hinter dem Rücken desselben eine drohende Grimasse und schüttelte die Fäuste gegen ihn. Da die Zuschauer nur auf den Panther achteten, hatten sie das nicht bemerkt. Der Cornel aber sah es und sagte zu seinen Gefährten: »Dieser Nigger ist dem Kapitän nicht hold, wie es scheint. Vielleicht kann er uns von Nutzen sein. Wollen uns an ihn machen. Einige Dollar wirken bei einem Schwarzen Wunder.«

 

Jetzt schob der Tierbändiger das Fleisch zwischen den Eisenstäben hindurch in den Käfig, musterte die Zuschauer mit prüfendem Blicke und sagte dann seinem Herrn einige leise Worte. Dieser schüttelte bedenklich den Kopf, der andre redete weiter auf ihn ein und schien seine Bedenken zu zerstreuen, denn der Besitzer nickte endlich und erklärte den vor dem Käfige Sitzenden und Stehenden: »Myladies und Mesch‘schurs, ich sage euch, daß ihr ungeheures Glück habt. Ein gebändigter schwarzer Panther ist noch nie gesehen worden, wenigstens hier in den Staaten nicht. Während des dreiwöchentlichen Aufenthaltes in New Orleans nun hat mein Bändiger den Panther in die Schule genommen und erklärt jetzt, zum erstenmal öffentlich zu ihm in den Kasten gehen und sich neben ihm niedersetzen zu wollen, falls ihr ihm eine entsprechende Gratifikation zusagt.«

Der Bändiger war ein starker, außerordentlich muskulöser Mensch mit einem ungewöhnlich selbstbewußten Zuge im Gesicht. Er war jedenfalls vom Gelingen seines Vorhabens vollständig überzeugt, wie seine gegenwärtige zuversichtliche Miene bewies.

Der Panther hatte sich über seine Mahlzeit hergemacht, deren Knochen zwischen seinen Zähnen wie Pappe zermalmt wurden. Er schien nur auf seinen Fraß zu achten, und so konnte wohl selbst der Laie der Ansicht sein, daß es keine große Gefahr auf sich habe, gerade jetzt den Käfig zu betreten.

Kein andrer als der vorhin am ängstlichsten war, nämlich der kleine, bebrillte Gelehrte, antwortete enthusiasmiert: »Das würde herrlich sein, Sir! Ein Bravourstück, für welches man schon etwas zahlen kann. Wieviel will der Mann denn haben?«

»Hundert Dollar?«

»Hm! Ist das nicht zu viel?«

»Nein, sondern viel zu wenig, Sir. Die Gefahr, in welche er sich begibt, ist nicht gering, da er des Tieres erst kaum halb sicher ist.«

»So! Nun, ich bin nicht reich. Fünf Dollar aber steuere ich bei. Mesch‘schurs, wer zahlt noch etwas?«

Es meldeten sich so viele, daß die Summe zusammenkommen mußte. Man hatte nun einmal begonnen, und so sollte das Schauspiel auch völlig ausgekostet werden. Selbst der Kapitän wurde erregt und bot Wetten an.

»Sir,« warnte ihn Old Firehand, »begeht keinen Fehler! Ich bitte Euch, das Wagnis nicht zuzugeben. Gerade weil der Mann des Tieres noch nicht sicher ist, habt Ihr die Verpflichtung, Einspruch zu erheben.«

»Einspruch?« lachte der Kapitän. »Pshaw! Bin ich etwa der Vater oder die Mutter des Bändigers? Habe ich ihm Befehle zu erteilen? Hier in diesem gesegneten Lande hat jedermann das Recht, seine Haut zu Markte zu tragen, ganz wie es ihm beliebt. Wird er von dem Panther gefressen, nun, so ist das seine und des Panthers Sache, nicht aber die meinige. Also, Gentlemen, ich behaupte, daß der Mann nicht so heil wieder herauskommt, wie er hineingeht, und setze hundert Dollar. Wer geht darauf ein? Zehn Prozent der Gewinne soll der Bändiger noch extra erhalten.«

Dieses Beispiel elektrisierte. Es wurden mehrere Wetten zu nicht unbedeutenden Beträgen abgeschlossen, und es stellte sich heraus, daß dieselben dem Bändiger, falls sein Wagnis gelingen sollte, gegen dreihundert Dollar einbringen mußten.

