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Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens

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II. Keiner besonderen Freigabe bedarf die reine Bewirkung der Euthanasie in richtiger Begrenzung

Scheinbar und für eine rein kausale Betrachtung ganz zweifellos eine Tötung Dritter, welche bisher nach meiner Kenntnis strafrechtlich noch nicht verfolgt worden ist, bildet die Herbeiführung der sog. Euthanasie.

I. Der in der neueren Literatur aufgetauchte unschöne Name der »Sterbehilfe«29 ist zweideutig. Völlig außer Betracht muß hier das schmerzstillende Mittel bleiben, das die wirkende Todesursache der Krankheit in ihrer Wirkung beläßt. Allein bedeutsam wird für unsere Betrachtung die Verdrängung der schmerzhaften, vielleicht auch noch länger dauernden, in der Krankheit wurzelnden Todesursache durch eine schmerzlosere andere. Einem am Zungenkrebs furchtbar schwer Leidenden macht der Arzt oder ein anderer Hilfsreicher eine tödliche Morphiuminjektion, die schmerzlos, vielleicht auch rascher, vielleicht aber auch erst in etwas längerer Zeit den Tod herbeiführt.

II. Um die rechtliche Natur dieser Handlung, ihre Rechtswidrigkeit oder ihr Unverbotensein – denn von einem subjektiven Recht ihrer Vornahme kann unmöglich gesprochen werden – ist derselbe m. E. ganz unnötige Streit entstanden wie über die Natur des ärztlichen – richtiger des auf Heilung abzielenden – scheinbaren Eingriffs in die Gesundheit, besonders in die Körperintegrität eines anderen.30

Die Lage, in welcher diese Handlung der Bewirkung von Euthanasie vorgenommen wird, muß aber genau präzisirt werden: dem innerlich Kranken oder dem Verwundeten steht der Tod von der Krankheit oder der Wunde, die ihn quält, sicher und zwar alsbald bevor, so daß der Zeitunterschied zwischen dem infolge der Krankheit vorauszusehenden und dem durch das untergeschobene Mittel verursachten Tode nicht in Betracht fällt. Von einer spürbaren Verringerung der Lebenszeit der Verstorbenen kann dann überhaupt nicht oder höchstens nur von einem beschränkten Pedanten gesprochen werden.

Wer also einem Paralytiker am Anfang von dessen vielleicht auf die Dauer von Jahren zu berechnenden Krankheit auf dessen Bitte oder vielleicht sogar ohne diese die tödliche Morphiumeinspritzung macht – bei dem kann von reiner Bewirkung der Euthanasie keine Rede sein. Hier ist eine starke, auch für das Recht ins Gewicht fallende Lebensverkürzung vorgenommen worden, die ohne rechtliche Freigabe unzulässig ist.

III. In demselben Augenblick aber wird klar: die sichere Ursache qualvollen Todes war definitiv gesetzt, der baldige Tod stand in sichere Aussicht. An dieser toddrohenden Lage wird nichts geändert, als die Vertauschung der vorhandenen Todesursache durch eine andere von der gleichen Wirkung, welche die Schmerzlosigkeit vor ihr voraus hat. Das ist keine »Tötungshandlung im Rechtssinne«, sondern nur eine Abwandelung der schon unwiderruflich gesetzten Todesursache, deren Vernichtung nicht mehr gelingen kann: es ist in Wahrheit eine reine Heilhandlung. »Die Beseitigung der Qual ist auch Heilwerk.«31

Als verbotene Tötung könnte solch Verhalten nur betrachtet werden, wenn die Rechtsordnung barbarisch genug wäre zu verlangen, daß der Todkranke durchaus an seinen Qualen zugrunde gehen müsse. Davon kann doch zurzeit keine Rede mehr sein.

Es ist beschämend, daß man je daran hat denken, je danach hat handeln können!

