Ein Mann liest Zeitung

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Was für den Kaffeehausemigranten auch wieder eine nagelneue Erkenntnis ist anstatt einer Allerweltsweisheit. Er hatte bisher immer nur gelesen, der Duce, in seiner großen Kulturbeflissenheit, habe den Krieg gegen Abessinien nur geführt, weil Italien erstens von Abessinien bedroht werde und weil – das ist die Hauptsache – dem schändlichen Sklavenhandel in diesem Negerkaiserreich ein Ende gemacht werden musste.

In der Tat gab es in Abessinien einen blühenden Sklavenhandel. Das »schwarze Elfenbein«-Export-Geschäft hat so seine Traditionen. Äthiopien war ein Hauptlieferant für den Sklavenmarkt von Mekka, der immer noch der bedeutendste Sklavenmarkt der Welt ist. Freilich hätten die Äthiopier das Sklavenexportgeschäft nach Arabien gar nicht betreiben können, wenn es nicht mit Duldung der italienischen Behörden über das italienische Eritrea oder Somalia gegangen wäre. Denn irgendwie musste ja die schwarze Elfenbeinware an das Rote Meer kommen, von dessen Küste die Äthiopier längst abgeschnitten waren.

Es ist jetzt über hundert Jahre her, dass der britische Admiral Wilberforce im Londoner Parlament ein Gesetz einbrachte, das den Sklavenhandel in allen britischen Ländern verbot. Das Denkmal dieses Sklavenbefreiers steht in Hull. (Viele sehen es und wissen nicht, dass da etwas ist, was sie anginge.) Die Verhandlungen mit den am internationalen Sklavenhandel beteiligten Kolonialstaaten haben sich dann durch etliche Jahrzehnte hingezogen. Bis die Unterschriften gegeben wurden, die den Sklavenhandel allgemein untersagten. Seitdem berichten alle Oberlehrer in den Schulen, dass Sklaverei und Sklavenhandel eine böse Sache des grauen Altertums gewesen wäre und heutzutage gäbe es das nicht mehr.

Man soll den Oberlehrern nicht bösen Willen vorwerfen. Allein, was weiß ein Oberlehrer? Weiß er, dass es heute, sagen wir mal anno 1937, noch fünf Millionen Sklaven auf der Welt gibt? Richtige, schwarze Elfenbeinsklaven, die Eigentum ihres Besitzers sind, genau wie ein Auto oder ein Regenschirm? Damit hier nicht etwa Begriffe verwechselt werden. Effektive Sklaven. Ware, die ihren genauen Preis hat. Mit Sklavenbörse, wo die Preise notiert werden. Mit Angebot und Nachfrage. Mit Hausse und Baisse. Ohne dass man gehört hatte, dass Mussolini da etwas zu ändern das dringende Bedürfnis hatte. Nun wollen wir den Oberlehrern einmal etwas erzählen.

Die Rhapsodie von 1937 in Schwarz und Weiß

I.

Ladies und Gentlemen!

Hier ist Cook.

Thomas Cook and Sons.

Der größte Cook unterm Himmelszelt.

Der Cook der Cooks der ganzen Welt.

Ein Jedermann, der Geld hat

Bei Cook die ganze Welt hat

Und jederzeit sein Zelt hat.

Wir zeigen Ihnen die Oberwelt, Unterwelt, die ganze Welt, die Halbwelt.

Cook and Sons, der Welt größtes Reisebüro.

Macht Weekend-Ausflug nach Arabien.

Das echte Arabien. Wo die waschechten Araber sind.

Ladies and Gentlemen!

Hier hat der Hedschas gegen den Yemen gekriegt.

Hier hat ein Khalif seinen Bruder besiegt.

Potz Bomben und Granaten!

Hier sehen Sie im Wüstensand

Noch allerhand

Toter Soldaten.

Und wär der Soldat nicht so mausetot

Dann hätte die ganze Waffenindustrie

Und die schöne Gift- und Gas-Chemie

Ja nich ihr täglich Brot.

Dann wäre die gute Zeit zu Ende,

Dann gäbe es keine Dividende,

Dann gäbs keine hohen Preise,

Und mit Cook and Sons keine Reise.

Ladies and Gentlemen: Sie sehen hier das große arabische Tor.

Dahinter stellt sich gleich Mekka vor.

Mekka ist die heilige Stadt

Wo Mohammed sanft geschlafen hat

Auf einem schwarzen Marmelstein

Und die große Moschee rahmt den Stein jetzt ein

Und Allah ist groß und Mohammed sein Prophet

Und jeder ders glaubt mal nach Mekka geht.

