Vegetarische Aroma-Bibel - eBook

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Während Babys zwangsläufig auf weiche oder pürierte Nahrung angewiesen sind, ist für die meisten Erwachsenen gerade die Vielfalt an Texturen reizvoll. Besonders gilt dies für knusprige und knackige Lebensmittel, die einer sämigen Speise das gewisse Etwas verleihen oder sogar einer gewissen Monotonie entgegenwirken.

Der Geschmack von Fleisch wird zu einem großen Teil durch seine Textur vermittelt, jenes besondere Gefühl beim Zerkauen von Hähnchenbrust oder knusprig gebratenem Speck. Eine ähnliche Textur lässt sich auch mit fleischlosen oder mit pflanzlichen Zutaten erreichen (z. B. kommen gebratene Provolone-Scheiben knusprigem Speck im Sandwich recht nahe; Linsen, ganze Getreidekörner, Pilze oder gefrorener und dann gegarter und zerkrümelter Tofu können Hackfleisch ersetzen, und in feine Scheiben geschnittener, knusprig angebratener Tempeh ist ein guter Ersatz für Frühstücksspeck). In der Molekularküche wird Kaviar durch das Sphärisieren nachgeahmt, ein von Ferran Adrià im spanischen Restaurant El Bulli entwickeltes chemisches Verfahren, durch das mit Kalziumlaktat und Natriumalginat aus den verschiedensten Zutaten, von Meeresalgen bis zur Wassermelone, an Kaviar erinnernde Kügelchen erzeugt werden.

Viele Menschen lieben die sämige Textur von Milch und Rahm. Diese lässt sich nachahmen durch pflanzliche Milchgetränke, etwa aus Mandeln, Kokosnuss, Haselnüssen, Hanf, Hafer, Reis und Soja, oder durch pflanzlichen Rahm auf der Basis von Cashew- oder Kokosmus. Selbst auf leckere Eiscreme muss ein Veganer nicht verzichten, denn die typische sahnige Konsistenz lässt sich auch durch andere Zutaten erreichen.

Weitere Beispiele vegetarischer oder veganer Ersatzprodukte für nicht-vegetarische Zutaten oder Speisen finden Sie auf Seite 54–57.


Schärfe Ebenfalls im Mund wahrgenommen wird die Empfindung von Schärfe, von der intensiven Schärfe einer ganzen Chilischote bis zur subtileren Schärfe eines Hauchs Cayennepfeffer. Allerdings handelt es sich bei Schärfe eigentlich nicht um eine Geschmackswahrnehmung, sondern eher um einen Schmerzreiz. Das durch die Schärfe pikanter Speisen ausgelöste Gefühl wird von Mensch zu Mensch als unterschiedlich angenehm wahrgenommen, und jeder hat dabei seine ganz persönliche Toleranzschwelle. Auf verschiedenen pikanten Produkten finden sich daher häufig die Kennzeichnungen »mild«, »mittelscharf«, »scharf« oder »sehr scharf«. Die Schärfe von Chilischoten findet besonders oft Verwendung in der thailändischen und in anderen asiatischen Küchen, ebenso in der mexikanischen und in verschiedenen südeuropäischen Küchen.

Adstringenz Das Gefühl, wenn sich im Mund alles zusammenzieht, bezeichnet man als Adstringenz. Diese Empfindung äußert sich als austrocknende Reaktion, wie sie beispielsweise durch die Tannine in Rotwein oder starkem Tee ausgelöst wird, aber auch durch bestimmte Nahrungsmittel wie Walnüsse, Cranberrys und unreife Kakifrüchte. Die adstringierende Wirkung von Cranberrys ist eine willkommene Ergänzung in süßen Desserts mit Apfel oder Birne, wohingegen eine Handvoll adstringierender Granatapfelkerne über mexikanische Mole gestreut oder eine persische Walnusssauce einen erfrischenden Kontrast liefern.

WAS DIE NASE WAHRNIMMT

Aromen

Allgemein geht man davon aus, dass das Aroma, genauer gesagt der Duft, mehr als 80 Prozent des gesamten geschmacklichen Eindrucks eines Gerichts ausmacht. Dies erklärt auch die Beliebtheit aromatischer Zutaten, angefangen von frischen Kräutern über Gewürze bis hin zu abgeriebener Zitronenschale.