IV. Daraus ergibt sich: es handelt sich hier gar nicht um eine statuirte Ausnahme von der Tötungsnorm, um eine rechtswidrige Tötung, falls von dieser nicht eine Ausnahme ausdrücklich anerkannt worden wäre, sondern um unverbotenes Heilwerk von segensreichster Wirkung für schwer gequälte Kranke, um eine Leidverringerung für noch Lebende, solange sie noch leben, und wahrlich nicht um ihre Tötung.

So muß die Handlung als unverboten betrachtet werden, auch wenn das Gesetz ihrer gar nicht im Sinne der Anerkennung Erwähnung tut.32

Und zwar kommt es dabei auf die Einwilligung des gequälten Kranken gar nicht an. Natürlich darf die Handlung nicht seinem Verbot zuwider vorgenommen werden, aber in sehr vielen Fällen werden momentan Bewußtlose Gegenstand dieses heilenden Eingriffes sein müssen.33

Aus der Natur dieser Handlung ergibt sich auch, daß die Beihilfe zu ihr und die Bestimmung dazu seitens eines Dritten gleichfalls durchaus unverboten sind.34

Die irrtümliche Annahme der Tödlichkeit der Lage kann den zur Bewirkung der Euthanasie Verschreitenden wegen fahrlässiger Tötung verantwortlich machen.35

III. Ansätze zu weiterer Freigabe

Unsere Anfangsuntersuchung hat ergeben: unverboten ist heute ganz allein die Selbsttötung in vollstem Umfange. Von einer Freigabe der sog. Teilnahme daran ist zurzeit gar keine Rede. Denn in allen Formen ist sie deliktischer Natur. Auch durch die Einwilligung des Selbstmörders kann sie davon nicht entkleidet werden. Aber zufolge der verkehrten akzessorischen Behandlung der sog. Teilnahme im Gesetzbuch wird bewirkt, daß die Beihilfe zum Selbstmord straflos bleiben muß, und in der vorsätzlichen Bestimmung zum Selbstmord keine Anstiftung zu demselben im Sinne des § 48 des GB. gefunden werden darf – einerlei ob der Selbstmörder zurechnungsfähig ist oder nicht.

 

Eine weitere Freigabe könnte also nur eine Freigabe der Tötung des Nebenmenschen sein. Sie würde bewirken, was die Freigabe des Selbstmordes nicht bewirkt: eine echte Einschränkung des rechtlichen Tötungsverbotes.

Für eine solche ist neuerdings verschiedentlich eingetreten worden, und als Stichwort oder Schlagwort für diese Bewegung wurde der Ausdruck von dem Recht auf den Tod geprägt.36

Darunter ist nicht sowohl ein echtes Recht auf den Tod verstanden, sondern es soll damit nur ein rechtlich anzuerkennender Anspruch gewisser Personen auf Erlösung aus einem unerträglichen Leben bezeichnet werden.37

Diese neue Bewegung ist vorbereitet durch zwei Strömungen, deren eine, die radikalere, sich durchaus in dem Gebiet der aprioristischen wie der gesetzauslegenden Theorie, die andere, ängstlichere und zurückhaltendere, sich in dem der Gesetzgebungen gebildet hat.

I. Es ist bekannt, daß die Römer die Tötung des Einwilligenden straflos gelassen haben. Auf Grund ganz übertreibender Deutung der l. 1 § 5 D de injuriis 47, 10: quia nulla injuria est, quae in volentem fit, die sich lediglich auf das römische Privatdelikt der injuria bezog, wurde nun wieder die ganz naturrechtliche Lehre ausgebildet von der ungeheuren Macht der Einwilligung des Verletzten in die Verletzung. Diese schließe durchweg, wenn überhaupt von einem der Tragweite dieser Einwilligung Bewußten erteilt, soweit es bei Delikten überhaupt einen Verletzten gebe, die Rechtswidrigkeit der Verletzung aus: die Handlung könne also gar nicht gestraft werden, jede Verletzung des Einwilligenden, insbesondere seine Tötung, sei unverbotene Handlung.

