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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Sechstes Kapitel.
Der Bei

Jede Lebenskraft abgespannt, ließ sich Flore hinschleppen. Schon erblickte sie zwischen den Mauern das schauerhafte Todeswerkzeug, als plötzlich eine fremde Stimme fragte: was habt ihr mit dem Jüngling vor?

Flore hatte keinen Muth aufzublicken, woher die Stimme schon durch ihren sanften Klang hier fremd bezeichnet, kam, aber sie bemerkte doch, daß alle ihre Begleiter mit einem bangen Ausruf, zur Erde aufs Knie stürzten.

Was habt ihr mit dem Jüngling vor? erneuete sich die Frage. Keine Antwort. Die Stimme äußerte nun Zorn, aber einen Zorn, der hier Trost und Erquickung wurde, einen Zorn, der des Vertrauens Fülle in den Busen goß. Leiser zagend hob die bestürzte Verurtheilte das Auge empor, und gewahrte einen hochgestalteten glänzend gekleideten Mann, auf einem muthigen Araberhengst, umringt von stattlich bewaffneten Reisigen in reicher morgenländischer Tracht.

So tobend, so besinnungraubend war der Bösewichter Grimm gewesen, daß sie die Ankunft eines zahlreichen Reutertrupps durchaus überhört hatten. Daß Flore damals nicht bemerkte, was weiter um sie vorging, bedarf keiner Erklärung.

Isaaks Sohn, (kein Jenaischer Philosoph zweifelt mehr an der Legende Wahrheit, höchstens noch lutherische Landprediger, und schon einige Kapuziner) da das Opfermesser sich erhoben hatte, vor dem lodernden Scheiterhaufen, fühlte aber nicht viel mehr Wonne, bei des Seraph Einspruch, wie Flore im Anblick des edelgestalteten Mannes, denn der Gedanke: er wird mein Retter seyn! dämmerte ihr gleich auf.

Ein Vertrauen, als hätte sie den Mann seit Jahren gekannt, folgte dem Gedanken, und der Muth, statt der im Staube sich krümmenden Räuber zu antworten, folgte dem Vertrauen. Flore nahm ihre Sprachkunde zusammen, und rief: Edler Pascha, erhabner Bei, oder wer ihr seid, die Männer wollen mich schmählich ermorden. Dort ragt schon der Spieß empor.

Mit Wohlgefallen und Milde blickte der Angeredete auf Floren nieder, mit heftigem Unmuth nach den Räubern. Fürchte nichts, sprach er zu der Ersten gewendet, dann schalt er die Andern mit Nachdruck. „Wenn euch dieser Jüngling Leides that, wie durftet ihr euch vermessen, selbst Richter zu seyn? Warum bringt ihr ihn nicht zum Kiaschef, und der ihn zu einem Richteramte, das über Leben und Tod aussprechen darf? Aber ich sehe aus dieser sträflichen Wildheit, ihr gehört zu dem Raubgesindel, das den Nil unsicher macht. Fischer nennt ihr euch, und plündert die Schiffe. Jetzt hab ich die Zeit nicht, euer Treiben untersuchen zu lassen, aber ein Andermal. Damit ihr hier keine längere Zuflucht habt, so steckt selbst gleich alle die Hütten in Brand. Gehorcht, oder ich lasse euch niederhauen.“

Des Befehls Donner wirkte so mächtig, daß alles gleich aufsprang, und in zwei Minuten loderte schon das Dorf empor.

Während dessen fuhr der Muselmann fort: Den jungen Menschen nehme ich mit, seine Miene zeugt von Unschuld. Wie froh sprang Flore auf. Die vier Esel liefen, die Zügel ineinandergeschlungen, noch in der Nähe herum. Sie machte sie los, befreite die Mäuler von den Tüchern, und schwang sich auf den besten. Die drei andern schenk’ ich euch großmüthig, rief sie den Räubern noch zu, und mischte sich nun unter das Gefolge von Mammelukken, das dem Nile zueilte.

