Istanbul für Fortgeschrittene

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Istanbul für Fortgeschrittene
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Istanbul für Fortgeschrittene – eine Stadt in drei Tagen

Wolfenbüttel, im September 2013

© auf Text und Umschlagbild:

Kalika Häring, 2013

ISBN 978-3-8442-7544-5

veröffentlicht bei: epubli.de

Istanbul – schon wieder?

„Istanbul?

Schon wieder Istanbul? Warst du nicht schon ein paar Mal dort?

Was willst du denn da andauernd? Ist es nicht gerade ziemlich unruhig dort?

Und überhaupt: Wie kann man bloß immer wieder in so eine große Stadt fahren? Das ist doch fürchterlich. Allein der Autoverkehr. Und dann die vielen Türken. Und diese ewige Anbaggerei. Und alles nur Touristennepp. Also, ich verstehe dich nicht....“

Das waren die Bemerkungen meiner Kollegin, als ich meine Urlaubskarte abgeben wollte.

„Entspannen möchte ich! Drei Tage entspannen in Istanbul.“

Sie lächelt ein wenig schräg und ich bemerke, dass das Wort „entspannen“ offensichtlich nicht so richtig mit dieser Riesenstadt in Einklang gebracht werden kann.

Ich kann das verstehen, denn auf den ersten Blick ist Istanbul keine Stadt für einen Entspannungsurlaub.

Istanbul ist groß und es ist laut. Es ist vielleicht zur Zeit, im Sommer 2013, auch etwas unruhig dort. Und mehrfach dort gewesen bin ich auch schon.

Warum also wieder einmal Istanbul? Was soll ich darauf antworten?

Vielleicht dies:

Istanbul ist für mich zunächst einmal blau. Blau ist der Himmel und blau ist das Wasser. Und davon gibt es in der großen Stadt reichlich.

Wo man auch ist, von irgendeinem Punkt aus kann man immer auf das Wasser sehen, das blau in der Sonne blitzt.

Das ist der nächste Punkt: Die Sonne.

Fährt man zur rechten Zeit in diese Stadt, scheint die Sonne von einem blauen Himmel, und obwohl es warm ist, schwitzt man nicht so leicht wie in anderen südlich gelegenen Städten. Durch die Nähe zum Meer weht ein ständiger leichter Wind, der die Wärme erträglich macht.

Und dann ist Istanbul bunt.

Buntes Treiben erlebt man in der Altstadt, dem Ursprung der Stadt. In den Außenbezirken ist das Treiben weniger laut, eher betriebsam, aber immer noch bunt.

Die Märkte sind voller Farben. Die Händler auf den vielen Märkten haben eine ausgesprochene Freude daran, ihre Waren zu dekorieren. Die Pfirsiche sind prall und riesengroß, die Tomaten sind tiefrot, die Gewürze bewegen sich von gelb über grün zu orange und rot.

Die Fische sind blau und haben rote Kiemen. Das Gemüse ist gelb-grün gestreift oder rot oder lila. Immer ist es etwas größer, als wir das in Deutschland gewöhnt sind.

Die Radieschen sehen aus wie Rüben, die Pfirsiche muss man in zwei Hände nehmen, die Rauke (hier eher als Ruccola bekannt) wächst über sich selbst hinaus, die Paprika sind so lang wie ein Damenschuh, die Tomaten nehmen es mit den Pfirsichen auf und dazwischen sind immer wieder Früchte, die man hier noch nie gesehen hat.

Istanbul ist geschäftig.

Geschäftig, aber dennoch entspannt. Istanbul ist eine Stadt, die das Auge erfreut und die Nase ebenso. Auch wenn es Gegenden gibt, wo die Nase beleidigt wird durch die Gerüche von Gülle und Abortgerüchen. Auch das gehört zu Istanbul. Modern auf der einen Seite, rückständig an anderen Stellen.

Aber eines ist diese Stadt immer: Liebenswert!

Die Menschen sind geschäftig, aber nicht gestresst. Sie sind stets freundlich und hilfsbereit. Keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme wird verweigert.

