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Der moderne Knigge

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Tritt man vor ein Gemälde, so blicke man zuvörderst in die rechte Ecke desselben, indem man sich dahin bückt, um den Namen des Malers zu entziffern. Man interessiert sich gar nicht für ihn, aber es ist so allgemein gebräuchlich.

Sieht man ein Porträt, so sage man: Sehr ähnlich! auch wenn man das Original nicht kennt. Man deutet nur damit an, daß man Menschen kennt, die sich malen lassen können. Anders, wenn man das Porträt einer oder eines Bekannten sieht. Dann erklärt man, es sei unähnlich, es fehlten die richtige Haltung und der seelische Ausdruck. Dadurch macht man auf die Umstehenden den Eindruck, man sei streng, aber gerecht.

Versteht man von der Malerei nichts, so spare man nicht mit kurzen, aber inhaltreichen Äußerungen. Hierzu merke man sich Ausdrücke, wie: Satte Farben, mangelhafte Perspektive, unnatürlicher Luftton, verzeichnet, die Figuren heben sich nicht ab, schmutzige Fleischfarbe u. s. w. An Statuen finde man einen zu langen oder zu kurzen Schenkel, einen zu kurzen Hals, Mangel an Originalität, an Büsten vermisse man das Wesen der oder des Dargestellten. Lob ausgeschlossen.

Beim Anblick von Centauren und in Fischschwänzen auslaufenden Frauen sage man, was einem einfällt. Im ganzen Saal ist keiner, der schon solche Mißgeburten lebend gesehen hat.

Sieht man das Bild eines Malers, der nichts kann und augenscheinlich selbst nicht weiß, was es darstellt, so vergesse man nicht, daß der betreffende Maler jedenfalls eine Schule gegründet hat, und äußere sich also respektvoll über das Bild. Denn gewöhnlich steht in der Nähe ein Mitglied dieser Schule, was unter Umständen sehr unangenehm werden kann.

Man halte die Landschaft, welche ein anderes Mitglied der bezeichneten Schule ausgestellt hat, für einen Seesturm, oder für eine Liebesscene, je nachdem man aufgelegt ist. Es stimmt immer.

Will man sich einem anwesenden Sezessionisten angenehm machen, so nenne man jeden Künstler, der etwas leistet, einen alten Stümper. Sofort gilt man als ein kunstsinniger Mann.

Findet eine Dame eine sehr korpulente Eva ausgestellt, so glaube sie nicht, daß Eva vom Apfelgenuß so korpulent geworden ist, und fürchte sich auch in Zukunft nicht, Äpfel zu essen. Eva wird immer korpulent gemalt.

Sieht man das Bild einer nur mit einer Schlange bekleideten Frau, so ist es von Meister Stuck und stellt die Sünde vor. Ist solches Bild von einem Andern ausgestellt, so ist es ein Druckfehler im Katalog, auch wenn es keiner sein sollte.

Der Verliebte soll sich nicht einbilden, eine Ausstellung sei nur zu Rendezvous eröffnet. Sie hat ja wenig praktischen Nutzen, aber ausschließlich zu Rendezvous ist sie denn doch nicht vorhanden.

Auch wenn man Vergolder ist, soll man ein Gemälde nicht allein nach dem Rahmen beurteilen.

Wenn man keine Lose zur Ausstellungslotterie kaufen will, so sehe man sich die zur Verlosung angekauften Kunstwerke an. Vielleicht wird man dadurch in seiner Absicht bestärkt.

Ist man ein Friedensfreund und will von einer Schlacht nichts wissen, so betrachte man ein Schlachtenbild. So sieht keine Schlacht aus.Als Maler nehme man keine Einladungen zu Diners und Soupers an. Man kann dabei verhungern.

Nimmt man von einem Maler Abschied, so wünsche man ihm gesegnete Malzeit, nicht weil, sondern damit er was zu essen hat.

Man stehe nicht vor den Bildern der Impressionisten. Denn diese Bilder kann man nur als solche erkennen, wenn man ziemlich weit zurücktritt, und die Zurücktretenden pflegen sich auf die Füße der anderen zu stellen, während die Entschuldigung den Schmerz nicht wesentlich mildert.