Ladies und Gentlemen: Sehen Sie die große Moschee sich an,

Und die Gasse-Suk el Abid – gleich nebenan.

Da ist der Markt, da ist der Bazar,

Da kauft man alles und kauft in bar.

»Rosenöl aus Schiras.« »Rote Henna.« »Sandelholz aus Heiderabad.« »Oliven aus Trapezunt.« »Datteln«! »Datteln! Die braunen Töchter der Wüste.« »Echte Haare vom Barte des Propheten.« »Feigen aus Smyrna.« »Teppiche aus Samarkand.« »Afghanische Teppiche.« »Hallo, Sir. Eine Perlenkette für Ihre Lady. Echte arabische Perlen. Nix Japanperlen. Echte Perlen aus Gablonz.«

Ladies und Gentlemen von Cook and Sons:

Wir zeigen Ihnen jetzt eine Attraktion.

Eine echte, rechte Sklavenauktion.

Hier stellt sich Ihnen der Dallal vor:

Das ist der Sklavenauktionator.

Der Dallal: »Ihr Gläubigen von Mekka, ihr braunen und schwarzen guten Söhne der heiligen Stadt, ihr Nachbarn Gottes, und auch ihr, weiße Christenhunde, never mind, wenn ihr Geld habt. Der Dallal ist da. Der Dallal hat frische Ware mitgebracht. Gute Ware, ganz neue Ware. Frische Transporte. Schwarze Ware. Starke Ware. Männer vom Kongo. Frauen aus Liberia. Restbestände aus Äthiopien, wo Mussolini Khan jetzt alle Sklaven selbst gebraucht. Und darum werden die Preise für Sklaven in Mekka bald steigen. Heute letzte, billige Auktion. Großer Ausverkauf, mit Genehmigung des obersten Kadi der Wahhabiten und des erhabenen Khalifen Abd al-Aziz ibn Saud höchstselbst.

Hier ist aus dem belgischen Kongo ein Neger.

Ein starker Kerl, ein kräftiger Träger.

Sehen Sie sich nur die Muskeln an,

Und das Maul voller Zähne hat der Mann.

Trägt Koffer und Kasten

Und jegliche Lasten.

Zum ersten. Zum zweiten. Und niemand mehr?

An den großen Scheich. Zu Allahs Ehr.

Da wäre ein kräftiges Zulumädchen.

Mit Brüsten wie Türmen und prallen Wädchen.

Zum Fegen, zum Scheuern, zum Kochen, zum Waschen,

und auch sonst zum Vernaschen.

Zum Ersten, zum Zweiten, und niemand mehr?

An den löblichen Bey. Zu Allahs Ehr.

Hier die prächtigen Sudanmänner.

Etwas für Kenner.

Starke Ware, beste Ware.

Garantie für dreißig Jahre.

Alter Khan, für dein Haremsleben

Möchte das ’nen Eunuchen geben.

Alle Wetter. Alle Wetter!

Und dann wird er immer fetter.

Zum ersten, zum zweiten. Und niemand mehr?

An den edlen Khan. Zu Allahs Ehr.

Somalis. Die geb ich paarweis weg.

Eignen sich zu jedem Zweck.

Das ist dauerbare – das ist beste Ware.

Lässt sich treiben, lässt sich jagen,

Täglich zwanzig Stunden plagen.

Kann bei jedem Wetter laufen.

Lässt sich übers Meer verkaufen.

Nimmt den schwersten Kaffeesack,

Und den größten Baumwollpack

Und schmeißt den ganzen Weltertrag

Ins Feuer und ins Meer.

Zu unserer Wirtschaft und Allahs Ehr.

Zum Ersten, zum Zweiten und niemand mehr? – Schwarze Mädchen – Schwarze Kerle – jeder eine schwarze Perle! Zum ersten, zum zweiten und keiner mehr?« »Räucherkraut.« »Gebetteppiche aus Taschkent.« »Feigen. Feigen …«

Ladies und Gentleman von Cook and Sons: Ehe wir Mekka verlassen, werfen wir noch einen Blick in das Heiligtum der Heiligtümer. Mohammeds große Moschee, wo die Kaaba ist und der erste Koran.

Und wo die Hunde bellen

Und Horden verlotterter Menschen umkläffen.

Verkommener Menschen.

Verdorrt, erblindet, vergrindet.

Mit hungerkralligen Händen

Und wankenden Beinen.