Sobald man bereit ist, ein Lächeln zu schenken, bekommt man ein viel breiteres Lächeln zurück, das gerne noch begleitet wird durch irgendein kleines Geschenk. Sei es ein Schoko-Riegel oder ein Tempo-Taschentuch, das von einer völlig fremden Frau in der öffentlichen Toilette aus der Handtasche gekramt wird, damit man sich die Hände trocknen kann.

Ich mag diese Mischung aus geschäftstüchtigen, lieben, freundlichen Menschen, ich mag die orientalischen Gerüche, ich mag das gemüselastige Essen und ich mag das Blau.

Ich möchte noch ein Mal nach Istanbul reisen, und sei es auch nur für wenige Tage.

Istanbul ist teuer.

Es gibt keine Billigreisen nach dorthin. Keine zwei Wochen für 400 Euro all inclusive. Man kann schon froh sein, wenn Istanbul überhaupt von irgendeinem Reiseveranstalter zu einer vernünftigen Jahreszeit angeboten wird.

Die meisten Angebote, die günstig erscheinen, liegen im Winter, und da kann man diese Stadt getrost vergessen. Dann ist es dort so kalt wie hier, keine warmen Plätze, keine Cafe's zum Ausruhen, keine Restaurants, dafür Regen und Schnee und kalte Füße. Istanbul im Winter kann ich niemals empfehlen! Es ist einfach nur gruselig!

Wie erfreut war ich daher, als ich das Angebot der Firma Berge-und-Meer gefunden habe. Vier Tage Istanbul für 460 Euro Anfang September! Das ist beste Reisezeit!

Und vier Tage sind für fortgeschrittene Istanbul-Reisende eine ausreichende Zeit, um herumzukommen und alles zu sehen, was sie sehen möchten.

Was beinhaltet nun dieses Paket des Reiseveranstalters, der seine Reisen über die Firma ALDI vertreibt?

 Zug zum Flug

 Flug

 Hotel mit Frühstück in „guter Lage“ (wo ist die Lage gut?)

 Transfer vom Flughafen zum Hotel

 Reiseleitung vor Ort

 Rücktransfer zum Flughafen

 Rückflug

 Rückfahrt nach Hause

Wer schon einmal auf eigene Faust nach Istanbul gereist ist, der weiß diese Angebote zu schätzen.

Der Zug zum Flug ist eine schöne Geschichte, wenn die Bahn mitspielt. Das tut sie in unserem Fall.

Von Wolfenbüttel aus gelangt man recht bequem zum Abflughafen nach Hannover. Von den üblichen Verspätungen der Bahn soll jetzt einmal keine Rede sein, auch wenn sie recht ärgerlich sind und nicht immer zur Zufriedenheit der Kunden abgewickelt werden.

Dass der Flieger mit einer Stunde Verspätung startet, ist hinzunehmen. Die Nacht ist sowieso weg.

Der Transfer vom Flughafen zum Hotel klappt, wie immer bei Berge-und-Meer, ganz hervorragend.

Müsste man das alles selber organisieren, hätte man gut zu tun und müsste auch nicht wenig dafür bezahlen.

Das Hotel liegt in der Altstadt. Auch das ist gut, denn von dort aus hat man alle Möglichkeiten, die Stadt zu erkunden.

Am Ende der Reise wird man pünktlich!! und zwar wirklich pünktlich abgeholt und genau dorthin gebracht, wo man zum Abflug erwartet wird. Auch das ist angenehm und bequem.

Die Hotels sind ausgesucht und haben eine ordentliche Infrastruktur. Soll heißen, man kann sich auch einmal auf die Straße wagen und darumherum gibt es Restaurants, in denen man nicht unnötig über den Tisch gezogen wird.

So weit zum Angebot von Berge-und-Meer.

Einen Reiseleiter hätten wir auch noch haben können, der uns die üblichen Sehenswürdigkeiten wie Hippodrom, blaue Moschee, Hagia Sophia und vielleicht noch den Großen Basar zeigt. Wahrscheinlich hätten wir auch noch die Möglichkeit gehabt, einen Teppich zu kaufen oder uns eine Lederwaren- beziehungsweise Schmuckfabrik anzusehen.

