Za darmo

Das Vermachtnis des Inka

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Das Tier hat ein höchst häßliches Aussehen, darum rief Morgenstern, als er es erblickte, aus:

»Ja, das ist ein Iguan; ich sehe es. Aber wollen Sie dieses Viehzeug wirklich essen?«

»Natürlich!« antwortete Don Parmesan. »Es gibt nichts Feineres als Iguanfleisch, gleich in der Haut, in den Schuppen gebraten. Wissen Sie das noch nicht?«

»Welch eine Frage? Sie an mich, einen Zoologen zu richten! Die Wissenschaft lehrt, daß der Iguan Fleisch besitzt, und die Erfahrung fügt hinzu, daß es gegessen wird. Mir aber kommen Sie ja nicht mit einem solchen Braten! Ich will doch lieber mit den Chinesen geschmorte Regenwürmer, Trepang und Holothurien verzehren als meine Zähne an einer solchen Echse versuchen.«

»Euer Gnaden lassen es sicher nicht liegen. Ich werde mir sofort ein Stück abschneiden.«

Er zog das Messer, um zu thun, was er gesagt hatte. Da aber hielt ihm Fritze die Hand abwehrend entgegen und sagte:

»Halt, Señor! Wer hat den Iguan geschossen?«

»Sie natürlich.«

»Ich; das ist sehr richtig, und also ist er mein Eigentum. Wer ein Stück haben will, muß es mir abkaufen.«

»Abkaufen? Wie kommen Euer Gnaden zu dieser lächerlichen Ansicht?«

»Ganz so, wie Euer Gnaden auf den Gedanken kamen, sich Ihr Rindfleisch von uns bezahlen zu lassen.«

»Aber das hatte ich doch auch bezahlen müssen!«

»Ob bezahlt oder geschossen, das ist gleich. Sie kamen durch das Bezahlen zu Ihrem Eigentum und ich durch das Schießen zu dem meinigen. Sie ließen sich Ihr Eigentum bezahlen; warum soll ich das meinige verschenken, zumal mein Iguan weit delikater ist als Ihr Rindfleisch. Bei mir kostet das Pfund Iguan heute Abend fünfzig Papierthaler.«

»Aber Señor, Sie scherzen!«

»Es ist mein Ernst. Wer unter Kameraden verkauft, darf nicht erwarten, daß man freigebiger ist als er.«

Er schnitt sich ein tüchtiges Stück herab, spießte es an einen zugespitzten Zweig und hielt es an das Feuer. Sofort war ein äußerst feiner und zarter Bratenduft zu bemerken.

»Hm! Nicht übel!« meinte Morgenstern. »Wenn diese Echse so schmeckt, wie sie riecht, so könnte man wirklich beinahe und einigermaßen Appetit bekommen.«

Fritz antwortete nicht und briet weiter. Er hatte schon Iguan gegessen und wußte, was geschehen würde. Als sein Stück gar war, erfüllte es den ganzen Umkreis des Weihers mit seinem Dufte. Nun schnitt er es in Stücke und begann zu essen. Das schlaue, schadenfrohe Kerlchen machte dabei ein äußerst wonnevolles Gesicht. Da konnte sich Don Parmesan nicht länger halten. Er fragte –

»Señor, wollen Euer Gnaden wirklich kein Stück verschenken?«

»Nein.«

»Auch kein kleines Stückchen?«

»Nein.«

»Ganz dünn und nur so groß wie das Innere meiner Hand?«

»Nein.«

»Was kostet ein Stück, an welchem man sich satt essen kann?«

»Sie sind ein starker Esser, also hundert Papierthaler.«

»Que ca-restia! Und was fordern Sie für ein Stück, aus welchem man etwa zehn Bissen schneiden kann?«

»Sie machen sehr große Bissen. Zehn Bissen werden ein Pfund sein, also fünfzig Papierthaler.«

»Cuanto costa eso – wie teuer ist das! Bedenken Sie doch, daß ich ein armer Verwundeter bin!«

»Auch das bedenke ich. Ein Verwundeter soll Diät halten und einige Tage gar nicht essen.«

»Das ist vollständig unmöglich, wenn man gebratenen Iguan riecht. Señor, denken Euer Gnaden an das Vorbild so vieler frommer und erleuchteter Männer! Ich will Ihnen Ihr Geld zurückgeben.«

Er zog den Beutel aus der Tasche.

