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Der moderne Knigge

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Trifft man eine Frau, welche sich entrüstet über den Damenkaffee ausspricht und energisch erklärt, sie habe noch nie geklatscht, so kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß sie Mitglied mehrerer Damenkaffees ist und eine große Praxis im Klatschen hat. Man sei also vorsichtig.

Man protestiere nicht, wenn man die große Glocke tönen und brummen hört, an die etwas gehängt worden ist, da dies die Folge hat, daß das Getöne und Gebrumme erst recht vernommen und geglaubt wird. Man wende das beste Mittel an: die völlige Wurstigkeit.

Ist man verlobt, so verbiete man der Braut, jemals einem Damenkaffee beizuwohnen. So lange der Brautstand dauert, wird dies Verbot meist geachtet. Alsdann findet der Eintritt in den Damenkaffee sicher statt.

Man versuche nicht, einer Damenkafferin das Klatschen abzugewöhnen, um nicht ihrer schweren Erkrankung und Tötung schuldig zu werden. Schon jeder Versuch ist erstens schädlich und zweitens nutzlos.

Wenn man eine Frau klagen hört, alle Damenkaffees seien tödlich langweilig, so darf man überzeugt sein, daß sie sie höchst amüsant findet und sie nicht missen kann.

Man schelte die Damen unpünktlich, und man thut ihnen nur dann Unrecht, wenn sie Mitglieder eines Damenkaffees sind. Als solche ist die Pünktlichkeit ihre Höflichkeit, als seien sie Könige.

Hier ist ein flüchtiger Blick auf die Skatabend zu werfen, obschon sie einen starren Gegensatz der Damenkaffees bilden. Denn während diese nicht dazu da sind, damit die Damen Kaffee trinken, sind die Skatabende nur zum Zweck des Skatspielens eingerichtet.

Ich liebe die Skatabende sehr. Denn da ich keinen Begriff vom Skatspiel habe, bin ich von ihnen ausgeschlossen. Daß ich aus diesem Grunde als einer der unbeholfensten Menschen bekannt bin, weiß ich längst, dennoch liebe ich die Skatabende. Das ist eben eins der Geheimnisse der Liebe. Man liebt, trotzdem oder weil man zurückgewiesen wird.

Da ich also vom Skatspiel absolut nichts verstehe und deshalb in meiner Eigenschaft als Journalist ein Urteil über seinen Wert abgeben könnte, so unterlasse ich es dennoch zum Entsetzen meiner Kollegen. Ich weiß nur vom Hörensagen, daß der Skat ein höchst interessantes und faszinierendes Spiel und ein Skatabend daher einer der schönsten im Leben der Skatspieler ist. Schon aus diesem Grunde gehört er in den Kreis unserer Betrachtungen.

Der Skatabend steht bei den Frauen in hoher Gunst, weil der Gatte während dieser Zeit sicher zu Hause ist und scharf kontrolliert werden kann, was an anderen Abenden bekanntlich nicht immer gut möglich ist. Dagegen wird der Skatabend von den Dienstmädchen gehaßt, weil die Gäste meist so lange spielen, daß sie vom Hausherrn hinausgeleitet werden und dadurch das Trinkgeld sparen.

Will man sich sehr beliebt machen, so verliere man immer oder meist, einerlei, ob hoch oder niedrig gespielt wird. Allerdings wird die Beliebtheit auf diese Weise ein Luxusartikel, bildet aber trotzdem eine schöne Eigenschaft.

Bleibt die Herrin des Skathauses trotz der späten Stunde wach, so ist dies nur in seltenen Fällen ein Beweis von hochgradiger Gastfreundschaft und Vergnügen an der Unterhaltung, sondern diese weibliche Dauerbarkeit entspringt gewöhnlich einer finanziellen Maßregel, indem die Dame vor Schluß des Abends ihrem Gatten das Gewonnene abnehmen will, bei welcher Gelegenheit sie dem Skat eine warme Lobrede hält und den Gatten für einen geliebten Meister erklärt. Verliert der Gatte, so findet die Dame des Hauses, daß das Skatspiel sehr unmoralisch sei und aufhören müsse, auch sei es greulich, daß einige Herren, die sie nicht leiden könne, teilweise aus der Tasche ihres Gatten und des Vaters ihrer armen Kinder leben.