Da wir uns aber in Sachen Istanbul bereits als Fortgeschrittene fühlen, verzichten wir auf all diese freundlich gemeinten Angebote und entdecken die Stadt, wieder einmal, für uns alleine.

Der Reiseplan sieht folgenden Ablauf vor:

Abends gegen 23.00 Uhr bringt uns ein Zug von Wolfenbüttel nach Hannover. Mit mehrfachem Umsteigen und einigen Streitigkeiten über Verspätungen, die keiner wahrhaben will, kommen wir rechtzeitig am Flughafen an und haben noch Zeit, in der Abflughalle unser Wasser zu trinken und einen kleinen, mitgebrachten Snack zu vertilgen.

Das Einchecken klappt problemlos, außer dass eine unfreundliche Frau der Bundespolizei meinte, wir hätten versucht, eine Flasche Wasser von Aldi für 25 Cent einzuschmuggeln.

Sie macht ein ziemliches Getöse um dieses Problem, aber egal. Was kümmert uns das.

Soll sie zetern und schimpfen, wir sind bereits in der Abflughalle und warten mit vielen türkischen Familien gemeinsam darauf, dass der Flieger, der gegen 02.00 Uhr starten soll, fertig wird zum Abflug.

Etwas länger dauert es dann schon, aber um 03.00 Uhr, mit einer Stunde Verspätung, heben wir endlich glücklich ab.

Wir fliegen mit Sun Express und der Zielflughafen ist Sabiha Gögcen, der Flughafen auf der asiatischen Seite Istanbuls, der überwiegend von türkischen Reisenden genutzt wird, um gleich weiter in das Inland zu fahren.

Der Vorteil dieser Route ist der geringere Preis, der Nachteil der geringere Komfort.

Die Flieger von Sun Express sind bekanntermaßen klein, eng bestuhlt, es gibt kein deutschsprechendes Personal und das Englisch des Käptens lässt sehr zu wünschen übrig.

Beim Betreten des Fliegers wird uns ein kleiner, orangefarbener Beutel in die Hand gedrückt. Eine Spucktüte vielleicht?

Erst später haben wir Gelegenheit festzustellen, dass die Tüte unser Essen enthält, nämlich ein verwelktes Brötchen mit etwas Käse darauf.

Während des Fluges erzählt der Kapitän, der übrigens sehr viel zu erzählen hat und nur sehr schwer verständlich ist, dass er uns das neue Preiskonzept der Airline vorstellen möchte, wonach wir zu dem gereichten vertrockneten Brötchen auf eigene Kosten noch einen Kaffee oder auch ein Wasser bestellen können und das für den sensationellen Preis von nur einem Euro.

Wir verzichten sowohl auf den gut gemeinten Service als auch auf das welke Brötchen und versuchen zu schlafen. Immerhin steht morgen einiges auf dem Programm und durch den Nachtflug fehlt es dann auch etwas an Schlaf.

 

Allein das interessiert die laute Stimme nicht. Immer wieder kommen irgendwelche völlig unverständlichen Durchsagen, die uns vom Schlafen abhalten. Dazu kommt die unerträgliche Enge in diesen Fliegern, in den denen so viele Menschen als nur möglich befördert werden sollen, weshalb die Sitze extrem eng gestellt sind und die Beine recht schnell einschlafen.

Wir fliegen Billigklasse, und das lässt man uns auch spüren.

Bis auf zwei Plätze ist der Flieger voll. Voll mit Menschen, die viel zu reden haben und viel in ihren Sachen kramen müssen.

Unruhig ist es und etwas anstrengend auch.

Trotzdem gelingt es uns irgendwann, ein ganz klein wenig einzunicken, bis wir endlich von der Ansage geweckt werden, dass wir gegen 7.00 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Sabiha landen werden.

Sabiha ist ein überschaubarer Flughafen. Die Passkontrollen verlaufen reibungslos und unsere Koffer sind auch bald da.

