Saris, Götter, Sandokan - Ein Reisetagebuch

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3. Tag – 18. Oktober 2012 – Mandawa – Bikaner

Leider hat das nicht geklappt mit dem Schlafen, ich war die meiste Zeit wach. Blöderweise hatte ich nach dem Baden das Einschmieren mit Nobite-Gel vergessen. Die Quittung: Drei Insektenstiche. Ich hoffe, dass die nicht gefährlich sind. Laut WHO-Karte war im Oktober das Malaria-Risiko in Rajasthan nur gering. Mit den Malarone-Tabletten soll ich erst später beginnen. Jetzt wäre es eh zu spät. Wir fotografieren noch in der edlen Hotel-Anlage mit Garten und Pool und frühstücken noch einmal in dem schönen Dinning room. Dann bestellen wir die Kofferträger, drücken ihnen wie immer 50 Rupien in die Hand, und da sehen wir auch schon den Guide, der noch auf seinen Voucher wartet, den ich am Vortag nicht dabei hatte. Suresh ist auch schon da, fährt mit dem Auto auf den noch nicht so schön restaurierten Hof der sonst schönen Hotelanlage. Dann düsen wir ab. Dieses Mal ist die Straße insgesamt besser, wenngleich es auch immer wieder schlechte Abschnitte gibt. Suresh hält an einem Hanuman-Tempel. "Heute ist Dienstag, und Dienstag ist Hanuman-Tag", erklärt er. Er macht das Ritual vor, wir machen es nach und fotografieren uns dabei. Zuerst wird die Glocke am Eingang betätigt, dann bekommen wir vor dem Altar einen roten Punkt mit Reis auf die Stirn, wir bekommen aus einem Löffelchen einen Schluck Wasser mit einem Stück Minzblatt. Es wird aufgepasst, dass wir das auch wirklich essen. Beim Trinken stelle ich mich absichtlich dumm an, das Wasser ist bestimmt nichts für unsere Mägen. Zumindest in der ersten Woche sollte man das Wasser nur aus original verschlossenen Trinkflaschen trinken, wenn man sich keinen Durchfall einfangen will. Ich bin zwar gegen Cholera, Typhus, Hepatitis A und B, Tollwut und Grippe geimpft, aber es können ja auch andere Erreger drin sein. Dann bekommen wir eine silberne Haube aufgesetzt, und zum Schluss müssen wir mit zwei Stöcken zwei Pauken bedienen. Wir fragen Suresh, was das alles bedeutet, was wir machen, aber entweder weiß er es selbst nicht oder kann es nicht in Englisch ausdrücken. Aber er ist erfreut über unser Interesse, scheint mir. Auf jeden Fall beschützt uns Hanuman jetzt in unserem Auto, er hängt als Plastikteil am Vorderspiegel und wird auf der Reise ständig seinen Schwanz verlieren, der dann irgendwann nur noch auf der Armatur liegt. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir auch gerade durch unsere Chauffeure, mit denen wir ja viel zusammen sind, besser Englisch lernen, aber Suresh kann es nur schlecht. Es ist für die Inder halt auch nur eine Fremdsprache, auch wenn sie dort Amtssprache ist. In den Schulen wird zuerst die Heimatsprache gelehrt, außerdem Hindi und Englisch. Aber meistens unterhalten sich Inder, wenn sie aus verschiedenen Sprachregionen kommen, auf Englisch. Unsere anderen Fahrer in Südindien und Mumbai sprechen dann besser Englisch. Husni sagt, dass er über seine Firma schon öfter Kontakte zu Indern hatte und sie je nach der Region, woher sie kommen, auch unterschiedliche Englisch-Dialekte