Hat der Skatspieler keinen Witz, so hat er dennoch welchen, da er den vorhandenen und allgemein bekannten an geeigneten Stellen anbringt. Dies ist dem Hörer sehr willkommen, da er nicht zu lachen braucht, was auch meist absolut unmöglich ist. Ein gefürchteter Schädling des Skats ist derjenige Spieler, der nur witzig ist, wenn er gute Karten bekommen hat, und solche Schädlinge bekommen, wie behauptet wird, fortwährend gute Karten.

Wenn man Grund oder Lust hat, sich als überflüssig erscheinen zu lassen, so sei man zugleich Gast und Kiebitz. Einem solchen Herrn schreibt der abergläubische Spieler die Zauberkraft zu, daß er Buben in Damen verwandelt, was die wohlthätige Folge hat, daß ein solcher Centaur nicht wieder eingeladen wird.

Macht man sich nichts daraus, in den Augen einer Dame als Scheusal, Kaliban und Verbrecher zu gelten, – es ist dies nicht jedermanns Geschmack – so nehme man an einer Skatpartie teil, in der sich eine Dame befindet, und gewinne, oder man verliere nicht. Ist man dagegen eitel und etwas eigen, so verliere man regelmäßig, wenn eine Dame in der Partie ist. Dann gilt man als ein Adonis mit einem Schuß Apollo, auch wenn man das Gegenteil sein sollte.

Ist man ein junger Mann und liebt die Tochter des Hausherrn, so verliere man konsequent. Hier genügt es nicht, daß man bloß nicht gewinnt. Erst nach der Verlobung nehme man dem zukünftigen Schwiegervater das ganze Geld ab.

Spielt jemand schlecht und gewinnt man dadurch, so verzeihe man ihm sein schlechtes Spielen. Man sei aber nicht unerbittlich. Spielt aber jemand schlecht und verliert man dadurch, so zeige man, daß man Charakter habe, und lasse es an Schmähungen nicht fehlen.

Pflegt das warme Abendessen gut und reichlich zu sein, so lobe man des Gastgebers Spiel als meisterhaft, auch wenn es dilettantisch ist. Wenn aber betreffs des Abendessens nicht alle Blütenräume reifen, so sei man so milde wie irgend möglich. Das ist‘s ja, was den Menschen zieret.

Will man ganz sicher sein, wieder eingeladen zu werden, so habe man, wenn es zum Abrechnen kommt, ganz zufälligerweise kein Geld bei sich.

Es darf hier wohl kurz auf die musikalischen Abende abgeschwenkt werden, welche ja in gewissem Sinne Spielabende genannt werden können, wenn sie auch nicht immer so unterhaltend zu sein pflegen. Sie sind, weil hier der Dilettantismus seine wüstesten Orgien feiert, mit großer Vorsicht zu gebrauchen.

Steht man im Verdacht, unmusikalisch zu sein, so braucht man das Folgende nicht zu lesen. Denn dann wird man niemals durch eine Einladung ausgezeichnet und hat sich in keiner Weise zu fragen, wie man sich zu benehmen habe. Nur für den Fall, daß man trotzdem eingeladen wird und nicht den schönen Mut hat, sich dem musikalischen Gewaltakt fernzuhalten, lese man weiter.

Die beliebteste und verbreitetste Form des leider nur in musikalischer Hinsicht seltenen Genusses ist das Streichquartett, zu welchem sich vier Männer zusammenballen, die im gewöhnlichen Leben wohlwollende und wohlhabende Leute zu sein pflegen und nur, wenn sie zu ihren Instrumenten greifen, unberechenbar sind. Lernt man sie kennen, so merkt man ihnen nichts an, man thut also gut, sich neuen Bekanntschaften gegenüber zu erkundigen, ob sie musikrein sind, und, wenn nicht, ob sie von ihrem Können einen halböffentlichen Gebrauch machen.

Hat man sich von einer Einladung zum Quartett überrumpeln lassen und rückt die Stunde der Exekution näher, so nehme man ein Abendessen ein, da ein tüchtiger Quartettgeber annimmt, daß man kein Souper erwartet, wo die klassischen Meister laut werden, was ihn veranlaßt, an Stelle der leiblichen Genüsse mehr die idealen der Kunst treten zu lassen. Erscheint man nun gegessen im Quartett, so kann man im Ertragen etwas leisten und namentlich die ersten anderthalb Stunden ruhig aushalten.