Menschen, die nicht schwarz sind

Und nicht weiß sind,

Die aschfahl sind, wie ihre Kleiderlumpen.

»Wir sind die freien Leute,

Die freiesten Leute der Welt.

Wir haben nicht Gut und nicht Beute.

Wir haben kein Geld und kein Zelt.

Wir sind das ganze Leben lang

Um Fußtrittlohn und Prügeldank

Sklaven gewesen!

Jetzt sind wir freie Leute

Und nur des Hungers Beute.

Sie haben den Leib uns zu Schaden geplagt.

Sie haben die Seele uns ausgejagt.

Sie haben uns die Knochen zerknackt,

Ganz ausgepresst und abgewrackt,

Ausgewalzt und ausgelaugt,

Bis so ein Sklave zu nichts mehr taugt.

Und dann – und dann – haben sie uns die Freiheit geschenkt.

Jetzt sind wir nur ein letzter Dreck.

Jetzt schmeißt man uns als Abfall weg.

Müssen wir betteln,

Greise und Vetteln.

In der großen Moschee mit der Hundemeute

Das ist die Moral hier, der großen Leute.

Das nennen sie: Den Sklaven die Freiheit schenken. – Ladies and Gentlemen von Cook and Sons! Kommen Sie. Das Dinner wartet auf Sie.

II.

»Aber da muss man doch etwas tun!« Muss man? Was wollen Sie tun? »Man müsste da doch einen Verein gründen …« Richtig. Man müsste einen Verein gründen. Etwa: Liga für Sklavenrechte. Einen besonderen Verein gegen Sklaverei. Ober, bitte einen Verein gegen Sklaverei. Ist schon da. London S.W.l. Vauxhall Bridge Road. Mit President und Vicepresident. Mit Vorsitzendem und Vizevorsitzendem. Mit Schriftführer und Vizeschriftführer. Mit Kassierer und Vizekassierer. Mit Parlamentssekretär, Ehrensekretär und Hilfssekretär. Mit Beisitzer, Vizebeisitzer und Syndicus. Und ein Mitglied ist auch da.

Das Mitglied bezahlt den Beitrag. Dafür kauft der Verein Briefbogen und Briefumschläge.

Darauf schreibt man Protestnoten und die schickt man an den Völkerbund, an die Kolonialmächte, an die Regierungen der Negerstaaten. Und dann? Dann kommen Antwortnoten. Und dann …?

 

Papier, Papier, Papier, Papier

Verschreiben wir, verschicken wir.

Und was kommt zurück?

Zu unserm Glück:

Papier, Papier, Papier, Papier

Erhalten wir, behalten wir.

Für jeden Ausgang ein Brief retour

Und alles geht wie an der Schnur,

Und wo ein Vorgang gewesen

Ist schwarz auf weiß zu lesen, wie jene Sache gewesen.

Und da schreibt ein sehr ehrenwerter Lord,

Und ein Lord ist ein Lord und sein Wort ist sein Wort,

Und er schreibt von der Krise die hier ist und dort.

Und die Krise kommt von der Wirtschaft her,

Und die Misswirtschaft kommt von der Krise her,

Und die Armut kommt von der Povertät,

Und das Rad bleibt stehn, wenn es nicht mehr geht,

Und nur darum, weil der Mensch nicht frei

Gibt es leider immer noch Sklaverei.

Und mancher Sklave ist mit dabei

Der nicht einmal weiß, dass er Sklave sei,

Ob er schwarz ist, ob er weiß ist, ist am Ende einerlei.

Hallo! Hallo! Hier Goldminen von Kimberley. (Kimberley. Cecil Rhodes. Jameson Überfall. Kaiser-Telegramm. Buren-Krieg. Konzentrationslager Transvaal. Rule Britannia zu Wasser und zu Lande.) Hallo! Hallo! Befehl der Generaldirektion der Minengesellschaft, London: Ein Teil der Minen ist stillzulegen. Goldschürfung und Produktion ist um 50 Prozent einzuschränken.

Denn es gibt zu viel Gold auf der Welt,

Zu viel Gold und zu wenig Geld.

In Kimberley gräbt man Gold aus der Erde,

Damit es in Paris, in London, New York wieder eingegraben werde.

Und die Keller sind von dem Gold ganz voll,

Und man weiß nicht, was mit mehr Gold man soll.

Aber Gold ist doch Gold und Gold ist doch Gold.

Scheinbar, alles scheinbar,

Mit Praxis unvereinbar.

