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Der moderne Knigge

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Es ist hier nicht der Ort, alle Ehepaare zu fragen, ob eine dann und wann stattfindende Trennung das eheliche Glück empfindlich stören, ja, ob eine solche nicht am Ende gar als eine nützliche Unterbrechung geschätzt werden würde. Eine solche Frage würde schon deshalb keine rechte Bedeutung haben, weil vielen Gatten von ihren besseren Hälften verboten würde, eine ehrliche Antwort zu geben. Trotzdem würde sich ganz gewiß eine imposante Majorität für eine Trennung in den Ferien aussprechen.

Als allzu Verheirateter wird man natürlich vor keine leichte Aufgabe gestellt, wenn man der Gattin und dem etwaigen Kindersegen gegenüber eine Trennung durchsetzen soll. Mit den beschönigenden Redensarten »Toujours perdrix«, »Variatio delectat« und der Versicherung, daß der ewig blaue Himmel nur gewinnen könne, wenn sich einmal für kurze Zeit eine andere Farbe hineinmische, ist wenig gethan, weil sie nicht immer ohne weiteres für ehrlich gehalten werden. Man spiele daher mit dem Arzt unter einer Decke. Ist der Arzt selbst verheiratet, so bedarf es keiner weiteren Motivierung, um die nötige Trennung herbeizuführen.

Hat man diese durchgesetzt, so unterlasse man es nicht, während der Vorbereitungen zur Reise mit Bedauern von dieser Trennung zu sprechen. Dasselbe ist auch der Gattin zu empfehlen. Beide haben dies aber nicht zu übertreiben, damit das Erreichte nicht dadurch gefährdet werde, daß der eine oder der andere Teil im letzten Moment dem Jammer ein Ende macht und sich entschließt, mit in die Verbannung zu ziehen.

Als Ort, wo man die Ferien verbringt, ist kein naheliegender zu wählen, da die Verkehrsmittel heute zu leicht namentlich die Sonntage unsicher machen und die Familie zu Besuchen verführen. Jedenfalls wird es in naheliegenden Ausspannorten die litterarische Aufgabe des Gatten oder der Gattin sein, das Wetter so schlecht zu machen und die vorhandenen Vergnügungen so erbarmungslos herabzusetzen, daß den Adressaten die Lust zur Visite vergeht.

Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, daß nur Männer wegen übermäßiger Ehe nach einer längeren oder kürzeren, meist aber längeren Trennung zu verlangen das Recht oder das Bedürfnis haben sollen. Ist es bisher nicht betont worden, daß ebenso die Frau und ebenso häufig wie der Mann zu der Einsicht gelangen kann und auch thatsächlich zu der Überzeugung gelangt, daß sie fast zu sehr verheiratet sei und daß eine Erholung erfreulich wirken könne, so soll dies hier ausdrücklich geschehen. In der Ehe gilt der Grundsatz: Gleiches Unrecht für alle.

Hört man eine Frau in den Ferien beklagen, daß sie allein in die Sommerfrische geschickt oder allein zu Hause geblieben sei, so stelle man ihr das Zeugnis aus, daß man von ihr höchst taktvoll zum besten gehalten worden sei.

Hört man einen Mann in den Ferien darüber jammern, daß er sich einsam fühle und außer sich darüber sei, daß seine Gattin ohne ihn reiste oder allein zu Hause blieb, so bitte man ihn, daß er sich für seine Komödie einen anderen Dummen aussuchen möge.

Trifft man in der Ferienfrische Strohwitwer, während man selbst mit der Gattin anwesend ist, so suche man sich dadurch einigermaßen schadlos zu halten, daß man die Strohwitwer, wenn man sie in Gesellschaft von Damen trifft, nach dem Befinden ihrer Gattin und Kinder fragt. Es ist ihnen dies meist unangenehm, und das kann doch recht amüsant sein.

Hat der Strohwitwer noch keine Enkel, so frage man ihn auch nach dem Befinden dieser. Es handelt sich doch nur darum, daß man ihm Enkel zutraut, und dies ist ihm gleichfalls sehr fatal. Man entschuldige sich natürlich tausendmal, daß man sich geirrt habe, an der Sache ändert dies durchaus nichts.