Die Verwendung duftender aromatischer Zutaten kann das Aroma eines Gerichts enorm aufwerten, was sich wiederum positiv auf dessen geschmacklichen Gesamteindruck auswirkt.

Während es nur fünf Grundgeschmacksrichtungen gibt, ist die Zahl aromatischer Duftnoten, die zum Geschmack von Speisen beitragen, nahezu unendlich. Die meisten Aromen können als entweder süß oder herzhaft/würzig charakterisiert werden.

Süße Noten werden größtenteils mit Süßungsmitteln, Obst und bestimmten süßlichen Gemüsesorten (z. B. Süßkartoffeln), Kräutern (z. B. Basilikum) und Gewürzen (z. B. Zimt) verknüpft. Herzhaftwürzige Noten werden typischerweise mit einem gewissermaßen »fleischigen« Aroma assoziiert und mit dem Duft und Aroma von Zwiebelgewächsen wie Knoblauch und Zwiebeln. Zu den herzhaften Noten zählen zudem käsig, rauchig und würzig. Ein käsiges Aroma liefern in der veganen Küche beispielweise Nährhefe oder vegane Käsesorten. Rauchige Aromen können durch bestimmte Kochtechniken erzielt werden (z. B. grillen, heiß- oder kalträuchern) und/oder durch die Zugabe spezieller Zutaten (z. B. geräuchertes Paprikapulver, Flüssigrauch). Würzig-herzhafte Aromen können zudem spezifische regionale Geschmackskombinationen widerspiegeln (z. B. Knoblauch + Ingwer + Sojasauce = asiatisch; Knoblauch + Zitrone + Oregano = mediterran).

Einige Eigenschaften werden sowohl vom Geschmacks- als auch vom Geruchssinn erfasst:

Stechendes Aroma Ein stechendes Aroma wird Zutaten zugeschrieben, die, wie es zum Beispiel bei Meerrettich und Senf der Fall ist, den Gaumen ebenso reizen wie die Nase, wenn auch oft auf angenehme Weise. So rundet ein Klecks Sahnemeerrettich die Süße einer Rote-Bete-Suppe wunderbar ab, und eine Senfvinaigrette bietet oft für bittere Blattsalate eine willkommene Ergänzung.

Chemesthesis Der Begriff »Chemesthesis« bezieht sich auf sonstige Empfindungen, die den Geschmackssinn kitzeln (zum Beispiel das kribbelige Gefühl von Kohlensäure) oder ihm einen Streich spielen (die eigentlich falsche Wahrnehmung von »Hitze« bei Chilischoten oder »Kälte« bei Pfefferminze). Ein weiteres Beispiel ist Knisterzucker, auch Knallzucker genannt, eine Verbindung aus Zucker und Kohlendioxid, von experimentierfreudigen Köchen gern in außergewöhnlichen Desserts verwendet, um Mini-Geschmacksexplosionen im Mund hervorzurufen.

DIE ÜBRIGEN SINNE – HERZ, VERSTAND UND SEELE

Der Faktor X

Wenn man das, was man isst, bewusst und aufmerksam wahrnimmt, dient das Essen nicht nur zur Ernährung, sondern wirkt sich auf den Menschen als Ganzes aus. Wir erfahren Nahrung nicht nur mithilfe der körperlichen Sinne – einschließlich des Sehsinns, auf den wir weiter unten eingehen werden –, sondern auch emotional, mental und sogar spirituell.

Ein weiterer Geschmacksfaktor, wir nennen ihn »Faktor X«, hat damit zu tun, dass ein und dasselbe Gericht oft von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. So wird jemand, der schon als Kind gern Erdbeeren gegessen hat, den Geschmack derselben theoretisch »perfekt zubereiteten« Erdbeertorte vollkommen anders wahrnehmen, als jemand, der allergisch auf Erdbeeren reagiert. Ebenso werden ein Fleischesser und ein Vegetarier den Geruch von einem ebenfalls theoretisch »perfekt zubereiteten« Eintopf völlig gegensätzlich wahrnehmen.

Visuelle Aspekte

Der optische Eindruck eines Gerichts kann einen maßgeblichen Einfluss auf den damit verbundenen Genuss haben. Bei einem veganen Degustationsmenü war die optische Präsentation eines Karottentatars (vor meinen Augen in einem eigens hierfür am Tisch befestigten Fleischwolf zubereitet und von einer ganzen Palette von Gewürzen und Kräutern zum selbstständigen Würzen begleitet) ebenso aufregend wie sein herausragender Geschmack.