Man braucht den quartettierenden Herren nicht den Daumen zu halten, da sie fest davon überzeugt sind, daß sie diese künstliche Sicherung des Erfolges nicht brauchen, hauptsächlich deshalb, weil sie regelmäßig mit Beifall überschüttet werden und meinen, daß dieser Beifall ihren Leistungen gelte.

Man sage niemals, daß man die Melodie über alles liebe, und man unterlasse nicht, von Zeit zu Zeit aus Opern, die man verehrt, zu schelten. Man erspart sich dadurch viele Unannehmlichkeiten. Allerdings wird von Musikern und solchen, die es zu sein sich einbilden, in Quartettgesellschaften selten mit Messern gestochen, wenn man außer den Klassikern auch andere Meister neben Wagner zu nennen wagt, aber man hat doch gleichwertige Grobheiten einzustecken, was verhindert wird, wenn man so musikalisch wie möglich mit den Wölfen heult. Das beste ist, daß man irgend ein Mitglied solcher Gesellschaft fragt: »Was halte ich von Bungert?« »Wie denke ich über Mascagni?« »Kann ich Leoncavallo ausstehen?« »Giebt es einen größeren Stümper als Meyerbeer?« Dann wartet man die Antwort ab und läßt hierauf die Meinung laut werden.

Wird man wegen einer unvorsichtigen Äußerung seiner aufrichtigen Meinung beleidigt, so entschuldige man sich, daß man ein eigenes Ohr, einen eigenen Geschmack und eine eigene Überzeugung habe, und verspreche Besserung. Dann wird man mit blauem Auge davonkommen.

Erscheint eine Erfrischung, so beeile man sich, da die Musik sofort wieder beginnt. Der Hausherr haßt die Pausen. Man nutze sie aus. Namentlich eignen sie sich zum Weggehen. Hat man hierzu nicht den Mut, so schreibe man sich die Folgen selbst zu.

Man sei mäßig im Applaus, wie in den Ausdrücken des Lobes. Denn was ein Quartett im Wiederholen leisten kann, das ist geradezu bewunderungswürdig.

Indem wir glauben, unser Thema erschöpft zu haben, was namentlich den Verfasser in eine angenehme Stimmung versetzt, drängt sich merkwürdigerweise immer ein neuer Gegenstand vor, welcher berücksichtigt sein will. Das Thema erscheint unerschöpflich. Aber die Geduld der Leser ist dies leider nicht, und so glaube ich, in deren Sinne zu handeln, wenn ich mich dem Schluß nähere.

Im Winter gedeiht bekanntlich die wissenschaftliche Vorlesung.

Es giebt eine Anzahl Vereine, welche es für ihre Pflicht halten, ihren Mitgliedern dann und wann einen ernsten Herrn an das Katheder zu liefern, der sie in ihnen fernliegende Gebiete führt und daselbst gewaltsam unterrichtet. Man besucht solche Vorlesungen, auch wenn man nicht unterrichtet sein will, denn es sieht vortrefflich aus.

 

Hat man kein Talent, sich zu vertiefen, so besuche man solche Vorlesungen, um es zu lernen, da man nicht weiß, wie man es eines Tages nützlich verwenden kann. Jedenfalls ist es gut, sich den Anschein zu geben, als lausche man mit lebhaftem Interesse, und hierin erlangt man in wissenschaftlichen Vorlesungen eine schöne Übung.

Versteht man in solcher Vorlesung jedes Wort ganz deutlich, so lege man trotzdem die rechte Hand an das rechte Ohr, um der Umgebung zu zeigen, wie aufmerksam man folge und wie ängstlich man fürchte, ein einziges Wort zu verlieren.

Versteht man von dem vorgetragenen Thema nichts, so sei man nicht trostlos. Man ist nicht der einzige. Man sage sich alsdann zur Beruhigung, daß der Vortragende alles verstehen wird.

Dann und wann mache man Notizen, wozu man Taschenbuch und Bleistift mitbringen muß. Man schreibe einige gleichgültige Worte, da es sich nur darum handelt, daß man schreibt.

Um das Gähnen zu kachieren, schneuze man sich mit einem größeren Taschentuch.

Will man sich eine Gefälligkeit erweisen, so frage man den Vortragenden am Schluß der Vorlesung, ob sein Vortrag im Druck erschienen sei, oder wann er erscheinen wird. Bei der herrschenden Unlust, Bücher zu kaufen, weiß man dann wieder den Titel eines Buches, das man nicht kauft.