Will man den Strohwitwer recht unbefangen ärgern, stören oder ihm die gute Laune verderben, so betrete man, wenn man von seinen Angehörigen spricht, den Weg des unbegrenzten Lobes, man frage nach seiner schönen, mit ewiger Jugend begabten Gattin, schildere seine Töchter als mit verblüffender Bildung ausgestattete Ballköniginnen und sehe in seinen Söhnen die kommenden Männer. Dann ist der Strohwitwer entwaffnet und das vorbereitete Wort Tölpel oder ein ähnliches erstirbt ihm auf der Lippe.

Ist man selbst Strohwitwer, so sei man gegen andere Strohwitwer genau so, wie man von ihnen behandelt sein will. Das ist für sie vorteilhaft, während man selbst keinen Nutzen davon hat, denn es sind immer Männer vorhanden, welche von ihren Frauen keine Eifersucht zu fürchten haben, und gegen solche Männer kann sich kein Strohwitwer schützen. Man kann aber von ihnen sehr viel lernen, denn sie liefern Beweise von großer Schlauheit, wenn sie von ihren Frauen keine Eifersucht zu fürchten haben.

Man findet dann und wann einen Strohwitwer, welcher die Briefe seiner Gattin vorliest. Solchem weiche man aus, weil Briefe, welche vorgelesen werden, nie etwas enthalten, was wert ist, vorgelesen zu werden. Namentlich steht in solchen Briefen nichts, was der Gatte nicht erfahren darf, und alles, was er erfahren darf, ist uninteressant.

Man merke sich endlich, daß einem der »Fremde« nicht mehr geglaubt wird. Ist man also Strohwitwer, so rede man nicht von seinem Fremden, sondern überlasse es jedem Bekannten, an solchen zu glauben. Redet man von ihm, so hält man ihn für ersonnen, um ungestört bummeln zu können und obenein als Opfer der Freundschaft zu gelten. Am allerwenigsten spreche man von einem Fremden in den Briefen an die Gattin, welche dadurch leicht herbeigelockt werden kann und dann nicht wieder zu entfernen ist. Der Fremde erfreut sich überall eines schlechten Rufs, weil er meist eine Erfindung ist. Der erfundene Fremde gilt als ein nichtswürdiges Geschöpf, dem der wirkliche, der doch moralische Grundsätze haben könnte, vorgezogen wird.

Ein Beweis für das Schauderhafte, das sich an die Erscheinung des Fremden knüpft, ist der Umstand, daß noch keine Frau auf die Idee gekommen ist, ihrem Mann brieflich oder mündlich anzuzeigen, sie habe einen Fremden. Noch in keinem Scheidungsprozeß spielte der Fremde einer Frau eine Rolle, der Fremde ist eine Ausgeburt der Männerphantasie.

Der wirkliche Fremde eines Mannes hat die furchtbare Eigenschaft, daß er nicht geführt wird, sondern führt. Der Fremde zeigt einem Manne in dessen eigener Stadt erst alle ihre Schlupfwinkel und Sümpfe und ist daher mit vollem Recht von den Gattinnen gefürchtet.

Wenn ein Fremder eine Stadt als Sündenbabel schildert, so kann man sicher sein, daß er beigetragen hat, sie dazu zu machen.

Eine sehr angenehme Erscheinung in den Sommerfrischen, Kurorten, Strandstädten und Heildörfern sind die Strohwitwen.

Sie beleben den gewöhnlich sehr langweiligen Ort dadurch, daß sie ohne ihre Schuld Grund zu Erzählungen geben, an denen kein wahres Wort ist, besonders wenn sie mit der Versicherung verbreitet werden, daß man es ganz genau wisse. Wird aber das Ehrenwort gegeben, daß die Erzählung wahr sei, dann ist sie sicher unwahr.

Lernt man eine Strohwitwe kennen, so erkundige man sich, ob sie nicht etwa ein Strohfräulein ist. Denn meist ist es sonst zu spät und es ist zu der Witwe dann kein Mann zu finden, der die Rechnungen bezahlt. Dann bezahle man sie, ohne zu fürchten, daß dies als beleidigend zurückgewiesen wird. Nur Mut!Gleich nach dem Vergnügen, eine Strohwitwe kennen zu lernen, erkundige man sich nach ihren Lieblingsblumen und nach ihrem Lieblingskonfekt. Da dies meist die teuersten auf ihrem Gebiet zu sein pflegen, so kann man leicht berechnen, wie viel man täglich spart, wenn man sie sogleich wieder vergißt.