Seitdem im Internet immer mehr Fotos von Gerichten auch solchen aus den besten Restaurants der Welt kursieren, ist es einfacher geworden, die ausgefeilte Optik eines Gerichts nachzuahmen als seinen exquisiten Geschmack.

Das Aussehen eines Gerichts kann auch einen direkten Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung ausüben: Je intensiver die Farbe eines Beerensorbets ist, desto mehr Beerengeschmack wird wahrgenommen. Je unmittelbarer man ein Nahrungsmittel mit einer bestimmten Farbe in Verbindung bringt, desto intensiver wird der Geschmackseindruck. Beispiele dafür sind Himbeeren und Erdbeeren, die man mit Rot verbindet, Zitrone mit Gelb und Limette mit Grün.

Emotionale Aspekte

Jeder Mensch schmeckt mit seinem Herzen genauso sehr wie mit seiner Zunge. Wie sonst ließe sich erklären, dass Erwachsene den Gerichten der eigenen Mutter fast immer den Vorzug vor denen von Starköchen geben? So erklärt sich auch der Reiz traditioneller Gerichte und Küchen verschiedener Länder rings um den Globus, die auf der Zuneigung und der Liebe zu ihren Menschen, ihren Kulturen und den tief verwurzelten kulinarischen Traditionen beruhen, die jahrhundertelang ihre Basis waren.

»Ich erzähle immer, dass die Kartoffeltortilla meiner Mutter für mich ganz einfach die beste ist. Dadurch wird deutlich: Sentimentale Werte stehen über allem anderen.«

Ferran Adrià, Küchenchef des »El Bulli«, Spanien

Mentale Aspekte

Wenn es beim Essen um die bloße Ernährung ginge, könnte der Mensch wohl auch mit Nährstofftabletten und Wasser überleben. Aber wir essen eben auch aus Vergnügen. Da wir alle in der Regel drei Mahlzeiten am Tag zu uns nehmen und das an 365 Tagen im Jahr, spielt die Freude an der Abwechslung eine besondere Rolle, wie sie etwa eine Neuinterpretation eines traditionellen Gerichts bringen kann. Seitdem in den 1980er-Jahren das Anrichten von Speisen in die Höhe (als »Türmchen«) aufkam, spielen immer mehr Köche mit der optischen Präsentation ihrer Zutaten. Und seit dem Aufkommen der sogenannten Molekularküche in den 1990er-Jahren wird nicht mehr nur mit der optischen Präsentation von Speisen experimentiert, sondern auch mit deren chemischer Zusammensetzung. Nicht zuletzt gibt es auch den durchaus interessanten Trend, mit der Zusammensetzung der Speisen auf dem Teller eine Geschichte zu erzählen, den Zusammenhang der Herkunft der Produkte, ihre Verbindungen und Eigenschaften im Gericht sichtbar zu machen.

 

Spirituelle Aspekte

Die Zubereitung von Nahrung kann, ebenso wie das Essen selbst, in gewisser Weise als Ritual, als »heilige« Handlung betrachtet werden. Diese Art, mit Essen umzugehen, bietet wie kaum etwas anderes im Leben enorme Möglichkeiten, die Lebensqualität im Alltag aufzuwerten. Diverse Spitzenköche weltweit setzen alles daran, das Erlebnis Essen unter jedem denkbaren Aspekt zu perfektionieren – von den Speisen und Getränken selbst bis hin zum Ambiente und dem Service –, immer mit dem Ziel vor Augen, das Gesamterlebnis des Essens nicht nur vergnüglich, entspannt und interessant zu gestalten, sondern ihm auch einen tieferen Sinn zu verleihen.

PLÄDOYER FÜR EINE NACHHALTIGE, RESPEKTVOLLE KÜCHE

»Hier liegt eine Chance für eine Revolution auf persönlicher Ebene: Die geringstmögliche Menge an Schaden verursachen und damit seinen eigenen Abdruck auf diesem Planeten hinterlassen. (…) Es war niemals einfacher als hier und heute, vegan zu leben. Dasselbe Aroma, derselbe Geschmack und dieselbe Textur wie Fleisch, Käse und Milch, aber ohne diese tierischen Grundstoffe. Niemand muss mehr leiden und für das Essen sterben, Sie eingeschlossen.«

Gary Yourofsky, Vegan-Aktivist

Am Scheidepunkt zwischen unserer Geschichte und unserer Zukunft haben wir tagtäglich Entscheidungen zu treffen, und zwar bei jeder Mahlzeit, die wir zubereiten und verzehren. Ich hoffe, dass diese Entscheidungen zunehmend bewusster, fundierter und rücksichtsvoller werden – für uns selbst, für andere und für unseren ganzen Planeten.