Es war nicht gesagt, ob der Tierbändiger dabei bewaffnet sein solle. Er holte seinen Totschläger, eine Peitsche, deren Knauf eine Explosionskugel enthielt. Griff das Tier ihn an, so bedurfte es nur eines kräftigen Hiebes seinerseits, den Panther augenblicklich zu töten.

»Ich traue selbst einem solchen Totschläger nicht,« sagte Old Firehand zu dem schwarzen Tom. »Ein Feuerwerkskörper wäre praktischer, da das Tier durch denselben zurückgeschreckt würde, ohne doch getötet zu werden. Doch thue jeder nach seinem Wohlgefallen. Ich will‘s loben, aber erst dann, wenn es gelungen ist.«

Jetzt hielt der Bändiger eine kurze Ansprache an das Publikum, und wendete sich dann gegen den Käfig. Er öffnete die schweren Riegel und schob darauf das schmale Gitter, welches die ungefähr fünf Fuß hohe Thür bildete, zur Seite. Um einzutreten, mußte er sich bücken. Dabei bedurfte er beider Hände, um die Thür zu halten, und dann, wenn er sich im Käfige befand, wieder zu schließen; deshalb hatte er den Totschläger zwischen die Zähne genommen und war also, wenn auch nur für diesen kurzen Augenblick, wehrlos. Zwar war er schon oft bei dem Tiere im Käfige gewesen, aber unter ganz andern Umständen. Da war dasselbe nicht tagelang im Dunkeln gewesen; es hatten sich nicht so viele Menschen in der Nähe befunden, und es hatte auch nicht das Stampfen der Maschine und das Rauschen und Brausen der Räder gegeben. Diese Umstände waren weder von dem Menageriebesitzer noch von dem Bändiger genug in Betracht gezogen worden, und nun zeigten sich die Folgen.

Als der Panther das Geräusch des Gitters hörte, drehte er sich um. Eben schob der Bändiger den gesenkten Kopf herein – eine geradezu gedankenschnelle Bewegung des Raubtieres, ein blitzähnliches Aufzucken, und es hatte den Kopf, aus dessen Mund der Totschläger fiel, im Rachen und zerkrachte ihn mit einem einzigen Bisse in Splitter und zu Brei.

Das Geschrei, welches sich in diesem Augenblicke vor dem Käfige erhob, spottete jeder Beschreibung. Alles sprang auf und rannte zeternd davon. Nur drei blieben, der Menageriebesitzer, Old Firehand und der schwarze Tom. Der erstere wollte die Thür des Käfigs zuschieben, aber dies war unmöglich, da die Leiche sich halb in demselben und halb außerhalb befand. Dann wollte er den Toten bei den Beinen fassen und herausziehen.

»Um Gottes willen, das nicht.« rief Old Firehand. »Der Panther käme hinterdrein. Schiebt den Körper vollends hinein, er ist nun doch tot. Dann geht die Thüre zu!«

Der Panther lag vor der kopflosen Leiche. Die Knochensplitter im blutig geifernden Rachen, hielt er die funkelnden Augen auf seinen Herrn gerichtet. Er schien die Absicht desselben zu erraten, denn er brüllte zornig auf und kroch auf der Leiche vor, dieselbe durch die Schwere seines Körpers festhaltend. Sein Kopf war nur noch wenige Zoll von der Thüröffnung entfernt.