haben. Viel vermischt sich wohl auch mit den zahlreichen indischen Dialekten. Letztlich lerne ich aber auch viel von den englischsprachigen Guides. An manchen Orten war es mir wichtig, deutschsprachige Guides zu haben, z.B. in Varanasi, wo man schnell etwas falsch machen kann als Ausländer oder in so wichtigen Städten wie Jaipur, wo es viel Historisches und Baugeschichtliches zu verstehen gilt. An einer Raststätte halten wir, Suresh braucht ein Mittagessen. Wir sparen das immer ein, knabbern mittags nur immer etwas Kleines. So kommt auch keine Müdigkeit auf. Wir wechseln unser Großgeld in Kleingeld, indem wir erste Mitbringsel einkaufen. Ich suche mir zwei Armreifen aus. Die Auswahl fällt schwer, weil mich die Fülle fast erschlägt. An den Raststätten die Geschäfte sind immer etwas teurer als in den Städten, dafür wird man aber nicht so sehr von den Händlern genervt, was wir zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht wissen. Die Vegetation in Rajasthan ist nicht gerade üppig: Ein paar Sträucher am Straßenrand hin und wieder, eine kleine Fläche mit medizinischen Heilpflanzen und Kräutern. Wir fahren am Rand der Thar-Wüste entlang, wo im Jahr zwischen 150 und 350 mm Niederschlag fallen. Dieses Jahr und die beiden Jahre davor hat es gut geregnet, berichtet Suresh. Davor gab es eine ganze Reihe Jahre Trockenheit. Dabei verdorren nicht nur ganze Landstriche, sondern auch die Tiere verenden, weil sie nichts zu Fressen finden. Also, der Monsun kommt nicht immer überall hin. Seit 1986 versorgt der Rajasthan-Kanal die Wüstenbewohner mit Wasser aus Punjab, aber für eine flächendeckende Landwirtschaft reicht es natürlich nicht. Nur hier oder da gibt es Plantagen und Felder. Die Menschen dort leben vor allem vom Handwerk und Handel, erfahren wir, sehr viele sind arm. Wir checken ein in das Lallgarh Palace Hotel in Bikaner, ein rotes Sandstein-Pracht-Ensemble. Unser Guide kommt nicht, deswegen springt ein anderer ein: Anny, ein Mann, der uns zuerst das berühmte Junagarh Fort zeigt, ganz ausführlich erklärt, die einzelnen Palast-Teile, den Thronsaal, die Technik-Sammlung des Herrschers und die Waffenkammer. Rai Singh, der dritte Herrscher von Bikaner, hat das Fort im 16. Jahrhundert bauen lassen. Wir sehen eine unglaublich goldene und mit farbigen Bemalungen und Intarsien versehene Pracht. Das Fort ist umgeben von einem Graben, in dem einst Krokodile zur Abschreckung der Feinde dienten. Dann geht es zu einer Kamelzucht. 2500 - 5000 Kamele sind ständig dort, erfahren wir, und es ist die einzige staatliche Kamelzucht in Indien. Es gibt ein Museum mit den nötigsten Informationen, dann streunen wir vorbei an Ställen und versuchen, nicht so viel trockenen Lehmstaub mit unseren Füßen aufzuwirbeln. Es ist heiß, 35 Grad Celsius. Wir kommen genau zur richtigen Zeit, denn gerade kommt eine große Herde von draußen an die Tränke. Wir bleiben abseits und fotografieren das und wie sich junge Kamele an den Zitzen ihrer Mütter bedienen. Wieder am Auto schicken wir Fahrer und Stadtführer zum Getränkekauf, Einheimische werden nämlich nicht so abgezockt, Suresh hatte uns anfangs geraten, das so zu machen.