In einer jüngeren Umfrage des Marktforschungsunternehmens Technomic bejahten zwei von drei der Befragten die Aussage, dass eine vegetarische Mahlzeit genauso zufriedenstellend sein kann wie eine nicht-vegetarische. Mit diesem Buch möchte ich diesen Anteil noch erhöhen. Und dank dem Einfluss und Talent zahlreicher professioneller Köche habe ich keinerlei Zweifel daran, dass der Anteil der pflanzenbasierten Küche weiter wachsen wird. Viele namhafte Köche vertreten die Ansicht, Gemüse würde der nächste große Trend, und sie setzen alles daran, dies zu unterstützen. »Sie werden deshalb nicht unbedingt Veganer und tragen auch keine T-Shirts mit der Aufschrift ›Fleisch ist Mord‹ – sie sagen einfach nur, wie es ist: Fleisch ist eigentlich langweilig, wohingegen Gemüse in der Küche ein enormes Potenzial interessantester Erfahrungen bieten kann.«

Es ist einfacher als jemals zuvor, sich vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren – und immer mehr Menschen tun dies auch. Am einfachsten war und ist es natürlich in den Großstädten, am schwierigsten draußen auf dem Land. Doch mit der zunehmenden kulturellen Durchmischung, mit Migranten, die ihre eigene oft an pflanzlichen Gerichten viel reichere Küche mitbringen und vermehrt auch das hiesige gastronomische Angebot mitprägen, hat die Auswahl und Vielfalt an vegetarischen Gerichten zugenommen. Tal Ronnen vom Restaurant Crossroads in Los Angeles sagt dazu: »Dabei handelt es sich nicht um eine kurzlebige Modeerscheinung oder einen Trend: Es geht um etwas, das sich durchsetzen wird, um die Zukunft unserer Erde zu sichern. Und ich freue mich auf jeden Tag, an dem es sich mehr herumspricht und mehr Raum erhält.«

Wie erreicht man Geschmackstiefe?

»Die Herausforderung einer auf Gemüse basierenden Küche ist es, dem Gesamteindruck des Geschmacks Tiefe zu verleihen. Mein Ziel ist es, dass niemals jemand beim Verzehr eines unserer Gerichte Langeweile verspürt. Der Faktor, der am ehesten zu Langeweile führen kann, ist die Textur – dann nämlich, wenn alles dieselbe Textur hat, egal, wie geschmackvoll es sonst sein mag. Daher gilt der Textur unser besonderes Augenmerk. Außerdem setzen wir alles daran, jedem Gemüse ein eigenes Profil zu verleihen.

Mit Gemüse wird heute eine ganze Menge mehr angestellt als noch vor zehn Jahren: Es wird gedörrt, geröstet, sautiert oder gegrillt. Durch das Grillen von Gemüse, zum Beispiel Bärlauch oder Fenchel, im Ofen bei hoher Hitze wandelt sich sein Geschmacksprofil.

Anschließend kann man es pürieren und als Mittel zum Würzen und Abrunden verwenden.

Seit mein Schwerpunkt auf der Zubereitung von Gemüse und Ähnlichem liegt, mache ich mir weit mehr Gedanken über Geschmack, Aroma und Textur als in meiner früheren Laufbahn als Koch und ich habe das Gefühl, heute ein weitaus besserer Koch zu sein als jemals zuvor in meinem Leben.«

Aaron Woo, Restaurant Natural Selection, Portland

Die Lust auf Käse und der »Faktor X«

»Die Lust, wenn nicht gar Gier mancher Menschen nach Käse ist teilweise rein körperlich bedingt. In einer 2003 durchgeführten Studie des amerikanischen National Institute of Health über den Einfluss veganer Ernährung auf Diabetes zeigte sich, dass die Teilnehmer zwar Gewicht verloren, ihr Blutzuckerspiegel sank und der allgemeine Gesundheitszustand sich besserte. Viele von ihnen klagten aber darüber, dass ihnen der Käse fehle (Zeichen einer Abhängigkeit, die man eine Nahrungsmittelsucht nennen könnte).