Auf diesen Standpunkt stellten sich im vorigen Jahrhundert W. v. Humboldt (Gesamm. W. VII S. 138), Henke und Wächter, später besonders Ortmann, Rödenbeck, Keßler, Klee, E. Rupp.38 Bleiben sie konsequent, so müssen sie energische Gegner des GB. § 216 werden.39

II. Die Bewegung innerhalb der Gesetzgebung knüpft gleichfalls an die Einwilligung in die Verletzung an,40 die im Interesse ihrer klareren Erkennbarkeit und leichteren Beweisbarkeit zum Verlangen der Verletzung gesteigert wurde.41

Dieses Verlangen der Tötung wird zum Strafmilderungsgrund, die Tötung auf Verlangen bleibt also echtes Verbrechen – Verbrechen natürlich nicht im Sinn des RStGB. § 1 genommen.42

Es hat damit begonnen das Preußische Landrecht T. II Tit. 20 § 834.43 Viele deutschen Strafgesetzbücher sind ihm gefolgt, aber nicht schon das Bayrische v. 1813, sondern zuerst das Sächsische v. 1838.44 Auch das Preußische verhielt sich ablehnend, ebenso von seinen Nachfolgern das Oldenburgische v. 1858 und das Bayrische v. 1861, nicht aber das Lübische (s. § 145).

Es zwang diese Abweisung des Verlangens als Strafmilderungsgrundes zu dem furchtbar harten Schluß, die Tötung des Einwilligenden der Strafe des Mordes oder des Totschlages zu unterstellen.

Diese unerträgliche Notwendigkeit hat denn auch dazu geführt, in den dritten Entwurf des Norddeutschen Strafgesetzbuchs – die beiden ersten hatten wirklich geschwiegen! – die Tötung des den Tod ausdrücklich und ernstlich Verlangenden seitens dessen, an den das Verlangen gerichtet war, als selbständiges Tötungs-»Vergehen« aufzunehmen und deshalb unter die im Mindestbetrag noch viel zu hohe Gefängnisstrafe von nicht unter 3 Jahren zu stellen. Dieser Vorschlag hat dann unverändert Aufnahme in das Gesetz gefunden.

Es liegt dem das richtige Verständnis eines notwendig anzuerkennenden Strafmilderungsgrundes unter.

Die Tötung des Einwilligenden hat nicht nötig, den Lebenswillen des Opfers zu brechen, durch welche Vergewaltigung die regelmäßige Tötung erst ihre furchtbare Schwere erlangt.

Darin liegt der Zwang, den Deliktsgehalt der Tötung des Einwilligenden zunächst als objektiv bedeutend geringer zu fassen. Damit wird auf der subjektiven Seite eine Abmilderung der Schuld dann Hand in Hand gehen, wenn die Handlung aus Mitleiden verübt wird. Aber notwendig ist dies zur Strafmilderung gar nicht – weder nach theoretischem Gesichtspunkte, noch de lege lata. Indessen weiter als zur Strafmilderung führt die zum Verlangen gesteigerte Einwilligung in die Tötung de lege lata nicht.

Der rechtlich schwachen Punkte dieser privilegirten Art vorsätzlicher Tötung sind drei: 1. die gesetzliche Steigerung der Einwilligung zum Verlangen oder gar zum ausdrücklichen Verlangen zwingt, die Tötung des nicht in dieser gesteigerten Form Einwilligenden auch wieder als Mord oder gewöhnlichen Totschlag zu behandeln;

2. das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Vernichtung des lebenswerten und des lebensunwerten Lebens;

3. das Gesetz erweist seine Wohltat auch dem sehr grausam Tötenden. – Den zweiten dieser Mängel hat aber eine Anzahl unserer Strafgesetzbücher klar erkannt.

Fünf unserer früheren Strafgesetzbücher, zuerst das Württembergische v. 1839 (A. 239), kennen ein doppelt privilegirtes Tötungsverbrechen: nämlich die Tötung auf Verlangen vollführt an » einem Todkranken oder tödlich Verwundeten«.45

Hier bricht klar der Gedanke durch, daß solch Leben den vollsten Strafschutz nicht mehr verdient, und daß das Verlangen seiner Vernichtung rechtlich eine größere Beachtung zu finden hat, als das Verlangen der Vernichtung robusten Lebens.