Denn der Goldstandard ist eine Konstruktion

Und die Konstruktion ist nur eine Fiktion,

Und die Fiktion führt zur Devalvation,

Und die Devalvation ist nicht Inflation

Sondern Gegenteil von der Deflation,

Wegen Produktion und Überproduktion

Und Expansion und Investitution,

Und die Goldblockländer sind nur eine Station,

Und schwankende Währung macht Progression.

Haben Sie das verstanden?

Nein!

Ja, dann müssen eben die Goldminen stillgelegt werden.

Und das Rad bleibt stehen, wenn es nicht mehr geht,

Und die Armut kommt von der Povertät,

Und ein Prolet ist ein Prolet,

Und mancher Prolet ist mit dabei

Der nicht weiß, dass er Proletarier sei.

Ob er schwarz ist, ob er weiß ist, ist am Ende einerlei.

Und es fahren die Männer von den Kimberley-Minen

Zum letzten Mal auf den rostigen Schienen,

Denn es gibt zu viel Gold auf der Welt

Und für sie keinen Lohn und kein Geld,

Und weil die Goldproduktion so groß

Sind sie arbeitslos. Sind sie arbeitslos!

Das statistische Amt der Süd-Afrika-Dominions hat schon im Dezember 1934 darauf aufmerksam gemacht, dass infolge Stilllegen eines Teils der Goldminen über 60 Prozent der weißen Arbeiterbevölkerung proletarisiert ist.

Warum gehen die arbeitslosen Minenmänner nicht auf die Farmen? Das geht nicht. Wegen der Tradition. In Südafrika ist Tradition, dass die Feldarbeit von Schwarzen gemacht wird.

Das ist nun so in Südafrika,

Für die Feldarbeit ist der Nigger da,

Der weiße Mann, der auf Abstand hält,

Der hat keine Arbeit und hat kein Geld,

Und des weißen Mannes Würde ist groß

Darum ist er und bleibt er jetzt arbeitslos.

Und für das Primat der weißen Rasse

Da rutscht er jetzt ab, in die Elendsklasse.

Weißer Mann, der nicht mehr zu fressen hat,

Was hast du jetzt von dem Primat?

Der Anzug verlumpt und der Hunger ist groß

Und arbeitslos ist arbeitslos.

Sie mögen rasseforschen, was sie wollen,

Das ist für uns am Ende einerlei,

Wir haben nichts zu zinsen und zu zollen,

Wir sind schon lange nicht mehr mit dabei.

Es mag die Sonne brennend uns bescheinen,

Der Regen feucht auf uns herunter weinen,

Vom Arbeitslohn und Brot und allem Geld

Da sind wir frei – und alles fällt, wie’s fällt.

Ob Konjunktur, ob Krise grade dran ist

Verweht für uns, wie Zeitung vor dem Wind.

Man weiß schon längst nicht mehr, wozu man Mann ist

Und nur die Frau kriegt jedes Jahr ein Kind.

Es mag der Index rauf gehen oder runter,

Das macht den Kohl nicht fett, das Hirn nicht munter,

Und uns nicht frei vom Irrsinn dieser Welt,

Bis auf den Tag – wo alles fällt, wie’s fällt.

Hallo! Hallo! Vornehme Society in London. S.W. Was sagst du denn dazu?

Sollte man nicht einfach die Arbeitslöhne auf der ganzen Welt erhöhen? Dann wäre ja Bedarf für die Goldproduktion da. Und für die übrige sogenannte Überproduktion, die also in Wirklichkeit, siehst du wohl, gar keine ist, und alles käme in Ordnung.

Mein Herr, sind Sie denn wahnsinnig geworden? Wir besitzen 41 Theorien und 796 Abhandlungen über das Gold und seine Bestimmung als Wertmesser aller Waren. Aber so etwas hat uns noch kein Fachmann ernsthaft vorgeschlagen.

Ja, was wollen Sie denn tun?

Wir schicken jetzt erst mal Einladungen weg,

Auf elfenbeinfarbenem Blütenpapier.

An die Herren Minister,

An die Herren Gesandten und Konsuln.

An die Herren Zeitungsverleger und Redakteure.

An die Herren von der großen Finanz,

An die Herren von der großen Industrie,

An die Herren, die Bridge und Tennis spielen

Und sonst garnichts zu tun haben,

Und an alle ihre Damen.

Und dann gibt es ein Bankett

Mit schwarzem Fracke und weißen Westen,

Mit schwarzem Porter und weißem Sekt,

Mit schwarzem Caviar und weißem Geflügelreis,

Und mit schwarzen Kellnern in weißen Leinenanzügen.