»Lassen Sie!« wehrte Fritze ab. »Ich nehme nichts zurück. Sie werden jetzt aber einsehen, wie falsch es ist, sich von Kameraden, mit denen man Sorgen, Entbehrungen, Gefahren und vielleicht gar den Tod zu teilen hat, ein Stückchen Fleisch bezahlen zu lassen. Zu dieser Einsicht wollte ich Sie oft und manchmal bringen. Es versteht sich ganz von selbst, daß ich es nicht machen werde wie Sie. Was einer von uns hat, gehört auch den andern. Der Iguan ist unser gemeinschaftliches Eigentum. Schneiden Sie sich also so viel herab, wie Sie essen wollen!«

Das ließ Don Parmesan sich nicht zweimal sagen. Er rückte schnell herbei, steckte den Beutel wieder ein und nahm Fleisch von der Stelle, von welcher er wußte, daß es da am besten sei. Auch Fritz nahm sich noch ein Stück. Der Gelehrte sah ihnen noch eine kleine Weile zu, dann fragte er:

»Fritz, schmeckt es denn wirklich gar so ausgezeichnet?«

»Hochfein, sage ick Ihnen!«

»So möchte ich es wirklich einmal kosten. Es ist nur, daß man sagen kann, man habe einmal Iguan gegessen.«

»Dat müssen Sie allerdings sagen können. Wat soll man in Jüterbogk von Sie denken, wenn Sie in Südamerika jewesen sind und von keiner Eidechse jekostet haben! Soll ick Sie einen kleinen Happen zurecht machen?«

»Ja, thue es!«

Fritz spießte einen Bissen an, ließ ihn braten und reichte ihm denselben dann hin. Morgenstern kostete erst zaghaft, kaute dann bedächtig und die Augenbrauen emporziehend, schluckte ihn hinab, rückte heran, zog das Messer, schnitt sich ein derbes Stück ab und sagte:

»Wer hätte das gedacht! So eine Eidechse verdient es eigentlich, in eine viel höhere Tierklasse versetzt zu werden. Es gibt weder einen Fisch noch einen Vogel oder ein Säugetier, dessen Fleisch von einer solchen Zartheit ist. Ich werde das in meinem spätern Werke ganz besonders hervorheben und mit fetter Schrift drucken lassen, daß die Iguana ganz außerordentlich wohlschmeckend, lateinisch sapidus, sind.«

So schmausten die drei noch eine ganze Weile. Sie hatten heute beides gekostet, das härteste und das weichste und zarteste Fleisch, Strauß und Iguan, und als sie endlich aufhörten, war noch der ganze Strauß, vom Iguan aber nur der Schwanz übrig, den sie sich für morgen früh aufheben wollten. Dann fesselten sie die Pferde so wie gestern und hüllten sich in ihre Decken, um zu schlafen.

Als Fritz früh erwachte, schlief Morgenstern noch; der »Don« aber hatte schon ein Feuer angezündet und machte sich mit dem Iguanschwanze zu schaffen.

»Halt!« meinte der kleine Deutsche. »Lassen Sie mich teilen, Señor! Wir haben gleiche Rechte.«

Durch diese Worte wurde der Privatgelehrte aufgeweckt, und er zögerte nicht, seinen Anteil von dem Eidechsenschwanze sofort in das Feuer zu halten. Nun sahen sie, daß es in dem Weiher auch Fische gab, Fische, und zwar wie viele und wie große! Aber wie dieselben fangen? Man hatte weder Netze noch Angelzeug.

»Ick weiß, wat wir machen,« sagte Fritz. »Wir jagen sie mit unsern Ponchos aus dem Wasser. Wollen Sie mich helfen, Herr Doktor?«

Der Gefragte erklärte sich sofort bereit dazu. Sie stiegen in das Wasser und nahmen einen Poncho in die Hand. Der eine hielt denselben an dem einen, und der andre an dem andern Ende. Der Weiher war nicht tief. Sie tauchten die Decke bis auf den Boden nieder und trieben, indem sie vorwärts schritten, die Fische nach dem Ufer zu. Es gelang ihnen gleich beim ersten Male, einige an das Land zu schnellen. Als sie dieses Experiment wiederholt hatten, besaßen sie so viel Fleisch, daß sie für zwei Tage auszureichen vermochten.

Während sie dann beschäftigt waren, die Fische erst auszunehmen und in grüne Blätter zu wickeln, fiel das Auge Morgensterns auf eine gar nicht weit von dem Weiher entfernte Stelle des Grases, wo dieses äußerst klein und spärlich wuchs; auch hatte es eine gelbe anstatt eine gr ' üne Farbe. Zog schon dieser Umstand das Auge auf sich, so war es noch viel auffälliger, daß diese Stelle genau zirkelrund war, und daß es an der Peripherie dieses Kreises einen Punkt gab, wo Sand lag und gar nichts wuchs, kein einziger Halm. Auch diese kleine, sandige Stelle in dem Lehmboden mußte auffallen.

