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Der Oelprinz

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Das war so schnell geschehen, und der Schreck lähmte die Glieder der Kavalleristen in der Weise, daß der Flüchtling einen ganz bedeutenden Vorsprung erreicht hatte, ehe hinter ihm der erste Schrei des Zornes und der Ueberraschung erscholl.

»Schießen, schießen! Schießt ihn aus dem Sattel; aber trefft das Pferd nicht etwa!« rief der Offizier.

Alle eilten nach den Pferden, an deren Sätteln die Gewehre hingen. Darüber verging viele Zeit, und da das Pferd nicht getroffen werden sollte, war das Zielen schwer. Endlich krachten einige Schüsse, aber weil zu hoch gezielt, gingen die Kugeln über den Flüchtling weg; dann befand er sich außerhalb des Schußbereiches.

Indessen hatten die andern Gefangenen diese Verwirrung benützt, teils davonzulaufen, teils auf ihren Pferden, von denen sie noch nicht gestiegen waren, davonzureiten. Das gab ein wütendes Geschrei und heilloses Durcheinander. Die Kavalleristen mußten sich zerstreuen, um jedem einzelnen Entrinnenden nachzujagen, und so gab es nur vier oder fünf, welche sich hinter Buttler hermachten – ganz vergeblich; sein Vorsprung war zu groß und sein Pferd das schnellere; sie verloren ihn aus den Augen und kehrten schimpfend wieder um. Er aber jagte unaufhaltsam weiter, bis er vor sich einen Reiter erblickte; es war der Scout, sein neuer Verbündeter, der ihn froh bewillkommte. Beide suchten zunächst ein sicheres Versteck gegen die Verfolger auf und folgten dann am nächsten Morgen, um sich zu rächen, den Spuren des Wagenzuges, welcher ihnen nur eine Tagereise voraus war. – – —

Zweites Kapitel: Im Mogollongebirge

Am kleinen Rio San Carlos, einem Nebenflusse des Rio Gila, stand ein Rancho, welcher nach seinem damaligen Besitzer Forners Rancho genannt wurde. Es gehörte diesem Amerikaner eine große Strecke Weidelandes; zur Feldwirtschaft war nur der am Flusse gelegene Teil desselben geeignet. Das Haus war nicht groß, aber sehr stark aus Steinen gebaut und von einer ebenso starken, doppelt mannshohen Mauer umgeben, welche in regelmäßigen Zwischenräumen von schmalen Schießscharten unterbrochen wurde, hier in dieser abgelegenen und gefährlichen Gegend eine sehr notwendige Einrichtung. Der Hof, welchen diese Mauer umschloß, war so groß, daß Forner im Falle einer Feindseligkeit von seiten der Indianer seinen ganzen Viehbestand in denselben zu retten vermochte.

Es war jetzt die beste Jahreszeit; die Steppe trug dichtes, grünes Gras, in welchem sich zahlreiche Rinder und Schafe gütlich thaten; auch einige Dutzend Pferde weideten im Freien, von mehreren Knechten bewacht, welche, ihres friedlichen Amtes waltend, miteinander Karten spielten. Das breite, gegen den Fluß gerichtete Mauerthor stand weit offen. Eben jetzt erschien der Ranchero unter demselben, eine echte, sehnige und kräftige Hinterwäldlergestalt. Er überflog mit scharfem aber zufriedenem Blicke die weidenden Herden und beschattete dann seine Augen mit der Hand, um hinaus in die Ferne zu sehen. Da nahm sein Gesicht den Ausdruck der Spannung an; dann wendete er sich um und rief über den Hof hinüber:

»Hallo, Boy, stell’ die Brandyflasche bereit! Es kommt einer, der ihr auf den Boden sehen wird.«

»Wer?« fragte derjenige, dem dieser Ruf gegolten hatte, nämlich sein Sohn, dessen Gesicht an einem Fenster des Hauses erschien.

»Der Oelprinz.«

»Kommt er allein?«

»Nein. Es sind zwei Reiter mit einem Packpferde bei ihm.«

»Well; wenn sie ebenso trinken wie er, kann ich lieber gleich mehrere Flaschen herausstellen.«

Vor dem Hause lagen zehn oder zwölf Steinquader, welche so geordnet waren, daß der größte, mittelste, den Tisch vorstellte, während die andern, kleineren, als Sessel dienten. Der Sohn kam bald aus dem Hause und stellte drei volle Schnapsflaschen nebst einigen Gläsern auf diesen Tisch; dann schritt er über den Hof herüber, um den Ankömmlingen an der Seite des Vaters entgegenzusehen.

Diese hatten das jenseitige Ufer des Flüßchens erreicht und trieben ihre Pferde in das nicht tiefe Wasser desselben.

