Schüler mit geistiger Behinderung unterrichten

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1 Unterricht planen

Unterricht stellt eine intentionale, geplante Aktivität dar. Die Planung von Unterricht ist Voraussetzung sowohl für die Strukturierung, aber auch für die Legitimation des Lehrerhandelns und ist somit eine zentrale Kompetenz innerhalb des Professionalisierungsprozesses.

Für manche Anfängerinnen und Anfänger im Lehrberuf erscheint es dennoch als lästige Pflicht, in der Ausbildung eine ausführliche schriftliche Unterrichtsplanung zu verfassen. Der Sinn dieser Übung wird häufig darin gesehen, die Ansprüche der Mentorinnen und Mentoren sowie der Prüferinnen und Prüfer zu erfüllen. Für guten Unterricht wird oftmals eine Skizze bereits als ausreichend erachtet, wenn es denn überhaupt eine schriftliche Planung sein muss. Wird innerhalb der ersten oder zweiten Phase der Ausbildung von Lehrpersonen dann doch eine solche Leistung verlangt, werden die einzelnen Planungsschritte nicht selten isoliert voneinander bearbeitet oder teilweise aus vorgefertigten und käuflich erwerbbaren Materialsammlungen übertragen.

Hilfestellungen

Dieses Buch bietet theoretische und praktische Hilfestellungen an, Unterrichtsplanung schülerbezogen und pragmatisch durchzuführen. Wird Unterricht im Vorfeld geplant, stellen sich die Fragen, mit welcher Begründung (→ Kap. 1.1), in welcher Form (→ Kap. 1.2) und in welchem Umfang (→ Kap. 1.2.4) dies geschieht. Inwiefern diese Form der Unterrichtsplanung auch im gemeinsamen Unterricht verfolgt werden kann, wird in Kap. 2.2.5 diskutiert.

1.1 Zur Notwendigkeit von Unterrichtsplanung

Um Bedenken vorwegzunehmen: Wir gehen nicht davon aus, dass eine Unterrichtplanung Punkt für Punkt wortgetreu umgesetzt werden kann. Es gibt zahlreiche Gründe, warum sich Unterricht abweichend von der vorangegangenen Planung entwickelt, beispielsweise durch die Abhängigkeit von der Tagesform und der aktuellen Befindlichkeit aller Beteiligten, durch bisher nicht bekanntes Vorwissen bei den Schülerinnen und Schülern, durch Störungen von außen etc.

Allerdings sollte Unterricht kein willkürliches Produkt von Zufällen und individuellen Interessen der Lehrpersonen sein, sondern vielmehr durch die Berücksichtigung von didaktisch-methodischen Qualitätsaspekten legitimiert werden. Zwar kann der Planungsprozess im Vorfeld den Verlauf der eigendynamischen Entwicklung einer Unterrichtsinteraktion nicht abbilden. Dennoch können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auf die Bedürfnisse der Beteiligten abgestimmt sind und somit den Lernzugang und die Kommunikation miteinander erleichtern. „Durch Nachdenken über Unterricht wird der Umgang mit Unterricht eingeübt“ (Scheunpflug 2001, 84). Unterrichtsplanung garantiert keine stabile Unterrichtssituation und einen entsprechenden Unterrichtserfolg, aber sie macht diese wahrscheinlicher (2001, 124 f).

Unterrichtsplanung

Was meint der Begriff Unterrichtsplanung? Als Arbeitsdefinition schlagen wir in Orientierung an Sandfuchs vor, unter dem Begriff der Unterrichtsplanung alle Maßnahmen und Entscheidungen im Vorfeld der Unterrichtsdurchführung zu verstehen, die zur Optimierung des Lernens und Lehrens im Unterricht beitragen (2006, 684). Unterrichtsplanung ist demnach ein wesentlicher Teil der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen, da Unterricht nach Lamers einen bewussten Prozess darstellt, der auf eine strukturierte und anspruchsvolle Wissens- und Fähigkeitsaneignung auf dem je individuellen Lernniveau abzielt (2003, 204).