Hier standen verschiedene Fahrzeuge in Bereitschaft, und die Ueberfahrt wurde so schnell es immer anging, ins Werk gebracht.

Flore erfuhr, sie habe den Bei gesprochen, den die Europäer in die Wüste gedrängt hätten, der nun aber über den Strom zu seiner Famille wollte, die weit nach Oberegypten hin, in Sicherheit gebracht sei. Desto unentdeckter zu bleiben, war der Weg durch die Ruinen genommen worden. Die Schiffe zur Ueberfahrt an Ort und Stelle zu finden, fiel ihm bei seinem Anhang und seiner Kundschaft des Landes, nicht schwer.

Die Mammelukken erzählten das alles willig an Floren, und redseliger als sie gewohnt zu seyn pflegen. Aber man darf kühn auf der Diener Artigkeit zählen, wenn das Oberhaupt freundlich war, wie auch der umgekehrte Fall statt hat. Das mit dramatischer Kraft zu zeichnen, ging Schiller einen Anachronismus von zwanzig Jahren ein. Denn der Admiral Medina Sidonia erschien in seinem Carlos, und jammerte über die zerstörte unüberwindliche Flotte. Diese Armade ging aber 1588 verloren, und Prinz Carlos starb schon 1568.

Auch liegt es im Menschen, daß er sich freudig an seinen Retter schließt, mag dieser immer einer feindlichen Nation zugehören. Drum befand sich Flore überaus wohl unter diesen Leuten, und sie zog getrost mehrere Meilen jenseits des Nils mit fort, ehe sie einmal recht daran dachte, was nun für sie zu thun sey? Es zerstreute dazu sie so Manches unter dem Haufen, und fesselte ihre Aufmerksamkeit.

Nun wurde gelagert, denn man hatte auch Gepäck bei sich. Nicht lange so stand ein Dörfchen von bunten Zelten auf der Ebene. Hammel steckten an Spießen, Reis dampfte aus Casserollen. Flore, als ob sie dazu gehöre, ließ den Esel im hohen Grase weiden, kaufte von einer Art Marketenderin das Benöthigte, und richtete sich einen Pilau zu. Der Hunger war, wie man denken kann, seine köstliche Würze.

Allein sie hätte diese Mühe sparen können. Denn kaum hatte sie angefangen, ihr klein Gericht zu verzehren, als der gütige Bei, der sie nicht vergaß, einen seiner Diener schickte. Dieser brachte eine Lammskeule mit Knoblauch, einen Salat von Oliven, eine Art Wachtelpastete, und eine Schaale Sorbet. Flore wies das nicht zurück, sondern erquickte sich gar behaglich.

Man braucht noch nicht einmal ein Nicolai an kunstrichterlicher Strenge und Wissenschaft zu seyn, sogar ein literarischer Chévalier d’industrie aus Berlin, der sich beim Morgenblatte oder der allgemeinen Zeitung zum Nachrichtgeben versteht, und daneben bisweilen eine Haßkritik einstreuen darf, kann sagen: daß es gar nichts Erzählungswerthes ist, wenn irgendwo geschmauset und getrunken wurde. Aber was erzählt denn selbst der göttliche Homer (nach Fichte freilich kein Dichter) am liebsten? Streicht in der Ilias und Odyssee, alle Ochsenbraten und was noch dazu gehört, wieviel bleibt übrig? Am Ende kehrt ja die geistige Ausflucht immer wieder zur Sinnlichkeit, und die feinere Sinnlichkeit zur unfeineren. Der Libertin, welcher dreißig Jahre lang, die liebsten Schönheiten verfolgte, und darüber oft die Tafelfreuden übersah, blickt am Ende doch mit festerem Ernst nach einer guten Table d’hôte hin, oder knüpft eine Ehe propter opem3. Welcher treffliche neue Morgen der französischen Literatur brach mit jener Staatsumwälzung an! Gleichwohl ist die Gastronomie unter den neuesten Werken zu Paris, dasjenige, welches die meisten Auflagen erlebte. Hästia allein, spricht Platon, die häusliche, wartet des Heerdes, wenn der Vater der Götter und Menschen auf dem geflügelten Wagen allwaltend dahinfährt, und dem Führer des himmlischen Zuges die übrigen Götter folgen. Und ist nun der Zug vollendet, sehnen sich die Ermüdeten alle nach Hästia. Wenn die Deutschen, überall philosophirend, noch keine Philosophie der Kochkunst aufweisen, so kömmt es blos daher, weil sie nicht reich sind, und es auch nicht werden dürften, da, was zum Reichthum führt, List, Thätigkeit und Gewalt, ihnen fehlen.