»Fort, fort! Er kommt heraus!« rief Old Firehand. »Tom, Ihr Gewehr! Ihr Gewehr! Ein Revolver würde das Übel nur ärger machen!«

Der schwarze Tom sprang nach seiner Büchse.

Von dem Augenblicke, in welchem der Bändiger den Käfig betreten hatte, bis zum gegenwärtigen waren kaum zehn Sekunden vergangen. Niemand hatte noch Zeit gefunden, sich vollständig in Sicherheit zu bringen. Das ganze Deck bildete einen Wirrwarr von fliehenden und vor Angst schreienden Personen. Die Thüren nach den Kajüten und den Unterdecks waren verstopft. Man duckte sich hinter Fässern und Kisten nieder und sprang doch wieder auf, weil man sich da nicht vollständig sicher fühlte.

Der Kapitän war nach seiner Kommandobrücke gerannt und stieg dieselbe empor, drei und vier Stufen auf einmal nehmend. Old Firehand folgte ihm. Der Menageriebesitzer flüchtete sich nach der Hinterwand des Käfigs. Der schwarze Tom rannte nach seinem Gewehre. Unterwegs fiel ihm ein, daß er das Beil mit demselben zusammengebunden hatte und es also nicht augenblicklich gebrauchen könne. Er blieb also bei den beiden Indianern, an denen er vorübergewollt hatte, stehen und riß dem alten Bär die Flinte aus der Hand.

»Ich selbst schießen,« sagte dieser, seine Hand nach der Waffe ausstreckend.

»Laß mich!« herrschte der Bärtige ihm zu »Ich schieße jedenfalls besser als du!«

Er drehte sich nach dem Käfig um. Der Panther hatte diesen soeben verlassen, hob den Kopf und brüllte. Der schwarze Tom legte an und drückte ab. Der Schuß krachte, aber die Kugel traf nicht. Hastig riß er nun auch dem jungen Indianer die Flinte aus der Hand und gab die Ladung derselben auf das Tier ab – mit demselben Mißerfolge.

»Schlecht schießen. Gewehr nicht kennen,« sagte der alte Bär so ruhig, als ob er in seinem sicheren Wigwam beim Braten sitze.

Der Deutsche beachtete diese Worte nicht. Er warf die Flinte weg und eilte weiter nach vorn, wo die Gewehre der Leute des Cornel lagen. Diese Gentlemen hatten keine Lust gehabt, den Kampf mit dem Tiere aufzunehmen, sondern sich schleunigst versteckt.

Da ertönte in der Nähe der Kommandobrücke ein entsetzlicher Schrei. Eine Dame wollte sich auf dieselbe flüchten. Der Panther sah sie eben, als das erwähnte Brüllen beendet war. Er duckte sich nieder und sprang dann in langen, weiten Sätzen auf sie zu. Sie sah es und stieß jenen Schrei aus. Sie befand sich noch unten, während Old Firehand auf der fünften oder sechsten Stufe stand. Im Nu hatte er sie erfaßt, schwang sie zu sich empor und hob sie mit starken Armen über sich hinauf, wo der Kapitän sie an sich nahm. Das war das Werk von zwei Augenblicken gewesen, und nun befand sich der Panther an der Brücke. Er setzte die beiden Vordertatzen auf eine der Stufen und zog schon den Körper zusammen, um sich empor und auf Old Firehand zu schnellen. Dieser versetzte ihm mit aller Gewalt einen Fußtritt auf die Nase und feuerte ihm dann die noch übrigen drei Kugeln seines Revolvers gegen den Kopf.