Am Ausgang erwartet uns ein netter Herr, der sich als Bulut vorstellt und uns in einem Sprinter zusammen mit weiteren vier Mitreisenden zu unserem Hotel bringen wird.

„Die Hotels sind alle in der Altstadt. Zuerst steigt die Familie Sowieso aus und dann das Ehepaar ….... Heute müssen Sie sich noch selbst versorgen. Der Reiseleiter wird erst morgen um 08.30 Uhr erscheinen. Einen schönen Aufenthalt noch. Dort drüben sehen Sie schon die Sultanahmet Moschee und hier werde ich jetzt aussteigen.“

Schönen Tag noch, Bulut.

Wären wir das erste Mal in Istanbul, würden wir jetzt schimpfen. Angekündigt war von der Firma Berge-und-Meer, dass man uns nach dem Frühstück einen ersten Eindruck von der Stadt vermitteln wollte.

Statt dessen heißt es jetzt: „Die Zimmer sind vielleicht noch nicht fertig, aber Sie können im Hotel an der Rezeption einen Kaffee trinken und morgen kommt dann auch Ihr Reiseleiter.“

Uns ist das egal, wir haben unser eigenes Programm. Aber was ist mit den Leuten, die das erste Mal in diese große Stadt fliegen? Trauen die sich, das Hotel zu verlassen und „auf eigene Faust“ einen Ausflug zu machen?

Einen Stadtplan hat man nicht im Hotel und der Portier spricht so gut wie keine Sprache.

Egal, wir liefern unsere Koffer ab und erklären (auf Englisch und mit den Händen), dass wir später wiederkommen werden. Eine Karte des Hotels wäre nett, damit wir wenigstens eine Adresse haben.

Ahh, da, welch Glückes Geschick: Wir können schon mal hochgehen. Die Reinigungskraft hat soeben verkündet, dass sie mit dem Zimmer fertig ist.

Na gut, fahren wir in den fünften Stock.

Das Zimmer ist, nun ja, noch nicht so ganz fertig. Ein wenig staubsaugen muss die Kraft schon noch, aber das kann sie auch, während wir unser Gepäck abladen.

Ein Blick aus dem Fenster zeigt uns: Das mit der Altstadt ist wörtlich gemeint. Viele alte Häuser stehen dicht an dicht, nicht alle sind ansehnlich, die Straßen haben hier noch einige Defekte und die Bürgersteige sind Hindernisstrecken.

Aber hinter den vielen Dächern entdecken wir das Meer. Ein Zimmer mit Meerblick!! Wer kann das schon von sich behaupten, dass er in der großen Metropole unterkommt und dann noch einen Blick auf das Meer sein eigen nennen darf.

Die abbruchreifen Häuser dazwischen sollen jetzt einmal nicht erwähnt werden, auch nicht die grölenden Gestalten, die sich fünf Stockwerke tiefer in den Straßen tummeln.

Dass das Zimmer völlig überheizt ist und eine Temperatur von gefühlt vierzig Grad aufweist, ist ein wenig störend. Aber nun gut, man wird sehen. Wir fummeln ein bisschen an der Klimaanlage herum, die sich dadurch allerdings in keiner Weise beeindruckt zeigt.

Wir schnappen uns unsere Ausrüstung, die in einem kleinen Heft besteht, in welchem sich unser eigener Reiseplan, zu Hause zusammengestellt, befindet.

An der Rezeption sagen wir noch kurz Bescheid, dass die Klimaanlage offensichtlich nicht funktioniert und die nette Dame, die inzwischen dort Platz genommen hat, lächelt freundlich. Man wird den Installateur informieren. Gut, vielleicht klappt das ja.

Noch eine Frage: „Wie kommen wir denn am besten zum Anleger Yenikape? Also, zum Fischereihafen? Kennedy Tschadäsche? So spricht man ja wohl das Wort „Caddesi“ aus. Als Fortgeschrittene bilden wir uns natürlich auf unseren türkischen Wortschatz etwas ein, was leider nicht dazu führt, dass wir auch verstanden werden.