»Ist’s möglich!« meinte da Forner erstaunt. »Aber wahrscheinlich irre ich mich. Wüßte wirklich nicht, was diesen Mann aus dem sichern Arkansas in diese haltlose Gegend führen könnte.«

»Wen?« fragte der Sohn.

»Master Rollins in Brownsville.«

»Etwa der Bankier, mit welchem du damals zu thun hattest?«

»Ja. Und wahrhaftig, er ist’s; ich irre mich nicht! Bin großartig neugierig, zu erfahren, was er hier im wilden Arizona zu suchen hat.«

Die Reiter hatten das diesseitige Ufer erreicht und hielten nun im Trabe auf den Rancho zu. Der vorderste von ihnen rief schon von weitem:

»Good morning, Master Forner! Habt Ihr einen kräftigen Schluck übrig für drei Gentlemen, welche vor Durst fast von den Pferden fallen?«

Der Sprecher war ein langer, hagerer und sehr gut bewaffneter Mann, dessen außerordentlich scharf geschnittenes Gesicht von der Sonne verbrannt und von Wind und Wetter gegerbt worden war. Er trug einen für diese Gegend geradezu eleganten Anzug, welcher aber gar nicht zu ihm zu passen schien.

Der zweite Reiter war ein ältlicher Herr von behäbigem Aussehen. Der schnelle Morgenritt schien ihn angestrengt zu haben; er schwitzte. An seinem Sattel hing ein schönes Jagdgewehr. Ob er noch andre Waffen – wohl in den Taschen – bei sich hatte, sah man nicht, da er keinen Gürtel trug. Desto deutlicher aber sah man seinem ganzen Habitus an, daß ihm der wilde Westen fremd oder doch wenigstens nicht anheimelnd war. Er schien sich ungefähr in derselben Lage wie eine Landratte auf hoher See zu befinden.

Der dritte Ankömmling war ein junger, blonder und kräftiger Mann, welcher zwar nicht wie ein erfahrener Westmann auf dem Pferde saß, aber doch wenigstens ein guter Promenadenreiter war. Er hatte ein offenes, sympathisches Gesicht, welches leicht gebräunt war. Seine Waffen bestanden aus einem Gewehre, einem Bowiemesser und zwei Revolvern.

»Mehr als einen Schluck!« antwortete Forner. »Welcome, Mesch’schurs! Steigt ab und laßt es euch bei mir gefallen!«

Der behäbig aussehende Herr hielt sein Pferd an, musterte den Ranchero einige Sekunden lang und sagte dann:

»Mir ist’s, also ob wir uns schon gesehen hätten, Sir. Forners Rancho! Also heißt Ihr Forner. Seid Ihr vielleicht bei mir in Brownsville gewesen? Ich heiße Rollins, und dieser junge Sir hier an meiner Seite ist Mr. Baumgarten, mein Buchhalter.«

Forner verbeugte sich gegen die beiden und antwortete:

»Natürlich haben wir uns gesehen, Sir. Ich hatte meine Ersparnisse bei Euch stehen und holte sie mir, ehe ich nach Arizona ging. Nur war es keine so hohe Summe, daß Euch meine Person hätte auffallen und im Gedächtnis bleiben müssen. Also kommt herein! Mein Brandy ist so gut, wie sonst irgend einer, und einen Imbiß könnt Ihr auch haben, wenn Ihr keine großen Ansprüche macht. Wie lange gedenkt Ihr hier zu bleiben, Master Grinley?«

»Bis die heißeste Mittagszeit vorüber ist,« antwortete der, welcher Oelprinz genannt worden war, denn an diesen hatte Forner seine Frage gerichtet.

Die Pferde wurden abgesattelt und durften auf die Weide gehen. Die Reiter nahmen auf und an den erwähnten Steinen Platz. Grinley goß sich sofort ein Glas voll Brandy und leerte es in einem Zuge; schon nach kurzer Zeit hatte er der Flasche auf den Boden gesehen. Der Bankier mischte den Branntwein mit Wasser, während Baumgarten nur Wasser trank. Forner, Vater und Sohn, hatten sich in das Haus zurückgezogen, um von ihren einfachen Vorräten den Gästen ein Essen zu bereiten.