Und zweihundert Autos kommen vorgefahren

Zu den zwölf Gängen mit feierlichen Reden:

Ladies und Gentlemen, gestatten Sie, dass ich mein Glas erhebe

Zum Gedächtnis des großen, britischen Admirals

Wilberforce, der schon 1834

Eine Bill eingebracht

Zur Abschaffung der Sklaverei in allen britischen Ländern

Und in der übrigen Welt.

Und gestatten Sie, dass ich mein Glas erhebe

Zum Gedächtnis der Tory-Minister Pitt und Fox,

Die diese Bill zum Gesetz gemacht.

Und gestatten Sie, dass ich mein Glas erhebe

Für alle Regierungen der ehrenwerten, Kolonialwirtschaft betreibenden Nationen,

Die sich dem britischen Vorbild angeschlossen.

– Es gibt fünf Millionen Sklaven auf der Welt! –

Zwar lässt es sich nicht leugnen

Dass trotz der Gesetze

Und der internationalen Übereinkommen,

Und der ehrenwerten Unterschriften unter den Verträgen

Und trotz der Oberlehrer, die doch unterrichten

Dass es keine Sklaverei mehr gäbe.

Dass von der Theorie bis zur Praxis,

Von den Gesetzen zur Ausführung,

Von der Moral zur Ökonomie,

Dass gleichsam von der Synthese zur Analyse,

Vom Willen zur Tat,

Und darum bitte ich Sie, Ladies und Gentlemen

Mit mir Ihr Glas zu erheben …

Und das tun sie denn auch,

Und wünschen einander gute Verdauung,

Und reden noch lange

Von Admiral Wilberforce und Pitt und Fox,

Und von Gentlemen-Agreements zur Abschaffung der Sklaverei,

Und rauchen schwarze Brasilzigarren

Und blütenweiße Cigaretten.

Alles wegen der fünf Millionen Sklaven auf der Welt.

III.

Ja, was dann

Lieber Mann

Fängst du an,

Wenn du eines Tages ganz ohne Geld bist

Und dabei doch immerhin auf der Welt bist,

Denn das kann

Lieber Mann

Dann und wann

Lieber Mann,

Wie du mir

So ich dir

Jedem mal geschehn,

Und alsdann

Armer Mann

Musst du pumpen gehen.

Ob du siegst, lieber Mann,

Und was kriegst, lieber Mann,

Oder fliegst, lieber Mann,

Kommt drauf an.

Ach könnten Sie, alter Freund, mir vielleicht bis morgen zehn Kronen borgen?

Ja lieber Freund, wie sehn Sie aus – mit ausgefransten Hosen,

Der Hut zerbeult, das Hemd ganz kraus – mit ausgefransten Hosen,

Die Schuhe schief und unrasiert – mit ausgefransten Hosen,

Da kommen Sie ganz ungeniert – mit ausgefransten Hosen.

Ja, glauben Sie, dass ich mein Geld auf der Straße finde.

Haben Sie ’ne Idee, wie ich rackernd mich schinde?

Es tut mir leid, tut mir wirklich leid.

Und ich habe sowieso keine Zeit.

Ob du siegst, lieber Mann,

Und was kriegst, lieber Mann,

Oder fliegst, lieber Mann,

Kommt drauf an.

Könnten Sie, lieber Direktor, sagen wir mal auf Drei-Monat-Accept mir hunderttausend Kronen creditieren?

Ja lieber Freund, Sie müssen bedenken – immerhin Ihr Auto hat 8 Cylinder,

Ich will sie ganz gewiss nicht kränken – immerhin Ihr Auto hat 8 Cylinder,

Aber die Krise, die Krise, die Krise, die Krise – immerhin Ihr Auto hat 8 Cylinder,

Und wie geht’s Ihrer Frau, Madeleine Louise? – Auto … 8 Cylinder …

Und was hätten Sie sonst für Unterlagen?

Und ich müsste doch erst meinen Sozius fragen.

Und würden Sie sich vielleicht bequemen

Zunächst mal fünfzigtausend zu nehmen?

Ob du siegst, lieber Mann,

Und was kriegst, lieber Mann,

Oder fliegst, lieber Mann,

Kommt drauf an.

Namens der Regierung des freien Staates Liberia, den ich vor dem löblichen Völkerbund zu vertreten die Ehre habe, stelle ich den Antrag, der löbliche Völkerbund möge umgehend eine internationale Völkerbundanleihe auflegen, in Höhe von 50 Millionen Golddollars, langfristig, zwecks der im Interessen der Weltwirtschaft unumgänglich nötigen Sanierung der in vorübergehende Stagnation befindlichen Finanzlage des freien Staates Liberia und seiner Regierung, die ich zu vertreten die Ehre habe.