Es war nicht unbedingt Milch, nicht einmal Eiscreme, sondern Käse im Besonderen. Wie konnte das sein?

Mehrere Dinge kommen hier zusammen. Erstens hat sich herausgestellt, dass genetisch bedingt manche Menschen zu wenige Dopaminrezeptoren im Gehirn aufweisen, was zur Folge hat, dass sie die Wirkung von Dopamin nicht so stark spüren und deshalb zusätzliche Dopamin-Reize brauchen. So kann es zu verschiedenen Form von Suchtverhalten kommen (Rauchen, Trinken, Spielen oder eben auch Essen). Etwa die Hälfte der Menschen mit Diabetes Typ II hat diese zu übermäßigem Essen verleitende Genvariante – und es führt dazu, dass sie das Bedürfnis nach Nahrungsmitteln haben, die ihnen zusätzliches Dopamin liefern.

Doch Käse ist ein Sonderfall. Er hat einen hohen Gehalt an gesättigten Fetten, Cholesterin und Natrium, alles ernährungsphysiologisch nicht zu empfehlen. Aber Käse enthält extrem viel Casein, jenes Milchprotein, das anders ist als andere Proteine. Beim Aufspalten setzt es Opiate in die Blutbahn frei, und diese milden Casomorphine docken im Gehirn an denselben Opioid-Rezeptoren an wie Heroin. Es geht also nicht nur um den Geschmack, nicht nur um das Mundgefühl – Milchprodukte sind insofern einzigartig, als sie eben diese Casomorphine freisetzen, und deren Konzentration ist in Käse sehr viel höher als in Milch oder Eiscreme. Würde man Ihnen eine halbe Stunde nach dem Verzehr von Käse Blut abnehmen, würde man Opiate in der Blutbahn finden, die im Gehirn wirksam werden. Es ist zwar nicht so viel, dass Sie nicht mehr Auto fahren könnten oder einen Laden ausrauben würden, aber doch genug, dass Sie schon am nächsten Tag wieder Lust auf ein Stück Käse verspüren. Sogar streng und eigentlich abstoßend riechender Käse hat eine besondere Anziehung auf Menschen, die Vorgänge im Gehirn mit seinem Geruch und Geschmack assoziieren.

Wenn es Ihnen also schwerfällt, auf Käse – oder sonst irgendetwas – zu verzichten, auf das Sie aus gesundheitlichen oder anderen Gründen verzichten sollten oder wollen, ist es daher besser, einen klaren Schnitt zu machen. Das ist einfacher, als mit einem Happen ab und zu das Belohnungssystem im Gehirn immer wieder von Neuem anzustacheln.«

Dr. Neal Barnard, Vorsitzender eines Ärzteausschusses für verantwortungsbewusste Medizin

Food Pairing: Die Kunst des Kombinierens

Ein wesentlicher Aspekt guter Küche ist der geschickte Einsatz zueinander passender Geschmacksprofile – das setzt Wissen darüber voraus, welche Kräuter, Gewürze und andere Aromen besonders geeignet sind, um spezielle Zutaten bestmöglich hervorzuheben und zur Geltung zu bringen.

Durch jahrhundertelanges Ausprobieren haben sich traditionelle, klassische Küchen und Gerichte herausgebildet, die nicht selten zeitlose Kombinationen beliebter Zusammenstellungen enthalten – Beispiele hierfür sind Äpfel mit Zimt, Tomaten mit Basilikum, Bananen mit Rum, Reis mit Sojasauce, Yambohnenwurzel mit Limette.

Es ist faszinierend, festzustellen, dass bestimmte Kombinationen von Zutaten uns weismachen können, etwas ganz anderes zu essen, als dies tatsächlich der Fall ist, allein durch ihren Kontext. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, aß ich einmal einen Kuchen mit einer weichen, mit Zucker und Zimt gewürzten Füllung und war überzeugt, es sei Apfelkuchen – ich war schockiert, als ich hörte, dass es sich um etwas namens »Mock apple pie« handelte, einen falschen Apfelkuchen, in dem statt Apfelscheiben Cracker verarbeitet waren! Ein solcher falscher Apple Pie ist gar nicht so weit von den Avantgarde-Kreationen modernistischer Küchen entfernt, in denen klassische Gerichte auf den Kopf gestellt werden.