Kann man dazu den nötigen Dummen auftreiben, so wette man mit diesem oft so wichtigen Menschen, daß sich in der Kunstausstellung badende Nymphen vorfinden. Die Wette ist gewonnen. Nymphen baden immer, daher findet man sie auch so sauber. Überhaupt bedecken gescheite Maler ihre Leinwand mit nackten Frauengestalten häufiger, als dies umgekehrt der Fall ist, da das Nackte die stärkste Anziehungskraft bildet. Selbstverständlich betrachtet man diese Bilder immer nur aus Interesse an der Kunst.

Ähnlich verhalte man sich im Skulpturensaal, wo der kalte Marmor meist unbekleidet aufgestellt ist, und zwar ist hier das Nackte gewöhnlich noch um einen Grad nackter als in den Ölsälen. Ich erinnere nur an den nackten Jüngling, der sich noch obenein einen Dorn auszog, obwohl dieser an der Splitternacktheit nichts geändert hatte.

Man traue den Damen nicht, welche an solchen Bildern und Marmorwerken mit niedergeschlagenen Augen vorübergehen. Auch denen nicht, welche sie aufsuchen. Man traue überhaupt den Damen nicht.

Der Maler beklage sich nicht, daß sein Werk im Dunkeln hängt und nicht gesehen wird. Er kann nicht wissen, wozu dies gut ist.

Wenn man ein guter Mensch ist, so lobt man ein ausgestelltes Bild nicht so laut, daß es ein Maler hört, der es nicht gemalt hat, denn es ärgert diesen, und man soll den Nebenmaler nicht kränken.

Man bewundere kein Bild aus der neuesten Schule, indem man ausruft: »Welch ein herrlicher Sonnenuntergang!« Es ist vielleicht ein Fruchtstück. Man halte auch nicht ein Bild derselben Herkunft für die »Drei Hexen vor Macbeth«, der Katalog nennt es vielleicht: »Das Urteil des Paris«. Man benutze überhaupt den Katalog fleißig. Was man für eine Kleopatra hält, die zur Schlange greift, ist vielleicht eine Aalhändlerin in der Markthalle.

Hat man einen Begleiter, der alles lobt, was man häßlich, und alles tadelt, was man schön findet, so äußere man bald das Gegenteil dessen, was man denkt, und man wird die Zeit, die man in der Ausstellung zubringt, ganz angenehm verbringen. Es giebt Besucher, die immer das Gegenteil sagen, um als Kenner zu gelten, und mit denen man sehr diplomatisch verkehren muß.

Will man ein Bild kaufen, so ziehe man keinen Künstler zu Rate. Er ist vielleicht ein Freund des Fabrikanten, der den Rahmen geliefert hat.

Von den Kunstausstellungen zu den Wirtshäusern ist nur Ein Schritt, namentlich für die Künstler. Aber auch diejenigen, welche nicht Künstler sind, pflegen solche Oasen in der Wüste des Berufslebens gern aufzusuchen. Es ist daher geboten, dies im allgemeinen Interesse hier zu berücksichtigen.

Es giebt für die Wirtshäuser Ratschläge, die nicht erteilt zu werden brauchen, weil jeder gewiegte Gast sie sich selbst giebt. Der erste ist der: Man hänge den Paletot an eine Stelle, die man immer im Auge hat, um bereit zu sein, wenn sich der Paletotmarder nähert. Der Paletotmarder hat ein feines Gefühl für die Aufsicht, unter der sich das genannte Kleidungsstück befindet. Aber die Gefahr ist immer groß, denn es ist noch nicht vorgekommen, daß jemand zwei Paletots anstatt eines oder einen besseren vorgefunden hat. Dasselbe gilt von den Schirmen und Stöcken. Den Stock behalte man überhaupt bei sich, denn man kann nicht wissen, wozu man ihn braucht.

Rief man längere Zeit vergeblich nach dem Kellner, so stoße man den Schrei aus: Zahlen! Alsbald erscheint der Zahlkellner, bei dem man dann die betreffende Bestellung anbringt.

Ist ein Kellner grob, so freue man sich, nicht der Kellner zu sein, denn dieser bekommt dann größere Grobheiten zu hören.

Wenn man ein Freund der Musik sein sollte und dies bleiben möchte, so gehe man in kein Wirtshaus, in welchem Musik ist, denn dann wird man ihr Feind.

Sieht man gern illustrierte Zeitungen an, so bestelle man das neueste Abendblatt. Da dies nicht frei ist, bekommt man sofort die »Leipziger Illustrierte Zeitung«.

Den Buffetdamen, namentlich in der Bar, mache man nicht den Hof. Diese geplagten Wesen möchten doch auch einmal eine Abwechslung haben.