Trifft man in größerer Gesellschaft mit dieser Dame zusammen und bringt sie das Gespräch ganz zufällig auf das Theater, so sage man, das Theater sei total ausverkauft. Es ist dann sicher ein anderer anwesend, welcher sich anheischig macht, mit Hilfe seiner großen Verbindungen noch eine Loge zu bekommen, wie sie die Strohwitwe wünscht. Diese Aufdringlichkeit läßt man sich gefallen, um keine Mißstimmung in den Kreis zu bringen, was allgemein anerkannt wird, auch bei solchen Herren, welche wußten daß überhaupt noch kein Theaterbillet verkauft war.

An Gesprächen über reizende Gegenstände, welche die Strohwitwen in den Schaufenstern namentlich der Juwelierläden gesehen haben, beteilige man sich nicht unter dem ausdrücklichen Bemerken, daß man nichts davon verstehe. Man fange lieber ein Gespräch über neue Erfindungen in der Elektrizität an, von denen man erst recht nichts versteht.

Treffen Verwandte der Dame ein, so störe man sie nicht, auch wenn sie nicht mit ihr allein sein wollen, was man nicht zu wissen braucht.

Wird die Strohwitwe, was anzunehmen ist, während der Sommerfrische von einem Geburtstag erreicht, so sei man diskret und wisse nichts davon. Im Fall sage man den indiskreten Wissenden, daß einer Dame ein Geburtstag immer ein peinliches Fest sei, weil er sie nur in seltenen Fällen jünger zu machen pflege.

Ist man bereits verheiratet, so trete man unerschrocken an die Dame heran, falls sie von einer Tochter umgeben ist. Ich wähle mit Vorbehalt dieses falsche Wort, weil eine Strohwitwe, die eine Tochter zur Seite hat, ungemein umgeben ist. Ist man aber unverheiratet, ohne Praxis im Ausweichen zu haben, und nicht verliebt, so sei man kein Egoist, sondern überlasse den Platz einem Würdigeren, der vielleicht ohnedies unrettbar der Ehe verfallen ist. Dies erkennt man am leichtesten daran, daß man von ihm mit geringschätzenden Blicken betrachtet wird.

Sind der Strohwitwe eines Tages alle verheirateten Männer sehr gleichgültig, so sind nur zwei Fälle möglich: entweder erwartet sie im Laufe des folgenden Tages ihren lieben Gatten oder einer der jungen Männer hat um die Hand ihrer Tochter gebeten. In keinen der beiden Fälle thue man eine schadenfrohe Äußerung.

Man setze sich in den Feriengegenden nicht zu Damen, welche Strümpfe stricken. Man kann Strümpfe für ungemein nützlich und notwendig halten, ohne sie gerne entstehen zu sehen. Aber man kann sie auch dann und wann gerne entstehen sehen, ohne darin eine Vergnügungssucht befriedigen zu wollen. Man achte also das Strümpfestricken hoch, erblicke darin eine gute alte Sitte, störe aber die Damen nicht, damit man plaudernd durch frivoles Ablenken nicht etwa die Verknüppelung des Strumpfs verschulde. Allerdings wird solche Zurückhaltung von den Strickerinnen mißverstanden werden.

 

Anders verhalte man sich gegenüber solchen Damen, welche schreiben- Trifft man, wie es sich wohl von selbst versteht, schreibende Damen, so setze man sich doch lieber zu den Damen, welche Strümpfe stricken, so schwer man sich dazu entschließen mag.

Glaubt man aber, man könne die schreibenden Damen in ihrem unmäßigen Novellendichten stören, so setze man sich zu ihnen. Bliebe dadurch auch nur eine einzige Novelle ungeschrieben, so darf man sich schon dieser Störung als einer Wohlthat rühmen. Aber man wird dies niemals können, denn von den etlichen Millionen Metern Novellen, welche jährlich von Damen geschrieben werden, bleiben nicht zwei Meter ungeschrieben.

Man nehme sich aber wohl in Acht, in einer Damengesellschaft über die Blaustrümpfe etwas Böses zu sagen, denn man verletzt die Hälfte der Anwesenden nicht nur, welche schreiben, sondern auch die andere Hälfte, welche jedenfalls bereits beschlossen hat, nächstens zur Feder zu greifen.

Lernt man eine Dame kennen, von der man sagen hört, sie schriebe keine Novellen, so juble man nicht zu früh, denn es wird sich bald herausstellen, daß es nicht wahr ist.