Hat man Lust, mehr Damen zu sehen, als man in wissenschaftlichen Vorlesungen zu sehen bekommt, so besuche man eines der modernen Warenhäuser. Sonst unterlasse man solchen Besuch.

Kann man es sich leisten, so mache man, wenn die Saison in der Großstadt besonders interessant wird, eine Reise nach der Riviera.

Dies macht von sich reden und gilt allgemein als die That eines Lebemanns oder einer Lebefamilie. Es ist dies nicht so auffallend, wie wenn man im Sommer aus einer schönen Villa aufs Land zieht, aber es macht doch immer Aufsehen.

Will man sich die Achtung seiner Dienstboten bewahren, so lasse man ihnen die Schlüssel zu allen Räumen der verlassenen Wohnung. Denn namentlich die Diener sehen gern größere Gesellschaften bei sich, für welche nicht immer die Küche Platz genug bietet.

Ist man korpulent, so habe man einen schlanken Diener, ist man aber schlank, einen korpulenten. Dies ist der Garderobe, die man nicht mit auf die Reise nimmt, sehr zuträglich, wenn man den Diener nicht nach der Riviera mitnimmt.

Man lege Wert darauf, daß die zurückbleibende Haushälterin kein dramatisches Talent besitze. Hat sie gar Neigung, zur Bühne zu gehen und die augenblicklich das Repertoire beherrschenden Heroinen auszustechen, so entlasse man sie vor der Abreise. Denn man könnte sonst sicher sein, daß sie sich nicht nur eines Tages knebelt und dann bewußtlos auffinden läßt, sondern daß auch gleichzeitig alles Silber fehlt, welches einer ihrer Freunde trotz der Entwertung dieses Edelmetalls derart an sich genommen hat, daß es nicht wieder zum Vorschein kommt.

Jedenfalls lasse man die Bitte zurück, daß während des Aufenthalts an der Riviera nichts von solchen und ähnlichen Vorfällen telegraphiert werde. Denn man würde doch leicht veranlaßt werden, schleunigst zurückzukommen, während das Silber und die anderen Wertgegenstände fortbleiben, worauf man sich in den meisten Fällen verlassen kann.

Wenn man des wärmeren Klimas wegen nach Monaco reist, so nehme man nur das Geld mit, welches man unter dem Schutz des dort regierenden Fürsten verlieren kann. Viel einfacher wäre es allerdings, wenn man den Betrag an die Bank per Post einschickt, da die Bank es ja in jedem Fall gewinnt. Es ist aber anzunehmen, daß dies niemand glaubt und jeder das Geld gern selbst hinträgt, wodurch er das Porto spart.

Hat man sein ganzes Vermögen nach Monaco mitgenommen, so findet man dort, nachdem man es verloren hat, täglich Gelegenheit, sich durch einige Revolverkugeln aus der Welt zu schaffen. Zieht mag es aber vor, heimzureisen, so ist die Bankverwaltung bereit, das Eisenbahnbillet zu bezahlen, weil ihr das Knallen der Revolver seitens der Selbstmörder, welche dem Gift nicht den Vorzug geben, unangenehm ist.

Trifft man in Monaco einen sehr guten Freund, der gewonnen hat, so ist dies nicht wahr. Hat er aber wirklich gewonnen, was auch dann noch eine Reklame der Regierung sein kann, so pumpe man ihn auf der Stelle an, denn am anderen Tag ist es gewöhnlich zu spät.

So lange man noch bares Geld in der Tasche hat, ist es ratsam, jedem, den man trifft und der sich gerne im Spielsaal aufhält, zu klagen, daß man alles verloren habe, um sicher zu sein, nicht angepumpt zu werden. Allerdings dauert dieser Zustand nicht lange, da man nach kurzer Zeit ebenfalls alles verloren hat. Dann klage man nicht mehr, um nicht einem guten Freund Gelegenheit zu dem alten Witz zu geben: »Wenn du auch klagst, du hast dennoch nichts.«

Trifft man im Spielsaal ein holdes junges Mädchen, welches die Augen niederschlägt und errötet, wenn man es bezaubert anschaut, so ist die ganze Geschichte nicht wahr. Man erzähle also so etwas nicht. Man ziehe es vor, zu erzählen, daß man daselbst von mehreren eleganten Damen ersucht worden sei, zwanzig Francs für sie zu setzen, und jeder wird dies glauben, denn dies ist wahr, auch wenn man es zufällig nicht erlebt haben sollte.