Planungsschritte

In der genannten Definition wird deutlich, dass eine sinnvolle Unterrichtsplanung daher immer konkret vor dem Hintergrund der Kenntnisse über die Lernenden erfolgt, die mit dem Bildungsinhalt in Bezug gesetzt werden. Eine systematische Vorbereitung stellt gerade für Lehreinsteigerinnen und Lehreinsteiger eine notwendige Grundlage für den dialektischen Umgang mit der Erörterung des Bildungsinhaltes auf der einen und der Komplexität der Lernvoraussetzungen der Schülergruppe auf der anderen Seite dar.

methodische Schritte bewusst entscheiden

Zudem wird durch dieses organisierte Vorgehen die in der Praxis vielerorts bekannte Tendenz in Frage gestellt, den Unterricht ausgehend von einer Methode oder einem neu erworbenen Lernmaterial zu planen. Vielmehr wird die intensive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff im Hinblick auf die gegenwärtige und zukünftige Lebensbedeutsamkeit der Schülerinnen und Schüler eingefordert. Methodische Schritte sind nicht beliebig zu entscheiden, sondern auf der Basis der individuellen Lernchancen auszuwählen und zu planen.

Mitverantwortung

Eine solide Planung stellt nicht nur den Ausgangspunkt für strukturiertes Lehrerhandeln dar, sondern sorgt auch für Transparenz unter den beteiligten Kolleginnen und Kollegen sowie für die Schülerinnen und Schüler. Das Wissen, was in der angekündigten Unterrichtssituation passieren wird, hilft allen Beteiligten, sich darauf einzustellen und aktiv darauf einzulassen. Neben den genannten Vorteilen von reflektierter Unterrichtsplanung durch die Lehrperson gilt es auch, die Mitbestimmung der Lernenden bei der Gestaltung des Lernprozesses zu berücksichtigen. Dies bedarf der Offenheit der Lehrperson, des gemeinsamen Aushandelns und der Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler, Lernprozesse zu planen. Bei Letzterer geht es um die Selbstbefähigung, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Im Unterricht sollte es Phasen geben, diese Kompetenz zu üben und zu erweitern. Dialogische Planungsprozesse können mit kleinen Entscheidungen über Arbeitszeiten, Orte, Inhalte etc. beginnen und bei zunehmender Kompetenz auch die Planung von Unterrichtsprojekten einbeziehen. Also: Planung ja. Aber wie?

1.2 Unterrichtsplanung als zielorientierter Prozess

In der didaktischen Literatur ist eine Vielzahl von Diskussionen zur Gestaltung von Unterrichtsplanungsprozessen zu finden, in denen auf unterschiedliche erkenntnis- und lerntheoretische sowie didaktische Bezüge referiert wird. Das Vorgehen der Unterrichtsplanung, das im Folgenden skizziert wird, orientiert sich am Planungsraster von Klafki im Sinne seiner kritisch-konstruktiven Didaktik, die auf bildungstheoretischen Überlegungen fußt. Charakteristisch für diesen didaktischen Ansatz ist einerseits die Zielperspektive, die Schülerinnen und Schüler durch Hilfestellungen in ihrem Lernprozess „ … zu wachsender Selbstbestimmung-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit in allen Lebensdimensionen“ (2007, 90) zu befähigen. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf den Schülerinnen und Schülern, sondern dieses Ziel schließt auch den kritischen Blick auf das Handeln der Lehrpersonen mit ein, inwiefern dies Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet. Andererseits impliziert die konstruktive Didaktik die Veränderung der Schulwirklichkeit durch didaktische Modellentwürfe und ermöglicht Lehrpersonen eine größere Reichweite ihres pädagogischen Handelns.

In Klafkis didaktischem Ansatz besteht ein enger Bezug zwischen theoretischen Überlegungen und praktischem Handeln. Ebenso sollten Bezüge zwischen der didaktischen Theorie und deren praktischer Umsetzung sowie den gesellschaftlichen Voraussetzungen und Konsequenzen didaktischer Überlegungen und Vorgehensweisen erarbeitet werden. Didaktik gilt als Möglichkeit zur Unterstützung im Demokratisierungs- und Veränderungsprozess der Gesellschaft (2007, 89 ff).