Außer einem freundlichen Lächeln hat unsere Dame nichts zu bieten. Von einem Anleger weiß sie nichts, Fischmarkt hat sie noch nie gehört. Kennedy? Schulterzucken.

„Zum Meer? Wasser? Water? Next way to the Water? Marmara See?“

„Ahh, Marmara See. Yes, very nice, Marmara See.“

Immerhin weist sie mit ihrer Hand aus der Hoteltür hinaus und dann vage nach links. Klar, zur Tür hinaus. Da hätten wir drauf kommen sollen. Aber nun, wir sind schließlich nicht zum ersten Mal hier und das Meer haben wir aus dem Fenster oben gesehen. Es ist nicht weit weg und wird sich finden lassen.

Und man weiß ja aus alter Erfahrung: In Istanbul ist Meer immer unten und Straßenbahn immer oben.

Wir wenden uns vom Hoteleingang aus links und dann der Nase nach. Ein paar Mal stehen wir am Ende einer Gasse, die einfach an einem alten Haus endet.

Noch einmal zurück und in die nächste Gasse hinein.

Zum Glück haben wir keine Angst, auch wenn man die als völlig Fremder in dieser Stadt schon bekommen könnte.

Die Gassen in der Altstadt sehen teilweise sehr abenteuerlich aus. Die Straßenpflasterung besteht zu einem großen Anteil aus Löchern und die Fußwege sind immer nur ein kurzes Stück wuchtig aus Zement gegossen, um dann plötzlich abzubrechen und mindestens fünfzehn Zentimeter tiefer woanders weiterzugehen.

Man muss aufpassen und möglichst die Augen auf die Füße richten. Zumindest in diesem Teil der Altstadt. In anderen Bereichen sind die Straßen bereits erneuert worden, aber bis hierher hat die rege Bautätigkeit Istanbuls noch nicht gereicht.

Wir stellen uns gerade vor, was wohl so ein armer Erstbesucher dieser Stadt jetzt denken würde, wenn er allein gelassen und ohne Reiseleiter durch die Straßen und Gassen irren würde. Selbst ein Stadtplan würde nicht helfen, denn Straßennamen haben diese Gässchen hier alle nicht. Oder zumindest haben sie keine Schilder, auf denen die Namen draufstehen.

Zum Glück wissen wir, dass man in Istanbul keine Angst haben muss, egal wie unheimlich teilweise die verwirrende Ansammlung von Sträßchen anmutet.

Wir traben in bester Zuversicht einfach drauflos – immer Richtung abwärts und irgendwie mit der Nase in Richtung Meer.

Und es klappt: Nach vielleicht dreißig Minuten sehen wir die breite Straße vor uns, die die Altstadt vom Marmara Meer trennt und sich Kennedy Caddesi nennt.

Es führen einige Fußgängerbrücken über die Straße und wir nutzen von oben die Gelegenheit, uns einen Eindruck von unserem weiteren Weg zu machen.

Von uns aus rechts gesehen erkennt man den Fähranleger Yenikape. Davor liegen die großen Schiffe, die im Marmarameer ankern.

Links sieht man die Promenade, die am Meer entlang führt und die wir in der schönen Morgensonne entlanggehen möchten, um später durch die alte Stadtmauer, die die Straße begleitet, in Höhe der Sultanahmet Moschee die Stadt wieder zu betreten.

Auf der anderen Straßenseite angekommen, müssen wir erst einmal den kleinen Fischmarkt unten am Anleger besichtigen.

Die Fische sind gerade erst angeliefert worden und die Händler sind noch dabei, sie aufzubauen.

Aufbauen heißt: Die Fische werden schön drapiert, mal in Fächerform, mal im Halbkreis, mal im Vollkreis, mal unter- und mal nebeneinander.

Die roten Kiemen werden aus den blauen Tieren herausgezogen, was einen sehr farbenfrohen Eindruck und auch einen von Frische vermittelt. Ständig werden die Tiere mit Wasser begossen, damit sie nicht austrocknen und immer schön frisch glänzen.