Hat man die Ehre, von einem eleganten Herrn aus der besten Gesellschaft, den man nicht kennt, angeredet zu werden, so freue man sich, denn es ist ein Bauernfänger, den man sich merken muß.

Wenn man seine Uhr versetzt hat, so nehme man sich in Acht, daß man, gefragt, was die Uhr sei, in der Zerstreuung nicht den Pfandschein hervorholt, um Auskunft geben zu können, wenn man dem Pfandschein auch sofort ansehen kann, was die Glocke geschlagen hat.

Kommt man dann wieder in die Heimat zurück, so erzähle man, daß man sich vortrefflich amüsiert und auch etwas gewonnen habe. Es wird aber nicht geglaubt.

Wenden wir uns noch der Jagd zu, welche ja auch, wenn sie nicht Beruf ist, einen gesellschaftlichen Anstrich hat und zu der man also eingeladen wird. Hat man eine solche Einladung angenommen und folgt ihr, so nehme man sich vor, die Treiber zu schonen. Denn die Treiber haben dies mit den Nachtwächtern gemein, daß auch sie Menschen sind.

Kann man nicht gut lügen, so schlage man die Einladung aus. Dasselbe thue man, wenn man das Lügen nicht leiden kann und imstande ist, irgend etwas, was in einer Gesellschaft von Jägern erzählt wird, in Zweifel zu ziehen und mit einem ungläubigen Lächeln anzuhören. Jede Jagd ist eine Entenjagd, und wer dies bezweifelt, bleibe ihr fern.

Man gehe auf die Jagd, ohne einen Augenblick zu vergessen, daß die Wildhandlungen immer mit Beute versehen sind. Das erfüllt mit Mut und Seelenruhe.

Beim Wildhändler hat man genau auf das zu achten, was er einpackt. Namentlich vergewissere man sich, daß er keinen gespickten Hasen in die Jagdtasche steckt. Solches Tier ist zwar der Hausfrau ganz willkommen, man wird aber von ihr ausgelacht, da sie aus dem illustrierten Brehm weiß, daß der Hase nicht gespickt umherläuft.

Dem Schlusse uns fortwährend nähernd, finden wir auf diesem Wege andauernd Gelegenheit, uns hier und da aufzuhalten, um uns mit bisher übersehenen Situationen, in die man im Winter geraten könnte, belehrend zu beschäftigen. Aber bei näherer Betrachtung müssen wir uns doch sagen, daß diese Situationen nicht ausschließlich winterliche sind, sondern auch im Sommer eintreten, und da ich mich sehr bald einem »Leitfaden durch den Sommer« zuwenden werde, so wird sich Gelegenheit bieten, alles, was nur scheinbar unberücksichtigt blieb, auf das Sorgfältigste zu erledigen. Man gestatte mir nur noch einige Worte für den Fall, daß man dekoriert wird, da das Ordensfest in den Winter fällt.

Wird man, wie etwa Professor Menzel, mit dem höchsten Orden ausgezeichnet, so muß man selbst wissen, wie man ihn entgegenzunehmen und zu tragen hat. Daß man bei dieser Gelegenheit die größte Bescheidenheit an den Tag legt und die Auszeichnung als dem ganzen Stande, dem man angehört, erwiesen bezeichnet, zugleich ihn auch als Sporn, auf dem betretenen Wege fortzuwirken, betrachtet, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Ist man dann mit sich unter zwei Augen, so kann man sich unbeschränkt sagen, daß man die seltene Gabe ausschließlich dem verdankt, was man geleistet hat, und daß man dies geleistet haben würde, auch wenn man den höchsten Orden nicht erhalten hätte. Bemerkt man alsdann, daß alle Kollegen neidlos auf die Dekoration blicken, so wird man im Irrtum sein, der bekanntlich menschlich ist.

Weiß man längst, daß man einen Orden bekomme, so sei man derart überrascht, daß man keine Worte findet. Man finde sie erst am anderen Vormittag.

Erklärt ein Dekorierter jedem, der es nicht wissen will, ihm sei ein Orden gleichgültig, so sei man überzeugt, daß er nicht aus dem Hause geht, ohne ihn anzulegen, und ihn auch im Hause trägt. Fügte er hinzu, daß er nichts gethan habe, um in den Besitz des Ordens zu gelangen, so zweifle man nicht, daß er sich jahrelang und mit großen Opfern darum bemüht hat.