Diese Art der Abwehr war eigentlich eine lächerliche. Mit einem Fußtritte und einigen erbsengroßen Revolverkugeln schreckt man keinen schwarzen Panther zurück; aber Old Firehand besaß eben kein wirksameres Verteidigungsmittel. Er war überzeugt, daß das Tier ihn nun packen werde; aber es geschah noch nicht, sondern der Panther drehte, in seiner an der Treppe aufgerichteten Stellung verharrend, den Kopf langsam zur Seite, als ob er sich auf etwas Besseres besinnen wolle. Hatten die aus solcher Nähe abgeschossenen Kugeln, die kaum linientief in seine harte Schädeldecke eingedrungen sein konnten, ihn in eine Art von Betäubung versetzt? Oder war der Tritt auf die empfindliche Nase ihm zu schmerzhaft gewesen, kurz und gut, er richtete die Augen nicht mehr auf Old Firehand, sondern nach dem Vorderdeck, wo jetzt ein etwa dreizehnjähriges Mädchen stand, unbeweglich, wie vom Schreck gelähmt, beide Arme nach der Kommandobrücke ausgestreckt. Es war die Tochter der Dame, welche Old Firehand soeben vor dem Panther gerettet hatte. Das Kind hatte, sich selbst auf der Flucht befindend, seine Mutter in Gefahr gesehen und und war vor Entsetzen darüber da, wo es noch stand, halten geblieben, in ein helles, weithin leuchtendes Gewand gekleidet, welches dem Panther in die Augen fiel. Er ließ die Tatzen von der Treppe, wendete sich ab und schnellte sich, sechs bis acht Ellen lange Sätze machend, auf das Kind zu, welches das Entsetzliche kommen sah und sich weder zu bewegen, noch einen Laut auszustoßen vermochte.

»Mein Kind, mein Kind!« jammerte die Mutter.

Alle, die es sahen, schrieen oder brüllten mit; aber keiner rührte die Hand oder den Fuß zur Rettung. Es war auch keine Zeit dazu. Keine? Und rührte sich wirklich kein Mensch? Doch einer, und zwar derjenige, dem man eine solche Umsicht, Kühnheit und Geistesgegenwart wohl am allerwenigsten zugetraut hätte, nämlich der junge Indianer.

Er hatte mit seinem Vater ungefähr zehn Schritte von dem Mädchen entfernt gestanden. Als er die Gefahr bemerkte, in welcher sich dasselbe befand, blitzten seine Augen auf. Er sah nach rechts und links, wie nach einem Rettungswege suchend; dann ließ er die Zunidecke von den Schultern fallen und rief seinem Vater in der Sprache der Tonkawa zu: »Tiakaitat; schai schoyana – bleib stehen; ich werde schwimmen!«

Er sprang mit zwei Sätzen auf das Mädchen zu, ergriff es an dem Taillengürtel, schnellte mit ihr nach der Reiling und schwang sich auf diese hinauf. Dort blieb er einen Augenblick stehen, um zurückzublicken. Der Panther war hinter ihm und setzte eben zum letzten Sprunge an. Kaum hatten die Pranken des Tieres den Boden verlassen, so flog der junge Indianer, sich eine seitwärtige Richtung gebend, um nicht neben dem Tiere in das Wasser zu kommen, von der Reiling in den Fluß hinab. Das Wasser schlug über ihm und seiner Last zusammen. Zugleich schoß der Panther, dessen Sprungkraft eine so große war, daß er sich nicht zu halten vermochte, über das Geländer hinaus und hinunter in den Strom.

»Stopp, stopp auf der Stelle!« kommandierte der Kapitän geistesgegenwärtig durch das Sprachrohr in den Maschinenraum hinab.

 

Der Ingenieur gab Gegendampf; der Steamer stoppte und blieb dann dadurch auf der Stelle halten, daß die Räder nur so viel Wasser griffen, als nötig war, die Rücktrift zu vermeiden.

Da die Gefahr für die Passagiere jetzt vorüber war, eilten alle aus den verschiedenen Verstecken hervor und an das Geländer. Die Mutter des Kindes war in Ohnmacht gefallen, der Vater desselben rief mit überlauter Stimme: »Tausend Dollar für die Rettung meiner Tochter, zweitausend, dreitausend, fünftausend, noch mehr, noch viel mehr!«

Niemand hörte auf ihn. Alle beugten sich über die Reiling, um in den Fluß hinabzusehen. Da lag der Panther, als vortrefflicher Schwimmer, mit ausgebreiteten Pranken auf dem Wasser und sah sich nach der Beute um – vergeblich. Der kühne Knabe war mit dem Mädchen nicht zu sehen.