Siebentes Kapitel.
Fortsetzung

Nach der Mahlzeit erschien wieder ein Diener des Bei, und lud Floren zu ihm. Sie nahte sittsam, unterwürfig, dankbar, doch mit naivem Vertrauen. Jener fragte:

Woher bist du Knabe?

Flore. Herr, vor einem andern würd ich beben, vor Dir nicht. Ich bin ein Frank.

Bei. Immerhin! Doch ein Renegat?

Flore. Nein, ein Nazaräer.

Bei. Immerhin! Wie kömmst du aber zu dem grünen Turban?

Flore. Ein Kopte hat ihn mir verkauft —

Bei. Den darfst du nicht tragen.

Flore. Verzeihe meiner Unwissenheit! Schon erfuhr ich, daß es der Brauch nicht sei, fand aber noch keine Gelegenheit, einen andern zu kaufen.

Bei. Er steht dir wohl, aber ich schenke dir dennoch einen anderen.

Hier entließ er sie, und ein Diener brachte gleich darauf eine artige Mütze, wie sie die Franken im Lande tragen dürfen. Flore händigte den Turban dafür aus, nachdem die Steine auf die Seite geschafft waren.

Gleich danach wurden die Zelte abgebrochen, und Reise ging weiter.

Flore machte sich nun Vorwürfe, daß sie nicht des milden Augenblicks gewahrend, den Bei um Erlaubniß gebeten hatte, den Weg nach Cairo nehmen zu dürfen. Indessen, dachte sie, findet sich dazu wohl eine andere Gelegenheit. Wer weiß, ob er mir nicht ein Paar Mammelukken zur Bedeckung bis an die ersten unsrer Posten mitgiebt, denen ich gern reichlich lohnen will.

Sie folgte also dem Zuge, denn heimlich davonschleichen, das wollte sie nicht, auch schien das aus manchen Gründen nicht rathsam.

Man reisete schnell, und mit ängstlicher Vorsicht, immer noch einen Ueberfall der Europäer fürchtend. In der folgenden Nacht wurden Schildwachen in weiter Ferne ausgestellt, und die Hälfte der Mammelukken mußte angekleidet bei den Pferden bleiben, während die Uebrigen in den Zelten ruhten.

Flore wurde in das Zelt der Itschoglans des Bei geladen, wo sie bequem übernachtete. Ihren Esel mußte ein Mammelukkenknecht versehn. Sie war entzückt von so vieler Güte, doch entbrannten ihre Wünsche nach Cairo lebendiger.

Am andern Tage wieder schneller Marsch, gegen Mittag Rast. Flore bereitete sich schon keine Speise, in Erwartung, der gute Bei werde sorgen. Das geschah auch, und sie wurde reichlich aus seiner Feldküche versehn. Nachher mußte sie abermals vor ihm erscheinen, und er sagte ihr, daß die Frankenmütze sie vortheilhafter wie jener Turban kleide.

 

Sie dankte auf das verbindlichste für sein Geschenk, brachte nun aber mit Offenheit und Muth die Bitte an, sie ziehn zu lassen.