Von ihnen allen konnte keiner sehen, daß jetzt abermals zwei Reiter über den Fluß kamen und sich dem Rancho näherten. Sie hatten jedenfalls einen weiten Ritt hinter sich, und ihre Pferde waren sehr ermüdet. Diese beiden Männer waren Buttler, der Anführer der zwölf Finders, und Polier, der entlassene Führer der deutschen Auswanderer. Indem sie sich dem offenen Thore näherte, fragte Polier:

»Bist du wirklich überzeugt, daß der Ranchero dich nicht kennt? Du hast ihn mir als einen ehrlichen Kerl beschrieben, und ich nehme also an, daß der Name Buttler bei ihm Anstoß erregen würde.«

Man sieht, die beiden waren so vertraut miteinander geworden, daß sie sich jetzt du nannten. Buttler antwortete:

»Er hat mich nie gesehen. Nur mein Bruder ist oft bei ihm gewesen.«

»Der aber natürlich auch Buttler heißt!«

»Allerdings, aber er hat sich hier stets Grinley genannt.«

»Das war klug. Aber Brüder pflegen sich ähnlich zu sehen. Wahrscheinlich ist dies bei euch auch der Fall?«

»Nein. Wir sind Stiefbrüder und stammen von verschiedenen Müttern.«

»Weißt du, wo er sich jetzt befindet?«

»Nein. Als wir uns trennten, ging ich südwärts, um die Gesellschaft der Finders zu gründen; er aber war unentschlossen, wohin er sich wenden würde. Wer weiß, wo wir uns einmal wiedertreffen, wenn wir überhaupt in diesem Leben–alle Wetter, dort sitzt er ja!«

Die beiden waren in diesem Augenblicke unter dem Thore angekommen und sahen die drei Fremden im Hofe sitzen.

Buttler erkannte sofort Grinley, seinen Bruder, und hielt erstaunt sein Pferd an. Grinleys Blick fiel zu gleicher Zeit nach dem Thore. Er erkannte Buttler und hatte trotz seiner Ueberraschung die Geistesgegenwart, die Hand schnell auf den Mund zu legen, was eine Aufforderung zum Schweigen ist.

»Ja, er ist es,« fuhr Buttler fort, indem er sein Pferd wieder in Bewegung setzte und in den Hof ritt. »Sahst du das Zeichen, welches er mir gab? Wir dürfen ihn nicht kennen.«

Sie stiegen von ihren Pferden, ließen dieselben laufen und näherten sich den Steinen, gerade als die beiden Forners aus dem Hause kamen, um ihren Gästen Fleisch und Brot zu bringen. Sie grüßten und fragten, ob es erlaubt sei, sich mit niederzusetzen. Es wurde ihnen natürlich nicht versagt, und sie aßen und tranken mit, ohne daß man sie nach ihren Namen und sonstigen Verhältnissen oder Absichten fragte.

 

Die beiden Brüder, welche sich nicht kennen durften, beabsichtigten ganz selbstverständlich, sich gegen einander auszusprechen; dies mußte aber heimlich geschehen. Darum stand Grinley nach dem Essen auf und sagte, er wolle hinter das Haus gehen und sich dort im Schatten niederlegen, um ein wenig auszuruhen. Buttler folgte ihm nach einiger Zeit so unauffällig und unbefangen wie möglich. Die andern blieben sitzen.

Und wieder kamen zwei Reiter, aber nicht jenseits des Flusses, sondern am diesseitigen Ufer entlang. Sie waren sehr gut beritten. Wären ihre Figuren andre gewesen, so hätte man sie von weitem für Old Shatterhand, den berühmten Prairiejäger, und für Winnetou, den ebenso berühmten Häuptling der Apachen, halten können. Aber sie waren beide von zu kleiner Gestalt, der eine dick und der andre schmächtig.

Der Schmächtige trug lederne ausgefranste Leggins und ein ebenso ausgefranstes ledernes Jagdhemde, dazu lange Stiefel, deren Schäfte er über die Kniee emporgezogen hatte. Auf seinem Kopfe saß ein sehr breitkrämpiger Filzhut. In dem breiten, aus einzelnen Riemen geflochtenen Gürtel steckten zwei Revolver und ein Bowiemesser. Von der linken Schulter nach der rechten Hüfte hing ein Lasso und am Halse an einer seidenen Schnur eine indianische Friedenspfeife. Quer über dem Rücken hatte er zwei Gewehre, ein langes und ein kurzes. Genau so pflegte sich Old Shatterhand zu kleiden. Auch er besaß zwei Gewehre, den gefürchteten Henrystutzen und den weltbekannten langen, schweren Bärentöter.