Man politisiere im Wirtshaus nicht, weil es vergebliche Arbeit ist. Denn an den Stammtischen sitzen immer die größten Politiker der Gegenwart, die spätestens um zehn Uhr abends alles geordnet haben.

Will man sicher sein, in einem Restaurant, das man bisher nicht besucht hat, Bekannte zu treffen, so betrete man es in Begleitung einer Dame, mit der man nicht gesehen sein will. Sofort sieht man die gewünschten Bekannten, oder doch wenigstens einen. Ist man dann zufällig überzeugt, daß die betreffende Dame von keiner Seele in der Stadt gekannt ist, so pflegt nicht ein einziger Gast anwesend zu sein, der sie nicht ziemlich genau kennt.

Bestellt man sein Leibgericht, so ist es gestrichen. Also bestelle man es nicht.

Merkt man in dem Augenblicke, wo man etwas bestellen will, daß man kein Geld bei sich hat, weil man auch keins zu Hause hat, und fehlt einem auch der beliebte Kellnerkredit, so sage man sich dies mehrmals hintereinander, und es vergeht einem der Appetit.

Wird man vom Hunger verleitet, Zechpreller zu werden, so ist es kein anständiger Hunger. Läßt man sich aber verleiten, so sei man sicher, vom Kellner erwischt zu werden, denn der Zechpreller ist mit der Zeit dumm geworden. Es giebt überhaupt so viele Arten ungefährlicher Zechprellerei, daß man erstaunen muß, wie sich noch jemand der alten und gefährlichen Art bedienen kann. Jeder hat wohl in seiner Bekanntschaft einen Zechpreller, der sich ohne das geringste Risiko Speisen und Getränke zu verschaffen weiß. Außer der gewöhnlichsten Zechprellerei, die darin besteht, daß man unbefangen an einen Tisch herantritt, an welchem ein guter Freund speist und unter der Versicherung, man habe schon gespeist, die freundliche Einladung des nicht gern allein speisenden Freundes annimmt und dann wie für das Vaterland einhaut, möchte ich hier für diejenigen, die noch Laien in der Zechprellerei sind, einige Meter Leidfaden liefern.

Man erkläre an einem Tisch das Portemonnaie, das man, wie man gewiß wisse, zu sich gesteckt hat, für verloren und setze hinzu, den Verlust des Geldes verschmerzen zu können, jedoch sei das Portemonnaie ein liebes Angedenken an einen teuren Freund. Freunde sind immer teuer. Aber als ebenso fatal bedaure man, dem Kellner sagen zu müssen, daß das Portemonnaie seinen Herrn verloren habe. Nun wird man an dem Tisch des Bekannten durch eine Einladung förmlich zur Zechprellerei gezwungen und prellt dann auch nach einigem Sträuben.

 

Hat man das Portemonnaie schon zu häufig als verloren benützt, so wartet man in der Plauderei am Tisch auf die passende Gelegenheit, die sich ja immer bietet, als Wettender wie ein Donnerwetter auf den Freund niederzufahren. Preis der Wette: das Abendessen. Eingeschlagen! Natürlich gewinnt man und zechprellt.

In Restaurants, wo dies angängig, schlägt man vor, um das Abendessen zu würfeln. Natürlich mit Vorsicht, denn der Freund mogelt vielleicht selber. Verliert man, so merkt man, wenn der Zahlkellner erscheint, daß man kein Geld bei sich habe. Man durchsucht alle Taschen, auch solche, die man nicht an der Innenseite der Weste hat, und thut sehr verzweifelt. Alsdann bezahlt der Gewinner die Zechprellerei, was man sofort vergißt.

Ein guter Zechprellertric ist auch der folgende. Hat sich zu Ehren irgend eines Ereignisses eine Gesellschaft zusammengefunden, deren Mitglieder sich aus eigener Tasche beköstigen, so schließt man sich ihr an und erscheint pünktlich. Hat man eine gute Nase, so merkt man, daß der Kümmelkäse näher kommt, und läßt sich sofort einfallen, daß man zu telegraphieren habe. Man stürzt fort, indem man verspricht, nach zehn Minuten wieder zurück zu sein, und die Zechprellerei ist ein vollendetes Werk. Den Kümmelkäse holt man zu Hause nach.