Auf dem Boden wurde gerade ein fetter Schwertfisch abgeladen, der uns mit seinem roten Innenmaul und seinem langen Schnabel mit noch hellwachen Augen anlacht. Neben ihm hat es sich ein dicker Tunfisch gemütlich gemacht, der wahrscheinlich noch gar nicht ahnt, dass er alsbald in Scheiben zerteilt werden wird.


Den Fischmarkt am frühen Morgen, es ist gerade kurz nach acht Uhr, zu erleben, macht Spaß. Die Luft ist noch frisch, die Sonne steht schon am Himmel, der Himmel ist blau und das Meer sowieso.

Um diese Zeit sind die Händler noch sehr beschäftigt und haben keine Zeit, sich mit einzelnen Touristen zu beschäftigen, so dass wir ganz in Ruhe und ohne das übliche „Madam, schauen Sie...“ die Auslagen bewundern können.

Die ersten Grill werden bereits befeuert und Garnelen auf Spieße gesteckt. Der Gemüsemann, der seinen Stand mitten zwischen den Fischen hat, baut mit viel Zuneigung seine Zwiebeln und Zitronen auf, schneidet hier eine Zitrone an und drapiert die beiden Hälften oben auf den ganzen Früchten und richtet seine Zwiebeln ordentlich aus, indem er immer die weiße Knolle in die eine und das grüne Ende in die andere Richtung legt. Und das grüne Ende verläuft nicht etwa in einer bräunlichen, verdorrten Spitze, wie wir das von zu Hause kennen, sondern ist exakt immer auf gleiche Länge abgeschnitten.

Sehr schön macht ihr das hier, Jungs. Und wir dürfen gucken, einfach mal so, und müssen nichts dafür bezahlen.

Wir gehen am Fischmarkt vorbei durch den kleinen Park, der die Promenade am Meer begleitet und lassen unseren Blick hinüberschweifen zu den Hügeln auf der östlichen Seite Istanbuls.

Schön! Einfach schön. Und blau ist es hier. So blau das Meer, so blau auch der Himmel und von oben scheint die Sonne, die die Blätter der Bäume im Park glänzen lässt.

Hier möchten wir einfach kurz einmal innehalten und uns hinsetzen, einen Tee trinken und das Szenario genießen.

An der Promenade sind immer Menschen, die Tee anbieten und Stühle gibt es auch. Nur ein kleines Problem haben wir: Einen Geldautomaten haben wir auf unserem Weg durch die Gassen der Altstadt noch nicht gefunden, so dass wir jetzt versuchen müssen, den mobilen Teeverkäufer mit Euromünzen zufrieden zu stellen.

Wir nehmen doch an, dass der sich freut, wenn er eine solch harte Währung in die Hand gedrückt bekommt.

Aber weit gefehlt: Mit Euromünzen kennt er sich nicht aus. Und das ist schlecht. Das Problem ist nämlich, dass die heutige türkische Ein-Lira-Münze so aussieht wie unser zwei-Euro-Stück.

Und da wahrscheinlich der Teeverkäufer unser Zwei-Euro-Stück für eine einzige türkische Lira hält, will er uns den Tee für so wenig Geld nicht verkaufen. Ein bisschen mehr dürfte es schon sein, liebe Leute. Vier! Vier Lira bitteschön. Das ist für einen Tee in Istanbul ein unverschämter Preis, aber wenn man den auch noch in Euro abdrücken soll, dann ist man doch ein bisschen ungehalten.

Das bedeutet, wir müssen ihm vier Zwei-Euro-Münzen liefern, was acht Euro sind, wofür man sich in dieser Stadt normalerweise in Tee ertränken könnte.

Und bitteschön: Wir sitzen nicht etwa in einem feinen Cafe', sondern auf Plastikstühlen in einem kleinen Park und der Tee kommt aus einem Plastikkanister.

Sollen wir das Geld wirklich ausgeben? Nur, um Tee zu trinken und die schöne Aussicht zu genießen?