Dieser sehr gute Anfang hat jedoch im Reichsstrafgesetz keinen Fortgang, dagegen in der Literatur sehr lebhafte Aufnahme gefunden!

IV. Steigerung der Privilegirungsgründe des Tötungsdeliktes zu Gründen für die Freigabe der Tötung Dritter?

Bedenkt man, daß eine ganze Anzahl namhafter Juristen die Einwilligung in die Tötung deren Rechtswidrigkeit überhaupt ganz aufheben lassen, somit die Tötung des Einwilligenden jedenfalls als unverboten behandelt sehen wollen, daß andererseits in neuerer Zeit von edlem Mitleid mit unertragbar leidenden Menschen stark bewegte und erfüllte Stimmen für Freigabe der Tötung solcher laut geworden sind, so muß man doch wohl behaupten: es stünde zurzeit de lege ferenda doch zur Frage, ob nicht der eine oder der andere dieser beiden Strafmilderungsgründe zu einem Strafausschließungsgrund erhoben oder ob nicht mindestens beim Zusammentreffen der beiden Privilegirungsgründe: Einwilligung und unerträglichen Leidens die Tötung als gerechtfertigt, will sagen als unverboten betrachtet werden solle?

 

Es ist nicht uninteressant zu sehen, daß die Verfasser des Vorentwurfs von 190946 die Privilegirung dessen unbedingt ablehnen, »der einen hoffnungslosen Kranken ohne dessen Verlangen aus Mitleiden des Lebens beraube«.

Wie rückständig sind diese Gesetzgeber der Gegenwart hinter dem Preußischen Landrecht geblieben, das Teil II Tit. XX § 833 für die damalige Zeit so großherzig und zugleich juristisch so fein bestimmt hat: »Wer tödtlich Verwundeten, oder sonst Todtkranken, in vermeintlich guter Absicht, das Leben verkürzt, ist gleich einem fahrlässigen Totschläger nach § 778.779 zu bestrafen.« Die angedrohte Strafe ist sehr mild: Gefängnis oder Festung »auf einen Monat bis zwei Jahre«.

Über hundert Jahre sind seitdem ins Land gegangen, und solch köstliche Satzung hat für das deutsche Volk keine Frucht getragen!

Das Norwegische Strafgesetzbuch v. 22. Mai 1902 § 235 hat die Strafbarkeit solcher Tötung der der Tötung des Einwilligenden gleichgestellt. Die Motive des deutschen Entwurfs von 1909 führen aus: solche Vorschrift könne »in schlimmster Weise mißbraucht und das Leben erkrankter Personen in erheblichster Weise gefährdet werden«, auch sei eine befriedigende Fassung dafür kaum zu finden.47

I. Ich will nun für den Augenblick einmal beide Fäden abreißen, um sie später wieder anzuknüpfen, vor allem Weiteren aber die Vorfrage stellen, die gegenwärtig m. E. unbedingt gestellt werden muß. Die juristische, scheinbar so geschäftsmäßige Formulirung scheint auf große Herzlosigkeit zu deuten: in Wahrheit entspringt sie nur dem tiefsten Mitleiden.

Gibt es Menschenleben, die so stark die Eigenschaft des Rechtsgutes eingebüßt haben, daß ihre Fortdauer für die Lebensträger wie für die Gesellschaft dauernd allen Wert verloren hat?48

Man braucht sie nur zu stellen und ein beklommenes Gefühl regt sich in Jedem, der sich gewöhnt hat, den Wert des einzelnen Lebens für den Lebensträger und für die Gesamtheit auszuschätzen. Er nimmt mit Schmerzen wahr, wie verschwenderisch wir mit dem wertvollsten, vom stärksten Lebenswillen und der größten Lebenskraft erfüllten und von ihm getragenen Leben umgehen, und welch Maß von oft ganz nutzlos vergeudeter Arbeitskraft, Geduld, Vermögensaufwendung wir nur darauf verwenden, um lebensunwerte Leben so lange zu erhalten, bis die Natur – oft so mitleidlos spät – sie der letzten Möglichkeit der Fortdauer beraubt.