Will man ewig leben, so bekomme man einen Orden. Mit einem einzigen Orden ist noch niemand gestorben.

Und nun: Auf Wiedersehen!

II. Leitfaden durch den Sommer

Als ich dem geehrten Leser – ich habe überhaupt noch keinen ungeehrten Leser gesehen – meinen Leitfaden durch den Winter in die Hand gab, merkte ich sofort, daß er einer der überflüssigsten Leitfäden war, welche die Kataloge der Bibliotheken namhaft machen. Es war mir nämlich nicht möglich, auch nur einen einzigen Leser aufzutreiben, welcher mir offen oder unter dem bekannten Siegel der Verschwiegenheit mitteilte, der Leitfaden habe ihm irgend etwas genützt, und ich mußte mich in die Überzeugung finden, daß ich die vielen nutzlosen, um nicht zu sagen nichtsnutzigen Dinge, welche ich publiziert habe, um ein neues wertloses, wenn nicht bereichert, so doch vermehrt hatte. Jeder Leser wußte nämlich schon alles, was ich in meinem Leitfaden sagte. Der beste Rat, den ich gab, war billig. Man nahm jeden Fingerzeig mit einer Miene hin, als wollte man sagen: »Wer kennt den nicht, den habe ich selbst schon erteilt.« Jeder hatte jedes erlebt und genau so gethan, wie ich zu thun empfahl, denn jeder erklärte, alle meine Erfahrungen selbst gesammelt, alle meine Ratschläge selbst ausgeteilt, alle meine Betrachtungen selbst angestellt zu haben. Das war eigentlich nicht tröstlich, und am allerwenigsten konnte es mich ermuntern, meinen Leitfaden weiter zu spinnen. Es ist doch nicht die Aufgabe des Schriftstellers, nichts als ein Echo zu sein, jedenfalls muß es ihn mehr reizen, wenigstens als Souffleur zu fungieren. Als solchen konnte ich mich aber nicht betrachten, wenn ich nicht jeden berechtigen wollte, das Gerücht zu verbreiten, daß ich vom Größenwahn befallen sei.Wenn ich dennoch den Leitfaden durch den Sommer da anknüpfe, wo ich den durch den Winter atropossenhaft durchschnitten habe, so hat dies, wenn ich nicht irre, folgenden Grund. Ich muß nämlich, um gegen die geschätzten Leser und auch gegen mich gerecht zu sein, feststellen, daß mir jeder versicherte, er habe meine Zeilen, mein Elaborat, mein Werkchen, meine Aufsätze u. s. w. mit großem Vergnügen gelesen, wenn er auch, wie gesagt, nichts Neues daraus erfahren habe. Aber die Form, in der ich alles zu Papier gebracht, sei eine so gefällige – ich wähle in angeborener Bescheidenheit das geringste Epitheton – gewesen, daß er das ihm längst mundgerecht gewesene Bekannte gern gelesen habe. Dies wurde mir aber mit so großer Eindringlichkeit versichert, daß ich nicht umhin konnte, anzunehmen, man wolle nur nicht willig eingestehen, daß ich viele oder doch manche neue und nützliche Lehre veröffentlicht hatte, denn dies Eingeständnis konnte doch nur so aufgefaßt werden, daß man irgend eine weise Lebensregel nicht gekannt, nicht aus eigenen Erfahrungen herausgebildet, sondern sie der Lektüre meines Werkchens zu danken habe.

Man will von einem Schriftsteller unterhalten, aber nicht belehrt sein. So viele mir auch von dem Leitfaden durch den Winter sprachen, so viele haben mir auch gesagt, sie hätten ja nichts neues gelernt, aber sich doch gefreut darüber, daß ich das alte, ihnen längst bekannte zu Papier gebracht. Das hat mich ermuntert, mein Versprechen einzulösen und den besagten Leitfaden durch den Sommer fortzuspinnen.

Ich glaube, ein Leitfaden durch den Sommer kann nützlicher werden, als der durch den Winter. Das Sommerleben ist bunter und reicher gestaltet, als das Leben im Winter. Die Kälte scheint das Leben im Winter zusammenzuziehen, die Wärme das Leben im Sommer auszudehnen. Der Mensch bewegt sich im Sommer freier, ungebundener, als im Winter, in welchem er doch meist zwischen vier Wänden lebt. Das Leben ist im Sommer öffentlicher, ich möchte sagen: genialer, während es im Winter intimer, eingeschränkter, ich möchte sagen: philiströser ist. Man ist im Sommer leichter zu Ausschreitungen geneigt, zu Excessen verführt.