Hierauf wurde nichts erwiedert. Dagegen gebot der freigebige Muselmann, dem jungen Franken einen schönen Säbel zu reichen.

Es ging weiter. Flore war verdrießlich auf einer Seite, auf der andern aber fand sie doch, daß man ganz ausnehmend artig gegen sie sey. Vielleicht hat er mich in der Geschäftszerstreuung nicht verstanden, meinte sie, ich bitte wieder, und der gute schöne Mann erhört mich gewiß.

Wieder gute Bewirthung im Lager, und in der Nacht Bequemlichkeit auf den Teppichen der Itschoglans.

Am folgenden Tage vergaß Flore nicht, ihr Anliegen zu erneuen, da der Bei sie wieder vor sich lud. Sie empfing keine Antwort, dagegen einen weissen Kaftan mit schwarzem Fuchspelz verbrämt.

Wieder ein Tag, wo ihr alle Milde widerfuhr, nur hatte man kein Gehör für die Bitte. Statt allem Bescheid darauf, wurde ihr ein Pferd mit stattlichem Sattel und Zeuge vorgeführt.

Jetzt befand man sich schon in einer Wüste. An Flucht war um so weniger zu denken. Die Pariserin wußte gar nicht, was sie über das Betragen des Muselmannes denken sollte, und weil Dankbarkeit ohnehin eine Grundlinie ihres Charakters zog, fand sie den Bei mit jedem Geschenke liebenswürdiger, ja auch schöner wie ihren Ring, dessen körperliche Vorzüge ohnehin das letzte waren, was sie an ihm liebte. Zudem befand sie sich so außerordentlich behaglich in dem Lager, daß die Trennung davon nicht ohne Schmerz mehr vollzogen werden konnte. Wohlleben im Ueberfluß, allenthalben dienstbare Huldigung, denn nach jeder neuen Gabe des Oberherrn wurden die Diener unterwürfiger und schmeichelnder, ja es nahten bereits Itschoglans oder Mammelukken mit kleinen Geschenken, um ihrer in Gutem zu gedenken, oder etwas für sie durchzusetzen.

Endlich war die nicht breite Wüste durchzogen, und ein Bezirk erreicht, wohin noch keine fremde Waffe drang. Eine Landschaft, die mit ihren zauberischen Reizen alles bei weitem übertraf, was Flore an Naturschönheit in Niederegypten gesehen hatte, die überall den Gedanken an die fabelhaften glückseligen Inseln der Dichter rief. Freilich auch ein häßliches Sumsen der Mosquiten in der Luft, und ihr quälender Stich; freilich Skorpionen in den Ritzen der Gebäude; freilich hier schon Krokodille genug im Nil, aber die Fülle des Angenehmen ließ das alles vergessen.

Hier lag das Landhaus, wohin der Bei seine Schätze und Weiber geflüchtet hatte, wie der fremde Besuch nach Egypten kam. Ein nicht großes, aber sehr niedliches Gebäude, dessen plattes Dach mit Erde überworfen, mit den lieblichsten Blumen bepflanzt, und mit einem buntgewirkten Zelthimmel überbreitet war. Es lag mitten im Garten, die Ställe, Soldatenwohnungen in einiger Entfernung. Der Garten war mit einer Mauer umgeben, so breit, daß man oben nicht nur spazieren gehn, sondern auch reiten konnte. Eine Allee von Orangen befand sich oben, was einen überaus lachenden Anblick gewährte. Die Lustteiche, mit ihren kleinen Gondeln; die heiteren Pavillons, auf Hügeln gebaut, die eine weite Aussicht eröffneten; die leis murmelnden Wasserfälle; die Bäche mit seltsam bunten Fischen; das glänzende hold singende Gefieder auf dem lieblichen Strauchwerk, dem der herannahende Winter keine Schönheit raubte, nur die Frische des Grünes, von den Sonnenstrahlen erst gedörrt, zurückgab; alles das vollendete die wunderähnliche Wirkung dieses, mit Recht vom Bei erhobenen, Asyls. Nur ein Umstand konnte einen europäischen Baukünstler dort zur Verzweiflung bringen. Zum Portal des Landhauses führte nehmlich ein schöner Säulengang. Der weisseste Marmor, im Alterthum die Zierde eines herrlichen Tempels zu Memphis. Die Säulen hatten aber unter den Ruinen umgestürzt gelegen, der neue egyptische Architekt gemeint: es sei immer gleichviel; und so standen die Kapitäler unten, während die Piedestale stolz emporragten. Flore verstand zwar nicht das mindeste vom Bauwesen, aber doch hatte sie oft in Paris, vom Pont-neuf herkommend, die gepriesene Kolonade am Louvre betrachtet, und so konnte es nicht anders seyn, der Uebelstand mußte ihr einleuchten. Sie lachte ganz dreist, über den verkehrten Prunk, eine Unart, die ein empfindlicher Bei mit dem Kopfe würde habe büssen lassen, dieser aber gab Befehl, die Säulen umzudrehn.