Ist man Mitglied eines runden Tisches, so schone man die Eigentümlichkeiten jedes einzelnen Teilnehmers. Nur so macht man manchen unschädlich. In jedem gebildeten Kreise ist einer, der immer Recht hat. Man bedaure diesen, weil es doch sehr schwer sein muß, so viel Recht mit sich herumschleppen zu müssen, und gebe ihm immer Recht, besonders wenn er Unrecht hat. Endlich merkt er es, sucht sich einen anderen Tisch, an den sein Ruf noch nicht gedrungen ist, und wird auf diese Weise einer der gefürchtetsten Rundreisegäste.

Den unheilbaren Witzbold der Gesellschaft muß man austoben lassen. Tobt er sich anstatt aus immer mehr ein, so greife man zum äußersten, indem man sich eine Reihe seiner Witze merkt und sie ihm eines Abends vorreißt. Sieht er auch dann das Arge seines Gebarens nicht ein, so teile man ihm mit, man habe den Arzt wegen eines Leidens konsultiert und dieser habe Lachen verordnet. Dann suche man einen anderen Stammtisch und lasse an diesem ein Plakat anbringen: Dieser Tisch darf nicht verunwitzelt werden!

Ein grober Wirt muß höflich behandelt werden, damit er nicht gröber wird.

Ist der Grog zu stark von Wasser, so gieße man noch etwas Wasser zu und gebe ihn dem Kellner als Trinkgeld. Dadurch verbessert man den künftigen Grog wesentlich.

Man hüte sich vor alten Austern, auch wenn ihr Bart nicht grau ist.

Dann und wann kaue man ein Stückchen Kork, damit man weiß, wie der Wein nicht schmecken darf. Schmeckt er nach diesem nützlichen Gewebe, so sage man dies dem Wirt, damit eine neue Flasche Wein gebracht werde, nicht erst nach dem letzten Glas, weil dies dann gewöhnlich nicht geschieht.

Auch der vollkommenste Menschenfreund bedauere den Kellner nicht, wenn er sich verrechnet hat, denn dies geschieht nie zu dessen Nachteil.

Man habe immer den Hausschlüssel bei sich, besonders dann, wenn man Grund hat, ihn zu Hause vergessen zu haben.Wird dem Stammtisch ein gewohnheitsmäßiger Brüderschafttrinker zugeweht, so gebe man sich keine Mühe, mit heilem Sie davonzukommen, sondern hoffe nur das Beste von seinem schlechten Gedächtnis, mit dem ihm sicher das viele Dutrinken reich begabt hat. Als praktisch hat sich indes zuweilen das folgende Mittel bewährt. Merkt man, daß bei dem Duzbold das Versetzen in die zweite Person Singular ausbricht, so schenke man, wenn er nicht hinsieht, ein und trinke rasch aus. Volle oder halbvolle Gläser krümmen sein Armbein. Nützt alles nichts, so suche man wenigstens um seinen Kuß zu kommen. Diesen glücklichen Verlust erleidet man am einfachsten dadurch, daß man die Cigarre nicht aus dem Munde nimmt.

Man kaufe im Wirtshaus keine Cigarre zu zehn Pfennig, besonders wenn sich an dem Tisch ein Pfälzer befindet, der durch den Duft von Heimweh ergriffen wird. Das Heimweh kann einen Menschen zur Verzweiflung bringen, oder ihn doch sehr melancholisch stimmen.

Wünscht man sich schon lange ein Porträt, das absolut nicht zu erkennen ist, so versäume man nicht, sich von einem im Wirtshaus hausierenden Silhouetteur schneiden zu lassen.

Von einer Kolporteurin der Heilsarmee kaufe man ein Exemplar ihres Blattes. Es ist doch zu angenehm, eine Zeitung zu haben, die man nicht zu lesen braucht.

Wenn man kein guter Ehemann ist und möchte als ein guter gelten, so sage man mit ermüdender Regelmäßigkeit seinen Freunden, man müsse früh nach Hause, da die Gattin nicht daran gewöhnt sei, allein zu sein. Dann wird man von allen Seiten ersucht, einmal eine Ausnahme zu machen, ist sofort gern gefällig und geht später als die Andern nach Hause.

Wird um das Getränk gewürfelt, so gewinne man, wenn man nicht gern ausgelacht zu werden pflegt. Gewinnt man immer und hat das eine Weile gedauert, so klage man über fortwährendes Pech und schließe sich vom Knobeln aus. Denn die Serie von pechösen Abenden kommt ganz gewiß nach.