Dann fahren wir ein paar Kilometer nach Deshnoke und halten an einem Tempel, über den uns vorher niemand aufgeklärt hat. Nur dass er Karni Mata heißt. Wir ziehen wie vorgeschrieben wieder die Schuhe aus, geben sie ab und gehen hinein. Ich bin noch gar nicht richtig drin, bewundere noch das große, kunstvolle silberne Tor, da huscht etwas Weiches über meinen Fuß, und Husni hinter mir quietscht. Ich schaue mich um. Überall laufen Ratten herum, an manchen Stellen haben sie Fressnäpfe. Wir sind im Rattentempel! Anny schaut mich erwartungsvoll an, hat wohl gehofft, dass ich kreische. Aber mit Ratten habe ich kein Problem. Hätte er uns in einen Spinnentempel geführt, hätte er nicht so schnell gucken können, wie ich wieder draußen gewesen wäre. Er sagt, es sei der größte und bedeutendste Rattentempel Indiens. An dem bunten Altar sitzen Männer um eine Futterstelle für Ratten herum. Frauen, Männer und Kinder gehen an den Altar, berühren eine rote Stelle und gehen wieder. Es riecht nach Kot. Überall ist er zu finden, ein alter Mann mit Besen kommt gar nicht so schnell hinterher. Ratten spielen miteinander, balgen sich. Wir sprechen zwei schöne Frauen in farbenfrohen Saris an, die einen kleinen Jungen dabei haben. Sie freuen sich, dass ich ein Foto mit ihnen gemeinsam mache. Als ich ihnen anbiete, es ihnen per E-Mail zu schicken, lächeln sie und sagen, sie hätten nicht einmal eine Adresse. Schade, sie bedauern es, dass sie nie dieses Bild mit der Europäerin haben werden. Anny stellt uns dann vor die Wahl: Entweder wir besuchen eine Produktion von Kamelwolle mit Verkauf oder eine Hochschule der Künste mit Verkauf. Ich komme mir vor wie bei einer gehobenen Kaffeefahrt, aber wenn es denn schon sein muss, entscheiden wir uns für die Malerei. Die ist dann auch wirklich exzellent. Obwohl, eine Hochschule ist das wahrscheinlich nicht, nur eine kleine Kaschemme. Aber egal. Der Künstler führt uns vor, wie er mit einem einzigen Pinselhaar hauchzarte Linien malt. Schöne Bilder mit Göttern, Tieren, Menschen und verschiedenen Szenen sehen wir. Er erhielt von Unicef einen Preis dafür. Die Urkunde hängt auch da. Ich kaufe ein Bild eines seiner Studenten. Es zeigt Gott Ganesha mit Ratte. Das passt schön zu dem Erlebnis, das wir gerade hatten. Später lerne ich, dass Ganesha, der Gott mit dem Elefantenkopf, immer von der Ratte begleitet wird. An dieser Stelle vielleicht eine Erklärung zu den Göttern und wie Ganesha zu seinem Elefantenkopf gekommen ist. Der Hinduismus verehrt Millionen Götter, wie unsere Reiseführer sagen. Aber die wichtigsten sind Brahma, der Erschaffer, Vishnu, der Erhalter, und Shiva, der Zerstörer. Alle Drei sind verschieden und bilden doch eine Einheit. Jedem der drei Götter ist eine Gefährtin an die Seite gestellt: Saraswati für Brahma, Lakshmi für Vishnu und Parvati für Shiva. Letzterer hat die Angewohnheit, sich zum Teil jahrelang zum Meditieren zu verziehen. Einmal gebar Parvati in so einer langen Meditationszeit einen Sohn, Ganesha. Eines Tages sagte Parvati zu ihrem Sohn: „Ich möchte baden. Bitte bewache das Haus und lasse niemanden hinein in dieser Zeit.“ Ganesha nahm seine Aufgabe sehr ernst. In diesem Augenblick kam Shiva vom Meditieren zurück. Ganesha wusste nicht, wie sein Vater aussieht und Shiva wusste nicht einmal, dass er einen Sohn hat. Ganesha ließ ihn nicht ins Haus, was auch immer Shiva sagte. Da wurde es Shiva zu dumm, wütend schlug er Ganesha den Kopf ab, der sofort von dannen rollte. Als Parvati das erfuhr, war sie außer sich und schickte ihn zu Brahma, den Schöpfer. Er riet Shiva, dass er dem ersten Wesen, das ihm auf dem Heimweg begegnen würde, den Kopf abschlagen und zu ihm bringen soll. Das war ein Elefant. Ganesha wird angebetet, wenn man Glück braucht. Und das Erste, was in ein neues Haus kommt, ist eine Ganesha-Statue. Suresh und Anny schlagen vor, im „Rendez Vous“ zu essen. Wir sind erst ein bisschen unschlüssig, weil man uns am Vorabend ganz schön ausgenommen hat, und wir hätten uns lieber selber etwas gesucht. Aber wir gehorchen, und in Windeseile machen wir uns frisch, waschen den Schmutz des Rattentempels von den Füßen. Schnell noch Nobite-Gel auf die Haut, denn mit der Dämmerung kommen die Moskitos, und schon wartet unser Fahrer, der uns ein paar hundert Meter fährt. Das hätten wir auch laufen können. Aber man hat wohl auch Angst um uns. Das Essen war gut, und es waren vernünftige Preise, die Hauptgerichte zwischen 150 und 250 Rupien, Fladenbrot 30-35 Rupien. Wir testen indischen Weißwein. Er ist nicht so toll wie der europäische, aber man kann ihn trinken. Eine kleine Flasche kostet 700 Rupien. Das muss nicht noch einmal sein. Ein bisschen angetütert sind wir danach schon, fotografieren noch unser schön beleuchtetes Hotel und zwei Eidechsen neben unserer Zimmertür (zum Glück von außen), und dann machen wir uns bettfertig. Die Air condition muss über Nacht kurz aus gewesen sein, denn ich bin davon aufgewacht, als sie laut und kalt wieder anging. Wahrscheinlich Stromausfall, was in Indien öfter passiert, wahrscheinlich konnte ich deswegen dann irgendwann schlafen.