Es bedarf nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, dass klassische Geschmackskombinationen bestens auch zum Gelingen experimenteller Gerichte beitragen können, denn sie ergänzen das Unbekannte und Neue durch ein Gefühl der Vertrautheit. Ein Beispiel dafür ist die vegetarische Interpretation des in den USA beliebten Reuben Sandwich, das inzwischen in vegetarischer Variante ein Kultgericht ist. Roggenbrot, Dressing, Emmentaler und Sauerkraut gaukeln dem Auge vor, dass es sich tatsächlich um ein Reuben Sandwich handelt, sodass der Gaumen kein Problem mehr damit hat, statt der Fleischscheibe gewürzten Seitan, Tempeh oder einen anderen Ersatz zu bekommen. Beispiele dieser Art gibt es inzwischen reichlich, so lässt sich etwa auch Thunfisch in vielen Gerichten, beispielsweise in einem Thunfisch-Sandwich oder einem Salat, gut durch Kichererbsenmus ersetzen.

Gelüste an der Wurzel packen

»Im Grunde genommen hat man eigentlich kein Verlangen nach Speck – es geht vielmehr einfach um etwas, das rauchig und knusprig schmeckt. Ebenso wenig gelüstet es einen nach Fischsauce per se – was man sucht, ist vielmehr der fermentierte Umami-Geschmack, den auch eine Sauce aus fermentierten schwarzen Bohnen liefern kann.«

Amanda Cohen, »Dirt Candy«, New York City

»Die meisten Menschen assoziieren Geschmackseigenschaften mit Fleisch, die jedoch im Grunde auf andere Umami-haltige Zutaten in einem Gericht zurückzuführen sind.

Ein lange mit karamellisierten Zwiebeln, Tomatenmark und Rotwein geschmorter Eintopf mit Fleisch und dasselbe Gericht ohne Fleisch liefern beide nahezu dieselbe Geschmacksfülle.«

Eric Tucker, »Millennium«, San Francisco

»Die meisten Leute glauben, Lust auf Milch, Rahm und Käse zu haben, wenn es ihnen im Grunde vielmehr darum geht, einfach etwas Sahniges und Cremiges zu haben.

Werden Zwiebeln angebraten und karamellisiert und dann mit Gemüsefond und Rotwein püriert, erhält man ein Ergebnis von wunderbar sahniger Konsistenz.«

Jon DuBois, »Green Zebra«, Chicago

»Ich habe nichts gegen Soja, aber wir bereiten hier keinen Tofu oder Seitan zu oder formen irgendetwas davon zu Fleisch. Bei uns gibt es auch keinen falschen Käse. Stattdessen werden wir versuchen, Ihnen das gute Gefühl zu vermitteln, nach dem sich Ihr Gedächtnis sehnt, egal ob es um den Geschmack von kräftig Angebratenem, um Textur oder um Fettgehalt geht. Wenn ich ein sahniges Gericht anbieten möchte mit jener sinnlichen Textur, die man normalerweise durch Butter oder Rahm erreicht, dann verwende ich dafür Wurzelgemüse wie Karotten, Pastinaken, Sellerie oder Petersilie und konfiere diese. Wir hobeln das Gemüse sehr fein, geben etwas Fett in Form von Olivenöl zusammen mit Kräutern oder Zitrusfrüchten dazu und garen alles sechs bis acht Stunden bei 30 Grad, wodurch die Struktur der Zellwand aufgelöst wird. Dieser Ansatz liefert alles, was man braucht.«