Während dieser kleine hagere Mann bemüht zu sein schien, ein Eben- oder Abbild von Old Shatterhand zu liefern, war der andre bemüht gewesen, Winnetou nachzuahmen. Er trug ein weißgegerbtes und mit roter, indianischer Stickerei verziertes Jagdhemde. Die Leggins waren aus demselben Stoffe gefertigt und an den Nähten mit Haaren besetzt; ob dies aber Skalphaare waren, das ließ sich sehr bezweifeln. Die Füße steckten in mit Perlen gestickten Mokassins, welche mit Stachelschweinsborsten geschmückt waren. Am Halse trug er auch eine Friedenspfeife und dazu ein Ledersäckchen, welches einen indianischen Medizinbeutel vorstellen sollte. Um die dicke Taille schlang sich ein breiter Gürtel, welcher aus einer Santillodecke bestand. Aus demselben schauten die Griffe eines Messers und zweier Revolver hervor. Sein Kopf war unbedeckt; er hatte sich die Haare lang wachsen lassen und sie in einen hohen Schopf geordnet. Quer über dem Rücken hing ihm ein doppelläufiges Gewehr, dessen Holzteile mit silbernen Nägeln beschlagen waren —eine Imitation der berühmten Silberbüchse des Apachenhäuptlings Winnetou.

Wer Old Shatterhand und Winnetou kannte und hier diese beiden Männlein sah, der hätte sich sicher eines Lächelns nicht erwehren können – das glattrasierte, gutmütige und etwas naseweise Gesicht des Hageren im Vergleiche zu den durchgeistigten, gebieterischen Zügen Old Shatterhands —und die blühend roten, runden Backen, die treuherzigen Augen und freundlich lächelnden Lippen des Dicken als Konterfei des ernsten, bronzenen Gesichtes des Apachen!

Und doch waren diese beiden ganz und gar nicht Personen, über welche zu lachen man Ursache gehabt hätte. Ja, sie besaßen gewisse auffällige Eigentümlichkeiten, aber sie waren Ehrenmänner, Gentlemen durch und durch, und hatten mancher großen und seltenen Gefahr tapfer und unerschrocken in das Auge geschaut. Mit einem Worte: der Dicke war der als »Tante Droll« bekannte Westmann und der Hagere sein Freund und Vetter Hobble-Frank.

Ihre Verehrung für Old Shatterhand und Winnetou war so groß, daß sie sich wie diese beiden gekleidet hatten, was ihnen freilich ein ganz ungewohntes Aussehen gab. Ihre Anzüge waren neu und hatten jedenfalls ein nicht geringes Geld gekostet; und in Beziehung auf ihre Pferde waren sie auch nicht sparsamer gewesen.

Auch sie hatten den Rancho zum Ziele und ritten durch das Thor desselben ein. Als sie auf dem Hofe erschienen, erregten sie einiges Aufsehen, welches seinen Grund in dem Kontraste hatte, welcher zwischen ihrer kriegerischen Ausrüstung und ihrem gutmütigen Aussehen bestand. Sie machten nicht viel Federlesens, stiegen von ihren Pferden, grüßten kurz und setzten sich auf zwei noch leere Steine, ohne zu fragen, ob dies den andern angenehm sei oder nicht.

Forner musterte die beiden Ankömmlinge mit neugierigen Augen. Er war ein erfahrener Mann und wußte dennoch nicht, was er aus ihnen machen sollte. Er konnte nur durch Fragen zum Ziele kommen; darum erkundigte er sich:

»Wollen die Gentlemen vielleicht auch etwas genießen?«

»Jetzt nicht,« antwortete Droll.

»Also später. Wie lange gedenkt ihr hier zu bleiben?«

»Das kommt auf die Verhältnisse an, wenn es nötig ist.«

»Ihr meint jedenfalls hiesige Verhältnisse?«

»Ja.«

»Da kann ich euch sagen, daß ihr bei mir sicher seid.«

»Wo anders auch!«

»Meint ihr? So wißt ihr wohl noch gar nicht, daß die Navajos ihre Kriegsbeile ausgegraben haben?«

»Wir wissen’s.«

»Und daß auch die Moquis und Nijoras sich im hellen Aufstande befinden?«

»Auch das.«

»Und dennoch fühlt ihr euch sicher?«

»Warum sollen wir uns unsicher fühlen, wenn es nötig ist?«

Es ist ganz eigentümlich und eine alte Erfahrung, daß es selten einen richtigen Westmann gibt, der sich nicht irgend eine bestimmte, stehende Redensart angewöhnt hat. Sam Hawkens z.B. bediente sich häufig der Worte »wenn ich mich nicht irre«; Droll hatte sich den Ausdruck

»wenn es nötig ist« angewöhnt. Oft werden diese Redensarten bei Gelegenheiten angewandt, wo sie höchst lächerlich erscheinen und wohl gar das Gegenteil von dem sagen, was ausgedrückt werden soll. So auch jetzt und hier. Darum sah Forner den kleinen Dicken erstaunt an, fuhr aber doch ernsthaft fort:

»Kennt Ihr denn diese Völkerschaften, Sir?«

»Ein wenig.«

»Das reicht nicht aus. Man muß Freund mit ihnen sein, und selbst dann noch ist es möglich, daß man den Skalp verliert, wenn sie den Kampf gegen die Weißen beschlossen haben. Wenn euch euer Weg etwa nach Norden führt, So rate ich euch ab; es ist dort keineswegs geheuer. Ihr scheint zwar gut ausgerüstet zu sein, aber wie ich an euern neuen Anzügen sehe, kommt ihr direkt aus dem Osten, und eure Gesichter sind auch nicht solche, aus denen man den unerschrockenen Westmann sofort herauszulesen vermag.«

»So! Das ist sehr aufrichtig. Ihr beurteilt die Leute also nach ihren Gesichtern, wenn es nötig ist?«

»Ja.«

»Das gewöhnt Euch sobald wie möglich ab. Man schießt und sticht mit der Büchse und dem Messer, nicht aber mit dem Gesichte, verstanden! Es kann einer sehr martialische und grimmige Gesichtszüge besitzen und dabei doch ein Hasenfuß sein.«

»Das will ich nicht bestreiten; aber ihr – hm. Darf ich nicht vielleicht erfahren, was ihr seid, Mesch’schurs?«

»Warum denn nicht?«

»Nun, bitte!«

»Wir sind – na ja, wir sind eigentlich das, was man Rentiers oder wohl auch Particuliers nennt.«

»O weh! Da seid ihr wohl zu euerm Vergnügen nach dem Westen gekommen?«

»Zu unserm Herzeleid natürlich nicht!«

»Wenn das ist, Sir, da kehrt sofort wieder um, sonst werdet Ihr hier ausgelöscht, wie man ein Licht ausbläst. Aus der Art und Weise, wie Ihr redet, höre ich, daß Ihr keine Ahnung von den Gefahren habt, die in dieser Gegend auf Euch warten, Master – Master – wie ist doch Euer Name?«

Droll griff gemächlich in die Tasche, brachte eine Karte hervor und überreichte sie ihm. Der Ranchero machte ein Gesicht, als ob er sich die größte Mühe geben müsse, das Lachen zu verbeißen, und las laut.

»Sebastian Melchior Pampel.«

Der Hobble-Frank hatte auch in die Tasche gelangt und ihm eine Karte gegeben. Forner las:

»Heliogabalus Morpheus Edeward Franke.«

Er hielt einen Augenblick inne und brach dann lachend los:

»Aber, Gents (* Abkürzung von Gentlemen.), was sind das für sonderbare Namen, und was seid ihr doch für sonderbare Menschen! Meint ihr etwa, daß die aufrührerischen Indianer vor diesen euern Namen ausreißen werden? Ich sage euch, daß —«

Er mußte innehalten, denn Rollins, der Bankier, fiel ihm in die Rede:

»Bitte, Master Forner, redet nichts, was diese Gentlemen beleidigen könnte. Ich habe zwar nicht die Ehre, sie persönlich zu kennen, aber ich weiß, daß sie Leute sind, vor denen Ihr Respekt haben müßt.«

Und sich dann direkt an den Hobble-Frank wendend, fuhr er fort:

»Sir, Euer Name ist ein so ungewöhnlicher, daß ich ihn mir gemerkt habe. Ich bin der Bankier Rollins aus Brownsville in Arkansas. Wurden nicht vor einigen Jahren Gelder für Euch bei mir deponiert?«

»Ja, Sir, das ist richtig,« nickte Frank. »Ich vertraute es einem guten Freunde an, welcher es für mich bei Euch niederlegen mußte, weil Ihr mir von Old Shatterhand als sicher geschildert worden waret. Später konnte ich es nicht selbst erheben, sondern ließ es mir nach New York schicken.«

»Das stimmt, das stimmt!« fiel Rollins eifrig ein. »Old Shatterhand, ja, ja! Ihr hattet damals droben in der Nähe von Fillmore City, am Silbersee glaube ich, eine große Masse Gold gefunden. Ist’s nicht so, Sir?«

»Ja,« lachte Frank vergnügt. »Es waren so einige Fingerhüte voll.«

Da sprang Forner von seinem Sitze auf und rief:

»Donnersturm! Ist das wahr, ist das möglich? Ihr seid mit da oben am Silbersee gewesen?«

»Gewiß. Und hier mein Vetter war auch dabei.«

»Wirklich, wirklich? Damals waren ja alle Zeitungen voll von der außerordentlichen Geschichte. Old Firehand, Old Shatterhand, Winnetou sind dabei gewesen, diese berühmten Kerls. Dann der dicke Jemmy, der lange Davy, der Hobble-Frank, die Tante Droll! So kennt Ihr also diese Leute, Sir?«