 

13 – Gott Shiva an einem der bunten Tempel vor Bikaner


14 - Blaues Zimmer im Junagarh Fort


15 - Thronsaal im Junagarh Fort


16 - Restaurator am Junagarh Fort


17 - Im Rattentempel von Deshnoke – unweit von Bikaner.


18 - Futterstelle im Rattentempel


19 - Arme Frau sucht Brauchbares im Müll.

4. Tag – 19.10.2011 - Bikaner - Mirwana

Heute fahren wir zum Junagarh Fort, wo ganz viele Tuktuks und Kutschen und Rikschas auf Gäste warten. Wir fahren mit einer Tonga, einer Pferdekutsche, durch die Altstadt und sitzen mit dem Rücken in Fahrtrichtung, das ist besser zum Fotografieren. Viele Männer und Jungen winken, Frauen lächeln uns zu. Ähnliche Eindrücke wie in Old Delhi. Hier gab es zudem viele Havelis, die aber nicht bemalt, sondern kunstvoll aus Sandstein geschnitzt sind. Anny verabschiedet sich. Ich sage Suresh, dass ich einen ATM-Schalter zum Geld-Abheben suche. Vor meiner Abreise nach Indien hatte ich ein Internetkonto bei einer Bank eröffnet, die es ermöglicht, mit der Visa-Card gebührenfrei überall in der Welt an Schaltern abzuheben. In einem Reiseforum im Internet habe ich das gelesen, auch dass Geldabheben in Indien an den ATM-Bankautomaten am einfachsten ist. Suresh fährt gleich einen an. Ich bitte ihn mitzukommen, weil vor der Tür zum Automaten zweifelhaft aussehende Gestalten stehen und auch, weil ich mir Hilfe beim Abheben erhoffe. Und das war gut so, denn wir erleben ein Märtyrium. Der Automat stellt Fragen, deren Antworten wir nicht wissen. So lassen wir uns in der Bank helfen, aber nicht einmal der Mitarbeiter weiß richtig, wo ich drauftippen soll. Am Ende schaffen wir es doch allein durch Ausprobieren. Wenn ich Suresh nicht gehabt hätte!

Wir fahren ins Mirwana Nature Resort. Wir wussten vorher, dass das ein Camp ist mit Zelten. Man empfängt uns mit Musik und einem Punkt auf der Stirn. Wir werden nach den Formalitäten an der Rezeption zum Zelt Nr. 215 geführt. Es ist mit einer Tür verschlossen und hat eine Klimaanlage. Ringsherum die Grünanlagen sind gut gepflegt. Es gibt ein Ayurveda-Zentrum, wo Husni sich einen Termin für den gleichen Abend geben lässt. Die Physiotherapeuten standen sofort da und haben sich angepriesen. Zuvor gibt es ein bisschen Kamelreiten vor dem Resort. Dort treffen wir ein Pärchen aus München, das wir in Bikaner schon gesehen haben und machen Kamelritt-Fotos voneinander. Suresh zeigt mir, wo er übernachtet. In einem unverputzten kleinen Steinraum vor dem Resort stehen vier Liegen mit Decken. Ganz spartanisch. Dort außerhalb haben auch die Bediensteten ihre Häuser – so rund wie Jurten, aber aus Stein mit Strohdächern. Wir schauen dem Sonnenuntergang zu. Der ist immer so um 18 Uhr herum und binnen zehn Minuten ist es stockdunkel.