 

Der Sonnenstich hat ohne Zweifel seine Probezeit, in der man es den Befallenen kaum anmerkt, daß sie leidend sind, während sie es in der That sind und durch ihr Benehmen nur dem scharfen Beobachter verraten, daß sie mit knapper Not dem Schlimmsten entgangen sind. Das ist die Zeit, wo der Hund ehrlich toll zu werden pflegt und getötet wird, damit er kein Unheil anrichtet, während der Mensch meist im halbtollen Zustand in Gesellschaft, oder auf Reisen geht, Unheil anrichtet und sehr höflich behandelt wird.

Wenn man im Sommer alle halb- oder ganztollen Menschen totschlüge, so würden, wie ich glaube, nur sehr wenige Menschen den Herbst erleben.

Der Tropenkoller existiert auch in Europa, und selbst die mit einem milden Klima begnadeten Länder Europas haben ihren Tropenkoller. Da, wo der Tropenkoller zuhause ist, äußert er sich nur anders als bei uns. In den Tropen macht der Koller die Menschen wild, namentlich wenn sie dorthin geschickt sind, um unsere Kultur zu verbreiten, was schon an sich eine Grausamkeit ist. Sie mißhandeln die Schwarzen und sind außer sich, wenn diese Leute sich das nicht gefallen lassen wollen, und sie lassen Weiber peitschen, oder peitschen sie eigenhändig, Weiber, mit denen sie nicht einmal verheiratet sind. In unserer Heimat führt die Bekollerung die Befallenen nicht so weit, oder nur ausnahmsweise, aber sie äußert sich doch häufig in überaus drastischer Weise und wirkt dann komisch, oder langweilig, oder recht lästig, je nach der Heftigkeit des Anfalls. Wer hätte dergleichen nicht schon erlebt!

Gegenüber solchen Zuständen ist es nach meiner und wohl auch nach der Meinung aller sommerkollerfreien und solcher Menschen, die sich einbilden, es zu sein, keinenfalls überflüssig, auf Grund mancher Erfahrungen zu belehren, zu warnen, zu leiten und dazu beizutragen, daß nicht zu viel Schaden angerichtet werde.

Die Hauptarbeit bietet dem modernen Knigge natürlich die Reise.

Der Sommer ist die Reisezeit. Meines Wissens existiert noch kein Werk über den Umgang mit Reisenden. Dieser Umgang ist ein ganz anderer als der mit Menschen. Reisende sind meist keine Menschen, wenigstens keine ganz normalen. Es ist erstaunlich, was die Reise aus einem Menschen machen kann. Jedenfalls etwas anderes, als er bis zu dem Augenblick gewesen, wo er in den Besitz der Fahrkarte oder des Rundreisebüchleins gelangt ist. Ganz umgängliche Menschen werden das Gegenteil. Nur die langweiligen, lästigen und ungebildeten Menschen bleiben, was sie sind, wenn sie nicht noch eine Nummer langweiliger, lästiger und ungebildeter werden, was man aber nicht konstatieren kann, weil man sie erst kennen lernt, wenn sie im Waggon sitzen, oder im Hotel abgestiegen sind. Eine ganz besonders merkwürdige Gruppe bilden die in Deutschland reisenden Engländer.

Trifft man im Waggon einen Menschen, der es jedem Mitreisenden übel zu nehmen scheint, daß er nicht zuhause geblieben ist, so ist er ein sogenannter Sohn Albions. Dieser alte Albion hat seine Söhne merkwürdig erzogen, er hat ihnen vor allen Dingen eingeredet, ihnen gehöre die Welt, und sie hätten daher das Recht, die Bewohner anderer Länder als Eindringlinge zu betrachten und also zu behandeln, wie Eindringlinge dies verdienen. Als gehorsame und die Aussprüche ihres Erzeugers als den Ausdruck der höchsten Weisheit schätzende Söhne handeln sie nach den ihnen eingeimpften Lehren.

Es ist ein Beweis für die Gleichgültigkeit, welche die Eisenbahnverwaltungen den Reisenden widmen, daß sie, wie sie eigene Coupés für Raucher und Damen und eigene Waggons für Pferde, Hunde, Gänse und andere landwirtschaftliche Bevölkerungsklassen eingerichtet, nicht auch Coupés für Engländer ins Rollen gebracht hat.