»Natürlich kenne ich sie. Hier sitzt die Tante Droll, da neben mir, wenn Ihr es gütigst erlaubt.«

Er deutete bei diesen Worten auf seinen Gefährten, dieser zeigte auf ihn und erklärte:

»Und hier habt Ihr unsern Hobble-Frank, wenn es nötig ist. Meint Ihr nun immer noch, daß wir Leute sind, welche den Westen noch nicht kennen?«

»Unglaublich, geradezu unglaublich! Aber es kann nicht sein! Die Tante Droll ist nie anders zu sehen, als in einem ganz sonderbaren Anzuge, in welchem man sie für eine Lady hält. Und der Hobble-Frank trägt einen blauen Frack mit blanken Knöpfen und auf dem Kopfe einen großen Federhut!«

»Muß das immer sein? Darf man sich nicht anders kleiden? Meint Ihr, daß ein Anzug so unverwüstlich ist, daß er im wilden Westen jahrhundertelang getragen werden kann? Als Freunde und Gefährten von Old Shatterhand und Winnetou beliebt es uns jetzt, uns genau wie diese beiden Männer zu kleiden. Wenn Ihr uns nicht glaubt, so ist das Eure Sache; wir haben nichts dagegen.«

»Ich glaube es, Sir, ich glaube es! Ich habe ja gehört, daß man es der Tante Droll und dem Hobble-Frank gar nicht ansehen soll, was für prächtige Kerls sie sind, und das stimmt vollständig. Wie freu’ ich mich, euch zu sehen, Mesch’schurs. Jetzt müßt ihr erzählen; ich bin ganz begierig, aus euerm eigenen Munde zu erfahren, was sich alles damals ereignet hat, und wie jenes außerordentliche Placer entdeckt worden ist.«

Da wehrte der Bankier ab.

»Langsam, langsam, Sir! Das könnt Ihr noch jederzeit hören. Es gibt vorher noch viel Wichtigeres, wenigstens für mich.«

Er hatte das zu Forner gesagt; dann fügte er hinzu, sich an Droll und Frank wendend:

»Ich stehe nämlich vor einem ähnlichen Ereignisse; ich befinde mich auf dem Wege, viele, viele Millionen zu verdienen.«

»Wißt Ihr auch ein Placer, Sir?« fragte Droll.

»Ja; aber nicht Gold, sondern Petroleum soll dort zu finden sein.«

»Auch nicht übel, Sir. Petroleum ist flüssiges Gold. Wo soll denn dieses Placer zu suchen sein?«

»Das ist noch Geheimnis. Master Grinley hat es entdeckt. Er besitzt aber nicht die Mittel, es auszubeuten; dazu gehört viel, sehr viel Geld, und das habe ich. Er hat mir das Placer angeboten, und ich bin bereit, es ihm abzukaufen. Zu solchen Geschäften muß man die eignen Augen nehmen. Darum habe ich mich mit meinem Buchhalter, Mr. Baumgarten hier, aufgemacht, um mich von Grinley nach der Stelle führen zu lassen. Wenn seine Beschreibung sich als richtig erweist, kaufe ich ihm den Platz auf der Stelle ab.«

»Also wo er Euch hinführen wird, das wißt Ihr nicht?«

»Genau allerdings nicht. Es ist ja ganz begreiflich, daß er den Ort bis zum letzten Augenblicke geheim halten will. Wenn es sich um Millionen handelt, kann man nicht bedächtig genug sein.«

»Ganz richtig. Hoffentlich ist er es nicht allein, welcher vorsichtig handelt, denn Ihr habt noch viel mehr Grund, wenigstens ebenso vorsichtig zu sein. Aber so ungefähr müßt Ihr doch wissen, in welcher Gegend das Oel zu finden ist?«

»Das weiß ich allerdings.«

 

»Nun, wo? Wenn Ihr es mir nämlich sagen wollt.«

»Euch sage ich es gern, denn ich möchte wissen, was Ihr davon haltet. Es ist am Chellyarm des Rio San Juan.«

Das volle, rote Gesicht Drolls zog sich in die Länge. Er sah nachdenklich vor sich nieder und sagte:

»Am Chellyarm des Rio San Juan? Da – soll – Pe–tro-le-um zu finden – sein? Im ganzen Leben nicht!«

»Was? Wie? Warum?« rief der Bankier. »Ihr glaubt es nicht?«

»Nein.«

»Kennt Ihr denn die Gegend?«

»Nein.«

»So könnt Ihr doch auch nicht in dieser Weise absprechend urteilen!«

»Warum nicht? Man braucht nicht dort gewesen zu sein, um dennoch zu wissen, daß es dort kein Oel geben kann.«