Abends sind wir die einzigen im Speisesaal. Eine Gruppe wird noch erwartet, für sie ist schon gedeckt. Wir sitzen abseits an einem kleinen Tisch. Vier Kellner bemühen sich um uns, beobachten uns beim Essen, um sofort zur Stelle zu sein. Die wollen hinterher alle Trinkgeld. Ich hatte bis dahin überlegt, ob ich in dem wirklich schönen Pool bade, aber dann ist es ja erstens schon dunkel und auch ungemütlich kühl für mich zum Baden, vielleicht 15 oder 16 Grad Lufttemperatur. Die Klimaanlage ist laut. Ich schreibe noch lange, drehe die Fotos im Netbook um und schicke eine Mail an die Lieben zu Hause. Husni schläft schon lange, als ich das Licht lösche.


20 - Unterwegs durch die Dörfer zum Camp Mirwana.


21 - Schlagbaum hinter einer Mautstelle


22 - Eingang zum Camp mit indischer Begrüßung.


23 – im Mirwana-Camp


24 - Kamelreiten vor dem Camp


25 - Sonnenuntergang am Camp

5. Tag - 20.10.2011 Mirwana – Jaisalmer

Um 10 Uhr starten wir in Richtung Jaisalmer, vorbei an spärlicher Vegetation. Wir sehen auch immer mehr Armeegelände, Truppenübungsplätze, Gebäude für Munition. Jaisalmer ist 50 km von Pakistan entfernt. Wir sind nach anderthalb Stunden in unserm tollen Hotel Rang Mahal am Stadtrand, ein sehr schönes Zimmer und ein tolles Bad mit Badewanne. Suresh sagt, wir sollen im Hotel unseren Nachmittag und Abend verbringen. Am nächsten Tag wäre unsere Stadtrundfahrt mit Guide. Aber ich bin nicht in Indien, um meine Zeit im Hotel zu verbringen. Das sage ich ihm und dass ich zum Basar und zum Jaisalmer Fort möchte. Wir machen das selber, erkläre ich, da er seinen freien Nachmittag hat und wir ihn nicht belasten wollen. Die Idee gefällt ihm nicht. Offenbar hat er das gemeldet, denn als wir nach einer Frischepause wieder ins Foyer kommen, erwartet uns ein Reisebüro-Mitarbeiter und schlägt uns vor, dass eine Security mit Abstand auf uns aufpasst, aber die sei nicht im Preis inklusive. Husni und ich sind fassungslos, dass wir uns nicht frei bewegen dürfen. Wir beschließen, dem Mitarbeiter zu sagen, dass wir dann eben im Hotel-Pool baden. Beruhigt zieht er von dannen. Wir warten ein paar Minuten und bitten dann die Rezeptionistin, uns ein Tuktuk zu rufen. Der Fahrer steht wenige Minuten später im Foyer und bringt uns überallhin, wo wir hin wollen, zeigt uns ausgiebig das Fort von außen, kriecht mit uns auf das Dach eines Kaufmannshauses, um einen schönen Blick von oben zu haben und lässt uns dann am lokalen Markt für anderthalb Stunden einkaufen. Ich finde einen prächtigen lila-silbernen Sari und Armreifen. Wieder zurück im Hotel mache ich erst einmal eine Modenschau mit Sari, und dann holt Husni Schlaf nach. Ich steige derweil zweimal in den eiskalten Hotel-Pool, den ich mir mit einer jungen, stolzen Französin teile. Am Vortag wurde das Wasser gerade erst gewechselt, höre ich. Dann wasche ich im Hotelzimmer meine Wäsche. Husni hat aus Strippe, Haken und Draht eine Wäscheleine gemacht, und dann hängen meine Klamotten quer durch unser Zimmer und im Bad über dem WC. Das haben wir dann noch in mehreren Orten so gemacht. Für den Abend reservieren wir uns Plätze für das "Abfüttern der Raubtiere", wie solche Veranstaltungen die Kellner bei uns nennen. Über hundert weiß bezogene Stühle und Tische werden dafür vorbereitet. Weiß oder helle Farben vertreiben die Moskitos, deshalb soll man sich abends möglichst auch helle, langärmlige Sachen anziehen und natürlich die Haut mit Mückenschutzmittel einreiben. Es sind zwei Reisegruppen und einige Individualreisende da. Der Abend war sehr romantisch in dem Licht der Laternen, aber eben auch wieder teuer, das letzte Mal jedoch. Vorher haben wir den Sonnenuntergang von einer vielleicht für uns unerlaubten Dachterrasse aus fotografiert, die wohl der Hotel-Küche als Abstellkammer dient, und Husni hat im Hotel-Shop seinen ersten Pashmira-Schal gekauft.