»Sie sind ertrunken, in die Räder gekommen!« jammerte der Vater, indem er sich das Haar mit beiden Händen raufte.

Da aber ertönte vom andern Bord die schallende Stimme des alten Indianers herüber. »Nintropan-homosch klug gewesen. Unter Schiff wegschwimmen, damit Panther nicht sehen. Hier unten sein!«

Alles rannte nun nach Steuerbord, und der Kapitän befahl, Taue auszuwerfen. Ja wirklich, da unten, hart an der Schiffswand, schwamm langsam auf dem Rücken, um nicht abgetrieben zu werden, der »junge Bär« und hatte sich das bewußtlose Mädchen quer über den Leib gelegt. Taue waren schnell zur Hand; sie wurden hinabgelassen. Der Knabe befestigte eines derselben unter den Armen des Mädchens, und schwang, während dieses emporgezogen wurde, sich behend an einem zweiten an Bord.

Er wurde mit brausendem Jubel begrüßt, schritt aber stolz davon, ohne ein Wort zu sagen. Aber als er an dem Cornel, welcher auch mit zugesehen hatte, vorüber kam, blieb er vor ihm stehen und sagte so laut, daß jedermann es hörte: »Nun, fürchtet sich Tonkawa vor kleiner, räudiger Katze? Cornel ist ausgerissen mit all seinen zwanzig Helden; Tonkawa aber hat großes Ungetüm auf sich gelenkt, um Mädchen und Passagiere zu retten. Cornel bald noch mehr von Tonkawa hören!«

Die Gerettete wurde nach der Kajüte getragen. Da streckte der Steuermann, welcher den besten Ausblick hatte, die Hand nach Backbord aus und rief:

»Seht den Panther; seht das Floß!«

Jetzt sprangen alle wieder auf die angegebene Seite hinüber, wo sich ihnen ein neues und nicht weniger aufregendes Schauspiel bot. Man hatte nämlich, nur mit dem bisher Erzählten beschäftigt, ein kleines, aus Strauchwerk und Schilf gefertigtes Floß nicht bemerkt, auf welchem zwei Gestalten saßen, welche vom rechten Flußufer her den Steamer erreichen wollten. Sie arbeiteten mit aus Zweigen improvisierten Rudern. Die eine Person war ein Knabe, die andre schien ein ganz eigen- oder fremdartig gekleidetes Frauenzimmer zu sein. Man sah eine Kopfbedeckung, ähnlich einer alten Flatusenhaube, darunter ein volles, rotwangiges Gesicht mit kleinen Äuglein. Die übrige Gestalt steckte in einem weiten Sacke oder einem ähnlichen Dinge, dessen Schnitt und Fasson jetzt nicht zu bestimmen war, da die Person nicht stand, sondern saß. Der Schwarze Tom stand neben Old Firehand und fragte ihn: »Sir, kennt Ihr diese Frau?«

»Nein. Ist sie denn so berühmt, daß ich sie kennen müßte?«

»Allerdings. Sie ist natürlich gar keine Frau, sondern ein Mann, ein Prairiejäger und Fallensteller. Und da kommt der Panther. Da werdet Ihr sehen, was eine Frau, die ein Mann ist, zu leisten vermag.«

Er beugte sich über die Reiling und rief hinab: »Holla, Tante Droll, aufgepaßt. Der will Euch fressen.«