Wird man von einer Dame eingeladen, eine ihrer Novellen anzuhören, so mißverstehe man und sage dankend, man habe bereits gefrühstückt.

Wird man von einer Dame eingeladen, welche keine ihrer Novellen vorlesen will, so verfahre man ebenso, um auszuweichen, denn sie würde trotzdem eine ihrer Novellen vorlesen.

In der Reihe noch anderer Sommerunterhaltungen nehmen die Extrazüge einen ziemlich hervorragenden Platz ein. Die Extrazüge, Sonderzüge genannt, werden von den Eisenbahnverwaltungen lediglich im Interesse des reiselustigen Publikums eingerichtet, um ihre ohnehin großen Einnahmen zu erhöhen.

Sie sind immer sehr überfüllt, gewähren dem Reisenden kein Freigepäck, behandeln ihn selbst wie ein Stück Gepäck, verbilligen die Reise nur um ein Geringes und werden vom Publikum zum Vergnügen benutzt.

Man stelle sich mit großer Pünktlichkeit auf dem Bahnhof ein, nämlich eine halbe Stunde vor der angekündigten Abgangszeit, um mit aller Bequemlichkeit nicht an den Schalter heranzukommen und nicht in den Besitz einer Fahrkarte zu gelangen.

Hat man dann endlich eine der letzten Fahrkarten erwischt, so beeile man sich, in den Waggon zu kommen, um, da dieser bereits überfüllt ist, einen anderen Waggon zu suchen, in welchem gleichfalls kein Platz vorhanden ist.

Nun wende man sich an den Schaffner, wenn man ihn gefunden hat, und lasse sich von diesem zu den vorderen Waggons schicken. Hier wende man sich an den Schaffner, wenn man ihn gefunden hat, und lasse sich von diesem zu den hinteren Waggons senden. Daselbst wende man sich an den Schaffner, wenn man ihn gefunden hat. Von diesem wird man zu den mittleren Waggons befohlen.

Hat man diesem Befehl Folge geleistet, so steige man in einen bereits besetzten Wagen, lasse sich von dem Schaffner hinaus und in einen anderen Wagen hineinschieben, woselbst man Platz nimmt.

Hier wird gewöhnlich bereits gesungen, da man zwischen die Mitglieder einer Sängertafel geraten ist, aus welchem Grunde man gleichfalls einen Schluck aus der kreisenden Flasche nimmt und mitsingt.

Da, wie Seume behauptet, wo man singet, man sich ruhig niederlassen soll, weil Bösewichter keine Lieder haben, so sei man nicht außer sich, wenn man sehr zusammengepreßt wird und andere Unannehmlichkeiten erdulden muß. Denn die Reisegefährten haben Lieder, sind also keine Bösewichter und meinen es nicht so böse, wie sie aussehen.Es giebt Menschen, welche einen Extrazug benutzen wollen, aber zu spät auf dem Bahnhof eintreffen und nur noch den Zug fortsausen sehen. Dies aber sind besonders begnadete Menschen, Sonntagskinder oder Glückspilze, und wenn man zu einer dieser drei Sorten gehört, so kommt man gar nicht auf den Gedanken, einen Extrazug benutzen zu wollen.

Man habe bei sich, was man braucht, um Hunger und Durst zu stillen, denn auf den wenigen Stationen legt der Extrazug seine Eile nicht ab, und wenn man nicht sehr stark ist, kommt man nicht an das Büffet heran oder nur dann, wenn alles verzehrt ist.

Verrät die Cigarre eines Extrazüglers durch ihren Duft, daß sie entweder eine Rabbi oder eine Mönch sei (s. Heinrich Heine: Disputation, letzte Strophe[Am Ende des »Romanzero«:

Welcher Recht hat, weiß ich nicht —

Doch es will mich schier bedünken,

Daß der Rabbi und der Mönch,

Daß sie alle beide stinken.]

), so lobe man sie und frage den Raucher, woher er das köstliche Kraut beziehe. Denn er würde die Wahrheit, daß man durch den Gestank einer Ohnmacht nahe sei, als eine persönliche Beleidigung auffassen, und man hätte eine Extrazuginjurie, eine besonders schmerzhafte, zu befürchten.Ist auf der Fahrt viel getrunken worden, so trete man unter irgend einem Vorwand auf den Gang und bleibe daselbst bis zum Ende der Reise stehen. Denn wenn einem Gegenübersitzenden schlecht wird, so wird er wahrscheinlich am andern Morgen wieder ganz hergestellt sein, aber man muß doch nicht von allem haben.