Husni und ich können unterschiedlich gut Englisch. Er sagt, ich hätte die Grammatik besser drauf, und er habe den größeren Wortschatz. Das stimmt. Anfangs muss er mir noch oft beim Übersetzen helfen, später habe ich mich „hineingehört“ und brauche nur noch ab und zu Hilfe.


26 - Vor dem Jaisalmer Fort – erbaut 1156


27 - Straßenszene in Jaisalmer, im Hintergrund das Fort


28 - Havelis mit kunstvoll in Stein gehauene Verzierungen


29 – Verkehr in Jaisalmers Altstadtgassen


30 – Schneider vor seinem Geschäft


31 - Frisch Verheiratete tun Hochzeitsdatum mit Ganesha und Früchten als Glücksbringer an ihren Häusern kund.


32 - Kinder sind offen für Fremde und immer neugierig.


33 - Immer wieder schön: Frauen in ihren Saris und Salwar Kameez.

6. Tag - 21.10.2011 Jaisalmer – Sam

Nach dem Frühstück geht es um 9 Uhr auf Erkundungstour. Unser deutschsprachiger Stadtführer Sham führt uns zum Jaisalmer Fort, erklärt uns, dass Jaisal ein Maharadschah war, nach dem dieses Fort und der Ort benannt sind. Jaisal ließ das Fort ab 1156 auf dem 80 Meter hohen Trikutafelsen in der Thar-Wüste erbauen. Seine Nachfolger erweiterten es. Im Fort lebten zu Maharadschahs Zeiten bis zu 300 Familien. Auch heute noch leben dort Menschen, es gibt 99 Wohnungen, Tempel und viele Geschäfte. Und die schauen wir uns natürlich auch an, manchmal muss unser Guide auf uns warten. Er führt uns in das Haus eines Händlers, auf dessen Dach man uns Tee bringt. Von dort aus genießen wir eine unglaubliche Aussicht über die Stadt. Er singt uns sogar etwas vor, denn er hat eine Band und wünscht sich so sehr, mal in Deutschland aufzutreten, sagt er. Dann zeigt er uns viele schöne Havelis, die vor allem von besonderer Steinmetzkunst zeugen. An anderen einfachen Häusern zeigt er uns die Sitte, dass nach Hochzeiten auf die Hauswand Ganesha, Früchte und das Hochzeitsdatum gemalt werden. Frauen in schönen Saris oder Salwar Kameez lassen sich von uns beim Tratschen stören und fotografieren. Kinder präsentieren sich, freuen sich, von Ausländern fotografiert zu werden. Sie fragen uns aus, woher wir kommen, sind ganz offenherzig und neugierig, überall in Indien. Es ist ein langes Streunen durch die Stadt. Am Ende kommt, was sein muss, der Besuch eines Silberschmieds in diesem Fall, er will uns teuer Armreifen verkaufen. Er hat keinen Erfolg, aber weil mir nichts gefallen hat. Es war dunkles, grobes Silberzeug. Ich bevorzuge weißes, zart gearbeitetes Silber. Zum Schluss nimmt uns Sham mit in sein kleines Reisebüro und lädt uns ein zu einer Cola. Dann fahren wir noch eine Stunde in das Dorf Sam, dort werden wir in einem Zeltcamp namens Rawla übernachten. Wir richten uns ein in unserem Zelt mit Klimaanlage und abgeteilter Bad-Zelle. Es sieht zumindest sauber aus. Dann werden wir zum Sammelplatz der Kamelsafari gefahren. Keiner sagt, was auf uns zukommt. Wir wissen nicht, wie wir uns anziehen sollen, wie lange das dauert und wie viel Geld wir mitnehmen sollen. Suresh sagt uns nur, wir sollen was zum Trinken mitnehmen. Wir haben eine Cola und Wasser im Beutel. Hunderte Touristen reiten dem Sonnenuntergang entgegen. Nach einer knappen halben Stunde sehen wir die vielen Leute auf den Wanderdünen. An unsere Fersen heften sich zwei Musikanten und eine Frau mit Kind, schön angezogen und geschminkt. Schon auf dem Weg versuchen