Seine Großmuth verringerte sich hier nicht. Kaum hatte man sich von den Beschwerlichkeiten erholt, als Flore vorgefordert wurde. Schöner Frank, sagte der Bei, ich mache dich zum Itschoglan, du kannst zur Religion Mahomeds übertreten, du darfst Nazaräer bleiben, nach Gefallen. Auch Christus predigte das Wort. Du sollst aber nicht bei den andern Edelknaben wohnen, sie sind wild und roh, hier im Landhause ist dein Zimmer. Komm, du sollst Fatmen, mein Weib, kennen.

Flore wunderte sich höchlich, da der vornehme morgenländische Herr, gegen alle Landessitte, den vermeinten Jüngling in den Harem führte, ja ihm die Erlaubniß gab, ihn mit aller Freiheit zu besuchen, so oft er nur wollte.

Fatme war eine sehr schöne Frau, von einer Weisse und Feinheit der Haut, wie man sie auch in den höchsten Ständen der Christenheit nicht erblickt, da hier die Damen sich unfreundlichen Einflüssen der Witterung immer häufiger blosstellen, und nicht im Besitz einer gewissen Salbe sind, deren man sich dort mit großem Erfolg bedient. Nur einen zu hohen Grad der Formenfülle, hätte man, an Mittelverhältnisse gewöhnt, der Schönheit dieser Fatme zum Vorwurf machen können.

Sie gab ihrem Gemahl nichts an Güte nach, und der neue Itschoglan wurde von ihr mit einem gestickten Gürtel von hohem Werthe beschenkt.

Flore fing schon an, bei sich zu denken: Wenn dies Leben so fortgeht, werde ich alle Mühe anzuwenden haben, um Ring nicht ganz und gar zu vergessen.

Der Bei war noch in den ersten Tagen mit vielen Boten beschäftigt, die Briefe da und dorthin fördern sollten, und sprach daher Floren nur wenig, dagegen blieb letztere zu ganzen Stunden im Harem, wo ihrer immer die köstlichsten Erfrischungen warteten. Fatme lustwandelte auch häufig mit ihr im Garten, doch trug sie dann den Schleier, und einige Sklavinnen folgten unterwürfig. Immer in der Sprache geübter, und erfüllt vom Vertrauen, wagte Flore bald, mit der Gattin des Bei über ihre Lebensverhältnisse zu reden. Sie pries das beneidenswerthe Glück, einen so liebevollen Gemahl zu besitzen. Da seufzte Fatme aber. Der vermeinte Itschoglan fuhr fort: Und wie ausgezeichnet bist du vor allen Muselmänninnen! Gleicht sonst der Großen Harem den Kerkern, der deinige ist ein Tempel der Freiheit. Doch setzte sie mit etwas stockendem Tone hinzu, kann das auch nur ein so liebenswürdiger Mann, wie der Bei, wagen. Hier weinte Fatme. Flore war befremdet. Jene brach aus: O warum bewacht er mich nicht strenger? Es würde mir ein Zeichen der Liebe gelten. Nur Kälte öffnet des Harems Thüren. Ich bin freilich sein einzig Weib, aber —

Tränen unterbrachen sie, und Flore schwieg traurig.