Sitzt man an einem Tisch und speist, während ein anderer Gast raucht, so frage man ihn, ob ihn das Essen nicht beim Rauchen störe. Er wird dies ganz gewiß verneinen, denn er gehört ohne Zweifel den gebildeten Ständen an.

Bietet sich im Café ein Herr in der liebenswürdigsten Weise zum Führer durch Berlin an, so lehne man verbindlich dankend ab, indem man sich damit entschuldigt, daß man, wenn es dunkel wird, selber Freunde verschleppe.

Was die Eiszeit betrifft, so tritt solche jetzt bekanntlich nur recht unregelmäßig, unpünktlich und etwas kurzlebig auf, doch werden einige Fingerzeige trotzdem am Platze sein. Vor allem spiele man den Abgehärteten, der sich über die herrschende Kälte freut, namentlich wenn man in solcher Zeit nichts so liebt, wie den geheizten Ofen und den anbrechenden Frühling. Besonders in einem Raum, der angenehm warm ist, spreche man mit Begeisterung von dem unter den Wagenrädern singenden Schnee und dem erstarrten Flußbett. Das macht immer den Eindruck unverfrorener Männlichkeit.

Ist man aber durch Umstände gezwungen, oder durch einen unglücklichen Zufall in die Lage geraten, aufs Eis zu gehen, so beklage man laut, daß man leider nicht lange bleiben könne, nicht länger als höchstens dreimal Hinfallen.

Man vermeide es sorgfältig, wörtlich zu sagen, man sei gerne aufs Eis gegangen. Man drücke sich anders aus. Denn es ist immer ein Freund vorhanden, welcher vor Kälte mit den Zähnen die Worte klappert: »Dir ist wohl zu wohl?« Hat man aber diesen ehrwürdigen Witz provoziert, so lache man und sage, daß diese Beleidigung nur mit Punsch abgewaschen werden könne, sonst hat man die Hohnlacher auf seiner Seite. Zugleich hat man vielleicht wirklich Gelegenheit, zu einem Glas Punsch zu kommen.

Will man vor lästigen Bemerkungen sicher sein, so miete man sich auf der Eisbahn ein Paar Schlittschuhe und trage dasselbe sichtbar. So kann man behaupten, man habe es schon benutzt, oder werde es sofort benutzen.

Fallenden Damen gegenüber sei man sehr vorsichtig, wenn man unverheiratet ist. Es giebt Damen, welche das Fallen gewerbsmäßig betreiben, auf Hilfeleistung von Menschenfreunden oder Galanten spekulieren und sie in den Kreis ihrer Berechnungen gezogen haben. Man eile nicht sofort hinzu, sondern lasse anderen den Vortritt, denn auch hier gilt der alte Satz: »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.« Hebt man aber auf, so pflegen manche gefallene Damen derart dankbar zu sein, daß es einem nur einen Augenblick angenehm ist, man es aber später bereut.

Man sehe auf der Eisbahn nichts, wenn man sich nicht lästig machen will, denn sie ist ein beliebter Ort für ganz zufällige Zusammenkünfte, die sorgfältig verabredet sind. Will man sehr beliebt werden, so teile man dann und wann mit, daß man durch den Anblick der Schneefläche geblendet werde und nichts sehe.

Fällt man hin und hat sich sehr weh gethan, so lache man. Natürlich wird das für eine Komödie gehalten, aber es ist doch dieser und jener um eine Schadenfreude gekommen, die man jetzt selbst genießt.

Tritt Thauwetter ein, so fordere man jeden Bekannten dringend auf, mit auf die Eisbahn zu kommen. Selbstverständlich lehnt jeder ab, aber man gilt dann doch als ein passionierter Eisläufer, wenn man dies nicht sein sollte.

Man sei vorsichtig, wenn man eine Eismutter trifft. Sie ist nicht zum Laufen, sondern zum Bleiben gekommen, und zwar bei ihren Eistöchtern. Eine Eismutter ist doch ernster zu nehmen, als eine Ballmutter. Schon ihr Aufenthalt in der ungemütlichen Kälte weist auf rauheres Wesen und größere Tapferkeit hin, als der Ballmutter in der behaglichen Temperatur des Saales eigen zu sein pflegen. Eine Eismutter verhält sich zu einer Ballmutter, wie eine Wittwe zu einem Backfisch. Sie ist weniger harmlos, sehr kühn und geht ohne Schonung auf das Ganze.