1.2.1 Zielrichtungen des Unterrichts

Partizipationsziele

Zentral für theoretische Aussagen zur Unterrichtsplanung ist nach Klafki in erster Linie die Beschreibung der zentralen Ziele, die im Unterricht eröffnet werden sollen, um die genannten und gewünschten gesellschaftlichen Auswirkungen zu begünstigen (2007, 256). Unserer Meinung nach sind für den Unterricht im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung grundlegende partizipatorische Ziele zentral, die in Tabelle 2 aufgeführt werden.

Tab. 2: Zielrichtungen von Unterricht


Da sich jeglicher Unterricht über Interaktionsprozesse realisiert, liegt in der Teilhabe an der Unterrichtsinteraktion die Grundlage für die Realisierung der weiteren genannten Zielperspektiven. Eine differenzierte Darstellung dazu findet sich in Kapitel 7.1. Wenn Unterricht die in der Tabelle genannten Zielperspektiven einlösen soll, dann müssen diese bereits bei der Planung mitgedacht werden.

1.2.2 Unterrichtsplanung kritisch-konstruktiv

kritisch-konstruktive Didaktik

Das Konzept der kritisch-konstruktiven Unterrichtsplanung nach Klafki basiert auf sieben Problemfeldern bzw. Fragedimensionen, die in Abbildung 1 beziffert sind (2007, 272).


Abb. 1: Didaktische Analyse nach Wolfgang Klafki (2007, 272)

In Bezug auf die Eingrenzung des Themas und dessen Begründung werden zunächst die ausgewählten Themen und die sie konstituierenden allgemeinen Ziele geprüft. Die Gegenwarts-, Zukunfts- und exemplarische Bedeutung stehen hier in keiner vorgegebenen Reihenfolge, sondern in wechselseitiger Abhängigkeit. In der Gegenwarts- (1) und der vermuteten Zukunftsbedeutung (2) wird eruiert, inwiefern die Thematik Relevanz in der gegenwärtigen Lebensphase der Schülerinnen und Schüler hat, Verstehens-, Urteils- und Handlungsmöglichkeiten an die Hand gibt und zugleich Entwicklungsmöglichkeiten bezüglich ihrer Zukunft bietet. Die exemplarische Bedeutung (3) zeigt in Form von allgemeinen Zielen der übergreifenden Unterrichtseinheit allgemeine Zusammenhänge auf.

 

Innerhalb der thematischen Strukturierung (4) wird das Thema in seinen Bausteinen und bezogen auf mögliche Teillernziele betrachtet und es werden Möglichkeiten der Erweis- und Überprüfbarkeit (5) eruiert.

Die Zugangs- und Darstellungsmöglichkeiten (6) beziehen sich auf die gesamte Thematik oder auf einzelne Teile von ihr. Unter Bezugnahme auf die Bedingungsanalyse können unterschiedliche Zugangsoder Darstellungsmöglichkeiten notwendig sein. Die Möglichkeiten, einen Lerngegenstand zugänglich machen zu können, sind nicht zu vernachlässigende Aspekte bei der Auswahl des konkreten Themas.

Bei der methodischen Strukturierung werden konkrete Lehr-Lern-Prozesse (7) und mögliche Interaktionsformen fokussiert.

Fragen nach Klafki

Klafki formuliert zu den einzelnen Schritten konkrete Fragen:

● Welche Bedeutung hat der betreffende Inhalt (Erfahrung / Fertigkeit) bereits im Leben der Kinder bzw. sollte er darin haben?

● Worin liegt die Bedeutung des Inhalts für die Zukunft der Kinder?

● Welchen allgemeinen Sinn- oder Sachzusammenhang vertritt oder erschließt dieser Inhalt? Ist dieser kulturell bedeutsam? Welches Phänomen lässt sich exemplarisch erfassen?

● Wie ist die Struktur des Inhaltes?

– Was sind die einzelnen Inhaltsaspekte?

– Wie ist der Sinnzusammenhang der Einzelaspekte?