Morgenstern stand von seinem Platz auf und näherte sich diesem eigentümlichen Kreise, um denselben genauer in Augenschein zu nehmen. Da sah er zunächst, daß derselbe konvex wie eine umgestürzte Schale war.

»Konvex und zirkelrund,« sagte er sich. »Das ist höchst sonderbar. Warum gedeiht das Gras hier nicht? Der Boden besteht ebenso aus Lehm, wie derjenige der Umgebung. Sollten Steine oder ein andrer steriler Grund darunter liegen, so daß die Wurzeln des Grases nicht tief einzudringen vermögen und also nicht genug Nahrung erlangen können?«

Um das zu untersuchen, zog er sein Messer und stach dasselbe in die Erde. Die Klinge drang höchstens fünf Zoll tief ein und traf dann auf einen harten Gegenstand. Er probierte an andern Stellen und zwar mit genau demselben Erfolge. Der eigentümliche Kreis hatte eine sehr harte Unterlage, auf welcher eine überall fünf Zoll hohe Lehmschicht lag, welche dem Grase nicht genug Nahrung gewährte, so daß dieses nur spärlich stand, nicht hoch wurde und eine krankhafte, gelbe Farbe besaß. Diese Regelmäßigkeiten mußten eine Ursache und zwar eine ganz eigenartige und ungewöhnliche Ursache haben.

Und woher der schmale Sandfleck an der einen Stelle des Kreisumfanges? Es gab, so weit das Auge reichte, keinen Sand. Er bückte sich wieder nieder und begann, mit dem Messer in den Sand zu bohren und denselben aufzuwerfen. Die beiden andern hatten ihm verwundert über sein sonderbares Gebaren zugeschaut. Jetzt kam Fritze herbei und fragte:

»Wat jibt es hier, Herr Doktor? Wat haben Sie mit dat Messer? Wollen Sie unsre jute Mutter Erde totstechen?«

Wenn er mit dem Doktor allein und nicht auch mit dem Chirurgen redete, bediente er sich stets der deutschen Sprache.

»Mach keine dummen Witze!« antwortete Morgenstern. »Es handelt sich hier um eine ernste und vielleicht hochwichtige Angelegenheit. Hast du vielleicht einmal von sogenannten Hexenringen gehört?«

»Sehr oft. Dat sind kreisrunde Stellen auf Wiesen, auf denen in der Walpurgisnacht die Hexen hippelschottisch jetanzt haben.«

»Unsinn! Diese Kreise verdanken ihre Entstehung verschiedenen Arten von Hutpilzen, deren Mycelium sich zentrifugal vermehrt. Vertilgt man diese Pilze, so hören auch die Ringe auf.«

 

»Ick verstehe! Hier haben Sie auch so 'nen Hexenring jefunden.«

»Ja; aber er ist ganz eigentümlicher Art. Während die bekannten Hexenringe von einem üppig grünenden Kreise umschlossen werden, ist dies hier nicht der Fall. Auch wächst hier Gras, während dort das Innere der Ringe vollständig kahl liegt. Das fällt mir auf. Und nun woher dieser Sand? Es ist sonst nirgends welcher zu sehen.«

»Den haben die Hexen herjetragen.«

»Rede keinen Blödsinn! An Hexen glaubst du doch ja selber nicht.«

»Nein. Seit man ihnen verbrannt hat, jibt es keine mehr. Aber diese Stelle kommt mich auch sehr sonderbar vor. Sollte hier ein Schatz verjraben liejen? Dat wäre mich lieber, als wenn wir ein urweltliches Riesenjeschöpf herausbuddelten.«

»Vorweltliches Riesengeschöpf!« rief Morgenstern aus, indem er den Sprecher mit freudiger Überraschung anblickte. »Fritze, vielleicht hast du das Richtige getroffen!«

»Mit dem Jeschöpf oder mit dem Schatz?«

»Mit beiden, denn wenn ich hier ein Mastodon oder so etwas finde, so ist das ein Schatz für mich, und du würdest auch nicht leer ausgehen.«

»Dat läßt sich hören, sagte der Taube, als er eine Ohrfeige bekam. Aber im Ernste jesprochen, hier mitten in der Urwildnis so 'ne Stelle, dat muß doch einen Jrund haben. Und, nur man Jeduld, ick denke, wir finden diesen Jrund, wenn wir nur erst mal da den Sand fortschaffen.«

»Ganz dasselbe dachte auch ich. Hole die Spaten, die Hacken und die Schaufeln! Wir müssen schleunigst nachgraben.«