Den Eisvater hat man nicht weniger vorsichtig anzufassen. Er ist der Gegensatz zum Ballvater, der durch Skat und Cigarre unschädlich gemacht zu werden pflegt. Denn der Eisvater hat die Eisbahn in seiner Jugend gewöhnlich selbst sehr eigennützig ausgebeutet und kennt die Schliche der Schlittschuhplattler, namentlich der Leutnants, Studenten und Jeunesse dorée.

Hat man die Eisbahn eines Flusses oder eines anderen Gewässers in Verdacht, daß sie unsichere Stellen hat, und fürchtet man, einzubrechen, so ziehe man die gegossene Eisbahn vor. Auf dieser kann auch der Furchtsamste ein Held sein, der vor den Schrecken der entfesselten Fluten nicht erbleicht und den menschenfeindlichen Neptun keck herausfordert.

Wird man von einer Familie eingeladen, ein Eisfest mitzumachen, so nehme man an und werde rechtzeitig unpäßlich. Ich empfehle einen verstauchten Fuß. Nur wenn man gern auf Kinder aufpaßt, welche die Familie jedenfalls zum Eisfest mitführt, greife man zu und stelle sich pünktlich ein.

Ist man gestürzt und hat sich die Wange, die Stirn oder eine andere geeignete sichtbare Stelle so aufgeschlagen, daß eine Narbe bleibt, so kann man diese später als eine schöne Erinnerung an ein Duell bezeichnen und hat dann ein großes Eisvergnügen gehabt.

Wenn man als Feind der Kälte auf das Eis geraten ist, so erkenne man keinen Freund oder Bekannten, da man, den Hut zu ziehen, wenigstens eine Hand aus der Tasche nehmen muß, wodurch die Hand nicht wärmer wird.

Man weiche jeder Einladung zu einer Schlittenpartie aus, denn das fast einzige Vergnügen einer solchen besteht darin, daß der Schlitten nicht umfällt.

So unwichtig es manchem erscheinen mag, über das Verhalten im Pferdebahnwagen im Omnibus, oder in den Salons der elektrischen Bahn irgend welche Fingerzeige oder dergleichen zu veröffentlichen, so ist dies dennoch nötig und gerade um so nötiger, als dies eben manchem unwichtig erscheint. Wer dann und wann der Langeweile nicht ausweichen kann, von den bezeichneten Beförderungsmitteln Gebrauch zu machen, wird mir zugeben, daß in diesen Fuhrwerken nur höchst selten Spuren der Kultur gefunden werden.

Will man aus irgend welchem Grunde als ein unverbesserlicher Knote gelten, so folge man der hier oft beobachteten Unsitte, an den Haltestellen miteinsteigende Damen vom Eingang des Wagens abzudrängen, vor ihnen einzusteigen und sie sogar dann zu zwingen, im Regen wieder umzukehren und den nächsten Wagen abzuwarten, um dann ebenso von den hauptstädtischen Knoten behandelt zu werden.

Will man geradezu auffallen, für einen Sonderling oder für einen Narren gelten, der um jeden Preis den Ritter der Damen spielen will, so braucht man nur einer in den Wagen tretenden Dame, die keinen Sitzplatz mehr findet, den seinen zu überlassen und auf den Perron hinauszugehen. Sofort wird man wie ein Wundertier kopfschüttelnd angestarrt, was recht traurig ist.

Findet man nun einen Perronstehplatz und die an der Perronwand stehenden Fahrgäste sind nicht ohne Bitten bereit, etwas zusammen zu rücken, um das ohnehin karge Plätzchen frei zu machen, so wende man sich deshalb nicht an den Schaffner. Denn auch diesem kann es nicht gelingen, aus ungebildeten Zeitgenossen halbwegs gebildete zu machen. Solche Fahrgäste benutzen die Pferdebahn häufig und hätten von dem Schaffner längst lernen können, sich anständig zu benehmen, wenn sie bildungsfähig wären. Sie sind es wirklich nicht.

Hat man im Wagen etwas vergessen oder verloren, so verlasse man sich auf die Ehrlichkeit aller Fahrgäste und melde sich am andern Tage im Fundbureau. Hat man aber im Wagen weder etwas vergessen, noch etwas verloren, so kann man sich mit noch größerer Sicherheit auf die Ehrlichkeit aller Fahrgäste verlassen.

 

Wird von einem Fahrgast erzählt, er merke eben, daß er leider sein Portemonnaie verloren habe, so schärfe man sich seine Physiognomie ein. Denn er hat jedesmal, wenn er die Pferdebahn benutzt, sein Portemonnaie verloren.