– Was sind die verschiedenen Sinn- und Bedeutungsschichten?

– Was muss sachlich vorausgegangen sein?

– Welche Eigentümlichkeiten des Inhaltes werden den Kindern den Zugang zur Sache vermutlich schwer machen?

– Was ist das ,Mindestwissen‘ (die inhaltliche Grundsubstanz)?

– Was ist das lebendige Wissen (das aktive Wissen, das angewendet wird)?

● Welches sind die besonderen Fälle, Phänomene, Situationen, Versuche, in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhaltes interessant, fragwürdig, zugänglich, begreiflich, anschaulich werden kann? (2007, 271–284)

Dieses differenzierte Planungsvorgehen ist unserer Ansicht nach geeignet, die oben skizzierten Zielperspektiven von Unterricht zu unterstützen. Im Kontext heterogener Lerngruppen ist jedoch kritisch zu sehen, dass die Lernvoraussetzungen kaum individualisiert im Hinblick auf alle Entwicklungsbereiche berücksichtigt werden. Zudem erscheint uns eine Verknüpfung von didaktischen und methodischen Entscheidungen sinnvoll. Letztere werden in der Darstellung Klafkis nicht ausdifferenziert.

1.2.3 Planungsraster

Im Folgenden schlagen wir daher ein Planungsraster vor, das verschiedene Entscheidungsfragen im Rahmen der Unterrichtsplanung zusammenfasst und so als Orientierungsgrundlage dienen kann. Dieses Raster bildet den roten Faden durch die Themen und Kapitel dieses Buches. Die Arbeit für die Lehrperson, sich diese Fragen immer wieder in der Unterrichtsplanung mit Blick auf den konkreten Bildungsinhalt und die Lerngruppe zu stellen und sich den jeweils notwendigen Informationshintergrund zu erarbeiten, kann dadurch allerdings nicht ersetzt werden. Es handelt sich hier – ähnlich wie es Klafki für seinen Planungsentwurf formuliert hat – um ein Problematisierungsraster (2007, 266), das generelle Kriterien der Unterrichtsplanung benennt, jedoch vor dem Hintergrund der aktuellen Situation immer wieder neu bearbeitet werden muss.

Problematisierungsraster

In die Darstellungsform des folgenden Planungsschemas werden die Grundannahmen bzw. die benannten sieben Fragedimensionen Klafkis übernommen. Einige Aspekte der didaktischen Analyse nach Klafki werden bereits in der Auseinandersetzung mit dem Inhalt und den Lernvoraussetzungen deutlich. Die Fragen Klafkis nach der Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung werden im Rahmen unserer Planung an zwei Stellen thematisiert, sowohl zur begründeten Eingrenzung der Lerninhalte als auch zur Spezifikation der Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Ziel unseres Rasters ist es, Bausteine vorzustellen, die in einer Unterrichtsplanung notwendig sind. Die Abfolge in der Bearbeitung oder Darstellung dieser Bausteine kann variieren. Für die schriftliche Unterrichtsplanung sind unterschiedliche Schrittfolgen denkbar.

Ausgangspunkt unseres Planungsvorgehens stellt die Wechselwirkung zwischen der Auswahl und Eingrenzung des Bildungsinhaltes mit dem Wissen um die Lernerfahrungen und Lernmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler dar. Zwar findet die Bedingungsanalyse auch bei Klafki Berücksichtigung. Sie steht jedoch dort im Bezug zur gesamten Lerngruppe. Bezüglich der Heterogenität der Lerngruppe – im Kontext von Behinderung – halten wir es für unerlässlich, die individuellen Lernvoraussetzungen detailliert zu beobachten und jeweils aktuell den Blick darauf zu richten. Konsequent werden dann daraus individualisierte Lernchancen zum gemeinsamen oder unterschiedlichen Lerngegenstand hergeleitet und formuliert, die in einem begründeten methodischen Vorgehen münden. Abbildung 2 fasst die wesentlichen Elemente einer Unterrichtsplanung zusammen.