Denkt man sich gleichzeitig ein Schlachtfeld, bedeckt mit Tausenden toter Jugend, oder ein Bergwerk, worin schlagende Wetter Hunderte fleißiger Arbeiter verschüttet haben, und stellt man in Gedanken unsere Idioteninstitute mit ihrer Sorgfalt für ihre lebenden Insassen daneben – und man ist auf das tiefste erschüttert von diesem grellen Mißklang zwischen der Opferung des teuersten Gutes der Menschheit im größten Maßstabe auf der einen und der größten Pflege nicht nur absolut wertloser, sondern negativ zu wertender Existenzen auf der anderen Seite.49

Daß es lebende Menschen gibt, deren Tod für sie eine Erlösung und zugleich für die Gesellschaft und den Staat insbesondere eine Befreiung von einer Last ist, deren Tragung außer dem einen, ein Vorbild größter Selbstlosigkeit zu sein, nicht den kleinsten Nutzen stiftet, läßt sich in keiner Weise bezweifeln.

Ist dem aber so – gibt es in der Tat menschliche Leben, an deren weiterer Erhaltung jedes vernünftige Interesse dauernd geschwunden ist, – dann steht die Rechtsordnung vor der verhängnisvollen Frage, ob sie den Beruf hat, für deren unsoziale Fortdauer tätig einzutreten – insbesondere auch durch vollste Verwendung des Strafschutzes – oder unter bestimmten Voraussetzungen ihre Vernichtung freizugeben? Man kann die Frage legislatorisch auch dahin stellen: ob die energische Forterhaltung solcher Leben als Beleg für die Unangreifbarkeit des Lebens überhaupt den Vorzug verdiene, oder die Zulassung seiner alle Beteiligten erlösenden Beendigung als das kleinere Übel erscheine?

II. Über die notwendig zu gebende Antwort kann nach kühl rechnender Logik kaum ein Zweifel obwalten. Ich bin aber der festen Überzeugung, daß die Antwort durch rechnende Vernunft allein nicht definitiv gegeben werden darf: ihr Inhalt muß durch das tiefe Gefühl für ihre Richtigkeit die Billigung erhalten. Jede unverbotene Tötung eines Dritten muß als Erlösung mindestens für ihn empfunden werden: sonst verbietet sich ihre Freigabe von selbst.

Daraus ergibt sich aber eine Folgerung als unbedingt notwendig: die volle Achtung des Lebenswillens aller, auch der kränksten und gequältesten und nutzlosesten Menschen.

Nach Art des den Lebenswillen seines Opfers gewaltsam brechenden Mörders und Totschlägers kann die Rechtsordnung nie vorzugehen gestatten.50

Selbstverständlich kann auch gegenüber dem Geistesschwachen, der sich bei seinem Leben glücklich fühlt, von Freigabe seiner Tötung nie die Rede sein.

III. Die in Betracht kommenden Menschen zerfallen nun, soweit ich zu sehen vermag, in zwei große Gruppen, zwischen welche sich eine Mittelgruppe einschiebt. In

1. die zufolge Krankheit oder Verwundung unrettbar Verlorenen, die im vollen Verständnis ihrer Lage den dringenden Wunsch nach Erlösung besitzen und ihn in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben haben.51

Die beiden oben erwähnten Privilegirungsgründe treffen hier zusammen. Ich denke besonders an unheilbare Krebskranke, unrettbare Phthisiker, an irgendwie und – wo tödlich Verwundete.

Ganz unnötig scheint mir, daß das Verlangen nach dem Tode aus unerträglichen Schmerzen entspringt. Die schmerzlose Hoffnungslosigkeit verdient das gleiche Mitleid.