Wird man von der Gattin eines gleichfalls nicht ganz nüchternen Extrazüglers etwas gefragt, so antworte man nicht, da seitens des Gatten eine Antwort mißverstanden und als Versuch, die Frau zu einem Treubruch zu verleiten, aufgefaßt werden könnte, was zu peinlichen Auseinandersetzungen führen würde. Man schone also die Empfindlichkeit des Mitreisenden, dessen Fäuste man sich bei dieser Gelegenheit nicht zu flüchtig ansehe.Stimmen die Extrazügler »die Wacht am Rhein« an und niemand kennt den Text der sechs Strophen außer dem der ersten, so mache man darüber keine abfällige Bemerkung, denn man kennt ihn selber nicht.

Ist man mit Reisegeld gut versorgt und kommt mit einem elegant gekleideten Extrazügler in ein Gespräch, in dessen Verlauf man von diesem eingeladen wird, sich seiner Führung am Ziel der Fahrt anzuvertrauen, so kann man gar nicht so viel Reisegeld bei sich haben, als man im Kümmelblättchen verliert, zu welchem man von dem Herrn animiert werden wird.

Macht man die angenehme Bekanntschaft einer alleinstehenden Extrazüglerin, welche Verwandte besuchen will, von denen sie nicht am Bahnhof erwartet wird, sich aber dennoch erbitten läßt, die Begleitung bis zur Stadt anzunehmen, so wird man sie nicht wieder los, da sie sich auf dem Wege zur Stadt entschließt, ihre Verwandten nicht aufzusuchen, sondern lieber mit ihrem Begleiter zu speisen und mit ihm ins Theater zu gehen. Wird man dann zum Abschied von ihr umarmt, so halte man eine Hand am Taschenbuch, in welchem man das Reisegeld hat, und die andere Hand an der Uhr. Was man dann vermißt, ist nicht so wertvoll.

Ist man am Ziel der Reise angelangt, so prahle man namentlich in Wirtshäusern nicht mit dem Hinweis darauf, daß man mit dem Extrazug eingetroffen sei. Denn dies ist nicht nur keine Eigenschaft, mit der man prahlen kann, sondern man würde auch bei den Kellnern keines Ansehens genießen, da der Extrazügler im allgemeinen als ein Freund ökonomischer Lebensführung gilt, der z. B. im Trinkgeldgeben von Prinzipien und Vorurteilen geleitet wird.

Will man im Hotel nicht mit Begeisterung empfangen werden, so fahre oder gehe man direkt nach der Ankunft dahin und bitte um ein Zimmer. Der Hotelwirt erwartet die Extrazügler schon seit gestern mit einer gewissen Furcht.

Beginnt man Schlösser und Museen zu durchrennen, so achte man genau auf die Erklärungen des die Opfer der Schaulust führenden Beamten und merke sich die oft so feinen Dummheiten seiner Bemerkungen. Dies hat man aber nicht nötig, wenn man historische Reliquien und ganz alte Vorfahrenporträts für interessanter als solche Bemerkungen hält, worüber man vom Arzt das Nähere erfahren kann. Unheilbar ist es nicht.

Stehen in den Schlössern und Museen viele Kleinigkeiten umher, die sich leicht einstecken und transportieren lassen, und steckt man solche ein, so ist man ein Dieb, wenn man erwischt wird. Kommt es aber heraus, so ist man statt dessen ein an der Kleptomanie leidender Mann, der allgemein bedauert wird und auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht werden muß. Man bezwinge sich indessen lieber, denn man wird doch sehr leicht erwischt, und es ist auch nicht sicher, daß angenommen wird, man leide an der Kleptomanie. Man beschränke sich also darauf, einige Bemerkungen des erklärenden Führers mitzunehmen, welche, wie gesagt, hübscher sind, als die Gegenstände, auf die sie sich beziehen.

Man zeige auf solchen Durchquerungen der Schlösser und Museen nicht, daß man reichlich mit Geld versehen sei. Denn man wird in solchen Fällen nur zu oft von einem alten Bekannten begrüßt, den man niemals im Leben gesehen hat.