Fritze folgte dieser Aufforderung. Als die beiden den Sand aufzugraben begannen, kam Don Parmesan herbei und drang zum Aufbruche, da man heute doch den Vater Jaguar einholen müsse. Morgenstern gab ihm eine Erklärung der Gründe, welche ihn veranlaßten, noch hier zu bleiben, doch wollte der Chirurg nichts davon hören. Er machte aber sofort ein andres, viel freundlicheres Gesicht, als der Doktor ihm sagte:

»Wenn wir ein Megatherium hier finden oder ein ähnliches Riesentier und Sie helfen mit, so schenke ich Ihnen tausend Papierthaler.«

Da fragte er rasch:

»Sind Sie denn so reich, Señor?«

»Ich bin wohlhabend und kann es geben.«

»So helfe ich mit, und wenn es eine ganze Woche dauert!«

Er ergriff sofort einen Spaten und begann mitzuarbeiten, denn tausend Papierthaler, so viel wie hundertsechzig deutsche Reichsmark, waren für ihn eine sehr wünschenswerte Summe.

Während er mit Fritze in der sandigen Stelle in den Boden eindrang, nahm Morgenstern eine Schaufel, um einen Punkt der harten Unterlage von der darauf liegenden dünnen Lehmschicht und dem in derselben wachsenden Grase zu befreien. Er kratzte diese Schicht ab und schob sie zur Seite; da kam eine undurchdringliche, glatte und schildpattähnliche Masse zum Vorschein, welche, als er darauf schlug, einen dumpfen, hohlen Ton erzeugte. Da that er vor Freude einen Luftsprung trotz des geschicktesten Harlekins und rief jauchzend aus:

»Heureka, heureka! Ich hab's, ich hab's gefunden! Diese glasharte und panzerartige Masse! Ich hab's, ich hab's!«

»Wat haben Sie denn?« fragte Fritze, indem er von seiner Arbeit aufsah.

»Das Tier, das Riesentier. Es ist ein Glyptodon, ganz gewiß ein Glyptodon!«

»Wer soll dat Wort verstehen! Wie würde man es in Stralau oder Jüterbogk titulieren?«

»Riesenarmadill, oder noch deutscher, Riesenpanzertier!«

»Also ein Tier mit riesige Armatur! Wird es sich jegen unsre Annäherung wehren?«

»Was fällt dir ein! Es ist ja tot; es ist ein vorsündflutliches Geschöpf!«

»Also in der Sündflut umjekommen und schmählich ertrunken? Da kann mich dat arme Beest wirklich leid thun. Ist es jroß?«

»Wie ein Tapir oder Nashorn, anderthalb Meter lang.«

»Also nicht auf den Arm oder in die hohle Hand zu nehmen. Na, dat schadet nichts; wir holen ihm dennoch heraus!«

»Natürlich muß es heraus! Aber nehmt euch in acht, daß ihr es nicht beschädigt! jede, auch die kleinste Beschädigung, lateinisch Laesio genannt, vermindert den Wert dieses kostbaren Fundes!«

»Jut! Werden ihm so sanft wie möglich zu Leibe jehen, wat mich aber von wejen seine Riesenarmatur jar nicht als so notwendig erscheint.«

Er grub mit dem Chirurgen weiter. Auch der Doktor arbeitete mit dem größten Eifer, mit der Schaufel die obere Lehmkruste von dem Panzer des vorweltlichen Tieres abzukratzen. Seine Augen strahlten; seine Wangen glühten, und seine Hände zitterten; er befand sich wie im Fieber. Dabei hielt er seinen beiden Gefährten einen Vortrag über die Urzeiten und die Wesen, welche in denselben existierten. Fritze und Don Parmesan warfen den Sand nach rechts und links heraus und drangen immer tiefer ein. Da gab der Sand plötzlich nach; Fritze stieß einen Schrei aus und verschwand in der Erde. Sein Gefährte sprang schnell aus dem Loche, sonst wäre er ihm nachgestürzt.

»Um des Himmels willen, was ist geschehen!« rief Morgenstern. »Hoffentlich kein Unglück, lateinisch Infortuniumgeheißen!«

»Er ist verschwunden, vollständig verschwunden,« antwortete Parmesan. »Die Erde wich unter ihm, und da war er fort.«

Der Doktor trat vorsichtig an das Loch und rief hinab:

»Fritze, lieber Fritze, lebst du noch?«

»Ja, ick lebe und bin verjnügt in meine Seele,« erklang es von unten herauf.