Ganz gleichgültig erscheint auch, ob unter anderen Verhältnissen der Kranke hätte gerettet werden können, falls diese günstigeren Verhältnisse sich eben nicht beschaffen lassen. »Unrettbar« ist also nicht in absolutem Sinne, sondern als unrettbar in der konkreten Lage zu verstehen. Wenn zwei Freunde zusammen in abgelegenster Gegend eine gefährliche Bergwanderung machen, der eine schwer abstürzt und beide Beine bricht, der andere aber ihn nicht fortschaffen, auch menschliche Hilfe nicht errufen oder sonst erlangen kann, so ist eben der Zerschmetterte unrettbar verloren. Sieht er das ein und erfleht er vom Freunde den Tod, so wird dieser kaum widerstehen können und wenn er kein Schwächling ist, selbst auf die Gefahr hin in Strafe genommen zu werden, auch nicht widerstehen wollen. Auf dem Schlachtfeld ereignen sich sicher analoge Fälle zur Genüge. Die Menschen vom richtigen und würdigen Handeln abzuhalten – dazu ist die Strafe nicht da und dazu soll ihre Androhung auch nicht verwendet werden!

Unbedingt notwendige Voraussetzung ist aber nicht nur die Ernstlichkeit der Einwilligung oder des Verlangens, sondern auch für die beiden Beteiligten die richtige Erkenntnis und nicht nur die hypochondrische Annahme des unrettbaren Zustandes und die reife Auffassung dessen, was die Aufgabe des Lebens für den den Tod Verlangenden bedeutet.

Die Einwilligung des »Geschäftsunfähigen« (BGB. § 104) genügt regelmäßig nicht. Aber auch eine große Zahl weiterer »Einwilligungen« wird als unbeachtlich betrachtet werden müssen. Andererseits gibt es beachtliche Einwilligungen auch von Minderjährigen noch unter 18 Jahren, ja auch von Wahnsinnigen.

Wenn diese Unrettbaren, denen das Leben zur unerträglichen Last geworden ist, nicht zur Selbsttötung verschreiten, sondern – was sehr inkonsequent sein kann, aber doch nicht selten sich ereignen mag – den Tod von dritter Hand erflehen, so liegt der Grund zu diesem inneren Widerspruch vielfach in der physischen Unmöglichkeit der Selbsttötung, etwa in zu großer Körperschwäche der Kranken, in der Unerreichbarkeit der Mittel zur Tötung, vielleicht auch darin, daß er überwacht wird oder am Versuche des Selbstmordes gehindert würde, vielfach aber auch in reiner Willensschwäche.