»Da widerspreche ich. Mr. Grinley war dort und hat Oel gefunden. Ihr aber seid nicht dort gewesen, Sir.«

»Hm! Ich war auch noch nicht in Aegypten und am Nordpole; aber wenn mir jemand sagte, er habe im Nil Buttermilch fließen und am Pole Palmen wachsen sehen, so glaube ich es nicht.«

»Ihr zieht die Sache in das Lächerliche; um ein so schnelles und bestimmtes Urteil fällen zu können, müßtet Ihr Geolog oder Geognost sein. Seid Ihr das?«

»Nein; aber ich besitze meinen gesunden Menschenverstand und habe ihn geübt.«

Da nahm Forner sich der Sache an, indem er der Tante Droll erklärte:

»Ihr thut Mr. Grinley unrecht, Sir, jedermann hier weiß, daß er Petroleum gefunden hat. Es ist ihm gar mancher heimlich nachgegangen, um ihm sein Geheimnis abzulauschen und den Ort zu entdecken, doch stets vergeblich.«

»Natürlich ganz vergeblich, weil es diesen Ort überhaupt nicht gibt!«

»Es gibt ihn, sage ich Euch! Mr. Grinley wird hier von jedermann der Oelprinz genannt.«

»Das beweist gar nichts.«

»Aber er hat mir verschiedene Male Proben des Oeles gezeigt!«

»Auch das ist kein Beweis. Petroleum kann jeder zeigen. Es ist mir wirklich ganz unglaublich, daß es da oben Erdöl gibt. Nehmt Euch in acht, Mr. Rollins! Denkt daran, daß es vor nicht gar langer Zeit Schwindler gab, welche Geldleute in sogenannte Gold- und sogar auch Diamantdistrikte lockten; dann stellte es sich heraus, daß es dort weder Metalle noch Edelsteine gab!«

»Sir, wollt Ihr Mr. Grinley verdächtigen?«

»Fällt mir nicht ein. Die Sache geht mich gar nichts an; aber Ihr habt mich nach meiner Meinung gefragt, und ich habe sie Euch mitgeteilt.«

»Gut! Darf ich vielleicht auch erfahren, was Mr. Frank davon denkt?«

»Ganz dasselbe, was Droll denkt,« antwortete der Hobble-Frank. »Wenn Ihr uns nicht beistimmen wollt, so wartet hier einige Tage; dann werden zwei Personen kommen, auf deren Urteil Ihr Euch verlassen könnt.«

»Wer wird das sein?«

»Old Shatterhand und Winnetou.«

»Was?« fragte Forner freudig überrascht. »Diese beiden Männer wollen in einigen Tagen nach hier kommen?«

»Ja.«

»Woher wißt Ihr das?«

»Von Old Shatterhand.«

»Hat er Euch hierher bestellt?«

»Nein; aber er hat die Güte, mich zuweilen mit einem Briefe zu erfreuen, und vor acht Wochen schrieb er mir, daß er sich mit Winnetou verabredet habe, um die jetzige Zeit mit ihm auf Forners Rancho am Rio San Carlos zusammenzutreffen.«

»Und Ihr meint, daß dies geschehen wird?«

»Ganz bestimmt.«

»Es können Störungen eintreten!«

»Ja; aber dann wartet hier einer auf den andern.«

»Und wenn sie doch nicht kommen?«

»Sie kommen so gewiß, wie der Tag auf die Nacht erscheint. Es ist dagewesen, daß sie sich verabredet haben, an einem gewissen Tage bei einem bestimmten Baume mitten im Urwalde zusammenzutreffen, und niemals haben sie sich verfehlt. Sobald ich den Brief gelesen hatte, war ich überzeugt, daß sie jedes Hindernis überwinden und zur angegebenen Zeit hier sein würden. Ich entschloß mich sofort, mit dabei zu sein und sie zu überraschen. Mein Vetter Droll war gleich dabei, und daß wir aus Deutschland und Sachsen herübergekommen sind, das muß Euch beweisen, daß sie unbedingt hier eintreffen werden.«

»Aus Deutschland? Aus Sachsen?« fiel da Baumgarten, der Buchhalter, rasch ein. »So seid Ihr wohl ein Deutscher, Sir?«

»Ja. Wißt Ihr das noch nicht?«

»Nein. Und hätte ich es einmal gewußt, so habe ich es wieder vergessen. Um so mehr bin ich erfreut, in Euch einen Landsmann begrüßen zu können. Hier meine Hand, Sir; erlaubt mir gefälligst, die Eurige zu drücken!«