»Wie ist das gekommen, und wohin bist du geraten?«

Ick habe mit die Balance dat neunzehnte Jahrhundert verloren und bin herunter ins Diluvium jerutscht.«

»Bist du verletzt?«

»Nein. Dat Panzervieh verhält sich sehr jebildet. Es ist janz still und hat mir nicht beschädigt.«

»So komm schnell herauf! Es könnten gefährliche Gase vorhanden sein.«

»Im Jejenteil! Es ist hier vor der Sündflutszeit janz mollig. Kommen Sie herunter! Ick habe jrad noch zwei schöne Sitzplätze zu vermieten, zwei Plätze in der Urwelt. Immer rrrrunter, meine Herren!«

Dieses lustige Gebaren des kleinen Dieners verscheuchte alle Besorgnisse des Doktors. Es konnte da unten doch wohl keine Gefahr vorhanden sein. Und da seine Wißbegierde so groß war, daß er sie kaum beherrschen konnte, folgte er der Aufforderung Fritzes und stieg vorsichtig in das Loch. Dieses führte zunächst gegen vier Fuß senkrecht hinab und ging dann in einem stumpfen Winkel schief nach innen weiter. Der Diener war also nicht senkrecht hinuntergestürzt, sondern in geneigter Richtung vorwärts gerutscht. Jetzt rief er von innen heraus:

»Da sind Sie ja! Ick sehe Ihre Beine. Sie befinden sich jrad vor dem Bauch des Riesentieres. Setzen Sie sich nieder, so ziehe ich Ihnen an die Füße herein zu mich.«

»Ist's etwa gefährlich?« erkundigte sich der vorsichtige Gelehrte.

»Keineswegs. Die Passage ist so bequem wie möglich. Warten Sie, ick werde Ihnen unterstützen.«

In diesem Augenblicke fühlte Morgenstern sich bei den Füßen ergriffen und fortgezogen; er kam in ein sanftes Gleiten und saß dann zu seinem Erstaunen neben Fritzen in einer kleinen niedrigen Höhle, welche infolge des Loches, durch welches er soeben gekommen war, so viel Helligkeit besaß, daß man sich darin umsehen konnte. Sie war länglichrund, ungefähr zwei Ellen hoch und so groß, daß drei Personen bequem nebeneinander sitzen konnten. Die Decke war gewölbt, nicht sehr, sondern ungefähr wie das Innere eines Tellers, und von dunkelmelierter, matt glänzender Farbe. Der Boden der Höhle war eben und von dem hereingebrochenen Sande teilweise bedeckt. An den unbedeckten Stellen sah man, daß er aus hartem Lehm bestand.

Als Fritze seinen Herrn neben sich hatte, lachte er auf und sagte in fröhlichem Tone:

»Da sitzen Sie neben mich, jrade wie Frau Lanziette, jeborene Huhn! So kann man aus die Ober- in die Unterwelt und aus die Jejenwart in die Verjangenheit jeraten. Wat sagen Sie zu diese schöne Mammuthöhle?«

»Von einem Mammut ist hier keine Rede. Wir befinden uns höchst wahrscheinlich im Leibe eines Glyptodon, also desjenigen Tieres, welches ich vorhin Riesenarmadill nannte.«

»Haben diese Tiere Leiber aus Lehm jehabt?«

»Natürlich nein. Du kannst dir doch denken, daß der Leib mitsamt den Knochen nach und nach verwest ist und daß nur der unzerstörbare Panzer übrig geblieben ist. Im Innern desselben sitzen wir jetzt.«

»Also mitten in der Armatur?«

»Ja. Man hat diesen Panzer auch wohl, aber irrtümlicherweise, für die Bedeckung des Megatherium gehalten, weil auch Knochen dieses letzteren Tieres in der Nähe solcher Fundorte angetroffen wurden. Das Glyptodon ist aber für den Kenner unmöglich mit dem Megatherium zu verwechseln, lateinisch permuto, obgleich es ebenso wie dieses einen runden, abgestutzten Kopf und am Jochbeine einen absteigenden Fortsatz hatte. Der Panzer, welcher das Tier vom Halse bis zum Schwanze umschloß und nur am Bauche offen war, bildete keine Ringe, sondern bestand aus einzelnen, sechseckigen Knochenstücken, welche eine einzige starke und zusammenhängende Decke bildeten. Der Schwanz steckte in einer besondern Panzerröhre, die wir jedenfalls auch finden werden. Wir müssen den Panzer zunächst freilegen; wenn sich dann ergibt, welches der hintere und welches der vordere Teil desselben ist, läßt sich leicht sagen, wo die Schwanzröhre liegt.«

Er betastete und beklopfte die Decke der Höhle und fand seine Vermutung, daß dieselbe der Panzer eines fossilen Riesentieres sei, vollkommen bestätigt. Fritze aber schüttelte den Kopf und sagte:

»Wenn dat janze Tier im Panzer jesteckt hat, so daß nur der Bauch unbedeckt war, so muß derselbe doch eine unten offene Höhlung bilden; die Seiten sind auch bepanzert jewesen, hier haben wir nur oben Panzer und an den beiden Seiten Lehm.«

»Der ist durch den Druck eingedrungen. Wenn wir ihn entfernen, werden die Seiten des Panzers zum Vorschein kommen. Ich werde dir den Chirurgen herabschicken. Ihr beide schafft diesen Lehm hinaus, während ich von oben graben werde, um das Glyptodon von außen bloßzulegen. So arbeiten wir uns in die Hände und werden jedenfalls noch vor der Abenddämmerung, lateinisch Crepusculum genannt, fertig sein.«

Er stieg aus der Höhle empor und schickte Don Parmesan mit Hacke und Schaufel hinab. Während die beiden nun unten fleißig arbeiteten, drang er selbst oben mit der Hacke in die Erde ein, um die Erde rund um den Panzer aufzugraben und denselben bloßzulegen.

Er strengte sich so an, daß ihm der Schweiß über das Gesicht lief. Er war ganz begeistert für seine Arbeit. Er dachte an den Ruhm, den es ihm bringen würde, wenn es ihm gelänge, ein fossiles Riesenarmadill in seiner heimatlichen Wohnung aufzustellen. Denn daß es sich hier um ein Glyptodon handelte, davon war er vollständig überzeugt, bis er gegen Mittag die Entdeckung machte, daß der Panzer nicht eine Röhre, sondern eine Schale bilde, welche wie eine plattgewölbte Decke auf der unter ihr befindlichen Höhle lag; sie wurde von den Lehmwänden der letzteren getragen. Fritze und Don Parmesan drangen mit ihren Werkzeugen durch diese Wände, und da der Gelehrte ihnen von außen mit seiner Hacke entgegenkam, dauerte es gar nicht lange, so war die eine Seite der Panzerdecke, welche einer umgestürzten Schale glich, freigelegt, und Fritze kam mit dem Chirurgen herausgekrochen.

»Sehen Sie, daß Sie sich jeirrt haben,« sagte der erstere zu Morgenstern. »Es ist kein Jürteltier, denn die Seiten dieses Jeschöpfes sind oft und manchmal unbepanzert jewesen; es hat nur oben auf dem Rücken einen Schild jehabt.«

Der Gelehrte war einigermaßen enttäuscht. Er blickte nachdenklich vor sich nieder. Dann aber erhellte sich sein Gesicht plötzlich wieder; er stieß einen Jubelruf aus und antwortete dann:

»Fritze, du machst mir das Herz wieder leicht. Schon glaubte ich, daß unsre Arbeit eine vergebliche gewesen sei. Deine Worte aber überzeugen mich vom Gegenteile. Du hast das Richtige getroffen. Es hat oben auf dem Rücken einen Schild gehabt, Schild, Schild, ein runder Schild, lateinisch Clypeus genannt. Kannst du mir ein Tier, ein berühmtes Tier nennen, dessen Namen mit Schild- beginnt?«

»Ja.«

»Nun?«

»Ein Schildbürjer.«

»Unsinn! Ich meine natürlich die Schildkröte, lateinisch Testudo geheißen. Dieses Tier ist kein Armadill, sondern eine Schildkröte, und zwar eine Riesenschildkröte von ganz außerordentlichen Dimensionen gewesen. Hast du einmal von einer fossilen Riesenschildkröte gehört oder gar eine solche gesehen?«

»Nein.«

»Ich auch nicht. Hier nun finde ich ein solches Tier. Welch ein Glück, welch eine Wonne! Welch ein Ruhm wartet meiner, wenn die Kunde durch die gelehrten Kreise aller Länder geht, daß ich eine fossile Riesenschildkröte ausgegraben habe!«

»Wenn es wirklich eine ist!«

»Jedenfalls. Ich werde es gleich untersuchen.«

 

Er holte in seinem Hute Wasser herbei und wusch mit Hilfe eines Graswisches eine Stelle des Panzers rein.