Versehrtes Mitglied im Völkerbund – scheußlich, der Kerl ist ein Neger,

Wir hoffen, ihr Budget ist sonst gesund – scheußlich der Kerl ist ein Neger,

Denn es wird unsren Banken eine Ehre sein – tadellosen Frack trägt der Herr Neger,

Und es friert der Kredit auch am Äquator ein – beinahe ein Gentlemanneger.

Ordnungshalber brauchen wir ein Exposé,

Für die Parlamente und für unser Renommé.

Und das Exposé prüft eine Kommission,

Und die Anleihe kriegen Sie vorher schon.

Ja, du siegst, schwarzer Mann,

Und du kriegst, schwarzer Mann,

Und du fliegst, schwarzer Mann

Heim, per Aeroplan.

Und das Exposé? Ach, das Exposé!

Haben Sie das Exposé gesehen?

Sahn Sie etwas in der Zeitung stehn?

Haben Sie das Exposé gelesen?

Ist das Exposé denn ein Exposé gewesen?

Was ist denn überhaupt ein Exposé?

Das wissen Sie nicht? Das kennen Sie nicht? Ja, dann will ich Ihnen das einmal vorlesen.

Das ganze Exposé?

Ja, das heißt, nur was zwischen den Zeilen steht.

Liberia, das ist der Freiheitsstaat.

Freiheit, die ich meine.

Was das wohl zu bedeuten hat?

Liberia, du feine.

1822.-

Das Datum ist richtig,

Doch nicht so wichtig.

In Afrika inauguriert,

Von den großen Mächten garantiert.

Für die Heimatlosen, die Emigranten,

Die Unterdrückten, die Weggerannten

Der schwarzen Rasse,

Der schwarzen Klasse,

Überflüssig, abgebaut,

Schwarze Haut, weiße Haut.

Alles egal. – Alles egal.

Und es gab schon anno dazumal:

Zu viel schwarze Hausknechte in Virginia.

Zu viel schwarze Stiefelputze in Canada.

Zu viel schwarze Sackträger in Argentinien,

Zu viel schwarze Kahnschlepper am Mississippi,

Zu viel schwarze Ackerknechte in Texas und Ohio,

 

Zu viel schwarze Viehtreiber in Mexico,

Zu viel schwarze Kerle am Rio Grande,

Zu viel, zu viel, zu viel, zu viel.

Und man hat doch en passant, schon so viele totgeschlagen,

Und sie leben, ohne uns, ihre Herrschaft, erst zu fragen.

Und sie wollen unterdessen

alle fressen, alle fressen,

Und sie stören nach dem Dinner die Verdauungsruh.

Wie kommt der Pakt dazu?

Und auf einmal der Quatsch von der Humanität,

Und die Dichter haben das alles verdreht.

Kennen Sie bitte

Onkel Toms Hütte?

Ab nach Liberia, Nigger und verdrecke.

Amerika erwache – Nigger verrecke.

Und so wurde Liberia gegründet, als ein freier Staat für die überschüssigen Sklaven, als der Sklavenmarkt gerade sehr flau lag und in Mekka lauter Minus, Minus, notiert wurde.

Und die heimkehrten in das Heilige Land,

In das Land ihrer Verheißung,

Von allen vier Enden der Erde,

Dahin, wo ihre Väter einst gewohnt

Und die Väter ihrer Väter,

In das freie Land Liberia,

Wo Palmöl und Kautschuk fließt,

Und nicht einmal ein britischer Hochkommissar war,

Da brachten sie etwas mit.

Da brachten sie die Errungenschaften der westlichen Zivilisation mit.

Nämlich: Das System!

Was für ein System?

Die Sache ist an dem:

Da gibt es ein System,

Das ist viel hundert Jahre alt

Und erbt sich fort als Sachverhalt.

Das muss man doch verstehn,

Denn das System ist ein System wie kein System so schön.

Hokus pokus, eins, zwei, drei.

Gestern Sklave, heute frei.

Und sie haben zugesehen

Wie die Gentlemen

Weißen Gentlemen,

Ihre Rolle drehn.

Nervus rerum aller Welt

Donnerwetter, ist das Geld.

Geld ist Gut und Gut ist Zahl,

Donnerwetter, Kapital.