Aaron Woo, »Natural Selection«, Portland, Oregon

BEI VERLANGEN NACH …


diesem Lebensmittelkönnte dies eine Alternative sein
AusternAusternpilzeHaferwurzel (hat Austernnote)
BolognesesauceTomatensauce mit italienisch gewürzten LinsenTomatensauce mit Tempeh
BurgerVeggie-Burger
Butter(z. B. auf Sandwiches)Olivenöl, vegane Margarine
Chili con carneChili mit Quinoa
ChorizoChorizo aus Seitan oder Weizeneiweiß
Eier, in BackwarenApfelmusBanane, reif, zerdrücktEi-ErsatzLeinsamenSeidentofu
Eier, in QuichesSeidentofu oder fester Tofu
Eier, RühreiTofu-»Rührei« (mit 1 Prise Kurkuma für gelbe Farbe)
EiersalatFester Tofu, gehackt, vegane Mayonnaise und schwarzes Salz
FetaCashew-»Feta«Soja-»Feta«
Fisch und MeeresfrüchteDulse (Rotalge)
FischfondHelle oder süße Misobrühe
FischsauceSauce aus fermentierten schwarzen BohnenThai-Sojasauce (hell, dünnflüssig)Umeboshi-Paste, verdünnt mit Wasser oder Dashi
FleischGetreide und KörnerHülsenfrüchteNüsse und Kerne (z. B. Walnüsse)SeitanTempehTofu
Fleischfond oder -brühe- (siehe auch Rinderfond, Geflügelfond, Fischfond)GemüsebrühePilzbrühe
Fleischiges AromaChilischoten (z. B. Chipotle, Adobo-Sauce)FlüssigrauchKnoblauch, z. B. geröstetMisoPaprikapulver, z. B. geräuchertPilzeSchalotten/Zwiebeln, z. B. geröstetSojasauce
Fleisch, geräuchertChipotle-Chilischoten mit AdoboFlüssigrauchRäucherkäseRäuchertofu
Fleischsauce(z. B. auf Nudeln)Sauce mit zerkrümeltem Tempeh
FrikadellenGetreidebratlinge (z. B. aus Seitan)
GeflügelbrüheHelle oder süße Misobrühe
HuhnJackfruchtPilze wie Gemeiner SchwefelporlingSeitan
HüttenkäseKörniger Soja-Frischkäse
JoghurtKokosnuss- oder Soja-»Joghurt«
KaramellDatteln, püriert + Salz + Vanille
Karamell-PopcornPopcorn, beträufelt mit warmem Reissirup
KäseCashewkäse oder anderer »Käse« auf NussbasisSoja-»Käse«
Käse, z. B. geräucherterGoudaGeräucherter Tofu oder Mozzarella
Käse, z.B. ParmesanGemahlene Mandeln + abgeriebene Zitronenschale + Salz + SesamsamenMisoVegane Alternativen (z. B. Streukäse von Vantastic Food)
Käse, Ricotta»Ricotta« aus gemahlenen Mandeln, Cashewkernen oder PinienkernenHalb veganer Rahmkäse + halb Tofu, vermengtZerkrümelter Tofu
Leberpaté, LeberwurstWalnuss-Linsen-Paté
MayonnaiseVegane Mayonnaise
MilchPflanzliche Milch, z. B. Mandel-, Cashew-, Haselnuss-, Hanf-, Nuss-, Hafer-, Reis-, Sojadrink
Milchprodukte, allgemeinKokosmilchNüsse und Samen und daraus hergestellte MilchPflanzenmilch verschiedener SortenSeidentofu
Öl zum BratenSautieren in Brühe, Essig oder Wein
PastaSpaghettikürbisZucchini- oder andere Gemüsespiralen
Rahm (Sahne)CashewrahmKokosmilch (auch zum Backen)Sojamilch
RinderfondDunkle Misobrühe
RinderhackBulgur, gewürzt (z. B. in Chiligerichten, Tacos)Linsen, gewürztTempeh, zerkrümelt
Salatdressing, cremigDressings auf Basis von Tahini
Salatdressing, ohne ÖlMilde Essige (Balsam-, Champagner-, Reis-,Verjus, ohne Öl verwendbar)
Sardellen(z. B. in Salatdressings)Kapern
SardellenpasteDunkle MisopasteUmeboshi-Paste
Sauerrahm (saure Sahne)Cashew-»Sauerrahm« (Cashewkerne + Zitronensaft + Miso + Muskatnuss + Meersalz + Wasser)Fettarmer Joghurt oder Tofu-»Sauerrahm« (Seidentofu + Zitronensaft +Salz +Umeboshi-Essig oder: Tofu +Apfelessig + Zitronensaft +Öl +Salz oder helles Miso +Zitronensaft +Tofu)Seidentofu +1 Spritzer Zitronensaft, püriertSojamilch +Öl, zu einer Emulsion verrührt
SchinkenGeräuchertes Paprikapulver (z. B. in Suppen)Räuchertofu (besonders mit Ahornsirup + Tamari-Sojasauce)
Kakaonibs (Kakaobohnensplitter)
SchweinefleischGemeiner Schwefelporling (Pilz)JackfruchtSeitan
SchweineschmalzSesamöl, Öl geröstet (dunkel)
SpeckDulse (Rotalge), sautiertFlüssigrauch (Liquid Smoke)Geräuchertes PaprikapulverPilz-»Bacon«PimentonProvolone, knusprig gebratenRäuchertofuRauchsalzSesamöl, geröstet (dunkel)Tempeh-»Bacon«Tofu, mariniert in Flüssigrauch, Ahornsirup, Nährhefe und Sojasauce
Suppen, Creme-Suppen mit Zugabe von pürierten Körnern (z. B. Hafer oder Reis)oder püriertem Gemüse (z. B. Blumenkohl)
ThunfischRäuchertofu
ThunfischsalatCashewkerne, gemahlen, mit gehacktem StangensellerieKichererbsen, gekocht, zerdrückt, mit gehacktemStangensellerie und NoriTofu, zerdrückt, mit gehacktem Stangensellerie, Zwiebeln, Kelppulver
TzatzikiVeganes Tzatziki aus Cashewkernen + Gurke + Knoblauch + Zitrone + Olivenöl + Gewürze
Wurst (z. B. auf Pizza)Zerkrümeltes Tempeh
ZwiebelsuppeZwiebelsuppe mit Miso anstelle von RinderfondZwiebelsuppe mit Melasse + Sherryessig anstelle von Rinderfond