Von jetzt an, ruhten die Blicke der Mahomedanerin länger und fester auf Floren, auch mußte sie öfter in dem Harem erscheinen. Ganz allein befand sie sich übrigens dort nie mit ihr, sondern einige aufwartende Sklavinnen waren gewöhnlich noch im Gemach.

Auch die Geschenke mehrten sich, und selten verließ die Verkleidete den Harem, ohne irgend eine Kostbarkeit mitzunehmen.

Von nun an lebte der Bei sich auch mehr selbst. Vor den Europäern war er in der Entlegenheit gesichert, sonst fürchtete er Niemand, viele seiner Soldaten wurden also entlassen, und Waffengetöse störte weniger des Landsitzes Ruhe. Er hatte Schätze genug hierher geflüchtet, und bedurfte vor der Hand keiner Einnahmen, um den Ausgang der Begebenheiten abzuwarten.

Oefter sah er nun auch Floren, die noch mehr wie vorher mit Huld überhäuft wurde. Die zärtlichen Blicke, sogar das Erröthen seiner Wange, wenn Flore ihn ansah, hätten sie fast den Argwohn schöpfen lassen, er ahne ihr Geschlecht und wirklich fürchtete sie diese Ahnung nicht sehr; allein das ließ sich doch wieder nicht glauben, da Flore immer die Dienste eines Itschoglan verrichten, und den Bei zu Pferde beim Spazierritt begleiten mußte.

Wie lange wird es wohl möglich sein, fragte sie sich oft, das Geheimniß zu bewahren?

Nach einigen Tagen wurde ihr Schlafgemach verändert, und ihr eins ganz nahe bei dem Zimmern des Herrn angewiesen. Die erste Nacht, welche sie dort zubrachte, wurde sie durch ein leises Zupfen an der Bettdecke geweckt. Sie fuhr auf. Eine Sklavin stand da. Folge mir Itschoglan! sprach sie. Flore warf Kleider über und gehorchte. Man schlich durch den Gang, welcher nach Fatmens Schlafzimmer führte. Floren pochte das Herz gewaltig. Die Thür öffnete sich. Die Sklavin blieb zurück.

Die Fenster des Zimmers waren tief verhängt, aber eine kleine Lampe verbreitete inwendig eine magische Helle. Ausgewählte Confituren und Früchte trug ein kleiner mit Goldbrokat bedeckter Tisch. Aus Vasen von chinesischem Porcellan dufteten die edelsten Blumengattungen, besonders das liebliche afrikanische Gewächs El Henne genannt, das aus seinen traubenartig verbundenen Blüthen einen so balsamischen Ausfluß haucht. Alles lud ein, dem kühnsten Wunsch nach hohen Genüssen Raum zu geben.

Im Schlafgewand, weiß wie eine Jasminblüthe, weich wie der innre Kelch einer Aurikel, und beinahe so durchsichtig wie das Ballkleid einer Berlinerin, nahte Fatme. Die süße Verlegenheit auf der gespannten Stirn, auf ihren farbewechselnden Wangen, würde einen Faublas vor Entzücken außer sich gesetzt haben, aber Flore war doch kein Faublas.

Wäre ihr etwas Aehnliches mit dem Bei begegnet, so würde sie sich fest vorgestellt haben, daß Ring in Cairo bei ihrer Abwesenheit unfehlbar strauchle, aber was gab es hier sich vorzustellen?

Fatme ließ sich auf die indischen Teppiche des Sophas nieder, und zog Floren mit sanfter Gewalt zu sich. Die leisen fast unhörbaren Laute ihrer ersten Worte gingen nach und nach in ein vernehmliches Flistern über, und Flore hatte die Frage zu beantworten:

Hast du die Sprache der Blumen nicht verstanden, die ich dir sandte, holder Itschoglan?