Ist ein Fahrgast angetrunken, so behandle man ihn wie einen Nüchternen. Angetrunkene Fahrgäste verlangen dies und sehen sehr strenge darauf, so behandelt zu werden.

Fährt man mit einem Fahrgast zusammen, welcher sich bitter über die mangelhaften Verkehrsmittel beklagt und namentlich darüber, daß zu langsam gefahren wird, so sei man keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß er aus einer Stadt kommt, in der es überhaupt keine Fahrgelegenheit giebt.Ist man Arzt, so fahre man im Thau- oder Regenwetter dann und wann mit der Pferdebahn, um sich über den Sumpf zu freuen, den die Perrons bilden. Viele Krankheiten von der Gicht abwärts verdanken diesem Sumpf ihre Existenz oder Förderung derselben.

Ist der Schaffner ein Dichter, so thue man ein gutes Werk, indem man ihn zu dem Entschluß zu bringen sucht, nicht unter die modernen Lyriker zu gehen und fortan mit diesen die Dichtkunst als Gewerbe zu betreiben. Denn er würde gründlich verdorben werden, alle Natürlichkeit verlieren und sich bald in seine Schaffnerstelle zurücksehnen, die dann aber vielleicht besetzt wäre.

Bekommt man von einem Eintretenden einen Tritt auf den Fuß und er entschuldigt sich nicht sehr höflich, so sage man nichts, sondern begnüge sich bescheiden mit diesem einen Tritt. Der ungebildete Fahrgast pflegt es als sein gutes Recht zu betrachten, auf die Füße zu treten, sich nicht zu entschuldigen und, wenn man ihn deshalb zur Rede stellt, nochmals zu treten. Aber ein einziger Tritt muß auch dem Vergnügungssüchtigsten genügen.

Sitzt man neben einer Frau, die einen ungezogenen Jungen als Handgepäck bei sich hat, so finde man ihn musterhaft erzogen, denn die Mutter hält ihn dafür und würde sehr verstimmt werden, wenn man an dem Benehmen des Bengels etwas zu tadeln fände.

Bemerkt man vom Pferdebahnwagen aus einen Menschenauflauf, so springe man nicht ab, um die Neugierde zu befriedigen und den Verlauf abzuwarten. Man freue sich statt dessen, in Sicherheit zu sein.

Man bleibe überhaupt jedem Auflauf fern. Man mache einen Umweg, um ihm auszuweichen. Denn man darf überzeugt sein, daß meist die müßigen Zuschauer solcher Aufläufe sehr viel unangenehmes erleben, wenn sie als Augenzeugen mit aufs Polizeibureau müssen.

Wenn der Auflauf dadurch entstanden ist, daß einige Männer das Bedürfnis haben, sich zu prügeln, so störe man sie nicht durch das menschenfreundliche Bemühen, sie zu trennen. Gewöhnlich bekommt man anderenfalls alle Prügel, welche noch übrig sind, und es pflegt gewöhnlich noch ein ziemlich reicher Vorrat vorhanden zu sein.

Wird man von einem Schutzmann aufgefordert, weiter zu gehen, so versuche man nicht, ihm auseinanderzusetzen, daß man nicht der einzige sei, der stehen geblieben, und sich mit ihm über die betreffenden Paragraphen der Verfassung zu unterhalten. Ein Schutzmann ist nur in höchst seltenen Fällen ein Causeur, sondern meint, man möchte arretiert sein. Wenn man es dann schwer findet, ihn von seinem Irrtum zu heilen, ist man gewöhnlich schon verhaftet.

Will man nicht wissen, was los sei, so frage man mehrere, welche an dem Auflauf teilnehmen, alsdann erfährt man es nie.

Hat man unglücklicherweise einige Püffe erhalten, so gehe man befriedigt von dannen und freue sich, daß man nicht noch die weiteren abgewartet hat.

Ist man verheiratet, so teile man seiner Frau nicht mit, daß man als Zuschauer eines Auflaufs übel zugerichtet worden sei. Denn die Gattin behauptet sonst, man sei immer da, wo man nichts zu suchen habe, und das kränkt, da es bekanntlich nicht wahr ist. Ist man verhaftet, so suche man um die Erlaubnis nach, nach Hause telephonieren zu dürfen, und telephoniere dann der Gattin, man habe einen guten Freund getroffen, mit dem man zusammen bleibe, sonst behauptet die Gattin, man sei der einzige Mensch, dem so was passieren könne, und dies kränkt wieder, weil es bekanntlich gleichfalls nicht wahr ist.