Da reichte ihm der Hobble-Frank die seinige hin und rief erfreut in seinem heimatlichen Dialekte:

»Da nehmen Sie sie hin; hier ist sie gegenwärtig mit allen Fingern, die daran gehören! Sie ooch een Deutscher? Wenn mersch nich erleben thät, so thät mersch gar nich glooben! In welcher heimatlichen Gegend sind denn eegentlich Sie aus der jenseitigen Ewigkeet in die diesseitige Zeitlichkeet hineingeschprungen?«

»In Hamburg.«

»In Hamburg? I der Tausend! Also eenige Stunden oberhalb der geographischen Schtelle, an welcher meine liebe Elbe ihre Verlobung mit der Nordsee feiert. Das is mir unendlich intriguant. Wir sind also beede mit Elbwasser getooft, und wenn ich wieder off meinem Bärenfette sitze, kann ich Ihnen mit den Wellen meine Grüße franko zuschpedieren.«

»Bärenfett?« fragte Baumgarten verwundert.

»Jawohl, jawohl! Sind Sie denn nich Abonnement vom “Guten Kameraden”, der in Schtuttgart herausgegeben und an allen Orten der Erde begeischdert gelesen wird?«

»Sie meinen die Knabenzeitung, die diesen Titel führt?«

»Natürlich meene ich nur die!«

»Gesehen habe sich sie, aber abonniert bin ich nicht darauf.«

»Nich? Hören Sie, das is eene Unterlassungssünde, für welche es keenpaterpizzicato gibt. Die müssen Sie halten; die müssen Sie lesen! Ohne die kann keen gebildeter Mensch mehr existieren, denn ich bin eener ihrer oberschten Mitarbeiter. Hätten Sie sie gelesen, so wüßten Sie ganz genau, was ich mit meinem Bärenfett meene, nämlich meine Villa “Bärenfett”, die ich im dritten Jahrgange paganini 397 so physikalisch-dramatisch geschildert habe. Wenn Sie mal nach Sachsen kommen, müssen Sie mich da besuchen, denn dort finden Sie alle Andenken, Erinnerungen und Souverains von meinen ein- und auswärtigen Erlebnissen.«

Baumgarten hatte vom Hobble-Frank gehört: er besann sich jetzt, daß derselbe als ein recht sonderbares Menschenkind geschildert worden war. Jetzt hatte er ihn in Lebensgröße vor sich und gab sich der nun in einem ununterbrochenen Strome fließenden Unterhaltung mit großem Vergnügen hin. Dieselbe gewann dadurch an Interesse und Lebhaftigkeit, daß sich Droll in seinem Altenburger Dialekte auch daran beteiligte.

Unterdessen stand Poller, der entlassene Führer, von seinem Platze auf und that, als ob er nach seinem Pferde sehen wolle. Er machte sich eine kleine Weile mit demselben zu schaffen und verschwand dann hinter dem Hause, wo die beiden Brüder Buttler neben einander im Grase lagen und sich höchst wichtige Dinge mitzuteilen hatten. Da der eine von ihnen sich hier auf dem Rancho unter dem Namen Grinley eingeführt hatte, mag ihm derselbe auch behalten bleiben. Die Gebrüder Buttler hatten früher im Verein mit andern gleichgesinnten Menschen an den Grenzen zwischen Kalifornien, Nevada und

Arizona eine lange Reihe von Thaten begangen, welche so unerhört waren, daß sich schließlich notgedrungener Weise eine Gesellschaft von Regulatoren gebildet hatte, um diesem Unwesen, gegen welches sich das Gesetz als machtlos erwies, auf eigene Faust ein Ende zu machen. Dies war gelungen. Man hatte die meisten Mitglieder der Bande gelyncht: nur wenige waren entkommen, unter ihnen gerade die beiden hervorragendsten und schlimmsten, die Buttlers. Sie hatten sich, wie bereits erwähnt, getrennt. Der eine war nach dem Süden gegangen, um die Gesellschaft der Finders zu gründen, und der andre hatte sich lange Zeit planlos in Utah, Colorado und Neumexiko herumgetrieben, bis er auf einen raffinierten Gedanken verfallen war, dessen Ausführung in das Werk zu setzen er jetzt nun im Begriffe stand. Als er seinem Bruder das Hauptsächlichste darüber mitgeteilt hatte, warf dieser einen bewundernden Blick auf ihn und sagte:

»Du warst stets der Pfiffigere von uns beiden, und ich gestehe dir aufrichtig, daß mir auch dein jetziger Plan ungeheuer imponiert. Meinst du, daß dieser Bankier Rollins wirklich darauf hereinfallen wird?«