Das Floß war ungefähr noch fünfzig Schritte von dem Steamer entfernt. Der Panther war, nach seiner Beute suchend, immer an der Seite des Schiffes hin und der geschwommen. Jetzt sah er das Floß und hielt auf dasselbe zu. Die auf demselben befindliche scheinbare Frau sah nach dem Deck empor, erkannte den, der sie angerufen hatte, und antwortete mit hoher Fistelstimme: »Good lack, Ihr seid es, Tom? Freue mich sehr, Euch zu sehen, wenn es nötig ist! Was ist das für ein Tier?«

»Ein schwarzer Panther, der von Bord gesprungen ist. Macht Euch davon. Schnell, schnell!«

»Oho! Tante Droll reißt vor niemand aus, auch nicht vor einem Panther, mag er schwarz, blau oder grün aussehen. Darf man das Vieh erschießen?«

»Natürlich! Aber Ihr bringt es nicht fertig. Es gehörte in eine Menagerie und ist das gefährlichste Raubtier der Welt. Flieht auf die andre Seite des Schiffes.«

Niemand als nur Tom kannte die närrische Gestalt, doch riefen alle ihr die Warnung zu, zu fliehen. Sie aber schien einen Spaß daran zu finden, mit dem Panther Haschens zu spielen. Sie führte das zerbrechliche Ruder mit wahrer Meisterschaft und wußte dem Tiere mit erstaunlicher Geschicklichkeit auszuweichen. Dabei rief sie immer mit derselben Fistelstimme herauf: »Werde es schon fertig bringen, alter Tom. Wohin wird denn so eine Kreatur geschossen, wenn es nötig ist?«

»Ins Auge,« antwortete Old Firehand.

»Well! So wollen wir diese Wasserratte mal herankommen lassen.«

Er zog das Ruder ein und griff zu der Büchse, welche neben ihm gelegen hatte. Floß und Panther näherten sich einander schnell. Das Raubtier blickte mit weit offenen, starren Augen auf den Feind, welcher das Gewehr anlegte, kurz zielte und zweimal abdrückte. Das Gewehr weglegen, zum Ruder greifen und das Floß zurücktreiben, war das Werk eines Augenblickes. Der Panther war verschwunden. Da, wo man ihn zuletzt gesehen hatte, bezeichnete ein Strudel den Ort seines Todeskampfes, dann sah man ihn weiter abwärts wieder an der Oberfläche erscheinen, regungslos und tot, dort trieb er einige Sekunden lang und wurde dann wieder in die Tiefe gezogen.

»Ein Meisterschuß!« rief Tom vom Deck herab, und die Passagiere stimmten begeistert bei, nur der Menageriebesitzer nicht, welcher um den teuren Panther und seinen Tierbändiger gekommen war.

»Zwei Schüsse waren es,« antwortete die abenteuerliche Gestalt vom Flusse herauf. »In jedes Auge einer. Wohin geht dieser Steamer, wenn es nötig ist?«

»Soweit er genug Wasser findet,« antwortete der Kapitän.

»Wir wollten an Bord und haben uns deshalb drüben am Ufer dieses Floß gebaut. Wollt Ihr uns aufnehmen?«

»Könnt Ihr Passage zahlen, Ma‘am oder Sir? Ich weiß wirklich nicht, ob ich Euch als Mann oder als Frau heraufbefördern soll.«

»Als Tante, Sir. Ich bin nämlich Tante Droll, verstanden, wenn es nötig ist. Und was die Passage betrifft, so pflege ich mit gutem Gelde, oder gar mit Nuggets zu bezahlen.«

»So sollt Ihr die Strickleiter hinunter haben. Kommt also an Bord! Wir müssen machen, daß wir von dieser unglückseligen Stelle fortkommen.«

Die Strickleiter wurde herabgelassen. Erst stieg der Knabe hinauf, der auch mit einem Gewehre bewaffnet war; dann warf der andre das Gewehr über, erhob sich, ergriff die Leiter, stieß das Floß unter sich fort und turnte sich mit einer eichkätzchenartigen Geschicklichkeit an das Deck, wo er mit großen, ungemein erstaunten Blicken empfangen wurde.