»Siehst du,« rief er dann aus, »daß ich recht habe. Diese Masse ist nichts andres als Horn, starkes, dickes Horn. Diese konvexe Platte ist nicht der Panzer eines Gürteltieres, sondern das Rückenschild einer Riesenschildkröte, lateinischChelonia Midas genannt.«

»Soll mir aufrichtig freuen, wenn nicht etwa wieder ein Irrtum vorliegt, so daß dat einstige Jürteltier und jetzige Schildkröte nachher der Abwechslung wejen für einen vorweltlichen Laubfrosch jehalten wird.«

»Laubfrosch, Hyla genannt! Du bist nicht bei Sinnen! Ich bin bereit, es mit einem Eide zu belegen, daß wir es mit den Überresten einer Riesenschildkröte zu thun haben.«

»Aber haben die Schildkröten nicht zwei Schilde?«

»Ja, einen Rücken- und einen Bauchschild.«

»Dieses Tier hat aber doch nur eins jehabt!«

»Wer behauptet das?«

»Sollte sie dat andre verloren oder in der Lotterie verspielt haben?«

»Keinen dummen Witz, Fritze! Der Brustschild muß auch da sein. Das Fleisch, welches zwischen beiden gelegen hat, ist verwest. Dadurch entstand die Höhle, welche wir hier vor uns sehen. Der Boden derselben wird jedenfalls von dem Bauchschilde gebildet. Wir werden es sofort finden, wenn wir den Lehm, welcher eingedrungen ist, wegräumen.«

»Dat leuchtet mich eher ein. Und wissen Sie, als wir da drin hockten, habe ich jehört, daß der Boden hohl klang.«

»Hoh!? Wirklich? Siehst du, Fritze, daß ich ganz richtig vermute! Du hast auf dem Bauchschilde gestanden, und das klingt hohl, cavus auf lateinisch. Wir werden ihn ausgraben.«

»Aber nicht jetzt, sondern nach dem Essen. Es ist Mittag jeworden, und wir müssen etwas jenießen. Wir haben ja Fische, welche wir uns backen oder braten können.«

Die beiden andern stimmten ein, der kleine Gelehrte freilich nur ungern. Er war so entzückt über seinen Fund, daß er keinen Hunger fühlte und von dieser Arbeitspause abgesehen hätte. Es fiel ihm auch gar nicht ein, sich an der Zubereitung der Fische zu beteiligen; er scharrte und kratzte vielmehr an der Schildkrötenschale herum, klopfte sie an, um zu hören, was für einen Ton sie hatte, prüfte, ob der Boden unter ihr wirklich hohl klang, was allerdings der Fall war, und kam erst dann zu den beiden andern, als die Fische zum Essen fertig waren. Während sie tüchtig zulangten, nahm er sich nur ein kleines Stück, sprang, als er dieses gegessen hatte, wieder auf und sagte –

»Ich kann nicht essen; es läßt mir keine Ruhe, bis ich auch den Bauchschild gefunden habe. Der Magen, Ventriculus oder Stomachus geheißen, ist mir wie zugeschnürt. Ich kann nicht schlingen.«

»Dat ist nicht jesund,« bemerkte Fritze. »Der Mensch muß essen können. Wenn ick mir über was freue, esse ick doppelt. Wenn Ihr Magen so zujeschnürt bleibt, werden Sie durch diese Schildkröte Ihr schönes, junges Leben verlieren. Man darf nicht so aufjeregt sein.«

»Ist's denn ein Wunder? Ein solcher Fund ist gradezu großartig und steht ganz einzig da. Man freut sich, daß man sich kaum zu lassen weiß, und hat doch schwere Sorge, lateinisch Cura genannt, dabei.«

»Dat bejreife ick nicht. Mir hat noch keine Kröte Sorje jemacht. Um wat sorjen Sie sich denn?«

»Um Verschiedenes. Vor allen Dingen um den Namen, den ich ihr geben muß.«

»Den hat sie ja schon. Sie wird ja Schildkröte jenannt. Oder ist dat nicht ihr rechtmäßiger Name?«

»Es ist der deutsche Name. Ich muß ihr aber doch auch einen wissenschaftlichen, einen lateinischen Namen geben!«

»Und dat macht Ihnen Sorje? Wie ist dat möglich? Sie verstehen ja Lateinisch.«

»Allerdings; aber es ist doch schwierig, den passenden Ausdruck zu finden.«

»So werde ick Ihnen helfen. Dieser wissenschaftliche Name soll sofort jefunden werden. Wie heißt Schildkröte auf lateinisch?«

»Testudo. Aber es gibt Arten, welche wissenschaftlich mit CistudoEmysChelydraTrionychidaSphargis und Chelonia bezeichnet werden. Chelonia Midas zum Beispiel ist die Riesenschildkröte.«

»So haben Sie ja den jesuchten Namen. Eine Riesenschildkröte ist's ja, die wir jefunden haben.«

»Richtig! Aber ich darf sie doch nicht so nennen, da mit Chelonia Midas die jetzt noch lebenden gemeint sind; unsre aber ist eine vorsündflutliche und viel, viel größer als die heute noch existierenden.«