Und mit Geld, da kann man kaufen,

dieses kaufen, jenes kaufen,

Jagen, hetzen und ersaufen,

Und es geht ums Geld, ums Geld,

Um Kultur der neuen Welt.

Die Sache ist an dem:

Da gibt es ein System,

Das ist im weißen Land schon alt

Und wird jetzt schwarzer Sachverhalt.

Das muss man doch verstehn,

Denn das System ist ein System, wie kein System so schön.

Und Monrovia ist die Hauptstadt von Liberia.

Und Kaurimuscheln sind das erste Geld von Monrovia.

Kaurimuschel. Kaurimuscheln. Wie geben Sie Kaurimuscheln?

Den Theresienthaler für 1003.

Lose oder an Schnüren?

1003 lose. 1010 an Schnüren.

Ich biete 1000. – 1003. – Ich biete 1002 – 1004 – 1003 – 1005

Ich nehme. – – – Ich gebe. – – –. 1005 – 1006 – 1007.

Kaurimuscheln sind jetzt Geld,

Nervus rerum schwarzer Welt.

Und für Geld da kauft man Land

Samt dem Vieh und allerhand,

Wer das Land hat, hat im Kauf

Gleich die Menschen mit darauf,

Und so hört die Freiheit auf.

Geld wird Macht und Macht wird Geld,

Und das nennt man Wirtschaftswelt.

Die Sache ist an dem:

Sie haben ein System

Vom Kapital, das neues heckt

Und wer keins hat verdreckt, verreckt,

Sie lernten es verstehn,

Denn das System ist ein System wie kein System so schön.

Und die schwarzen Gentlemen mit weißem System

Wohnen nicht länger in Hütten von Lehm,

Sondern in soliden Kästen,

Nebst schwarzem Gehrock und weißen Westen,

Und die einstens geprügelte Minderwertrasse

Bildet schon längst die regierende Klasse,

Und halten schon längst im Zeitenwandel

– Na, wo denn? – beim alten, soliden Sklavenhandel.

Die schwarze herrschende Klasse verkauft ihre eigenen, schwarzen beherrschten Brüder.

Steht das im Exposé?

Aber nein. Das Exposé

Ist so rein und weiß, wie Schnee.

Das liest man mit Verweilen

Zwischen den Zeilen.

Schlagt die Trommeln, schlagt hinein,

Schönes, schwarzes Elfenbein.

Kennen Sie den right honourable

Charles Dunbar Burgess King, Exzellenz?

Mr. King ist kein King,

Er heißt nur so.

Und er tut nur so.

Mr. King ist Präsident von Liberia

Und Liberia hat einen kleinen Export,

Und Liberia hat einen dreimal so großen Import.

Und darum hat Liberia eine passive Handelsbilanz,

Und davon entstehen die Staatsschulden.

Aber davon kann keine Regierung leben,

Und die Differenz muss ausgeglichen werden.

Schlagt die Trommeln, schlagt hinein,

Schönes, schwarzes Elfenbein

Die feste Notierung für Sklaven aus Liberia ist 9 Pfundsterling, Gold, pro Stück. Bei Lieferung kompletter Schiffsladungen von mindestens1000 Sklaven wird noch eine Prämie von einem Pfund pro Kopf bezahlt. – Mr. King liefert niemals weniger als 1000 Köpfe auf einmal.

Wissen Sie, wer Mr. Jallah ist? Das können Sie nicht wissen. Mr. Jallah ist ein kleiner, schwarzer Bürgermeister in einem Negerdorf von Liberia.

Und da kommt ein Bote zu Pferde

Und reicht mit stolzer Gebärde

Mr. Jallah einen Brief, mit Siegel schwer,

Und der Brief kommt direkt vom Präsidenten her.

»Befehl seiner Exzellenz, des Präsidenten Charles Dunbar Burgess King:

Es sind bereit zu halten und an meine Kommissare zu übergeben: So viel Arbeitsmänner, wie dort aufgetrieben werden können, mindestens aber 250 Stück. Die Nichtbefolgung dieses Befehls wird bestraft.«

Der Bürgermeister, der kleine Mann,

Der denkt, ich denke garnicht dran.

Arbeitsmänner? Gemeine Lügen!

Hier wird man keine Sklaven kriegen.

Und da kommt noch ein Bote zu Pferde

Und recht mit stolzer Gebärde

Von Mr. King, der kühn sich nennt

Des Freiheitslandes Präsident

Ein Telegramm: Wenn angeforderte Arbeitsmänner, mindestens 250 nicht bis heute Abend sieben Uhr bereit stehen, werde ich Dorf und Nachbarschaft niederbrennen lassen.-

Der Bürgermeister, der kleine Mann

Der denkt, was fange ich jetzt an?