Egal, was soll's. Es i s t schön hier und wir w o l l e n hier sitzen. Wir investieren jetzt und der nächste Weg wird uns ohne weitere Verzögerung zu einem Geldautomaten führen.

Beschlossen und verkündet: Der alte Herr bekommt seine vier Münzen, die er wahrscheinlich nicht einmal wird eintauschen können, wir bekommen unseren Tee, übrigens in recht großen Tassen, was uns wieder versöhnt, und wir genießen unseren ersten Ausgang.

Eine hübsche weiße Katze schaut vorbei, schmusig, wie sie fast alle sind hier in der Stadt und bereit, gleich einmal unseren Beutel zu untersuchen, ob sich da nicht etwas Fressbares findet. Leider haben wir das müde Brötchen aus dem Flieger bereits weggeworfen, sonst hätten wir es hier vielleicht noch einmal sinnvoll verwerten können.

Aber auch ohne Fressen freut die Katze sich und dreht sich laut schnurrend um unsere Beine. Aber schließlich muss sie pinkeln und anschließend verscharrt sie ihr Geschäft, das sie freundlicherweise in einiger Entfernung von uns verrichtet, ganz sorgfältig und kratzt und kratzt die herumliegenden Blätter zusammen, bis alles wieder seine Ordnung hat.

Danach hat die Katze an uns kein Interesse mehr, denn auf den Steinen vor der Promenade haben zwei ältere Herren gerade einen Fisch gefangen und den gilt es jetzt zu begutachten.

 

Wir packen bei Tee und Zigarette jetzt erstmalig unseren Reiseplan aus und überlegen, wie es weitergehen soll.


Für heute ist vorgesehen, den Stadtteil Besiktas, oder wie der Türke sagt: Beschiktasch, zu besuchen.

Dort ist nämlich am Sonnabend, und den haben wir, Markt in der Nuzhetiye Caddesi. Dort soll es Obst, Gemüse und Bekleidung zu kaufen geben. Und Märkte mögen wir, wie wir auch Besiktas mögen, diesen Stadtteil gleich neben dem Dolmabahce Palast, den aus irgendeinem Grunde die Touristen nicht erreichen.

Um dorthin zu gelangen, brauchen wir jetzt dringend zwei Dinge: Geld und einen Stadtplan!

Nachdem wir den Tee getrunken und das herrliche Panorama, dass sich uns an der Promenade entlang der Kennedy Caddesi bietet, ausreichend bewundert und genossen haben, machen wir uns auf, einen Geldautomaten zu suchen.

Geht man die Promenade ein Stück entlang, sieht man irgendwann die Minarette der so genannten Blauen Moschee, die in Wahrheit Sultanahmet Camii heißt. Camii ist das türkische Wort für Moschee und das sollte man kennen, denn Moscheen bestimmen das Leben in der Stadt.

Sie sind nicht nur ein Ort, sich zum Gebet einzufinden. Eine Moschee hat immer auch einen Garten, einen Basar und das Wichtigste: Toiletten!

Es mag merkwürdig anmuten, dass man über Toiletten spricht. Aber wer schon einmal in Istanbul war und erfahren hat, dass Restaurants oder Cafe's nicht auch unbedingt über Toiletten verfügen müssen, der wird es zu schätzen wissen, wenn man nach einigen Gläsern Tee auch weiß, wo man diesen wieder abladen kann.

Und dafür muss man das Wort Camii kennen. Denn dort findet man immer saubere Toiletten. Nicht ganz europäisch zwar, sondern meist als Hocktoilette, aber daran gewöhnt man sich. Eine Lira bezahlt man in aller Regel, dafür gibt es Wasser zum Nachspülen und zum Waschen und Rosenwasser für die Hände.

Und noch für einen anderen Zweck sind Moscheen gut: Istanbul ist nun einmal eine große Stadt. Und sie ist betriebsam. Es gibt viele Menschen und noch viel mehr Autos. Manchmal ist es ein bisschen zu laut und man sehnt sich nach etwas Ruhe.