Abb. 2: Elemente einer Unterrichtsplanung (Planungsraster)

Theoretische Grundlagen und Ausgangspunkte

Als Ausgangspunkt der Planung und Gestaltung von Unterricht gilt es, die Sichtweise auf Behinderung zu reflektieren, da diese in besonderem Maße die Haltung einer Lehrperson prägt (→ Kap. 2). Die „International Classification of Functioning, Disability and Health“ (ICF) zeigt auf, inwiefern in Unterrichtssituationen Barrieren der Aktivität und der Partizipation in den Fokus genommen und abgebaut werden können.

Verschiedene Lernorte

Dem Förderbedarf in der geistigen Entwicklung kann an verschiedenen Lernorten (allgemeine Schule (Einzelintegration, Integrationsklasse, Kooperationsklasse), Sonderschule) entsprochen werden. Die unterrichtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich jedoch und müssen daher bei der Planung beachtet werden. Sowohl Strömungen der allgemeinen Didaktik als auch spezielles sonderpädagogisches Wissen und Leitlinien der Bildung und Erziehung müssen in die Unterrichtsplanung einfließen.

Die grundlegenden Ziele des Unterrichts werden durch das jeweilige Verständnis der Lehrperson von Bildung und Lernen bestimmt. In der Theorie lassen sich dazu verschiedene Bezugspunkte finden, die jeweils unterschiedliche Vorstellungen für das Vorgehen bei der Planung und Durchführung von Unterricht mit sich bringen. Diese gilt es bewusst auszuwählen und begründet anzuwenden.

Bildungsinhalt

Unterrichtsplanung kann mit der begründeten Auswahl des Inhaltes, der in Bezug zum Bildungsplan bzw. in integrativen / kooperativen Gruppen zu den verschiedenen Curricula stehen sollte und in einem bestimmten Unterrichtsfach angesiedelt ist (→ Kap. 3), beginnen. Auch die Beachtung einer mittelfristigen Unterrichtsplanung bzw. eines Stoffverteilungsplanes ist hierbei relevant.

Sachinhalt

Über diesen Sachinhalt muss zuerst ein grober thematischer Überblick erarbeitet werden, sodass der Inhalt anschließend sinnvoll eingegrenzt und angeboten werden kann. Bei der Auswahl des Bildungsinhaltes steht der Curriculumsbezug an erster Stelle: Welcher Bildungsinhalt aus dem Curriculum steht im Hinblick auf die Lerngruppe im Mittelpunkt der Stunde? Bei der Auswahl und der Eingrenzung des Themas ist sowohl entscheidend, welches kulturell und anthropologisch bedeutsame Wissen zur Aneignung angeboten wird als auch die Frage, welcher individuelle Kompetenzerwerb damit verbunden werden kann. Ebenso kann ein individueller Förderbedarf, der sich aus der Einschätzung und Beschreibung der Lernvoraussetzungen ergibt, zum Inhalt des Bildungsprozesses werden. Materiale und formale Bildungsinhalte haben gleichermaßen Bedeutung.

Sachanalyse

Es folgt die fachwissenschaftliche Sachanalyse, in der die Kerngedanken und Grundstrukturen des Bildungsinhaltes herausgearbeitet werden. Zudem werden die erarbeiteten inhaltlichen Teilaspekte gewichtet: Gibt es Aspekte, deren Verständnis erst den Zugang zu weiteren Teilaspekten ermöglicht? Auch hier ist die Erarbeitung des Bildungsinhalts nicht ohne Blick auf die Lerngruppe sinnvoll unterrichtsbezogen zu leisten. Die fachwissenschaftliche Sachanalyse dient der Information der Lehrperson, um den Schülerinnen und Schülern den Inhalt fundiert anbieten zu können. Der Inhalt wird in seiner Breite und Tiefe angeschaut, um zu erkennen, welche Teilaspekte für die Schülerinnen und Schüler relevant sind und welche Präsentationsmöglichkeiten (→ Kap. 4.5) diese anbieten. Hierzu wird im Kontext der Elementarisierung der Inhalt auf seine Struktur hin geprüft, die Teilelemente und ihre notwendige Reihenfolge werden erkannt, und dadurch eine Auswahl im Hinblick auf die Schülervoraussetzungen getroffen.