Sie erwiederte: Nein edle Frau.

„Also reden die Blumen in Europa nicht?“

Ich wage nicht, euch zu deuten, sonst – —

„O deute, deute! Alles ist dir verziehn, wie verwegen du auch deutest.“

Von redenden Blumen las ich in mehr als einem Roman. Der Selam spricht durch die Fügung der —

„Selam, Selam! Du kennst den Namen, dann ist dir mehr bekannt.“

Nichts weiter. Die – Liebenden hört ich nur, lassen im Morgenlande die Blumen reden.

Fatme wurde erwärmter, kühner. Sie erklärte ohne Umschweif, ihr Eheverhältniß sei freudenlos, ihr Gemahl bei aller Hülle der Liebenswürdigkeit, liebe nicht. Eine nur zu deutliche Erklärung folgte. Flore am ganzen Leibe bebend, hub nun an, der Türkin eine Moralpredigt, über die Pflichten der Treue, zu halten. Die Andere entschuldigte sich wortreich durch des Gemahls Vernachlässigung. Flore suchte nur kräftiger mit Tugendsprüchen einzudringen, und citirte sogar Stellen aus dem Coran, noch von den Lehren des Derwisch im Gedächtniß. Doch die Kraft der Liebe überwältigt Coran, Evangelium, Talmud und Sanscritt; nur Fatmens Ungestüm antwortete, und der vermeinte Edelknabe wurde mit flammendem Trieb an der Türkin Busen gepreßt.

Im höchsten Moment der Verlegenheit, hörte man aber ein Geräusch, die Sklavin stürzte warnend ins Zimmer, und auf dem Fuße folgte ihr – der Bei. Noch hörte Fatme nicht, wohl aber Flore, die sich in der fürchterlichsten Bestürzung losriß.

Der sonst so schonende Muselmann wüthete. Verwünschungen stieß er gegen seinen Itschoglan aus, Verwünschungen gegen Fatme, und rief: der Tod sollte ihn an beiden rächen. Ein Dolch der an der Wand hing, war bald ergriffen.

Flore warf sich nieder. Verzeihe Herr, daß mein Geschlecht dir heimlich blieb. Sie riß ihr Oberkleid auf, eine Gesticulation, die wohl zu rechtfertigen ist, wo es Leben und Tod gilt. Siehe, wie kannst du eifersüchtig gegen die schuldlose Fatme wüthen?

Die plötzliche Erscheinung des Gatten zu begreifen, muß aufgeklärt werden, daß all die bisher seinem Pagen erwiesene Huld – unlauteren Ursprungs war. In derselben Nacht, wo Fatme die durch reiche Geschenke bestochene Sklavin sandte, hatte auch er einen Besuch in Florens Schlafzimmer beschlossen. Er langt an, findet Niemand, argwohnt, und eilt zu seiner Gemahlin.

Der Dolch entsank seiner starren Hand, wie Flore ihr Geheimniß verrieth. Fatme sprang erstaunt zurück, heftete aber noch, und ohne den Bei zu fürchten, die entbrannten Strahlen ihres dunklen Auges auf die Entschleierte; der Bei blieb in liebender Stellung angewurzelt.

 

Fatme ließ den Gemahl Vorwürfe hören, die sein Recht zur Eifersucht streitig machten, und schloß mit der Bitte: ihr die Europäerin zur Sklavin zu geben. Erhöre mich, war ihr letztes entschlossenes Wort, oder brauche den Dolch wider mein Leben.

Sei mein Weib, mein Weib! flehte der Bei mit schmachtender Lippe.

3Ein Rechtsgelehrter, der drei Weiber während seines Lebens heirathete, pflegte zu sagen: er habe die eine propter opus, die andre propter opes, und die dritte, propter opem genommen.