29S. Kaßler, DJZ. XX (1915) Sp. 203/4; Köhler, Lehrb. des Strafrechts, Allgem. Teil 1917 S. 400. An beiden Stellen ist sehr zu Unrecht von einem »Recht auf oder zur Sterbehilfe« die Rede: ersteres angeblich ein Recht des Sterbenden, letzteres ein Recht des Hilfreichen.
30Ohne auf die außerordentlich große Literatur über diese Frage hier näher einzutreten, darf ich auf meine Ausführung in m. Lehrbuch I S. 53 ff. verweisen. In meinem Handbuch I S. 801 ff. hatte ich zu Unrecht von einem ärztlichen Berufsrecht gesprochen.
31Mein Handbuch I S. 803. S. auch Hoche, Vom Sterben, S. 17: »Die Aufgabe des Arztes ist es, das Sterben derjenigen zu erleichtern, denen nach der Art ihrer Krankheit ein schweres Sterben beschieden ist. Es ist eine unerläßliche Forderung der ärztlichen Ethik, daß dieser Akt der Erleichterung keine Verkürzung des Lebens bedeuten darf.«
32Ich selbst war 1885 im Handbuch I S. 803 noch viel zu ängstlich und habe gesagt: »Die Operation und die Anwendung innerer Mittel, an deren Folgen der dem qualvollen Tod Entgegenharrende sicher, aber schmerzlos zugrunde gehen würde, ist heute noch als verboten zu betrachten.« Energisch für die Zulässigkeit dieser Handlung eingetreten scheint zuerst Oppenheim, Das ärztliche Recht zu körperlichen Eingriffen, 1892 S. 30. (Die mir bekannte Schrift ist mir zur Zeit unerreichbar!) Ganz engherzig dagegen Kaßler, DJZ. XX 1910 Sp. 203/4. – Mit Sympathie für die Zulässigkeit, aber mit der Anerkennung, die Handlung sei »rechtlich eine Tötung« und doch wohl rechtswidrig (denn Beling fragt, »ob viele Ärzte auch nur eine Ahnung von der Unerlaubtheit der Euthanasie gehabt haben« mögen?) Beling, Unschuld, Schuld und Schuldstufen, 1910 S. 21. Ganz oberflächlich für die Verneinung der Zulässigkeit Wachenfeld, Lehrbuch S. 302. – Vgl. die folgenden Noten.
33Schon deshalb ist die Ausführung von M. E. Mayer, Allgemeiner Teil, S. 260 und S. 290/1 nicht richtig. In sehr gewagter Weise führt Mayer aus, es sei unrichtig, aus § 216 zu entnehmen, daß die »Tötung auf Verlangen unter keinen Umständen rechtmäßig (sic!) sein könne«. Gerade bei der Bewirkung der Euthanasie treffe dies zu: »Ich bin der Ansicht, daß unsere Kultur solche Eingriffe erlaubt« und da das Gesetz keinen Widerspruch erhebt, »ist der Handlung des Arztes zuzugestehen, daß sie eine einwandfreie Wahrung berechtigter Interessen ist«. Letzteres ist ganz richtig. Aber die Beschaffung der Euthanasie hat mit der Tötung Verlangender prinzipiell nichts zu tun.
34Köhler ist unsicher, aber neigt nach der richtigen Seite. Lehrbuch I S. 400/401 sagt er: »Es wird die Erlaubtheit der Euthanasie als Gewohnheitsrecht (?) in engen Grenzen nicht zu leugnen sein«. »Unbedeutende Lebensverkürzung um etwa 1-2 Stunden durch Narkotika ist ebenfalls als erlaubt zu betrachten.« »Ob außerdem die Einholung der Zustimmung des Sterbenden nötig ist, erscheint fraglich.« – Unnötig ist wirklich die Hervorhebung, daß die »menschenfreundliche Aufforderung eines Angehörigen an den Arzt,« Euthanasie herbeizuführen, »keine Aufforderung nach GB. § 49a« sei.
35Viel zu eng im Ausdruck Köhler, a. a. O. S. 401.
36So in der recht verdienstlichen, absichtlich ganz unjuristisch gehaltenen, aber mit idealem Schwunge geschriebenen kleinen Schrift von Jost, Das Recht auf den Tod, Göttingen 1895, die sich in erster Linie »dem Problem der unheilbar geistig oder körperlich Kranken« widmet (S. 1), und die es sonderbar findet, daß es zuweilen eine Pflicht zu sterben geben soll, von einem Recht zu sterben aber nirgends gesprochen werde (S. 8). – Ferner in der unter dem gleichen Titel erschienenen, juristisch ganz unzulänglichen »strafrechtlichen Studie« von Dr. Elisabeth Rupp, Stuttgart 1913.