Männer ihre Getränke anzupreisen. Gegen ein Bier beim Sonnenuntergang hätte ich nichts, aber mal sehen, sagte ich vom Kamel herunter. Nichts Verbindliches. Aber der fragt so viele und ist dann nachher auf unserer Düne aber auch sofort zur Stelle und öffnet sofort ein Bier, noch bevor ich etwas sagen kann. Dann hält er die Hand auf und ich solle 350 Rupien drauf legen. So viel kostet ein gutes Mittagessen. Ich sage ihm, dass wir nicht so viel Geld haben, weil wir nicht mehr genug Zeit hatten, einen ATM-Schalter zu finden in Jaisalmer. Das stimmt zwar nicht, und ich habe auch immer mein ganzes Geld am Körper und nie im Hotel, aber ich habe mich darüber geärgert, dass uns vorher niemand darüber aufgeklärt hat, was an dem Abend auf uns zukommt. Zuerst scheint mir niemand meine Lüge zu glauben, dann nachher doch. Vor allem wollen die Musikanten auch Geld, die einfach losspielen und die Frau mit Kind, die dauernd fotografiert werden will und wir es nach mehrfachem Drängeln auch tun, sie hält dann auch die Hand auf. Ich erkläre ihnen immer wieder, dass ich nur eine Visa-Card habe und nicht genug Bargeld. Der Kamelführer ist dann vernünftig, beruhigt alle und sorgt dafür, dass wir dann bald wieder zum Parkplatz kommen. Es geht dann im Galopp, kein Problem für mich, aber für Husni, weil er und sein Kamelführer weit vor mir sind und er Angst hat, dass wir uns verlieren. Er täuscht Rückenschmerzen vor, und dann holen wir sein Kamel schnell ein. Dann steht ein Folkloreabend auf dem Programm. Lichtergirlanden schmücken das Open-Air-Gelände mit einer Bühne. Wir sind nur wenige Gäste. Die Musik geht einigermaßen, aber die Tänzerinnen sind klasse, die eine tanzt auch auf einem Nagelbrett und auf Büchsen, und die andere hat einen Riesenturm Schüsseln auf dem Kopf. Die Veranstaltung dauert ganz schön lange. Der Mann vom Reisebüro, der uns empfangen hatte, nimmt uns mit, bevor es zu Ende geht. So müssen wir kein Trinkgeld geben. Bei den Dünen hatte einer gefragt, wo wir übernachten und dann telefoniert. Vielleicht hat der Betreuer das schon gewusst und uns deshalb vorab weg gebracht. In unserem Camp gibt es dann zu später Stunde nur für uns zwei im Hof des Restaurants ein leckeres Menü, und Suresh laden wir ein. Selbst danach bleibt noch etwas übrig. Es ist nicht üblich, dass der Fahrer mit den Touristen isst. Er selbst fühlt sich minderwertiger als wir. Es ist ihm meist eine Überwindung, wenn wir ihn an unseren Tisch bitten. Dann führt uns einer in unser schon erleuchtetes Zelt. Wir sehen Heuschrecken an der Decke und im Bett, überall Fliegen. Husni kommt vom Zähneputzen aus dem Bad und sagt, er duscht morgen, alles sei voller Kleingetier. Ich will das gar nicht sehen und verzichte nicht nur auf das Duschen, sondern auf einen Badbesuch überhaupt, ziehe mir nur noch das Betttuch bis zur Nase und bekomme bei dem Gedanken, dass mich irgendwas bekrabbelt regelmäßig Hitzeschauer. An Husni scheint das auch nicht spurlos vorbei zu gehen, er schreit einmal in der Nacht im Schlaf. Ich kann keine Sekunde schlafen. Aber auch das ist Indien. Ich habe es ja so gewollt, und es ist in Ordnung, aber es muss nicht mehr als dieses eine Mal sein.

 

34 – Im Camp in dem Dorf Sam bei Jaisalmer


35 – Kamelkarawane auf dem Weg zur Düne


36 – Auf der Düne

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