Dann geht man am besten in einen Moscheengarten. Dort ist es immer ruhig und beschaulich. Manchmal gibt es dort freundliche Frauen, die selbstgemachtes Essen verkaufen, es gibt Tee (aber niemals Alkohol), es gibt ein paar Händler, es gibt Sitzmöglichkeiten und eben auch Toiletten.

Moscheen sind in einer solchen Stadt eine ganz unverzichtbare Einrichtung und machen die Betriebsamkeit gut erträglich. Und im Gegensatz zu christlichen Kirchen wird hier nicht erwartet, dass man flüsternd die Erhabenheit der Gebäude bewundert.

Hier ist der Ort, an dem die Familien zusammenkommen und an dem man völlig entspannt sitzen kann, Tee trinken und Menschen beobachten kann. Niemals sind wir an einem solchen Ort angesprochen worden, doch bitteschön dieses oder jenes Überflüssige zu kaufen.

Wenn man dann noch das Glück hat, den Muezzin zu hören, dann weiß man, was wahre Entspannung ist.

Wir orientieren uns also an den Minaretten der Sultanahmet Camii und gelangen durch einen kleinen Durchgang in der alten Stadtmauer zurück in das quirlige Istanbuler Leben.

Man ist inzwischen wach und unterwegs. Autos versperren die Straßen, Lastenträger schieben ihre Gefährte zwischen den hupenden Autos hindurch, Touristen und Bewohner sind auf den Straßen, wir suchen uns zwischen den Autos einen Weg und schließlich stehen wir unvermittelt vor dem so genannten Arasta Basar.


Bei der Vorbereitung auf die Reise haben wir einen Hinweis auf diesen Basar im Internet gefunden.

Er liegt an der Rückseite der Sultanahmet Moschee und soll gutes türkisches Handwerk zu bezahlbaren Preisen anbieten.

Der Basar ist hübsch, ohne Zweifel. Teilüberdacht mit Holzdächern, das Angebot bezieht sich auf wirklich schönen Schmuck, Teppiche, bestickte Kissen, Taschen, Schüsseln und Vieles mehr. Das Angebot ist ansprechend, das kann man nicht anders sagen.

Allerdings haben wir unser Problem Nummer eins noch nicht gelöst und noch immer keinen Geldautomaten gefunden.

Der Arasta-Basar muss leider warten. Zuerst muss jetzt Bargeld her.

Gleich nach seinem Durchqueren entdecken wir endlich den ersten Automaten.

Vor uns stehen zwei junge Frauen und versuchen gemeinsam, an Geld zu kommen. Scheinbar hat es nicht geklappt, denn sie gehen unverrichteter Dinge weiter.

Keine Ahnung, die jungen Dinger. Wissen wahrscheinlich nicht, wie man so ein Gerät bedient. Zum Glück ist Istanbul so sehr auf Touristen eingestellt, dass jeder Geldautomat in der Lage ist, in verschiedenen Sprachen zu kommunizieren.

Wir wählen die Sprache „Deutsch“ und legen los.

Alles geht gut – bis zu dem Punkt „Auszahlung“.

Leider ist kein Geld vorhanden. Pech gehabt. Wir verlassen den Automaten genauso unverrichteter Dinge wie die beiden jungen Frauen vor uns.

Und jetzt kommt die Erfahrung ins Spiel: Gegenüber der Sultanahmet Moschee, dort stehen Automaten. Und zwar mehrere. Auch welche von der Akbank, was so etwas ähnliches ist wie die türkische Ausgabe der Deutschen Bank.

Zielstrebig begeben wir uns jetzt nach dort und alles klappt wie vorgesehen: Die Automaten sind da, sie sind ausreichend mit Geld versehen, sie spucken das Geld in kleinen Scheinen aus, eine öffentliche Toilette ist gleich daneben und kostet eine Lira, gegenüber ist der Stand mit Postkarten und Stadtplänen und Wasserflaschen. Wir versorgen uns und jetzt kann es endlich richtig losgehen! Auf zu unserem ersten Ziel: Besiktas.

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