Lernvoraussetzungen

individuelle Erfahrungen

Gleichbedeutend zur Auseinandersetzung mit dem Bildungsinhalt stellt sich die Frage, welche Lernvoraussetzungen (→ Kap. 4) sich nach eingehender Beobachtung der Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Kognition, Emotion, Kommunikation, Sozialität und Motorik zeigen:

● Welche Bedeutung hat der Bildungsinhalt in der aktuellen und zukünftigen Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler (Gegenwarts- und Zukunftsbezug)?

● Über welche Erfahrungen und Vorkenntnisse im Hinblick auf den Bildungsinhalt verfügen sie (Vergangenheitsbezug)?

● Welche Arbeitsmethoden und Sozialformen sind ihnen bekannt und für den Einsatz in der gesamten Lerngruppe sinnvoll?

● Welcher Unterstützungsbedarf liegt aufgrund der individuellen Handlungskompetenz bei ihnen vor (medial und personell)?

● Inwiefern ergeben sich aus den individuellen Entwicklungsvoraussetzungen Förderaspekte, die für einzelne zum Bildungsinhalt werden sollten?

● Welche Aneignungsmöglichkeiten nutzen sie vorwiegend?

Lernchancen

individuelle Aneignung

Unter dem Begriff Lernchancen (→ Kap. 5.1.4) versammelt sich die Auswahl einzelner Grundaussagen oder Teilaspekte des Bildungsinhaltes für einzelne Schülerinnen und Schüler vor dem Hintergrund ihrer je individuellen Lernerfahrungen und Aneignungsmöglichkeiten. Der Entscheidungsprozess wer lernt was? stellt eine Schlüsselposition in der Unterrichtsplanung dar. Die Lehrperson steht damit vor der Herausforderung, folgende Fragen zu berücksichtigen:

● Welche Lernchancen sollen im Rahmen der Unterrichtsreihe der gesamten Lerngruppe eröffnet werden?

● Welche differenzierten Lernchancen sollen im Rahmen der Unterrichtsstunde den einzelnen Schülerinnen und Schülern eröffnet werden?

Dabei gilt es, bezogen auf einzelne Entwicklungsbereiche, Schwerpunkte zu setzen.

Methodische Entscheidungen

Auswahlkriterien

Die methodischen Entscheidungen (→ Kap. 6 und 7) orientieren sich zum einen an den Vorstellungen der planenden Lehrperson von Lernen und den daraus abgeleiteten Unterrichtsprinzipien wie z. B. Differenzierung, Handlungsorientierung etc. und zum anderen an den zuvor in der Unterrichtsplanung formulierten Lernchancen. Die Lehrperson wählt eine methodische Grundform mit Blick auf den Bildungsinhalt, die methodischen Lernvoraussetzungen und die zeitlichen und personellen Ressourcen aus. Zudem wird der zeitliche Ablauf der einzelnen Unterrichtsphasen organisiert. Sozialformen, der individualisierte Einsatz von Medien und Hilfsmitteln sowie die vorhandenen personellen Ressourcen werden bestimmt. Ebenso sind in diesem Planungsschritt folgende Fragen sinnvoll:

 

● Inwiefern können mit Blick auf die Kommunikationsmöglichkeiten der jeweiligen Lerngruppe die bedeutsamen Aspekte der Lehrersprache sowie der Lehrer-Schüler-Interaktion im Vorfeld geplant werden? Welche Hilfsmittel müssen hierzu zur Verfügung stehen und wie und wann werden diese eingesetzt?

● Welche potenziellen oder geplanten erzieherischen Maßnahmen sind im Umgang mit der Lerngruppe zu beachten (z. B. Umgang mit Regeln und Konflikten, Einsatz von Bestärkung etc.)?

● Inwiefern können im Vorfeld des Unterrichts Handlungsalternativen für die Lehrperson geplant werden, um einen flexiblen Umgang mit der Planung im Unterricht zu unterstützen? (An welchen Stellen kann ggf. sinnvoll gekürzt werden? An welchen Stellen könnten alternative oder zusätzliche Aufgaben benötigt werden? Etc.)