Folgt man solchem alten Bekannten, den man niemals im Leben gesehen hat, so nehme man die Fahrkarte aus dem Portemonnaie und stecke sie in die Westentasche, um sicher zu sein, die Rückreise antreten zu können, ohne eine Fahrkarte kaufen zu müssen. Denn wenn das Portemonnaie mit der Fahrkarte abhanden kommt, so wird diese vom unehrlichen Finder mit zum baren Gelde berechnet und billig verkauft.

Da eine Fahrt mit dem Extrazug mehr als jede andere anstrengt, so verpflege man sich gut und lege sich namentlich im Essen und Trinken keine Entbehrungen aus. Einen Aschinger findet man heute schon in allen namhaften Städten.

Will man einen wirklichen Kunstgenuß haben, so gehe man nicht ins Theater, da daselbst in der Zeit der Extrazüge, wenn überhaupt gespielt wird, nur das älteste Repertoire zur Herrschaft gelangt. Man erkundige sich daher, ob in der Stadt ein Spezialitätentheater existiere und vermeide auch dies.

Hat man sich der leichteren Beweglichkeit halber in der Eigenschaft als Extrazügler mit möglichst wenig Gepäck versehen, so schone man trotzdem die Papierwäsche nicht, welche schon am zweiten Tag nicht mehr recht sauber zu sein pflegt. Man werfe sie aber nicht fort, sondern verwende sie zum Aufzeichnen der Reiseeindrücke und Erlebnisse, welche Notizen sich später zu Feuilletons verarbeiten lassen.

Hat man auf diesem litterarischen Felde einen Namen und wird um Autographen ersucht, so bediene man sich dazu sauberer Papierwäsche. Dies ist höchst originell.

Ist der Extrazug sehr lang und wird dadurch ein Eisenbahnzusammenstoß herbeigeführt, so sei man ganz ruhig. Denn die Direktionen haften mit ihrem ganzen Vermögen für die Folgen. Hat man sich aber gegen Eisenbahnunfall mit einer größeren Summe versichert und rechnet man auf diese, so sei man noch ruhiger, denn alsdann geschieht kein Unglück.Wenden wir uns von solchen Herdenmenschen zu denjenigen Sonderlingen, welche die Einsamkeit aufsuchen, indem sie sie als ein unabweisbares Bedürfnis empfinden. Sie streben sie an und finden sie wohl auch, aber dann ist es nicht die Einsamkeit.

Goethe läßt seinen Harfenspieler singen: »Wer sich der Einsamkeit ergiebt, ach! der ist bald allein.« Dies ist indes in Zweifel zu ziehen. Keinenfalls ist der lange allein. Selbst wenn ein Harfenspieler sich der Einsamkeit ergiebt, so thut er dies in der Überzeugung, bald nicht mehr allein zu sein, so wenig man verlangen mag, zu den Zuhörern zu gehören. Aber auch, wenn man nicht Harfenspieler ist, darf man überzeugt sein, daß es eine schwere Aufgabe ist, eine Einsamkeit finden und genießen zu können.

Hat man das seltene Glück, einen echten Einsiedler aufzutreiben, so wird man dahinterkommen, daß man einen sehr geselligen Herrn kennen gelernt hat, der auch, wenn man ihm etwas giebt, sehr mitteilsam wird. Er empfängt Besuch aus der Umgegend und ist außer sich, wenn solcher ausbleibt, denn er haßt die Menschen nur, wenn sie nicht da sind, weil er von ihnen und nicht von Heuschrecken lebt. Das Heuschreckenessen ist eine Fabel, der Einsiedler pflegt ein Feinschmecker zu sein.

Wer es mit der Einsamkeit ernst meint, wird sie natürlich finden, um dann bald einzusehen, daß er in das Gegenteil geraten ist.

Schon bei der Ankunft in der Einsamkeit lernt man die Wirtsleute und deren Verwandte als biedere Menschen kennen, welche Anschluß suchen, während des Winters viel allein waren und sich freuen, nun jemand gefunden zu haben, mit dem sie sich aussprechen können. Dies beginnt schon am ersten Abend.Da der Ort, in welchem man sich der Einsamkeit erfreuen will, so schön gelegen zu sein pflegt, so wird er von vielen Passanten gestreift, unter denen man Bekannte findet, die man nicht verletzen will und daher bittet, einige Zeit zu verweilen, wodurch die Einsamkeit angenehm belebt wird.