Ist der Auflauf beseitigt und hat man etwa eine Stunde bei ihm zugebracht, so entferne man sich und begreife die anderen nicht, welche so dumm sind, die schöne Zeit auf diese Weise zu vertrödeln.

In der schönen Winterszeit steht der Damenkaffee in voller Blüte. Wenn auch die Männerwelt dieser so sehr beliebten Erscheinung völlig fernsteht, oder doch wenigstens nur dann und wann und indirekt von ihm schwer geschädigt wird, so möchte ich doch nicht unterlassen, nach bestem Wissen diejenigen Fingerzeige zu publizieren, die mir wichtig scheinen, weil sie auch vielleicht den Damen nützlich sein können.

Man darf den Damenkaffee nicht mit dem Jour fixe verwechseln, da er sich durch die peinlichste Einseitigkeit von diesem abhebt. Der Jour fixe ist eine viel fruchtbarere Institution, weil er beide Geschlechter zuläßt, während der Damenkaffee, wie ja schon der Titel andeutet, ausschließlich von Frauen gebildet wird. Man kann also wohl, wenn man Lust hat, von einem gebildeten Damenkaffee sprechen. Man hat allerdings sehr selten Lust.

Der Damenkaffee hat zwei Seiten, denn als Getränk ist er genießbar.

Den Damenkaffee als weibliche Körperschaft nennt man auch Kaffeeklatsch. Man thut ihm aber Unrecht, denn er ist viel schlimmer.

Man findet den Damenkaffee in allen Schichten der weiblichen Bevölkerung, aber der Unterschied besteht nur in der Güte des Getränks und in der Qualität des dazu herumgehenden Kuchens, der zum Einstippen bestimmt ist. Ob hieraus unter den Damen das Wort Stippvisite entstanden ist, das wissen sie nicht.

Die Thatsache, daß vom Damenkaffee das männliche Geschlecht ausgeschlossen ist, hat wohl darin ihre Erklärung zu suchen, daß die Damen die Konkurrenz der Männer und Jünglinge fürchten, welche auf dem Gebiet des Klatschens gleichfalls sehr leistungsfähig zu sein pflegen, so daß der unlautere Wettbewerb sich nur zu deutlich fühlbar machen würde.

Wenn man naiv ist und von den Damenkaffees nichts weiß, so erinnere man sich daran, daß man eines Tages erfuhr, man sei angeschwärzt, ohne daß man wußte, von wo aus, und ferner auch nicht wußte, wie man sich vertheidigen könne. In dieser Weise hat sich der Damenkaffee bemerkbar gemacht.

Wird man in einem Damenkaffee auf die Tagesordnung gesetzt, so ist man das Gegenteil von dem, was man ist. Ist man solide, so ist man leichtsinnig, ist man ehrlich, so ist man ein Intriguant, hat man eine untadelhafte Vergangenheit, so hat man in jeder Ecke seines Hauses ein Skelett. Ist man zufällig ein Dummkopf, so macht man sich etwas daraus.

Man beauftrage den Diener nicht, jeden Morgen genau nachzusehen, ob einem etwas am Zeuge geflickt ist, wenn man weiß, daß ein Damenkaffee stattgefunden hat, und wenn man ferner weiß, daß Freundinnen daran teilnahmen. So deutlich machen es die Damen nicht.

Wenn beim Damenkaffee erzählt worden ist, man habe ein Liebesabenteuer bestanden, so ärgere man sich, wenn es nicht wahr ist, aber man ärgere sich nur, weil es nicht wahr ist. Nichts trauriger, als vom Klatsch eines Vergehens angeklagt zu werden, welches man nicht begangen hat.

Hört man aus dem Damenkaffee erzählen, man sei heimlich verlobt und habe die allerheimlichsten Zusammmenkünfte, so weiß jeder, daß man das betreffende Fräulein einmal flüchtig gesehen hat.

Es ist Gefahr vorhanden, daß ein Abenteuer, welches man mit einer Teilnehmerin des Damenkaffees besteht, von dieser selbst in Ermangelung eines anderen Stoffes der Unterhaltung und im Drange der Klatschsucht aufs Tapet gebracht wird. Man thut also gut, Damen, welche einem Kaffee angehören, links liegen zu lassen und sich lieber nach einer anderen umzusehen.