Wenn in dem Augenblick, wo man das Waggonfenster geschlossen wünscht, jemand das Waggonfenster öffnet und auf die Bitte, dies zu unterlassen, keine Antwort giebt, so ist es ein Engländer.

Wenn in dem Augenblick, wo jemand das Waggonfenster geschlossen wünscht und man es öffnen will, was aber der Fensterschließer nicht duldet, so ist es gleichfalls ein Engländer.

Will sich der Reisende wohl fühlen, so setze er sich einem Engländer gegenüber, der den Gegenübersitzenden nicht die Füße auf den Schooß legt. Thut er es aber nachher, so scherze man, der Engländer sei gut aufgelegt, sonst beginnt er zu boxen.

Bevor man auf die Reise geht, lerne man aus diesem Grunde boxen. Das Boxen ist in acht Wochen vollständig zu lernen, wenn man von dem Faustprofessor nicht in den ersten vier Stunden totgeboxt wird. In diesem Fall ist es nichts, und man kommt in den Himmel, ohne boxen zu können.

Kann man boxen, so nehme man den Kampf mit dem Engländer auf, gegen den man nicht aufzukommen vermag, weil ihm die Grazien das Boxen in die Wiege gelegt haben.

Spricht der Engländer deutsch, so ist es kein Engländer. Nur wenn er keine Antwort giebt, weil man nicht englisch spricht, dann ist er echt.

Findet man auf der Veranda eines Hotels ein Paar Stiefel auf einem Sessel, so wird es von einem auf einem danebenstehenden Stuhl sitzenden Engländer getragen.

Ärgern sich Engländer, daß sie nicht allein, sondern daß auch Angehörige anderer Nationalitäten in einem Hotel sind, so bemerke man dies mit innigem Vergnügen, bedaure aber die Angehörigen anderer Nationalitäten. Denn es ist menschlich, so zu handeln.

Findet man, daß die Engländer irgendwo durch große Gentilität das Leben verteuert haben, so irrt man sich. Denn sie sind immer gute Kaufleute gewesen und haben stets lieber genommen als gegeben.

Sitzt man in einem Coupé für Nichtraucher und ein Engländer raucht, so mache man ihn darauf aufmerksam, daß dies nicht erlaubt sei, und gehe dann, da dies nicht berücksichtigt wird, in ein Coupé für Nichtraucher. Denn es ist vor allem nötig, daß man sich nichts gefallen läßt.

Man glaube aber nicht, daß die Engländer die einzigen unangenehmen Reisenden sind, denn die Täuschung wäre zu groß.

Ist man im Hotel eben eingeschlafen und es wird im Nebenzimmer gesungen oder laut geschwatzt, so wache man nicht auf, da das Wiedereinschlafen nicht leicht zu sein pflegt. Man werfe dann auch nicht einen Stiefel an die Thür des geräuschvollen Nebenzimmers, weil dies nichts nützt und dem Stiefel sogar schadet. Man warte ruhig, bis es im Nebenzimmer ruhig wird und fange dann selber zu toben an. Das wird die beste Warnung für die folgende Nacht sein.

Wenn man nach dem Hausknecht verlangt und will sich nicht darüber ärgern, daß er nicht kommt, so klingele man nicht. Dann ist man vor dem bezeichneten Ärger bewahrt.

Man lasse sich im Hotel keine Cigarren bringen, da man in jedem Cigarrenladen mindestens ebenso schlechte billiger kaufen kann.

Legt man sich schlafen, so verschließe man die Thür. Denn es könnte doch sein, daß einem anderen Hotelbewohner einfällt, er habe dir nicht gute Nacht gewünscht, aufsteht, in dein Zimmer schleicht und deine Uhr mitnimmt. Dasselbe gilt von der Brieftasche und der Brillantnadel.

Man merke sich genau, was man im Hotel verzehrt und kontrolliere die Rechnung genau, denn es giebt unter den Wirten einige Zechpreller.

Lernt man auf der Reise eine Dame kennen, in deren blaue Augen man sich so verliebt, daß sie sich gern dir anschließt und dann bei der ersten besten Gelegenheit mit deinem Portemonnaie davongeht, so freue man sich, gleichfalls mit blauem Auge davongekommen zu sein.