 

Befinden sich unter diesen Passanten Männer, welche gleichfalls die Einsamkeit aufsuchen, so ist der Skatpartie die Bahn geebnet.

Der Einsame sei anderen Einsamen gegenüber möglichst taktvoll und zwinge sie nicht, länger zu bleiben, als sie ihre Einsamkeit zu unterbrechen wünschen. Man sage sich, wie man selbst es beurteilen würde, wenn jemand allein zu sein wünscht und es nicht durchsetzen könnte, einen Besuch zu beenden.

Man wird die Einsamkeit besonders angenehm finden, wenn man den Besuchern in irgend einem Kartenspiel ziemlich viel abgewinnt. Gewinnen dagegen die Besucher, so werden diese die Einsamkeit ihres Freundes verwerfen und ihm versprechen, morgen wiederzukommen.

Taucht im Laufe der Unterhaltung bei dem einen oder andern die Idee auf, einen Klub der Einsiedler zu gründen, so trete man diesem nur unter der Bedingung bei, daß man ohne weiteres wieder austreten könne, wenn sich mehr als fünfzig Mitglieder zusammenfinden und infolgedessen der Lärm zu groß wird.

Findet man, daß die ländliche Einsamkeit durch die Gesellschaft zu eintönig geworden, so unternehme man in der tiefsten Verschwiegenheit eine Fahrt in die nächste größere Stadt und steige daselbst unter fremdem Namen in einem Hotel ab, aber nur dann, wenn man das schauspielerische Talent hat, sich zu verleugnen, falls man beim Eintreffen sofort erkannt und begrüßt wird, was nicht zu vermeiden ist.Ist man verheiratet und hat allein die Einsamkeit aufgesucht, so teile man vor der Abfahrt in die größere Stadt der Gattin mit, daß man sich daselbst nur so lange aufhalten werde, als nötig ist, ihr etwas aus der Einsamkeit mitzubringen. Dies wird zwar nicht geglaubt, versöhnt aber zugleich.

Mit der weiblichen Bedienung der Einsamkeit kann man nicht vorsichtig genug sein, da sie durch vorangegangene Einsamlinge schon gewitzigt zu sein pflegen.

Ist man Radler, so nehme man das Zweirad nicht in die Einsamkeit mit, da der Zweiraddieb aus der Umgegend dahin zu kommen pflegt.

Will man eine ganz ernsthafte Einsamkeit schaffen, so schildere man dem ersten Besucher eine finanzielle Krisis, in der man sich befinde, und fordere ihn auf, zu ihrer Hebung beizutragen. Dies verbreitet sich wie ein Lauffeuer, und bald wird kein Mensch mehr die Schwelle des Einsamen überschreiten, wenn man keine Gläubiger hat.

Eine Hauptsache für das persönliche Behagen ist und bleibt das Sommerwetter und wie man es auszunutzen und sich gegen seine Unbill zu schützen weiß. Hat man kein Vertrauen zu der Falbschen Prognose, so kann man auch ohne solches vielfach getäuscht werden, weshalb zu raten ist, daß man im Gegenteil ein Anhänger der Falbschen Theorie werde, damit man für eigene Irrtümer eine Entschuldigung habe, und weil der Laubfrosch, falls man einen solchen aufgestellt haben sollte, nicht des wissenschaftlichen Ansehens genießt und nur als tüchtiger Fliegenfänger anerkannt wird.

Zuverlässiger als der Laubfrosch ist der Regenschirm. Ist man ohne solchen ausgegangen, so ist ein plötzlicher Niederschlag zu erwarten, obschon es auch trocken bleiben kann, und hat man den Regenschirm mitgenommen, so bleibt es wahrscheinlich trocken, obschon es auch zu regnen anfangen kann.

Hat man einen neuen Hut, so ist ein hartnäckiger Landregen zu erwarten, als habe man einen neuen hellen Anzug angelegt. Wird man hierauf aufmerksam gemacht, so entferne man sich nicht zu weit von einem Wirtshaus, in welchem man beim Eintritt eines Unwetters eine Flasche Wein findet, die natürlich nicht zu trinken ist und daher einen längeren Aufenthalt im Wirtshaus möglich macht.

Bekommt man auf die Frage, ob das Wetter schön und trocken bleibe, eine bejahende Antwort, so gehe man auf die Gefahr hin, die Bejahenden zu beleidigen, nicht ohne Regenschirm aus, da sie nicht naß würden, wenn man ohne Regenschirm ausgegangen wäre und ein Platzregen einträte, während sie zu Hause blieben.