»Dat ist wahr. Sie ist ein wahrer Goliath, ein richtiger Gigant, und – –«

»Halt, halt!« unterbrach ihn der Gelehrte. »Ich hab's, ich hab's! Du hast es eben gesagt. Du bist ein ganz tüchtiger Kerl, Fritze, Gigant! Das gibt eine ganz ausgezeichnete Zusammensetzung. Denke an Gigantomachie, an Gigantologie oder an Gigantosteologie! Gigant und Chelonia, das läßt sich ganz ausgezeichnet verbinden und gibt einen Namen, der gar nicht vortrefflicher gewählt werden könnte. Ich werde dieses riesige Tier Gigantochelonia nennen. Ja, Gigantochelonia, welch ein prachtvoller Name! Vielleicht fügt man später, um mich als den Entdecker zu feiern, noch meinen Namen bei, was ich der gebotenen Bescheidenheit wegen heute nicht thun will. Ja, ja, der Name ist fertig. Diese fossile Riesenschildkröte wirdGigantochelonia genannt. Ich werde diesen Namen sofort notieren und dazu den wichtigen Tag, an welchem ich diesen unvergleichlichen Fund gemacht habe.«

Er zog sein Notizbuch hervor und trug den Namen ein. Fritze aber meinte kopfschüttelnd:

»Diese jelehrten Herren sind doch sonderbare Individuummers! Objleich der schönste deutsche Name vorhanden ist, muß doch ein lateinischer jesucht werden. Dieses Tier ist jedenfalls zu Noahs Zeit ins Diluvium jeraten; darum würde ick sie einfach Riesen-Noah-Kröte nennen. Dat würde für jedermann sofort verständlich sein. Schade nur, daß dat Fleisch nicht mehr vorhanden ist! Wieviel Turtlesuppen könnte man da machen!«

»Ja, bedenkt man, wie weit die beiden Schilder voneinander liegen, so kann man sich einen Begriff davon machen, wie stark und dick das Tier gewesen ist. Es muß eine wahre Unmasse von Fleisch, lateinisch Caro genannt, gehabt haben. Aber ihr seid nun endlich fertig mit essen. Beeilt euch nun! Wir müssen den Bauchschild ausgraben. Ihr hackt also den Boden auf, während ich fortfahren werde, die obere Schale los zu machen.«

Fritze stieg mit Don Parmesan wieder in die Höhle, um der Anweisung seines Herrn nachzukommen, während dieser oben die begonnene Arbeit fortsetzte. Er war mit einem solchen Eifer bei derselben, daß er für nichts andres Auge hatte und also auch nicht bemerkte, daß er der Gegenstand einer Beobachtung war, welche für ihn und seine Genossen leicht schlimme Folgen haben konnte.

Im Osten von der Stelle, an welcher die drei mit so großem Fleiße beschäftigt waren, erschien nämlich ein Trupp von vielleicht fünfzig Reitern, deren Ziel allem Anscheine nach das Wasser war, in dessen Nähe sich der Fundort der berühmten Gigantochelonia befand. Und zugleich erschienen im Süden fünf andre Reiter, welche aber noch so entfernt waren, daß man sie nur als kleine, bewegliche Punkte zu erkennen vermochte.

Der erstere Trupp befand sich in größerer Nähe. Er bestand aus Indianern, bei denen sich zwei Weiße befanden. Die Roten waren mit Pfeil und Bogen, langen Lanzen und Blasrohren bewaffnet; ein einziger von ihnen, welcher ihr Anführer zu sein schien, hatte eine Flinte. Die beiden Weißen waren wie Gauchos gekleidet und in rot und blau gestreifte Ponchos gehüllt. Als Waffen führten sie Messer, Revolver und Doppelflinten bei sich. Der eine von ihnen war Antonio Perillo, der Stierkämpfer aus Buenos Ayres, der andre aber der ältere Mann, welcher mit Perillo am Abende nach dem Stierkampfe an der Quinta des Bankiers den Vater Jaguar beobachtet hatte.

Sie kamen im Trabe längs des Waldrandes dahergeritten. Nahe genug herangekommen, erblickten sie den kleinen Gelehrten, welcher, ihnen den Rücken zukehrend, ganz in seine Arbeit vertieft war. Die beiden Weißen ritten mit dem Häuptlinge an der Spitze. Der ältere von ihnen hob die Hand, um das Zeichen zum Halten zu geben, parierte sein Pferd und sagte, sich an den Häuptling wendend:

»Was ist das! Wir sind nicht allein! Dort am Wasser ist ein Mann! Siehst du ihn? Er hackt die Erde auf.«