37Sehr übel spricht Hiller, Das Recht über sich selbst, Heidelberg 1908, ernsthaft von einem »Recht der willkürlichen Lebensausgestaltung« und meint: »Ein Teil jenes Rechts ist das Recht der freien Verfügung über sich selbst« (S. 7). Der Verfügungsberechtigte kann »sich aber mit einem zweiten zusammentun, damit dieser über ihn verfüge,« ja zwei Menschen »können sich zu dem Zweck verbinden, um gegenseitig übereinander zu verfügen« (S. 8). – So folgt eine juristische Unmöglichkeit der anderen! Das kleine Buch ist juristisch ungemein schwach.
38Vgl. meinen Strafrechtsgrundriß S. 185/6. Auch mein Handbuch I S. 710 N. 11. S. E. Rupp, Recht auf den Tod, bes. S. 26 ff.
39Seiner Bekämpfung ist die Schrift von E. Rupp gewidmet.
40Baden § 207 und Hamburg A. 120 sprechen geradezu von der Tötung Einwilligender.
41Alle hier einschlagenden Strafgesetzbücher fordern, wie selbstverständlich, ein ernstes Verlangen; außerdem ein ausdrückliches Verlangen: Sachsen 1838 A. 125; Württ. A. 239; Braunschweig § 147; Thüringen A. 120; Sachsen 1855 u. 1868 A. 157; Lübeck § 145; Hamburg A. 120; Reichsstrafgesetzbuch § 216; oder ein bestimmtes Verlangen: Hessen A. 257 – Nassau A. 250; Baden § 207. – Der deutsche Entwurf v. 1909 § 215 und der Gegenentwurf § 255 begnügen sich mit dem »dringenden Verlangen«. Der Entwurf von 1913 § 281 springt wieder ganz unnötig auf »ausdrückliches und ernstliches Verlangen«. Der arme Mensch, der zu schwach ist, sein Verlangen auch noch zu stilisiren, kommt dann sehr zu kurz!
42Vgl. dazu die Analyse des Tatbestandes in meinem Lehrbuch I S. 33 ff. und v. Liszt, VDBT. V S. 127 ff. – S. auch E. Rupp a. a. O. S. 23 ff. und die Diss. von Holdheim, Die Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB., Greifswald 1918.
43Worin derselben Strafe höchst unzweckmäßig unterstellt werden Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Selbstmord, einer höheren die Tötung bei überwiegendem Verdacht, »den Wunsch nach dem Tode bei dem Getöteten selbst veranlaßt zu haben.« – An jene Gleichstellung knüpft die so oft gehörte ganz falsche Behauptung an, Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Selbstmord gehörten durchaus zusammen und stünden in naher Verwandtschaft. S. z. B. v. Liszt a. a. O. V S. 131. Es ist das nur insofern richtig – und gerade in diesem Sinne wird die Behauptung regelmäßig nicht genommen – , daß diese Handlungen alle dem Verbot der Tötung des Nebenmenschen unterfallen. Insoweit richtig v. Liszt a. a. O. S. 138: Der Parallelismus zwischen der Beihilfe zum Selbstmord und der Tötung auf Verlangen muß unbedingt festgehalten werden. – Aber die sog. »Teilnahme am Selbstmord« kann auch ganz selbständig wider den Willen des Getöteten erfolgt sein. Und darin liegt eine tiefe Verschiedenheit!
44Vgl. oben S. 20.
45Württemberg sind gefolgt: Braunschweig § 147; Baden § 207; Thüringen A. 120; Hamburg A. 120. v. Liszt befürwortet a. a. O. V S. 132 die Privilegirung der Tötung des Verlangenden nur unter der Voraussetzung, daß sie an hoffnungslos Erkrankten von Personen, die zu ihm in »engen Beziehungen stehen«, begangen ist.
46Motive II S. 643/4.
47Unter Berufung auf John, Entwurf z. e. Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund (1868) S. 432. – Der letzte Grund ist einfach abgeschmackt.
48Jost hat ganz richtig erkannt, daß die Frage so zu stellen ist, und bemerkt richtig S. 6: Jemand könne in die Lage kommen, »in welcher das, worin er seinen Mitmenschen noch nützen kann, ein Minimum, das aber, was er unter seinem Leben noch zu leiden hat, ein Maximum« ist. S. 26: »Der Wert des menschlichen Lebens kann aber nicht bloß Null, sondern auch negativ werden.«
49»Der Gesamtverlust aller kriegführenden Mächte in diesem Weltkriege wird auf etwa 12-13 Millionen Tote zu berechnen sein.« Hoche, Vom Sterben, Jena 1919, S. 10. Nach einer neuerlichen Mitteilung des »Vorwärts« hat in diesem Kriege verloren an Toten das deutsche Heer 1 728 246, die Flotte 24 112 – Verluste von einem Wert, der alle Berechnung übersteigt.
50Natürlich bleiben alle Fälle der Tötungsrechte u. Pflichten wie auch die Fälle der Tötung im Notstand hier wieder beiseite!
51Die gesetzlich so oft geforderte Ausdrücklichkeit ist eine ganz widersinnige Forderung.