Bekommt man auf die Frage, ob es regnen wird, eine bejahende Antwort, so nehme man trotzdem den Regenschirm und Regenmantel mit, denn die Bejahenden könnten Recht haben.

Ist es sehr schwül und ist man kein Freund großer Hitze, so freue man sich, ablehnen zu können, wenn man zu einer Vergnügungsstrapaze eingeladen wird. Hierher gehören das Bergsteigen, das Tanzen, das Dichten, das Gesellschaftsspiel, das Photographiertwerden und das Vorlesen.

Befindet sich in der Gesellschaft ein liebenswürdiger Onkel, der sich als Athlet einen gefürchteten Namen gemacht hat, so entferne man sich, wenn er Kinder dadurch angenehm zu unterhalten sucht, daß er sie in die Luft wirft und wieder fängt und den Zuschauern andere Beweise seiner schönen Kraft liefert. Denn gewöhnlich passiert ein Unglück, oder man wird nervös. Hat man selbst Kinder, so nehme man sie mit fort, und dann halte man sie von jeder Gesellschaft fern, in welchen sich dieser Knote befindet, der sicher, ohne es zu wissen, schon etliche Kinder verkrüppelt hat.

Hier wäre es vielleicht am Platz, etwas über Kinderspiele zu sagen, zu welchen das schöne Sommerwetter die Veranlassung bildet und zu denen Männer wie der bezeichnete Athletenonkel die Kinder ermuntert.

Schlägt er das spanisch-amerikanische Kriegsspiel vor, so verbiete man ihm dies und zwar, wenn nötig, grob, da diejenigen Knaben und Mädchen, welche die spanische Armee bilden, körperlich verletzt werden.

Auch realistische Komödien, so modern und beliebt solche sind, lasse man die Kinder nicht spielen, da gewöhnlich die kleinen Mädchen, welche die Frauen darstellen, zu sehr mißhandelt werden.

Was die Kindergarderoben betrifft, so brauchen diejenigen Mütter, welche ihre Kleinen gerne dem allgemeinen Gelächter preisgegeben sehen, wenig an deren Anzügen zu ändern, sondern sie nach wie vor genau nach den Vorschriften der Modeblätter zu kleiden.

Ist man eine dieser Mütter und hat kein Auge dafür, daß die Kleinen ausgelacht werden, so darf man auch überzeugt sein, daß man es von den Kleinen nicht erfährt, da diese es natürlich nicht merken, und also können die Kleinen ja so bleiben.

Hält sich eine Dame über die Garderobe der Kinder einer anderen Dame auf, so darf man überzeugt sein, daß ihre eigenen noch schlimmer angezogen sind, ohne daß sie es bemerkt. Man erzähle solchen Müttern die unwahre Begebenheit, welche sich neulich im Zoologischen Garten zugetragen habe. Ein Wärter habe ein so auffallend grotesk angezogenes Kind in der Meinung, es sei dem Affenhaus entsprungen, eingefangen und ins Affenhaus getragen. Aber auch diese Erzählung, die man auch aus dem Affentheater mitteilen kann, wird nichts nützen.

Glaubt man im Sommer, daß man sich vom Mittag an nicht genug wird langweilen können, so gehe man in das Frühkonzert, durch welches in größeren Städten die Inhaber öffentlicher Gärten schon in der Frühe die Bewohner an das Geldausgeben gewöhnen.

Wenn man in einer größeren Stadt während des ganzen Tages das Bedürfnis, Lärm zu hören, nicht vollständig zu befriedigen vermag, so beginne man den Tag mit dem Besuch eines Frühkonzerts, in welchem von einem halbwegs gut besetzten Orchester, sowie vom Publikum und von den Kellnern so viel Spektakel gemacht wird, daß man das Etablissement befriedigt, d. h. zur Genüge betäubt, verlassen kann.

Wer sich darüber beklagt, daß der Tag in einem Frühkonzert zu still begonnen habe, der spreche mit einem Ohrenarzt, welcher ihm vielleicht den Rat erteilen wird, mit einem Psychiater zu sprechen.

Man frage einen Musiker vom Frühkonzertorchester, ob er sich gern in einem Frühkonzert befinde, und er wird antworten, daß er das Publikum für verrückt halte.