ERLÄUTERUNGEN ZU DEN IN DEN LISTEN VERWENDETEN KATEGORIEN

 

Zutat

Nährstoffdichte: ● Sehr hoch ● Hoch ● Mittel ● Niedrig ● Sehr niedrig

Saison: Die beste Jahreszeit für diese Zutat (kann je nach Ort und Klima abweichen)

Geschmacksprofil: Kurzcharakterisierung des primären durch den Geschmackssinn erfassten Eindrucks einer Zutat (z. B. bitter, salzig, sauer, süß, umami), der primären Aromanoten sowie des haptischen Eindrucks (Textur)

Intensität: Die geschmackliche, aromatische und haptische Intensität einer Zutat (subtil, moderat, ausgeprägt)

Kurz erklärt: Eine knappe Erläuterung weniger gängiger Zutaten (und/oder die dazugehörige Nahrungsmittelgruppe, z. B. Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse)

Gesundheitliche Vorzüge: Wichtige Vitamine, Mineralstoffe, weitere Nährstoffe und/oder gesundheitsfördernde Eigenschaften

Glutenfrei: Hinweis auf Getreidearten ohne Gluten, eine Eiweißverbindung, die in Weizen und ähnlichen Getreidesorten enthalten ist

Nährstoffprofil: Angaben für die in jeweils 100 g der Zutat enthaltenen Kalorien in kcal sowie der Protein-, Fett- und Kohlenhydratgehalt in Gramm (g)

Techniken: Für die Zutat gängige Methoden der Zubereitung (mit üblicher Kochzeit und/oder das empfohlene Verhältnis von Zutat zu Kochflüssigkeit)

Tipps: Anregungen zur Zubereitung,Verwendung und/oder Anrichten der Zutat

Botanische Verwandtschaft: Zugehörigkeit zur selben Pflanzenfamilie – als mögliche Anregung für eigene Kombinationen

Austauschmöglichkeiten: Alternative Zutaten, die notfalls als Ersatz für die genannte Zutat verwendet werden können (und umgekehrt)

In normaler Schriftart aufgeführte Zutaten wurden von mindestens einem der hierfür befragten Experten als Kombination empfohlen.

Fett gedruckte Zutaten zeigen Kombinationen an, die von mehreren Experten empfohlen wurden.

FETT gedruckte GROSSBUCHSTABEN beziehen sich auf besonders häufig empfohlene Kombinationen.

*FETT gedruckte GROSSBUCHSTABEN mit einem Sternchen (*) markieren das Nonplusultra der Aromakombinationen, empfohlen von der höchsten Anzahl an Experten.

Kursiv gesetzte Einträge beziehen sich entweder auf bestimmte Gerichte oder auf spezielle Küchen, in denen diese besondere Zutat zur Verwendung kommt.

»Anführungszeichen« kennzeichnen fleischlose Varianten typischer Fleischgerichte

(z. B. Tempeh-»Bacon«) oder Gerichte, die in der Art eines anderen Gerichtes zubereitet sind (z.B. Dinkel-»Risotto«).

HINWEIS: Wer auf Butter, Rahm, Mayonnaise, Milch und Joghurt verzichten möchte (z. B. Veganer), kann diese einfach durch die bevorzugten ei- und milchfreien Versionen der jeweiligen Zutaten ersetzen.