Bis heute Abend 7 Uhr.

Und es wird Mittag.

Und es wird Nachmittag.

3 Uhr, 4 Uhr, 5 Uhr, 6 Uhr …

Zehn kleine Negerlein – die sich des Lebens freun,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – da sind es nur noch neun.

Neun kleine Negerlein – die haben noch gelacht,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – da sind es nur noch acht.

Acht kleine Negerlein – die haben ihr Sach’ betrieben,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – da sind es nur noch sieben.

Sieben kleine Negerlein – Ganz ohne Geld und Schecks,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – da sind es nur noch sechs.

Sechs kleine Negerlein – ohne Schuh und ohne Strümpf,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – da sind es nur noch fünf.

Fünf kleine Negerlein – und Mr. Kings Kurier,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – das sind es nur noch vier.

Vier kleine Negerlein – Liberia so frei.

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – da sind es nur noch drei.

Drei kleine Negerlein – und so ein Menschenhai,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – da sind es nur noch zwei.

Zwei kleine Negerlein – zehn Pfund bringt jeder ein,

Der eine wird jetzt Arbeitsmann – und einer steht allein.

Ein kleines Negerlein – das meint, es träumt im Schlaf.

Der letzte wird auch Arbeitsmann. – Ein Sklav! Ein Sklav! Ein Sklav!

Fünf Minuten vor sieben …

Beinahe hätten Mr. King’s, des ehrenwerten Präsidenten von Liberia, diensthabende Soldaten ein friedliches Dorf im eigenen Lande anzünden, in Schutt und Asche legen und alle Männer fortführen müssen.

Aber Mr. King hat auch so seine 250 Köpfe bekommen. Die bringen 2500 Goldpfund ein. – Der kleine Bürgermeister muss für seine Säumigkeit im Dienst bezahlen:

Für Bereitstellung des Überfall-/Brandkommandos … 40 Pfund

für eigentlich verwirkte Gefängnisstrafe …………… 100 Pfund

für einen Depeschenboten zu Pferde ………… 72 Pfund 10/ 6 d

für das Gericht in Monrovia, damit es nicht erst zusammentritt …………………… 110 Pfund

zusammen 322 Pfund, 10 shilling und 6 pence

zu zahlen an Mr. Yancy.

Mr. Yancy ist der Vizepräsident von Liberia.

Und weil der kleine Bürgermeister gar kein Geld hat, muss er noch drei Dutzend Sklaven liefern. An Mr. Yancy, den ehrenwerten Vizepräsidenten,

Schwarze Männer, ein langer Zug.

Man treibt sie durchs Land,

Und man hetzt sie bis zum Meer,

Und man jagt sie auf ein Schiff,

Und man sagt ihnen:

Bis zum nächsten Hafen,

Nur ein paar Stunden,

Da gibt es Arbeit und hohen Lohn,

Und dann fahrt ihr bald wieder heim.

Und es währt einen langen Tag,

Und Meer und Himmel und Himmel und Meer,

Und es währt zwei Tage,

Und es währt drei Tage, viele Tage,

Und immer Himmel und Meer. Weites Meer.

Captain, wohin fahren wir?

Nach dem französischen Kongo.

Davon hat man uns nichts gesagt!

Aber es ist meine Order.

Kennen Sie die Stadt Libreville?

Sie hat doch einen schönen französischen Namen,

Die freie Stadt.

Da wird ein Teil der schwarzen Männer ausgeladen.

Sie bekommen: Ein Kontobuch.

Das fängt mit Schulden an.

Für Kleidung, die sie nie gewollt,

Für Handwerkszeug, mit dem sie für andere schuften müssen.

Das Schuldenkonto wird immer größer,

Die Sklavenkette wird immer stärker,

Und niemals, niemals, niemals

Sehen Sie die Heimat wieder.

Die Anderen: Captain, wohin fahren wir?

Nach den portugiesischen Kolonien.

Davon hat man uns nichts gesagt.

Aber es ist meine Order.

Kennen Sie die Insel San Tomé und Príncipe?

Schöne portugiesische Inseln,

Wo das Fieber herrscht und der Teufel.

Da wird ein anderer Teil der Schwarzen ausgeladen.

Bekommt sein Kontobuch

Und kann nie mehr nach Hause.

Kennen Sie Mr. Gabriel Johnson?

Das ist ein schwarzer, ehrenwerter Gentleman.