● Welche personellen Ressourcen stehen zur Verfügung und wie werden diese genutzt?

Unterricht analysieren und bewerten

Planungskontrolle

Im Sinne einer Planungskontrolle erscheint es sinnvoll, im Anschluss an den Unterricht die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler auf die Lernangebote und den Verlauf der Unterrichtsinteraktion kritisch zu betrachten (→ Kap. 8):

● Welche Impulse der Lehrperson wurden von den Kindern und Jugendlichen aufgenommen?

● Inwiefern kann das Lernarrangement besser auf die Lernbedürfnisse und -möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler abgestimmt werden?

Durch die Reflexionen und Rückmeldungen können neue Erkenntnisse für die weitere Unterrichtsplanung gewonnen werden.

Um die beschriebenen Planungsschritte zu verdeutlichen, werden wir diese in den folgenden Kapiteln am Unterrichtsbeispiel Energie anwenden. Die weitere Struktur des Buches orientiert sich quasi an dem Planungsmuster. Auch die oben skizzierten zentralen didaktischen Fragen nach Klafki finden in den einzelnen Kapiteln Berücksichtigung.

Neben dieser vorgestellten Planungsstruktur sind in Anlehnung an Esslinger-Hinz et al. (2013, Kap. 4) Varianten denkbar:

● Eine Möglichkeit besteht darin, an den Kompetenzangaben aus den Bildungsplänen (besonders denen der Allgemeinen Schulen) anzusetzen und daraufhin den Bildungsinhalt begründet einzugrenzen und auf die Lernvoraussetzungen abzustimmen.

● Eine weitere Alternative dazu ist, die Planung mit der Analyse der Lernvoraussetzungen (z. B. Pflegebedarf) zu beginnen, darauf aufbauend den Bildungsinhalt auszuwählen (z. B. Hygiene) und die Kompetenzen bzw. Lernchancen zu beschreiben.

Eine Auswahl zwischen den unterschiedlichen Varianten wird vor dem Hintergrund der Dynamik der Lerngruppe getroffen.

1.2.4 Zeitliche Planungsebenen

Im Hinblick auf den Prozess der Unterrichtsplanung lassen sich verschiedene zeitbezogene Ebenen unterscheiden (Schmoll 2010, 68 f):

● Perspektivplanung: langfristig und weitreichend angelegte Lernchancen wie z. B. Erwerb von Medienkompetenz,

● Umrissplanung: Grobplanung einer Unterrichtsreihe, ohne Planungsentscheidungen für einzelne Stunden zu treffen,

● Prozessplanung: Unterrichtsskizzen, die der Lehrperson als Kontrollplan bezüglich des geplanten Verlaufes der Unterrichtsstunde dienen,

● Planungskorrektur: Abweichungen und Ergänzungen während des Unterrichtsverlaufes.

Unterrichtsverlaufspläne

In der Schulpraxis wird am ehesten die Prozessplanung in Form von Stundenverlaufsplänen schriftlich verfasst. Es herrscht kaum Einigkeit über die konkrete Ausgestaltung des Rasters. Schmoll hat eine Übersicht verschiedener Versionen zusammengetragen, die in Abbildung 3 dargestellt ist. Jede Zeile gibt dabei einen Vorschlag wieder. Die verschiedenen Varianten können dadurch im Vergleich betrachtet werden (2010, 69).

Abb. 3: Rasterarten von Unterrichtsverlaufsplänen (Schmoll 2010, 69)

Innerhalb des Planungsrasters erscheinen in jedem Fall die zeitliche Zuordnung der einzelnen Handlungsschritte im Unterricht sowie der Hinweis auf die benötigten Medien von Vorteil. Um die Maßnahmen zur Individualisierung und Differenzierung im Rahmen der Unterrichtsplanung im Blick zu behalten, haben wir eine eigene Spalte in das Planungsraster eingefügt. Tabelle 3 zeigt einen Vorschlag für die Gestaltung einer Skizze zum Stundenverlauf.

Tab. 3: Aufbau einer Unterrichtsskizze